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Der Aufschwung, den Dank Franziskus und seinem Orden der Kultus des Kreuzes genommen, äußert sich auf dem Gebiete der Kunst nicht allein in der neuen Gestaltung des Kruzifixes und der Passionsszenen, die wir oben ins Auge gefaßt haben, sondern auch in einigen allegorischen Verherrlichungen. Leider ist das merkwürdigste Denkmal dieser Art, die nach Vasari von Stefano, dem vortrefflichsten Schüler Giottos, gemalte Glorie in der Tribuna der Unterkirche zu Assisi nicht erhalten geblieben, und die auf uns gekommenen Beschreibungen genügen nicht, uns eine deutliche Vorstellung von der Komposition zu geben, aber einige andere Darstellungen gewähren uns einen neuen Einblick in die Franziskaneranschauungen.
»Dann ging er nach Assisi«, erzählt Vasari von Stefano, »und begann in Fresko eine Darstellung der himmlischen Glorie, in der Nische der Hauptkapelle der Unterkirche von S. Francesco, wo der Chor ist; und, obgleich er sie nicht vollendete, sieht man doch in dem, was er gemacht, so große Sorgfalt angewandt, daß man sie größer gar nicht verlangen könnte. Man sieht in diesem Werke einen Kreis von Heiligen beiderlei Geschlechtes begonnen, von so schöner Mannigfaltigkeit in den Zügen der Jünglinge, der Männer mittleren Alters und der Greise, daß man es nicht besser sich wünschen könnte: und diese seligen Geister lassen eine ausnehmend süße und so einheitliche Behandlung erkennen, daß es fast unmöglich scheint, daß sie in jenen Zeiten von Stefano angewandt sei, und doch hat er es gemacht. Gleichwohl sind von den Figuren diesese Kreises nur die Köpfe vollendet; über ihnen ist ein Chor von Engeln, die mannigfach und spielend bewegt sind und mit Geschick theologische Figuren in den Händen tragen; sie alle sind nach einem gekreuzigten Christus hingewandt, der sich in der Mitte des Werkes befindet, oberhalb des Kopfes eines h. Franziskus, der in der Mitte einer unzähligen Menge von Heiligen steht. Außerdem machte er in den das ganze Werk säumenden Friesstreifen einige Engel, deren jeder in der Hand eine von jenen Kirchen trägt, von denen der h. Johannes Evangelista in der Apokalypse schreibt; und diese Engel sind mit solcher Anmut ausgeführt, daß ich staune, wie in jenem Zeitalter sich einer gefunden, der es so gut verstanden. Es begann Stefano dies Werk mit aller Vollkommenheit auszuführen und es wäre ihm gelungen; aber er wurde gezwungen, es unvollendet zu lassen und nach Florenz einiger Geschäfte von Wichtigkeit wegen zurückzukehren« Vasari I, S. 450 f..
Eine ausführlichere, aber sehr wirre und undeutliche Schilderung fand ich in der alten Manuskriptbeschreibung. Dieser zufolge wäre das Fresko, das seiner Stilähnlichkeit mit Giottos Werken wegen vielfach diesem selbst zugeschrieben werde, ein Werk des Puccio Capanna und zeige einen Fortschritt gegenüber Giotto namentlich in der besseren Zeichnung der Köpfe. Erwähnt wird zunächst, daß das Kruzifix mit zwei Flügeln versehen war, und daß über ihm eine Art von Weltkugel mit drei Kreisen nach Art eines Astrolabiums sich befand. An den Kreisen waren Flügel und die Inschriften: INRI, A und O und T. Ebenso befand sich eine weltkugelartige Scheibe, in der eine wie ein Weihrauchfaßdeckel gestaltete Krone zu sehen war, zu Füßen des Kreuzes und dieselbe ward von zwei schwebenden Engeln getragen. Darunter nun steht Franziskus inmitten von je etwa 40 Heiligen, von denen, wie es scheint, nur die Köpfe ausgeführt waren. Unter ihnen wird ein Bischof mit einem Diadem, ein Bruder mit einem Diadem, der mit dem Kopf nach unten herabzuschweben scheint und einen Kelch hält, erwähnt, ferner einer, der eine Königskrone hält, einer, der mit einer Feder in die Hand zu schreiben scheint. Dann werden Engel genannt: wo sie sich befanden, ist schwer herauszufinden. Einer derselben hält eine Kirche und eine Scheibe, die wie ein Spiegel oder heiliges Antlitz aussieht, ein anderer ein Tuch, ein dritter einen Stuhl. Im Fries sind halbfigurige Engel, in der Art von Cherubim mit sechs Flügeln, die verschiedene Arten Kirchen halten. Am Eingangsbogen waren acht Medaillons mit folgenden Halbfiguren:
Den tieferen Sinn dieser Kreuzesallegorie aufzufinden, ist mir nicht gelungen. Die Schriften der Franziskaner haben mir keinen Aufschluß gewährt. Aber selbst der sehr gelehrte Minorit Rodulphus, der mit den Ideen des Ordens doch sicher vertraut war, sagt bei seiner Beschreibung von San Francesco: »Im Chor der Hauptkapelle ist ein treffliches Gemälde, was nach einigen von der Hand und Erfindung des Puccio Capanna sein soll, und von niemand bisher, so viel ich weiß, hinreichend verstanden worden ist« Hist. Ser. Rel. lib. II, auf einer der folgenden Seiten nach p. 247..
Irrtümlicherweise hat man bisher die Kreuzesallegorie, die Taddeo Gaddi im Refektorium von S. Croce zu Florenz gemalt hat und jene andere, die sich in dem von S. Francesco zu Pisa befindet, eine Darstellung der Wurzel Jesse genannt. Auf den ersten Blick erinnert allerdings der Kreuzesbaum mit seinen Zweigen an die Darstellungen dieser, aber bei näherer Betrachtung und vergleicht man einige andere ähnliche Bilder, bemerkt man, daß man es hier mit etwas ganz anderem zu tun hat. Es ist eine Allegorie des Holzes des Lebens, von dem die Offenbarung Johannes spricht cap. XXII, 2: »Mitten auf ihrer Gasse und auf beiden Seiten des Stroms stand Holz des Lebens, das trug zwölferlei Früchte, und brachte seine Früchte alle Monate; und die Blätter des Holzes dienten zu der Gesundheit der Heiden.« Schon frühe hatte man in der christlichen Kirche begonnen, eine geheime Beziehung zwischen dem Lebensbaum des Paradieses und dem Kreuze Christi zu finden Vgl. Piper: Der Baum des Lebens. Berlin 1863. (Aus dem Evangel. Kalender.). Aus dem 12. Jahrhundert ist ein darauf bezüglicher Hymnus des Adam von St. Victor erhalten, eine eigentlich ausgeführte allegorische Behandlung aber erfuhr der Gedanke erst durch das »lignum vitae«, eine Schrift des Bonaventura, in welcher dieser das Leben Christi betrachtet, und auf diese Schrift gehen die erwähnten Bilder zurück, wie sie selbst es bezeugen Bonav. Opera. Bd. XII.. Findet sich doch am Fuße des Kreuzes die Figur des Bonaventura, der im Begriffe steht, auf einen Zettel seine Betrachtungen niederzuschreiben. Der Apokalypse folgend denkt Bonaventura sich einen Baum mit zwölf Zweigen: jeder Zweig trägt vier Früchte, und jede Frucht bedeutet einen Vorfall aus Christi Leben. Ganz entsprechend ist der Baum in der Kunst dargestellt worden. Von dem Kreuze, an welchem Christus hängt und über dem das Sinnbild des Pelikans angebracht ist, gehen auf jeder Seite sechs Zweige aus, die mit den auf Bonaventura bezüglichen Inschriften versehen sind und Früchte tragen. Da die Anordnung der letzteren, sowie die sonstigen Zutaten auf den einzelnen Bildern verschieden sind, müssen wir diese besonders betrachten.
Das älteste Denkmal ist ein altertümliches Bild in der Akademie zu Florenz, das man auf den ersten Blick in das 13. Jahrhundert setzen möchte, gewahrte man nicht bei näherem Zusehen, daß sich in der Zeichnung bereits der Einfluß Giottos geltend macht. Offenbar ist es von einem Künstler gefertigt, der, obgleich ein Zeitgenosse von jenem, doch mit den älteren Traditionen noch nicht gebrochen hat. Es ist nicht unmöglich, daß er mit jenem Pacino di Buonaguida zu identifizieren ist, der eine Tafel: »Christus am Kreuze zwischen Maria und Johannes«, jetzt gleichfalls in der Akademie (ebds. N. 18), gemalt hat Darauf machte mich Herr Baron E. von Liphardt aufmerksam. Das Bild des Pacino ist bezeichnet: Symon Prbter S. Flor. pigi h op' a Pacino Bonaguide Ano dni MCCCX. Wie ich glaube, lassen sich noch die Spuren von zwei folgenden X bemerken, so daß die Jahreszahl 1330 zu lesen wäre.. Die charakteristischen Merkmale der Typen: eine vortretende Stirn, auffallend klobig an der Kuppe verdickte Nasen, auch die Formen der kurzfingrigen Hände kehren in beiden Bildern wieder, nur daß sie auf dem bezeichneten, das demnach später anzusetzen wäre, noch stärker ausgebildet sind. Wie ich vermute, stammt die Darstellung des Lebensbaumes aus einem Klarissinnenkloster.
Es ist eine sehr eingehende Illustration der Bonaventuraschen Schrift. Ganz unten sind die Szenen aus der Geschichte der ersten Eltern, welche unter dem Baume der Erkenntnis spielen, dargestellt: wie Gott Adam, wie er Eva schafft, wie er ihnen verbietet von den Früchten zu essen, wie sie, allein gelassen, versucht werden, wie Eva dem Adam den Apfel reicht, wie sie vor Gott fliehen, wie der Engel sie vertreibt. Dazwischen sieht man an der siebenten Stelle den Brunnen, aus dem die vier Paradiesesströme kommen. Darüber erhebt sich nun der Kreuzesbaum, neben dessen Fuße links Moses sitzt und Franziskus mit einem Zettel kniet Mit der Inschrift: mi absit gloriari nisi in cruce domini nostri., rechts Johannes der Evangelist als Verfasser der Offenbarung mit einem Zettel sitzt und die h. Chiara kniet. In der Mitte unter der Wurzel in einer Höhle befand sich eine jetzt weggekratzte Heiligenfigur, vermutlich Bonaventura. An jedem der zwölf Zweige des Baumes aber hängen an Stelle der Früchte vier Medaillons, in denen immer je eine Begebenheit aus Christi Leben in miniaturartiger Weise wiedergegeben ist. Die Geschichte beginnt mit dem untersten Zweige links, setzt sich auf dem entsprechenden rechts fort, geht auf den zweiten links über und steigt so allmählich zur Höhe empor. Die Darstellungen entsprechen Bonaventuras 48 Früchten.
I. Zweig links, bezeichnet: praeclaritas originis.
1. Bonaventura: Jesus ex Deo genitus. Gott auf dem Thron läßt aus seiner Brust die kleine Figur Christi in Strahlen nach Maria in Nr. 3 ausgehen.
2. B.: Jesus praefiguratus. Links erscheint Gott im Fluge, auf einem Felsen die kleine Figur Christi, rechts stürzt eine heidnische Götzenstatue zusammen.
3. B.: Jesus emissus coelitus. Die Verkündigung. Links steht der Engel, rechts Maria, an deren Hals der kleine Christus hinaufklettert. Rechts die Heimsuchung.
4. B.: Jesus e Maria natus. Maria kniet an der Krippe, in der das Kind liegt. Vorn sitzt Joseph. Hinten erscheint der Engel den Hirten.
I. Zweig rechts, bezeichnet: humilitas conversationis.
5. B.: Jesus conformis patribus. Ein Priester beschneidet den Knaben, den Maria auf dem Altare hält.
6. B.: Jesus tribus magis monstratus. Die drei Könige vor dem Kinde, der älteste reicht kniend ein Gefäß.
7. B.: Jesus submissus legibus. Die Darstellung im Tempel. Maria reicht den Knaben an Simeon.
8. B.: Jesus regno fugatus. Der Kindermord. Links Herodes auf dem Thron. Ein Soldat spießt ein Kind. Rechts gehen Joseph und Maria fort.
II. Zweig links, bezeichnet: celsitudo virtutis.
9. B.: Jesus baptizatus. Johannes tauft kniend den im Jordan stehenden Christus. Rechts geht Christus in die Wüste.
10. B.: Jesus ab hoste tentatus. 3 Engel beten auf dem Berge Christus an. Unten liegt der Teufel.
11. B.: Jesus signis mirificus. Heilung eines Blinden und der Teich von Bethseda.
12. B.: Jesus transfiguratus. Christus steht zwischen Moses und Elias. Vorn liegen die drei Jünger.
II. Zweig rechts, bezeichnet: plenitudo pietatis.
13. B.: Jesus pastor sollicitus. Links kniet Christus auf einem Berge, vor dem drei Jünger stehen. Rechts geht er begleitet von vier Tieren: Hirsch, Hase, Widder und Bär.
14. B.: Jesus fletu rigatus. Christus erweckt den im Grabe sitzenden Lazarus. Leute heben den Deckel ab.
15. B.: Jesus rex orbis agnitus. Christus reitet auf dem Esel auf das Tor von Jerusalem zu. Leute breiten Kleider vor ihm aus.
16. B.: Jesus panis sacratus. Christus feiert das Abendmahl. Links vorn wäscht er Petrus die Füße.
III. Zweig links, bezeichnet: confidentia in periculis.
17. B.: Jesus dolo verumdatus. Judas empfängt von zwei sitzenden Leuten den Sündensold.
18. B.: Jesus orans prostratus. Christus spricht vorn mit den zwölf liegenden Jüngern. Dahinter liegt er betend und Blut schwitzend auf der Erde.
19. B.: Jesus turba circumdatus. Während Judas ihn küßt, wird er gefangen genommen.
20. B.: Jesus vinculis ligatus. Links hängt Judas, an dem ein Teufel zerrt. Rechts führt ein Soldat Christus fort, dem Petrus folgt.
III. Zweig rechts, bezeichnet: patientia in: (? unleserlich).
21. B.: Jesus notis incognitus. Er steht von Soldaten gehalten vor Pilatus. Links sprechen zwei Leute mit dem sitzenden Petrus.
22. B.: Jesus vultu velatus. Er steht von Soldaten gehalten vor Pilatus. Ein Knecht schlägt ihn.
23. B.: Jesus Pilato traditus. Er steht in weiß gekleidet, von Soldaten gehalten, vor Pilatus. Links Petrus.
24. B.: Jesus morte damnatus. Zwei Männer geißeln ihn an der Säule. Rechts sitzt auf dem Thron Pilatus mit Zettel.
IV. Zweig links, bezeichnet: constantia (folgendes unleserlich).
25. B.: Jesus spretus ab omnibus. Er sitzt links. Zwei Männer verehren ihn kniend, zwei andere drohen mit den Fäusten. Rechts trägt er das Kreuz.
26. B.: Jesus cruci elevatus. Christus am Kreuz. Links stehen Maria und Johannes, rechts ein Mann mit Schild, der mit drei andern spricht. Ein kniender Mann schlägt den Nagel durch Christi Füße.
27. B.: Jesus junctus latronibus. Am Kreuze zwischen den beiden Schächern. Links Maria, rechts Johannes.
28. B.: Jesus felle et aceto potatus. Am Kreuze zwischen Maria und Johannes. Maria reicht ihm den Ysop.
IV. Zweig rechts, bezeichnet: victoria in (folgendes Wort unleserlich).
29. B.: Jesus sol morte pallidus. Am Kreuz. Oben Sonne und Mond verdunkelt. Links spricht Johannes mit Maria, rechts ein erstaunt aufschauender Mann und zwei Soldaten.
30. B.: Jesus translanceatus. Am Kreuze. Links Maria und Johannes und betend zu ihm aufschauender Mann. Rechts Longinus und anderer Soldat.
31. B.: Jesus cruore madidus. Maria und Magdalena sitzend halten den Leichnam auf dem Schoße. Petrus hält seine Füße, Johannes seine Hand. Dahinter zwei andere Frauen. Oben die Halbfigur Christi zwischen zwei Engeln.
32. B.: Jesus intumulatus. Am Sarkophage sitzen drei Wächter schlafend.
V. Zweig links, bezeichnet: Resurrectionis novitas.
33. B.: Jesus triumphans mortuus. Christus, in der Linken Fahne, zieht einen alten Mann und eine Frau aus dem Limbus.
34. B.: Jesus resurgens beatus. Vorn sitzt der Engel auf dem Grabe, an dem drei Wächter schlafen. Hinten segnet Christus die kniende Magdalena.
35. B.: Jesus doctor praecipuus. Christus, einen eigentümlichen Stab in der Hand, steht zwischen vier Jüngern auf einem Berge.
36. B.: Jesus orbi praelatus. Er segnet vier vor ihm kniende Jünger, deren vorderster ein offenes Buch hält.
V. Zweig rechts, bezeichnet: Ascensionis sublimitas.
37. B.: Jesus ductor exercitus. Er erscheint in der Höhe segnend in runder Mandorla, unten acht Brustbilder von Aposteln.
38. B.: Jesus coelo levatus. Er sitzt segnend auf einem von fünf Engeln gehaltenen Throne, links Maria. Unten nahen fünf Heilige betend (Brustbilder).
39. B.: Jesus largitor spiritus. Pfingstfest. Petrus sitzt in der Mitte von 10 Jüngern. Rote Zungen und Strahlen kommen von oben.
40. B.: Jesus laxans reatus. Oben Brustbild Christi in Glorie. Unten die Brustbilder der Maria und der Apostel, über denen rechts ein Dämon in der Luft schwebt.
VI. Zweig links, bezeichnet: Equitas judicii.
41. B.: Jesus testis veridicus. Er sitzt segnend mit Buch in einer Mandorla. Links und rechts je ein posaunender Engel. Unten stehen die Toten aus den Särgen auf.
42. B.: Jesus judex iratus. Er erscheint in Mandorla zwischen zwei Brustbildern von Aposteln. Links nackte anbetende Selige, rechts Teufelsrachen, in dem die Verdammten.
43. Jesus victor magnificus. Er erscheint wie dort, beide Hände gesenkt, zwischen zwei Aposteln. Die mit Ketten umwundenen Verdammten werden nach unten einem teuflischen Ungeheuer zu gerissen.
44. B.: Jesus sponsus ornatus. Er krönt die neben ihm sitzende Maria. Unten die zwölf Apostel.
VI. Zweig rechts, bezeichnet: Eternitas regni.
45. B.: Jesus rex regis filius. Er befindet sich inmitten der kreisförmig angeordneten Apostel, unter denen Maria.
46. B.: Jesus liber signatus. Er sitzt links oben mit Buch, rechts noch einmal die Hand erhebend. Unten sieben Apostelköpfe sichtbar.
47. B.: Jesus fontalis radius. Er schwebt in der Luft, unten neun Apostelköpfe und Maria.
48. B.: Jesus finis optatus. Hier geht der letzte Zweig, statt in einem Medaillon zu enden, nach oben in einer die ganze Breite der Tafel einnehmenden Komposition aus, welche das Ganze krönt: die Himmelsglorie. Das Holz bildet gewissermaßen das große Gestühl, auf dem in drei Reihen hintereinander Heilige, immer durch einen Engel getrennt, wie auf Orcagnas Bild in S. Maria novella, sitzen. Darüber thront rechts Christus, die Rechte erhebend, die Linke auf dem Buche, links Maria die Hände erhebend. Ihnen zunächst befindet sich ein jugendlicher Heiliger, in dem vielleicht Franziskus zu sehen ist, zwischen zwei großen Seraphim.
Ausführlicher dürfte das Leben Christi selten geschildert worden sein. Wie man sieht, erscheinen hier einige Szenen, die sonst nicht dargestellt worden sind. Eine wesentliche Vereinfachung der Komposition begegnet uns in dem sicher nicht viel später entstandenen Fresko Taddeo Gaddis in S. Croce. Sowohl die Darstellungen des Protevangeliums, wie der christlichen Legende sind weggelassen. Am Fuß des Kreuzes sehen wir Franz, der es kniend umschlingt, links die Gruppe der drei Frauen, welche die umsinkende Maria halten, Johannes, der zu Christus aufschaut, und die kniende kleinere Figur der Stifterin. Rechts sitzt Bonaventura als Bischof schreibend, und hinter ihm stehen der Bischof Ludwig, der h. Dominikus mit der Lilie und Antonius von Padua. Die achtundvierzig Thesen des Bonaventura sind auf die Zweige selbst geschrieben, und in den vom Laube gebildeten acht Medaillons oder Früchten stehen jene oben angegebenen allgemeinen zusammenfassenden Sprüche. An den Enden der Zweige aber sieht man dieselben Figuren der zwölf Propheten und Vorgänger Christi, welche die Zettel mit dem Wortlaute ihrer Weissagungen halten. In dem Laubwerk der untersten und obersten Zweige knien die vier Evangelisten. Matthäus mit folgendem Zettel: »liber generationis Jesu«, Marcus: »initium evangelii Jesu Christi«, Lucas: »fuit in diebus Herodis« usw., Johannes: »in principio erat verbum« usw. Die Vorläufer Christi sind links: Jeremias, Ezechiel, Zacharias, David, Johannes der Täufer, Hiob, rechts Jesajas, Hosea, Joel, Abdias und zwei andere.
Durchaus an das Vorbild des Gaddi hielt sich der Meister von Pistoja, nur daß als Heilige rechts unter dem Kreuzesstamm hier neben Bischof Ludwig die beiden Johannes erscheinen, welchen die Stifter einen Mann und eine Frau empfehlen. Ein Zettel oben am Kreuze besagt: »lignum vitae in medio paradisi afferens fructus duodecim.«
Ähnlich scheint auch eine Komposition in S. Agnese fuori le mura bei Rom gewesen zu sein, von der d'Agincourt Taf. 135 eine flüchtige Zeichnung gibt. Unter dem Kreuze knien drei Mönche, rechts stehen vier Heilige mit Zetteln, links ist die Gruppe der Maria. An jedem Zweige sind drei Früchte angegeben, links und rechts vom Baume vier Rundmedaillons, in denen Halbfiguren von zwei jugendlichen Heiligen, Moses und einem Bischof. Die Propheten mit Zetteln erscheinen in dem ornamentalen Rahmen des Ganzen. Näheres läßt sich nicht angeben. Während aber dies Fresko schon dem 15. Jahrhundert angehört, finden wir eine Verwertung von Bonaventuras lignum vitae im 14. Jahrhundert noch in dem ›liber conformitatum‹ des Bartholomäus Pisanus Erwähnte Ausgabe von 1513. S. 4 verso.. Ein Holzschnitt zeigt hier den Lebensbaum mit zwanzig Zweigen; an deren jedem hängen zwei Früchte, welche mit den entsprechenden Thesen, die nicht genau mit denen Bonaventuras übereinstimmen, bezeichnet sind. Unten sind die Halbfiguren von Franz und Bartholomäus zu sehen. Der Inschrift eines am Fuße des Baumes befestigten Zettels nach, welche besagt: »Francisci sequens dogmata supremi creatoris«, scheint es die Ansicht des Verfassers gewesen, daß die Allegorie vom Lebensbaum auf Franz selbst zurückgeht.
Einfacher ist ein Fresko von einem Schüler Mantegnas (Montagnana?) an einem Pfeiler rechts vom Chor in S. Antonio zu Padua. Hier hängt Christus an einem Baume mit zwölf Zweigen, in denen die Brustbilder der zwölf Weissagenden zu sehen sind Es sind hier Joel, Zacharias, Amos, Jonas, Habakuk, Jesajas, Hosea, Salomon, Moses, Ezechiel, Jeremias und David.. Unten stehen vier Heilige. – Die von Piper angeführte Zeichnung in einem Codex des lignum vitae von Bonaventura zu London (British Museum, Cod. Arundel 83) habe ich nicht vergleichen können.
Auf einzelne verwandte nordische Darstellungen des ›arbor vitae et mortis‹, die Otte erwähnt, mag hier zum Vergleiche nur kurz hingewiesen werden Hdb. der kirchl. Kunst-Archäologie.. Auf einem Silberrelief aus dem Grabe des Erzbischofs Heinrich von Vinstigen (gest. 1286) im Dome zu Trier trägt der Baum auf der einen Seite statt der Früchte Totenschädel, auf der andern Engelsköpfchen Aus'm Werth: Denkmäler Taf. LVII, 6., in dem Meßbuche des Berthold Furtmayer von 1480 Äpfel und Hostien Förster: Denkmäler, Malerei III, 1.. Auch verdienen einige von Piper angegebene Darstellungen kurz genannt zu werden: so das als Lebensbaum gestaltete Kruzifix, das an dem Grabdenkmal der h. Elisabeth sich befand, ein Glasgemälde in Leyden, auf dem, wie in jenem oben beschriebenen Bilde, der Sündenfall unter dem lignum vitae, oben Christus thronend zu sehen ist, sowie eine Steinskulptur im Christlichen Museum zu Trier Jene eigentümliche Kreuzesallegorie im Hôtel Cluny zu Paris (abgeb. bei Du Somerard: Les arts du moyen âge. Sér. I pl. XXXVII), in der die Kreuzesarme menschliche Hände erhalten haben, deren eine die Synagoge enthauptet, die andere die Kirche krönt, findet ein Pendant in einem Fresko in S. Petronio, Bologna (I. Kapelle links)..
Auf dem Titelblatte von des Bartholomäus Pisanus »conformitates«, in denen das Leben des Franz in Parallele zu dem Christi gesetzt wird, befindet sich ein Holzschnitt, der Franz zeigt, wie er, ein Kreuz über der Schulter tragend, dem kreuztragenden Herrn folgt, der sich nach ihm umschaut. In wenigen Strichen wird damit eine treffende Charakteristik seines Lebenswandels und -inhalts gegeben, der ja in nichts anderem bestand, als in der Befolgung jenes Spruches: »Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.« (Matth. 16, 24.) –
Daneben ist noch ein kleines, unzweifelhaft von Giovanni di Paolo gemaltes Bild in der Galerie zu Parma (No. 423) zu erwähnen, auf dem sich unter zahlreichen anderen heiligen Kreuzesträgern, die sich um Christus scharen, auch Franziskus befindet.
Anschließen möchte ich hier noch eine vereinzelt vorkommende Darstellung, welche Christus stehend zeigt, wie er seinen getreuen Nachfolger Franz (in kleiner Figur) aufrecht vor sich hält, gleichsam als sein Kind. Sie ist auf einem Glasfenster der Oberkirche zu Assisi zu sehen und dient hier als Pendant zu der stehend das Christkind tragenden Maria Farbige Abb. in Plons Werk Pl. XIII zu S. 153..