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IV. Die Dichtung der Franziskaner

Aus ihrer sangesfrohen Heimat hervortretend und sich verbreitend, hatte die provenzalische Dichtkunst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wie in Deutschland, so auch in Italien Bewunderung und Nachahmung gefunden. Schon 1162 erschienen Troubadours in Turin, denen bald viele andere, wie Bernhard von Ventadour, Cadenet, Rambault de Vaquinas, Vidale folgten. An den Höfen der italienischen Großen schallten die Liebesgesänge wieder, und auch in den Städten feierte man der Minne frohe Feste. Jene Gelage, jene Umzüge in den Straßen, an denen Franz selbst als Jüngling so großes Gefallen fand, sind ein Abglanz der romantischen Lebensfreude, die wie ein Schimmer ungetrübten Glückes die Blütezeit des Rittertums umwebt. Als dann das lärmende Waffengeklirr der Albigenserkriege in den sorglosen Jubel der Provence hineindröhnte, als die Not und der Ernst des Lebens über die Großen, wie über das Volk hereinbrach, haben viele der kunstgeübten Sänger sich in das benachbarte Land geflüchtet, wo man ihren Kanzonen und Balladen ein willigeres, dankbareres Gehör lieh. Der glänzende Hof Friedrichs II. in Sizilien bot eine verlockende Zufluchtsstätte. Der Kaiser selbst, seine Söhne Enzio und Manfred, sein großer Kanzler Petrus de Vinea haben gedichtet und gesungen, und Stimmen wie die Ruggerones, Odos und Guidos delle Colonne, Arrigo Testas, Jacopos de Lendino haben ihnen geantwortet. Zu gleicher Zeit zogen im Norden Troubadours von Hof zu Hof, unter ihnen als berühmtester jener Sordello von Mantua, der Karl von Anjou gegen Manfred begleitete Vergleiche für diesen Abschnitt im allgemeinen: Tiraboschi: Storia della letteratura. Florenz 1865-73, III u. IV. B. – Demattio: le lettere in Italia prima di Dante. Innsbruck 1871. – Bartoli: I primi due secoli della Letteratura Italiana. Milano 1880. Ds. Storia della literatura It. Florenz 1879. II. Bd. – Gaspary: Gesch. der It. Lit. Berlin 1885. I. Bd..

Behielt anfangs die französische Sprache, welche der Italiener unschwer verstand, die Oberhand, so gelangte doch bald auch das Italienische zu seinem Rechte. Die französische Poesie auf der einen, die Franziskanerdichtung und -predigt auf der andern Seite, haben im Laufe des 13. Jahrhunderts dem Vulgare seine ebenbürtige Stellung neben dem Latein verschafft. Dantes göttliche Komödie verkündete nur den schon lange vorher, zunächst auf dem Felde der Poesie entschiedenen Sieg der Volkssprache. Die große, allgemeine, in Franz gipfelnde volkstümliche Bewegung schenkte Italien auch seine Sprache.

Die höfische Dichtung aber mußte bald in dem Lande der Städte ihren eigentlichen Charakter verlieren. Ihre Ideale waren ja nicht die Ideale des italienischen Volkes, das anders liebte und dachte, als das französische. Die Sagen vom König Artus und seiner Tafelrunde, vom Gral und seinen Rittern haben wohl überall im Kreise vornehmer Herren und Frauen lebhaftes Interesse erregt und sind, von den höheren Kreisen ausgehend, in das Volk gedrungen, einen Wolfram von Eschenbach haben sie nicht gefunden, ebensowenig wie die Verherrlichung der Frauen einen Walther von der Vogelweide. Man spürt es an den Liedern der italienischen Dichter jener Zeit, daß sie nur einer Mode zu Liebe in höfischer Weise singen. Und nicht lange währt es, so wandelt der Geist des Volkes das Fremde in selbständiger Weise zu etwas Neuem um. Die sehr wunderliche Mischung von sinnlichem Verlangen und geistiger Resignation, welche den französischen Liebesliedern ihr Gepräge verleiht, war etwas dem Italiener Heterogenes. Entweder seine Liebe ist sinnlich wirklich oder sie ist philosophisch abstrakt. Beides kommt in der Dichtung der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zum Ausdruck, und zwar besonders in Bologna und in Toskana. In Guido Guinicellis Kanzonen verschwindet der Gegenstand der Liebe vollständig, um einer wissenschaftlich-philosophischen Betrachtung der Begriffe der Liebe an sich und des Schönen Platz zu machen. Scholastische Gelehrsamkeit, tiefsinniges Grübeln spricht aus den Gedichten Fra Guittones d'Arezzo, Guido Cavalcantis. Letzterer aber ist zugleich der Sänger jener reizenden, naturfrischen Pastorells, die von Catulls Lebenslust sprühen:

Era in pensier d'amor, quand' io trovai

und

In un boschetto trovai pastorella.

Diese urwüchsige, in anschaulichen Bildern redende Poesie hat in Toscana in Ciacco dell' Anguillara und Folgore de San Gemignano noch andere treffliche Vertreter. Heiterkeit, Lachen, Natur – darin liegt, wie Bartoli richtig sagt, ihre Bedeutung. Im ganzen aber steht sie zwar nicht an künstlerischem Wert, aber doch an Ausbreitung zurück hinter jener philosophisch grübelnden Richtung, die recht eigentlich eine Dichtung der gebildeten Klassen ist.

Die unabhängige, genialere Volkspoesie ist auf anderem Boden erwachsen: auf dem Boden der neuen Gefühlsreligion des Volkes und – die Franziskaner sind ihre Vertreter. Weil sie ursprünglich an keine fremden, von außen gekommenen Formen gebunden war, weil ihr Inhalt allein das Gefühlsleben des einzelnen ist und sie daher auch nur an das Gefühl appelliert, überragt sie an künstlerischer Kraft bei weitem jene höfisch-wissenschaftliche Poesie und gewinnt auf die Kultur ihres Volkes einen höchst bedeutenden Einfluß. Wie die Predigt, wird sie von einem beseligenden Liebesgefühl inspiriert und entflammt mit ihren glühenden Worten den christlichen Glauben. Wie die Predigt aber vertritt auch sie eine sinnlich natürliche Auffassung desselben. Anschauliche Bilder sind ihr auch dort eigentümlich, wo sie in das Bereich übersinnlich mystischen Erlebens sich verliert.

Ozanam erwarb sich das Verdienst, in trefflicher, lebensvoller Weise die Dichtung der Franziskaner einheitlich zu betrachten A. F. Ozanam. Les Poètes Franciscains en Italie au treizième siècle. Paris 1852. 8°. Übersetzung von N. H. Julius: Italiens Franziskanerdichter. Münster 1853., nachdem schon Görres einen Dithyrambus auf den Troubadour Franz verfaßt, der, mehr Gedicht als Prosa, es wohl verdiente mit in der Reihe von Jacopones Liedern aufgeführt zu werden Vgl. jetzt J. Della Giovanna: Francesco Giullare im Giornale storico della letteratura Italiana XXV. Er weist nach, daß der Wortlaut des Sonnenhymnus, wie er uns erhalten, nicht der ursprüngliche der Improvisation des Franz sein dürfte.. Der Gründer des Ordens war selbst in dem Dichten von Lobgesängen den Seinen vorangegangen. Zwei seiner nächsten Schüler folgten dem Beispiel. Der eine ist jener Fra Pacifico, der, ehe er Minorit ward, ein Troubadour war und als ›rex versuum‹ vom Kaiser selbst gekrönt worden war Thomas von Celano. II vita. III, cap. 49, S. 158. Erat in Marchia Anconitana saecularis quidam sui oblitus, et Dei nescius qui se totum prostituerat vanitati. Vocabatur nomen ejus rex versuum, eo quod princeps foret lasciva cantantium et inventor saecularium cantionum: ut paucis dicam, usque adeo gloria mundi extulerat hominem, quod ab imperatore fuerat pomposissime coronatus. – Danach Bonaventura. Cap. IV, 9, der neu nur hinzufügt, daß die Begegnung des Franz mit Pacifico bei Castrum S. Severini stattgefunden habe.. In welcher Weise er später seine weltliche Kunst zur Verherrlichung Gottes angewandt, ist leider nicht bekannt, da keine Lieder von ihm erhalten sind. Der andere aber ist Thomas von Celano, der zwar in lateinischer Sprache, aber aus echt volkstümlicher Empfindung heraus das gewaltige, sturmdurchwehte ›Dies irae, dies illa‹, diesen ergreifenden Mahnruf, dessen tiefer Ton dem Schalle der Glocken zu vergleichen ist, gesungen haben soll B. Pisanus schreibt es ihm mit einem ›dicitur‹ zuerst zu (lib. conf. I fr. XI. p. 110). Doch wissen Jordanus und Salimbene nichts davon, was bedenklich macht. Vgl. Vogt: Denkwürdigkeiten usw. – Auch das ›fregit victor virtualis‹ und das ›Sanctitatis nova signa‹ sollen von Thomas sein.. Was in der nächstfolgenden Zeit von Hymnen auf Franziskus gedichtet worden, hält sich meist im kirchlichen Schema, doch verleugnet sich auch in ihnen nicht das innige Gefühl, das mit seinem Andenken verknüpft war. Ein Dichter aber ist auch Bonaventura gewesen. Seine mystischen Schriften, sein Leben des S. Franziskus verraten eine reiche poetische Begabung; unter den wenigen zum Teil und mit Vorbehalt ihm zuzuschreibenden lateinischen Gedichten findet sich neben hergebracht Allegorisierendem manches Herrliche. Vor allem in der ›Philomela‹, welche die in gläubiger Anschauung des Lebens und Leidens Christi versunkene Seele verherrlicht, in der schwungvollen Aufforderung, ganz dem Kreuze zu leben, welche beginnt: recordare sanctae crucis, und in dem ›Lob der seligen Jungfrau Maria‹ Opera Peltier XIV, S. 162. 172..

Indes: nicht in der Sprache der Gelehrten, sondern in der des Volkes haben die Franziskaner ihr Eigenstes gegeben, und ist uns abgesehen von Jacopones Liedern auch nur weniges erhalten, so sind wir doch berechtigt, aus dem interessanten Gedichte eines norditalienischen Mönches zu schließen, daß neben jenem Größten viele andere Angehörige des Ordens die Poesie gepflegt. Es wäre auch anders kaum denkbar, da ja Einbildungskraft und Gefühl in gleicher Weise durch ihre Religion befruchtet wurden. Jenes Werk aber, das von Ozanam der Vergessenheit entzogen wurde, gibt eine Schilderung der Hölle und des Paradieses und ist von einem Bruder Giacomino da Verona in veronesischer Mundart geschrieben. Er behandelt den heiligen Stoff in der Weise, wie die ›chansons de geste‹ der Zeit die Sagen und Fabeln der großen Helden, und appelliert wie diese an die sinnliche Einbildungskraft wenig gebildeter Leute. Hält er bei der ausführlichen Schilderung der reichen Himmelsstadt einen fast prosaisch zu nennenden, ruhig erzählenden Ton inne, so gewinnt seine Darstellung bei der Beschreibung der Hölle einen größeren, dramatischen Schwung. Er will Furcht und Entsetzen erregen, und das gelingt ihm dank seiner drastischen Art ganz vortrefflich. Bisweilen verschmäht er es nicht, so wenig wie später Dante, durch derbe Komik seine Hörer noch mehr an sich zu fesseln, sie inmitten der gräßlichen Szenen einen Augenblick aufatmen zu lassen.

Wie er es selbst sagt, liegt seiner Schilderung des himmlischen Jerusalem die Vision des Johannes in der Apokalypse zugrunde. Es ist die viereckige, ummauerte Stadt mit je drei Toren auf jeder Seite, von Gold, Perlen und edlen Steinen schimmernd, von Engeln mit Flammenschwertern bewacht. Mit Gold, Silber und Kristall sind die Straßen gepflastert, die Häuser aus schimmernd weißem Marmor sind blau und golden bemalt. Da gibt es weder Mond noch Sonne, das Antlitz des Herrn allein erleuchtet sie. Wer aus den Wassern und Brunnen der Stadt trinkt, kann nie mehr sterben. Durch ihre Mitte aber läuft ein schöner Strom, von üppigem Grün umgeben, aus dem Bäume, Lilien, Rosen, Veilchen ihre Düfte entsenden. Sein Wasser verjüngt die Alten, der Genuß der Früchte, die an den Bäumen hängen, heilt jegliche Krankheit. Die ganze Stadt ist von Wohlgeruch erfüllt. Stieglitze, Nachtigallen und andere schöne Vögel singen Tag und Nacht in den Gebüschen in herrlicheren Weisen als Violinen, Lauten und Schalmeien.

Hat der Dichter so bereits in der Beschreibung seinem Gefühl für die Natur und seiner Phantasie freien Lauf gelassen, so stellt er sich im folgenden, wie Berthold von Regensburg und wie Bonaventura Diaeta Salutis. Opera, Peltier. Bd. VIII., die Gemeinschaft der Heiligen als das Gefolge eines großen Königs vor. Inmitten des immer grünenden Gartens, vor dem Thron sind sie versammelt, die heiligen Ritter. Da sind die Patriarchen und die Propheten in grüne, weiße und blaue Gewänder gekleidet, die Apostel auf goldenen und silbernen Thronen, die Märtyrer rote Rosen im Haar, die Bekenner, die Jungfrauen, deren liebliche Schar an Ehren und Schönheit hervorleuchtet. Sie alle singen dem Herrn Lob und Preis, so daß von dem harmonischen Zusammenklingen der Stimmen Himmel, Luft und Erde erfüllt ist. Der Anblick von des Herrn strahlendem Antlitz, das Sonne, Mond und alle Sterne verdunkelt, verleiht ihnen so selige Freude, daß sie verjüngt, mit grünendem Herzen, strahlenden Augen die Hände zum Tanze sich reichen und die Füße hüpfend bewegen. So leben sie in ewiger Freude, Trost und Frieden, einer dem andern dienend, ihr Glück allein in der Anschauung Gottes findend, dem sich früh und abends die für die Menschen betenden Cherubim in großen Prozessionen nahen. Zur rechten Seite Christi aber, des ruhmvollen Barons, thront Maria, die königliche Maid, schöner als die Blume auf der Wiese und die kaum erschlossene Rose. Vor ihr neigt sich allezeit mit höfischem Gruß die himmlische Schar und singt ihr zu Ehren Lieder, so herrlich, wie es keine Kreatur auszudenken vermag. Zum Danke aber schmückt sie ihre getreuen Ritter mit duftenden Kränzen und schenkt ihnen Rosse und Zelter. Die Rosse sind falb, weiß die Zelter, sie laufen schneller als die Hirsche und überseeische Winde, und die Bügel, Sättel und Zügel sind von Gold und leuchten von Smaragden. Um die Ausrüstung ganz zu vollenden, schenkt sie den Treuen eine weiße Fahne, auf der ihr Sieg über den treulosen Löwen, den Satan, dargestellt ist. Glücklich alle, die in Gemeinschaft der blumengeschmückten Heiligen solcher Herrin immer dienen mögen! Darum bitten wir alle sie selbst, daß sie von Christus unsere Aufnahme in das Paradies erbitte.

Die »istoria« von der Stadt Babylon beginnt mit einer kurzen Einleitung, in welcher der gute Zweck der grauenvollen Schilderung auseinandergesetzt wird. Der Fürst der Hölle ist Lucifer, seine große, von jeglichem Übel erfüllte Stadt liegt in den Tiefen der Unterwelt. Von Pech und Schwefel ist sie entbrannt, und gösse man alles Meer in sie aus, es würde im Feuer zergehen wie geschmolzenes Wachs. Giftige Gewässer fließen durch sie hin, von Gestrüpp der Nesseln und Dornen, das schneidender ist als Schwerter, ist sie umgeben. Ein Himmel von Metall überwölbt sie, ragende Felsen und Berge umstarren sie. Oben ist eine Pforte, die von vier Wächtern: Triphon, Mahomet, Barachin und Satan behütet wird. Auf hohem Turme wacht bei Tag und Nacht eine Schildwache, mit lautem Rufe zur sorgsamen Aufmerksamkeit ermahnend, daß keiner entwische. Mit Freuden aber, wie zum Triumphe, wird der nahende Sünder aufgenommen. Man bindet ihm die Hände und die Füße und bringt ihn unter Schlägen vor den König. Er wird ins Gefängnis geworfen, einen Brunnen, der tiefer ist, als der Himmel von der Erde entfernt ist. Gestank erfüllt denselben; Eidechsen, Basilisken, Schlangen, Nattern, Drachen sind da in Unzahl. Mit großen Stöcken hauen die Teufel, die hundertmal schwärzer als Kohlen sind, auf ihr Opfer ein. Ihr Anblick ist so fürchterlich, daß man lieber von Dornen gepeitscht von Rom bis nach Spanien liefe, ehe man solcher Gesellschaft begegnete. Aus ihrem Munde sprüht Feuer, sie tragen Hörner an den Köpfen, ihre Hände sind rauh, sie heulen wie die Wölfe und bellen wie die Hunde. Sie werfen den Sünder in Wasser, das so eisig ist, daß er lieber wieder im Feuer wäre, und ist er im Feuer, so sehnt er sich nach dem Wasser. Dann kommt ein schrecklicher Koch, Beelzebub, der ihn wie ein schönes Schwein an einen Bratspieß steckt und röstet, mit einer guten und feinen Sauce von Wasser, Salz, Ruß, Essig, Galle und Gift begießt und so als Speise dem Höllenfürsten bringt. Als der sie probiert hat, schimpft er den Boten aus: »Dafür gebe ich nicht eine trockene Feige, denn das Fleisch ist roh und das Blut zu frisch. Gleich kehre wieder zurück und sage jenem Schuft von Koch, daß der Braten mir nicht gut gelungen dünkt und daß er ihn umgekehrt wieder in das Feuer stecke und einen Tag und Nacht lang darin brennen lasse. Und ohne Umschweife sag ihm in meinem Namen, daß er mir ihn lieber gar nicht wieder schicke, sondern immer darin lasse, und daß er ja nicht nachlässig und faul sich zeige, sonst verdient er es selbst wohl, dasselbe Übel und noch mehr zu erleiden.« – Das Feuer selbst aber läßt sich nicht schildern, da es über menschliches Denken schrecklich ist: es wirft keinen Schein, sondern ist schwarz und stinkend. Es ist so viel schlimmer als das Feuer auf Erden, als dieses schlimmer ist, denn ein gemaltes Feuer Diesen dem Augustinus entlehnten Vergleich liebte auch Berthold von Regensburg anzuwenden, z. B. I, 127 und öfters.. Die Teufel rufen einander zu, es zu schüren, der eine hämmert Eisen, der andere gießt Erz, andere laufen herum und martern die Sünder. Oder sie sammeln sich mit Waffen jeder Art in der Hand unter Anführung eines Riesenteufels, gleich Jagdhunden den Sünder zu hetzen, dem nirgends Zuflucht, nirgends Rettung geboten wird. Haben sie ihn erwischt, so werfen sie ihn auf den Boden und stechen und schlagen ihn nach Herzenslust, ziehen einen Strick durch seine Nase und schleifen ihn mit sich fort. Da sind nicht Eltern, nicht Nachbarn, nicht Freunde, die ihm zu Hilfe kommen. In herzzerreißenden Worten verflucht er die Stunde, in der ihn die Mutter geboren und fleht die Seinen an, ihm zu helfen. Aber für den Verdammten gibt es keine Rettung mehr. Und treffen sich Vater und Sohn in der Hölle, so verwünschen sie sich gegenseitig; der Sohn sagt: »Gott, der im Himmel die Krone trägt, verfluche dir, Vater, die Seele und den Körper. Denn so lange ich auf der Erde war, hast du mich nicht gezüchtigt, sondern zu größerem Übel aufgemuntert; Gold und Silber hast du mir bewilligt, daher ich nun in schrecklich grausame Arme geworfen bin. Ich weiß es und erinnere mich wohl, wie du mich mit Schlägen verfolgtest, tat ichs mit Recht oder Unrecht, wenn ich unsern Nachbarn und Freund nicht betrog.« Und der Vater antwortet: »O verfluchter Sohn, wegen des Guten, was ich dir wollte, bin ich hierher versetzt; Gott habe ich verlassen und mich selbst, da ich Wucher und schändlichen Diebstahl betrieb. Viel Mühen erlitt ich immer bei Tag und Nacht, um dir Burgen, Türme und Paläste, die Berge und Felder und Wälder und Weinberge und Grundstücke zu erwerben, daß es dir während deines Lebens wohl ergehe! So groß war das Denken und die Mühe um dich, du viel süßer Sohn, daß Gott mich verdammt! Denn der Armen Gottes gedachte ich nicht mehr, so daß sie vor Hunger und Durst auf der Straße starben. Närrisch und verrückt aber scheine ich wahrlich, da nichts es mir frommt zu klagen und mich zu zerschlagen, denn voll bezahlt bin ich wirklich mit so reichlicher Münze, daß sie vierfach gilt.« Dann stürzen sie aufeinander los, mit solcher Wut, daß am liebsten einer dem andern das Herz im Leibe auffräße. – Schlimmeres vermag der Dichter den Hörern nicht zu sagen, so wendet er sich zum Schluß mit der Aufforderung an sie, ihre Sünden zu bereuen und so der Hölle zu entgehen.

Gedichte, wie diese, die mit glühenden Farben und mit dramatischem Schwunge die letzten Dinge, Himmel und Hölle, schilderten, hat es gewiß in jenen Zeiten in großer Anzahl gegeben – mußten die Bettelmönche, namentlich die Franziskanerprediger, doch gerade in solchen Schilderungen das beste Mittel sehen, das Volk zu rühren und zu ergreifen Sal. Chronik S. 97 von Hugo de Bareola: Mirabilia dicebat de coelesti curia, id est de gloria paradisi et terribilia de infernalibus poenis!. Unter ihrem Einflusse entstanden die phantastischen Visionen von der Unterwelt, die, bei Matthäus Paris und anderen Chronisten der Zeit verzeichnet, uns einen lebendigen Einblick in das Schaffen der durch Bußpredigten aufgeregten Einbildungskraft des Volkes gewähren. Als Dante seine »Divina commedia« dichtet, verleiht er nur dieser speziellen Richtung dichterischer Tätigkeit, diesen im Volke verbreiteten Anschauungen den ewigen Gehalt. Gedichte wie die des Giacomino sind die direkten Vorläufer des gewaltigen Werkes.

Wann Giacomino gelebt, ist noch nicht festgestellt. Mussafia vermutet, im Anfang des 14. Jahrhunderts. Er schreibt ihm mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch einige andere kleinere Poesien zu, so ein echt franziskanisches Liebeslied: ›dell' amore di Gesù‹, eine empfindungsvolle Betrachtung der Gebrechlichkeit menschlichen Lebens, bei der man lebhaft an ein Lied Jacopones gemahnt wird Ich meine Jacopones Lied: O vita penosa, in der Venezianischen Ausgabe 1617 die II. Sat. im I. Buch., ein Lob der Jungfrau Maria, eine Bitte an dieselbe und eine Schilderung des Jüngsten Gerichtes Mussafia: Sitzungsberichte der k. k. Ak. d. W. Phil.-hist. Kl. 1864. Bd. XLVI S. 113 ff. Hier auch ein kritischer Text des Gedichtes von Paradies und Hölle, welches von Ozanam ungenau publiziert war.. So eingehend dies letztere Gedicht die Schrecken des Augenblicks schildert, so ist es doch nicht reich an bildlich anschaulichen Motiven. Neu scheint mir nur der festliche Empfang der Auserwählten zu sein: die Heiligen und Tugenden, Michael mit seiner Schar ziehen ihnen in weißen Gewändern entgegen und reichen ihnen Kränze von Rosen.

Zu dem Orden der Humiliaten gehört der 1288 und 1291 erwähnte Fra Bonvesin della Riva, dessen Gedichte J. Bekker nach einem in Berlin befindlichen Manuskripte herausgegeben hat Monatsberichte der k. Preuß. Ak. d. W. 1850. S. 322 ff. 438 ff. – 1851. S. 1-217.. Er darf wohl hier erwähnt werden, da die ›laudes de virgine Maria‹, die Unterredung des Sünders mit Maria, namentlich die Aufforderung zum Almosengeben echte Franziskanerempfindung verraten. Auch die Wahl mancher Stoffe läßt den Einfluß der Franziskaner erkennen: so der zwei sogenannten ›Kontraste‹, in denen erzählt wird, wie die Seele des Sünders zum toten Körper zurückkehrt und ihm Vorwürfe macht, wie die Seele des Gerechten ihm dankt A. a. O. S. 142. 143.. Auch der andern beiden, in denen Seele und Körper nach erfolgtem Richterspruch Wechselreden halten A. a. O. S. 144. 145.. Jene Anschauung des Hieronymus von den fünfzehn Wunderzeichen, welche dem Jüngsten Gerichte vorangehen, der, wie es scheint, die Minoriten besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben, ist von Fra Bonvesin in lateinischen Versen behandelt worden A. a. O. S. 379. Vgl. Antonius v. Padua: Sermones in den Opera (Regensburg 1739), S. 50 ff. – Bonaventura: Diaeta Salutis. Opera Peltier Bd. VIII.. Seine zwei bedeutendsten Gedichte im Volgare aber sind ein ›Zwiegespräch zwischen dem Satan und Maria‹ und ›das Jüngste Gericht‹. In ersterem beklagt sich der Teufel darüber, daß Maria ihm die Sünder entreiße. Warum sie sich wohl der Menschen, aber nicht seiner, der doch nur einmal gesündigt, erbarme? Sie hält ihm vor, daß er aus Hochmut und aus freiem Willen gefehlt, worauf er ein sonderbares Verdienst sich zuschreibt: ohne ihn hätte sie nicht die Ehre gehabt, die Mutter Christi zu werden. Er beschwert sich über die Ungerechtigkeit Gottes gegen die gefallenen Engel, was die Himmelskönigin mit dem Hinweis auf deren freien Willen zurückweist. Endlich, da sie sich seiner nicht erbarmt, droht er erbittert, der Erde wilden Kampf zu bereiten. An Fra Giacomino erinnert in manchen Dingen das andere Gedicht vom Jüngsten Tage, in dem er die Hölle und den Himmel ähnlich beschreibt, ja jene dramatische Szene des Höllenzwistes zwischen Vater und Sohn seinerseits bringt A. a. O. S. 185 ff.. Die große Lebendigkeit und Anschaulichkeit der Schilderung geht ihm freilich ab. Von vorteilhafter Seite zeigt er sich in der Erzählung von Fabeln wie jener des Streites zwischen Mücke und Ameise und zwischen Rose und Veilchen, welch letzterer von der Lilie zugunsten des Veilchens entschieden wird A. a. O. 1851. S. 3, 85..

Neben den beiden erwähnten Dichtern verdient ein dritter, Pietro da Barsegapè, noch genannt zu werden, von dessen Lebensumständen nichts bekannt ist. Vermutlich war auch er Mönch und lebte um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Seine gereimte ›biblische Geschichte‹ in Volgare geschrieben, die von Biondelli publiziert worden ist, zeigt weder in der Sprache noch in der Auffassung besondere Originalität und entbehrt bis auf die Klage der Maria am Kreuz jeder phantasievollen Ausschmückung Biondelli: Studii linguistici. Milano, Bernardoni. 1856. S. 193 ff. Tobler weist anläßlich des 1884 von ihm publizierten Gedichts Ugucciones von Lodi (Das Buch des Uguçon da Laodho, Berlin) nach, daß Barsegapè dieses benutzt hat..

Finden wir so auch im Norden Italiens eine neue religiöse Dichtung, so bleibt doch deren eigentliche Heimat Umbrien, dasselbe Land, in dem seit des Franziskus Zeit die religiöse Erregung immer neuen Ausdruck gewann. In Umbrien ist jene volkstümliche Dichtung der › Lauda‹ entstanden, des populären religiösen Liedes, das, in den Momenten ekstatischer Begeisterung gedichtet, von Mund zu Mund sich fortpflanzte und ebensowohl bei der Arbeit und im stillen Heim als auf Pilgerfahrten von ganzen Scharen gesungen wurde. Schwerlich wird man von einem bestimmten ersten Erfinder dieser Form sprechen können: sie ist entstanden, wie das Volkslied überhaupt entsteht – ausgebildet aber ward sie offenbar von jenen ›Disciplinati di Gesù Cristo‹, von jenen Scharen in Säcke gekleideter, mit Asche bestreuter Geißler, die dem fanatischen Eremiten Ranieri Fasani aus Perugia folgten und singend, weinend, mit Stricken ihr Fleisch zerreißend und Blut vergießend durch das Land zogen und Buße predigten. Die Bewegung ging weit über die Grenzen Umbriens hinaus, in allen Städten Italiens erschienen plötzlich die jammervollen Gestalten. Als aber der eigentliche Sturm vorüber war, bildeten sich aus dieser Schar von Flagellanten Laiengenossenschaften, welche sich ›Laudesi‹ nannten. Von ihnen ward fortan die Lauda, das geistliche Volkslied, das somit unzweifelhaft aus des Franziskus' Bewegung hervorgegangen ist, gepflegt, von ihnen auch die dramatische Form desselben und damit das dramatische italienische Mysterium ausgebildet Monaci: Riv. Fil. Rom. I, S. 235 ff. 250 ff. II, 29 ff. – D'Ancona: Origini del Teatro in Italia. Florenz 1877. I, 105 f. – Mazzatinti: Giornale Fil. Rom. III, 85 ff. – Des G. Minoglio: Laude de' Disciplinati di S. Maria. Turin 1880 standen mir nicht zur Verfügung.. Von den erhaltenen Laudensammlungen ist leider bisher wenig publiziert, doch ist es uns gestattet, die lebhafteste Anschauung von dieser Dichtungsart aus den Liedern des größten Franziskanerdichters, des Jacopone da Todi, zu gewinnen. Durch ihn erhielt die Form eine hervorragende Bedeutung.

In der Sakristei des Domes von Prato hängt ein wenig beachtetes Bild, das auf den ersten Blick fast abstoßend wirkt, bei näherer Betrachtung aber im Beschauer eine tiefe Rührung erweckt. (Abb. S. 199.) Es stellt einen hageren alten Bettelmönch vor, der, mit kurzer, enger Kutte bekleidet, wehmütigen Blickes herausschaut. Schwere Seelenleiden haben ihre Spur auf seinem Antlitz zurückgelassen. In den Händen hält er ein Buch, auf dem zu lesen ist:

ke farai fratre Japone hor se giunto al paraone.

Unten aber trägt die Tafel die Inschrift: Beato Jacopo da Todi. Wäre das Bild nicht zweifellos am Anfange des 15. Jahrhunderts entstanden, und zwar, wie ich glaube, von der Hand des Antonio Vite, dem man die schwächeren unter den Fresken einer Marienkapelle im Dome zuschreibt, könnte man glauben, ein wirkliches Porträt vor sich zu haben, so individuell und lebenswahr sind die derben Züge des breiten Kopfes. Ist dies aber auch nicht der Fall, so fällt es doch schwer, hat man das Bild einmal gesehen, sich fernerhin den leidenden, gottseligen Sänger anders zu denken. Jenes Lied hat er im Kerker geschrieben.

Wie Franziskus ist Jacopo dei Benedetti Ausgaben seiner Gedichte 1490. Florenz. Bonacorsi. – 1495. Brescia, Misini. – 1514. Venedig, Benalius. – 1556. Wiederabdruck der von 1514. – 1558. Rom, Salviano. – 1615. Napoli, Scoriggio. – 1617. Venedig, Missirini, die ich hauptsächlich benutzt. – Ferner Nachträge: Alessandro da Mortara: Poesie inedite. 1819. – Nannucci: Manuele della literatura I, S. 392 ff. u. a. m. Vgl. Ozanam. A. a. O. S. 154. – Böhmer: Roman. Studien. I. Bd. 71-75. S. 123 ff. – Tobler im Jahrbuch f. rom. Phil. II, S. 52. III, S. 187. – Übersetzungen: M. von Diepenbrock. Geistl. Blumenstrauß. Sulzbach. II. Ausg. 1852. – Mohnicke: Kirchen- und literar.-histor. Studien und Mitth. Stralsund 1825. Bd. I. – C. Schlüter und W. Storck: Ausgewählte Gedichte Jacopones. Münster 1864. Ein bisher unbekanntes Manuskript der Gedichte J.'s ist aus der Hamiltonsammlung nach Berlin gekommen in die k. Bibliothek. durch eine, sein Innerstes erschütternde Erfahrung aus einem weltlichen Dingen nachgehenden Leben mit Gewalt herausgerissen worden. Er hatte die Rechte in Bologna studiert und, in seine Vaterstadt Todi zurückgekehrt, eine schöne und vornehme Gattin heimgeführt. Als bald darauf 1268 die öffentlichen Spiele gefeiert wurden, begrub vor seinen Augen eine zusammenbrechende Tribüne die geliebte Frau – von diesem Augenblicke an verwandelte sich all sein Denken! Wie ein Narr lief er, in Lumpen gehüllt, durch die Straßen und beging die tollsten Dinge. Aus der Verzweiflung aber stieg, einer Blume gleich, die aus dem Sumpf sich erhebt, eine von allen irdischen Freuden sich lossagende, religiöse Begeisterung, die ihn endlich 1278 ins Kloster der Franziskaner trieb. Auch er, wie Franz, warf all sein Hab und Gut von sich und predigte dem erstaunten Volke sein überschwängliches Gefühl. Die Minoriten, die ihn aufzunehmen zögerten, sollen durch zwei Lieder, die er ihnen vorwies, bewogen worden sein, ihm Zuflucht im Kloster zu gönnen.

Das eine: ›cur mundus militat sub vana gloria‹ besingt die Vergänglichkeit irdischen Ruhmes, das andere: ›udite nova pazzia‹ ist das Siegeslied des göttlicher Narrheit sich ergebenden Mannes, der unter dem Kreuze sein Heil sucht:

Fort mit allen Syllogismen,
Kettenschlüssen und Sophismen,
Fort Problem' und Aphorismen
Und die Spintisiererei.
Will von Plato weg mich wenden,
Mag den Atem er verschwenden,
Zu erweisen aller Enden
Eine winz'ge Lumperei.
Will verschmähn die feinen Künste,
Aristoteles' Gespinste,
Denn sie bringen nicht Gewinnste
Und zumeist ist's Ketzerei Lib. I, Sat. 1. Übersetzung von Schlüter und Storck, S. 6..

An Entsagung, Buße und Selbstverachtung hat er mehr vollbracht, als Menschen möglich zu sein scheint. Die laxere Auffassung der Regel mußte seinen Zorn erregen, so schloß er sich der strengeren Richtung der Spiritualen an und begrüßte mit Jubel die Wahl des Eremiten Peter von Morrone als Coelestin V. zum Papste in dem Liede:

Che farai, Pier da Morrone
Ci venuto al paragone
Vederemo el lavorato
Che en cella ai contemplato Die folgenden Zitate beziehen sich auf die Venezianische Ausgabe: lib. I. Sat. 15..

Als aber Coelestin nach fünf Monaten schon abdankte und Bonifaz VIII. den päpstlichen Stuhl bestieg, schloß sich Jacopone dessen Gegnern, den Kardinälen Colonna, an und mußte infolgedessen die ganze Rache des Papstes fühlen. Dessen Antwort auf die verwegenen, von sittlichem Zorne eingegebenen Satiren:

O papa Bonifazio
Molto hai giocato al mondo Ausgabe von 1558.

und

O papa Bonifatio
Io porto il tuo prefatio Ebendas.

war die Einkerkerung des kühnen Dichters im Jahre 1298.

Wer Bonifaz VIII. in Schutz nimmt, muß, wie Ozanam, Jacopone so gut es geht zu entschuldigen versuchen, wer aber Dantes herbes Urteil über den Papst gerecht findet, kann den Dichter nur bewundern wegen der beispiellos kühnen Sprache, die er dem Mächtigsten gegenüber führt, und wegen der Standhaftigkeit, mit der er seine freie Gesinnung gewahrt hat. Während die Colonna fußfällig die Verzeihung erflehten und erhielten, hatte er nur stolz bittende Verse; auch das Jubeljahr 1300, dessen Segen ihn empfangen zu lassen er in ergreifenden Worten den unerbittlichen Gegner bat Lib. I, Sat. 17. Lo Pastor per mio peccato., verging, ohne ihm Befreiung zu bringen. Erst der Tod Bonifazens öffnete 1303 die Türen des Kerkers. Im Kloster zu Collazone verlebte er, mit Giovanni de Alvernia in inniger Freundschaft verbunden, die letzten Lebensjahre und starb 1306. »Man sagt und glaubt, daß dieser selige Jacopone von Liebe zu Christus gestorben und daß aus allzu großer Liebe sein Herz zersprungen sei. Wie er denn auch, da er viele Jahre vor seinem Tode beständig weinte, auf die Frage, warum er so beständig weine, geantwortet hat: ›Ich weine, weil die Liebe nicht geliebt ist‹. Das größte Glück, welches die Seele in diesem Leben haben kann, ist, wenn sie beständig mit Gott und in Gott beschäftigt ist, und zu diesem Zustande glaubt man, sei seine Seele durchgedrungen Böhmer, a. a. O. S. 132. Nach dem einen Pariser Manuskript..

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53. Das Grab des hl. Franciscus.
Assisi, Unterkirche S. Francesco.

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54. Das Denkmal des hl. Franciscus.
Assisi, vor der Kirche S. Rufino.

Dieser große Tor Jacopone ist einer der größten Dichter gewesen, die Italien hervorgebracht hat Vgl. die sachliche und gemäßigte Würdigung der Dichtkunst Jacopones, gegen deren Überschätzung Protest erhoben wird, von d'Ancona: Studi sulla letteratura Italiana, Ancona 1884, S. 1 ff.. Eine ungestüme, leidenschaftliche Natur, aus der bei jeder Berührung das Feuer lodernd emporfährt, hat er sein ganzes Fühlen und Sehnen in zahllosen Liedern voll und ungetrübt ergossen, die bald wie ein mächtiger Kampfesruf, bald wie berauschende Liebesworte tönen. Der Wohllaut seiner dem Volke abgelauschten Sprache macht ganz vergessen, wie ungefüge und widerwillig sie sich noch in strenge Formen binden läßt. Wie ein frischer Strom über trotzig sich stemmende Felsblöcke bricht sie sich Bahn. Die Ursprünglichkeit, die Wahrheit der Empfindungen berührt wunderbar neu und ergreifend, wird man auch häufig genug noch an die gefühllosen Reimereien der Troubadours und an deren Wortgespiele erinnert, in das Jacopone, wie d'Ancona treffend bemerkt, regelmäßig verfällt, wenn er im höheren Stil schaffen will. Das Wesentliche bleibt doch das durchaus Subjektive in seiner Dichtung. Man nimmt an den persönlichen Erlebnissen, den Kämpfen und Siegen seines bewegten Innern vollen Anteil und lebt sie mit ihm durch. Aus einer anfangs verzweifelten, dann schwermütigen Weltanschauung, der das Leben nur ein großer Totentanz ist, schwingt sich die Sehnsucht, dem Phönix gleich, der Sonne ewiger Liebe entgegen. Eine Reihe tiefsinniger, trauernder Betrachtungen über die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und seiner Güter darf uns wohl in die erste Zeit grübelnder innerer Einkehr versetzen.

Mensch, zu denken mach dich dran,
Woher kommt dir denn dein Rühmen?

Mensch, bedenk aus was wir sind,
Was wir waren, was wir werden,
Und wohin wir kehren müssen,
Mach dich dran, dem nachzusinnen.

Bist entstanden ja aus faulem
Menschenstoffe, beug das Haupt!
Wenn du 's Leben richtig anschaust,
Hast du nichts, drob zu frohlocken.

Bist aus niedrem Stoff gebildet,
Und in Weinen nur gezeitigt,
Bist in Elend umgegangen,
Mußt zur Asche wiedrum kehren.

Bist gekommen wie ein Pilgrim,
Nackt und arm, elendiglich,
Und beim Antritt deiner Wand'rung
Weinen war dein erster Sang Sat. V. lib. I. – Gereimte Übersetzung bei Schlüter und Storck, S. 24. Meine Übersetzung gibt die Reime nicht wieder. Selbst die vortrefflichen Übertragungen des Kardinals von Diepenbrock, Schlüters und Storcks zeigen, daß der eigene Zauber von Jacopones einfacher Sprache und Gedanken sehr leidet durch die Reime. Eine möglichst wortgetreue Übersetzung allein kann einen annähernd richtigen Begriff von seinen Dichtungen geben und darum, nicht um eligiöse Erbauung, ist es uns ja hier zu tun. Eine Ausnahme mache ich beim ›stabat mater speciosa‹..

Was ist, fragt er in einem andern Liede, aus allen den Männern geworden, die groß und herrlich bei ihrem Leben waren? Wo ist der edle Salomo, wo der unbesiegliche Samson, wo der schöne Absalon, wo der liebenswerte Jonathan, wo der erhabene Kaiser Cäsar, wo der glänzende Xerxes, wo der beredte Tullius, wo der Denker Aristoteles? Alle sind sie mit so großen Reichen, so trotziger Gewalt, solcher tiefer Weisheit in einem Augenblick verschwunden. Drum ein Tor, der sein Herz an die Dinge dieser Welt hängt, statt sie zu verachten Cur mundus militat sub vana gloria. Daniel, Thesaurus hymnologicus II, 379. – Vgl. Ozanam, S. 165, wo auch deutsche Übersetzung von Dreves.. Das ergreifendste dieser Lieder: ›O vita penosa‹, läßt das ganze Leben des Menschen von der Geburt bis zum Tode am Blicke vorüberziehen. Mit dem Eintritt in das Dasein beginnt die Klage. Welche Sorgen bereitet das Kind der Mutter? Vor Kälte fröstelnd muß sie in der Nacht sich erheben, das hungrige zu nähren. In seinem Unverstande schreit es ohne Unterlaß und ohne Not. Sie aber, keinen Rat sich wissend, glaubt in Herzensangst, es werde sterben, und, die Lampe in der zitternden Hand, sucht sie vergeblich die Ursache seines Wimmerns zu entdecken und ihm Hilfe zu bringen. Dann kommen die mühsamen Jahre des Lernens, der kostspielige Verkehr des Jünglings mit seinen Altersgenossen, der den Eltern bittere Sorgen bereitet, später das unablässige sich Abarbeiten und Mühen für die eigene Familie. Krankheit stellt sich ein, die Doktorrechnungen nehmen kein Ende. Das Gemüt wird verzagt und unzufrieden, keine Jahreszeit ist ihm recht, die Gedanken lassen in der Nacht nicht mehr schlafen. Endlich kommt das hilflose Alter und wozu das alles? – Um von Würmern gefressen zu werden! Sat. II. lib. I. – So war das Leben noch nie geschildert worden, in so drastischen Bildern, in so hoffnungslos schneidender Weise, aus solch seelischer Verzweiflung heraus! Das ist der Schrei eines tödtlich getroffenen Menschen, der seine Wunden aufreißt, in grimmigem Vergnügen sich an ihrem Anblick zu weiden. Wer sich fragt, wo und wann jene grausam ironische Stimmung, die der Welt die Darstellungen des Siegers Tod und der Totentänze geschenkt, zuerst in künstlerischer Form ans Licht hervorgebrochen sei – in diesen Liedern Jacopones möge er die Antwort suchen! Man vgl. den Abschnitt über die Todesdarstellungen weiter unten.

Die mystische Vereinigung der Seele mit Gott, die Bonaventura auf dem gewundenen Wege der Spekulation erstrebte, erringt sich Jacopone mit dem ungestümen Drange seiner leidenschaftlichen Seele. Dennoch aber reizt es ihn oft, den Ideen seines großen Ordensbruders nachzugehen, von ihnen auf seiner Wanderung sich führen zu lassen, sie in Liedern zu verherrlichen. Die Himmelsleiter, auf deren Stufen die Tugenden stehen, der Kampf der Tugenden und Laster, die vier Schlachten der Seele, die fünf Schilde der Geduld und so viele andere allegorische Bilder müssen ihm dienen, Unaussprechliches faßlich zu machen Vgl. seinen Traktat, die sogenannten ›Detti‹ und viele Gedichte, namentlich die Cantici des II. Buches in den Poesie spirituali.. Ergreifende Vergleiche zeichnen vor den anderen besonders jene Gesänge aus, welche die Armut feiern. Wir werden sie später in anderm Zusammenhange kennenlernen. Dann aber wieder findet er die einfachsten, rührendsten Worte für das irdische Leben Christi, in dessen Anschauung er sein Liebesgefühl kräftigt und erhebt, und er entnimmt der Natur die Bilder zarter Mutterliebe, schneidenden Mutterschmerzes. So lebendig war vielleicht, abgesehen von Franz, das menschliche Leben und Leiden des Herrn noch nie geschildert worden. Das ›Stabat mater dolorosa‹ ist wohl jedem bekannt, aber die herrlichen Lieder von der ›Geburt Christi‹, von der ›Anbetung der heiligen drei Könige‹, von ›Christi Leiden‹, von der ›Himmelfahrt Maria‹, dürfen wohl neben ihm genannt werden Vgl. besonders III, 4. Ogni uom con alegrezza novella. III, 5. Ne la degna stalla del dolce bambino Gli angli cantano d'intorno al piccolino. III, 6. O vergin più che femina. III, 7. Dolce amor Christo bello. III, 12. Donna del paradiso. III, 13. Or si incomincia il duro pianto. III, 21. Canti giojosi e dolce melodia. Das höchst reizvolle Lied: Di' Maria dolce, con quanto disio (bei Nannucci) ist nach d'Ancona (Studi sulla lett. 1884, S. 1 ff.) aus dem 15. Jahrhundert von Fra Giovanni Dominici.. Ganz sicher sind sie von Mund zu Mund gegangen und Lieblingslieder des Volkes geworden. Ein Beispiel wenigstens zu geben, möge dem ›stabat mater speciosa‹ in der von Diepenbrockschen Übersetzung hier eine Stelle vergönnt sein:

An der Krippe stand die hohe
Mutter, die so selig frohe,
      Wo das Kindlein lag auf Streu.
Und durch ihre freudetrunkne,
Ganz in Andachtsglut versunkne
      Seele drang ein Jubelschrei.
Welches freud'ge, sel'ge Scherzen
Spielt im unbefleckten Herzen
      Dieser Jungfrau-Mutter froh.
Seel' und Sinne jubelnd lachten
Und frohlockten im Betrachten,
      Dies ihr Kind sei Gottes Sohn.
Wessen Herz nicht freudig glühet,
Wenn er Christi Mutter siehet
      In so hohem Wonnetrost?
Wer wohl könnte ohn' Entzücken
Christi Mutter hier erblicken,
      Wie ihr Kindlein sie liebkost?
Wegen seines Volkes Sünden
Muß sie zwischen Tränen finden
      Christum frosterstarrt auf Stroh;
Sehen ihren süßen Knaben
Winseln und Anbetung haben
      In dem Stalle kalt und roh.

Und dem Kindlein in der Krippe
Singt der Himmelsscharen Sippe
      Ein unendlich Jubellied;
Und der Jungfrau und dem Greisen
Fehlen Worte, um zu preisen,
      Was ihr staunend Herz hier sieht.
Eia Mutter, Quell der Liebe,
Daß auch ich der Inbrunst Triebe
      Mit dir fühle, fleh ich, mach!
Laß mein Herz in Liebesgluten
Gegen meinen Gott hinfluten,
      Daß ich ihm gefallen mag.
Heil'ge Mutter, das bewirke;
Präge in mein Herz und wirke
      Tief ihm Lebenswunden ein;
Mit dem Kind, dem Himmelssohne,
Der auf Stroh liegt mir zum Lohne,
      Laß mich teilen alle Pein;
Laß mich seine Freud' auch teilen,
Bei dem Jesulein verweilen
      Meines Lebens Tage all:
Laß mich dich stets brünstig grüßen,
Laß des Kindleins mich genießen
      Hier in diesem Jammertal.
O mach allgemein dies Sehnen,
Und laß niemals mich entwöhnen
      Von so heil'gem Sehnsuchtsstrahl.
Jungfrau aller Jungfrau'n, Hehre,
Nicht dein Kindlein mir verwehre
      Laß mich's an mich ziehn mit Macht.
Laß das schöne Kind mich wiegen,
Das den Tod kam zu besiegen
      Und das Leben wiederbracht!
Laß an ihm mit dir mich letzen,
Mich berauschen im Ergötzen,
      Jubeln in der Wonne Tanz!
Glutentflammet von der Minne
Schwinden staunend mir die Sinne
      Ob solches Verkehres Glanz!
Laß vom Kindlein mich bewachen,
Gottes Wort mich rüstig machen,
      Fest mich in der Gnade stehn.

Und wenn einst der Leib verweset,
Laß die Seele dann erlöset
      Deines Sohnes Antlitz sehn! Ich habe dies Lied hier ganz mitgeteilt, weil es, meisterlich übersetzt, eine lebendige Anschauung von der höchst persönlichen, bilderreichen Franziskanerpoesie gibt. Dabei aber kann ich mich doch eines gewissen Zweifels nicht erwehren, ob es tatsächlich von Jacopone und nicht vielmehr von einem andern in Nachahmung des Stabat mater dolorosa gedichtet ist.

Die Rettung aus diesem Leben suchte der Dichter in dem heißen Streben der Seele nach einem höheren, unwandelbaren Gute. Seine Bitte ist überreich erfüllt worden. Sein Dasein ward zu einem glühenden, göttlichen Liebesliede. Aus dem Kampfe mit dem Körper, dem Knechte des Lasters, geht, in der Tugend wahre Freiheit sich erwerbend, seine Seele siegreich hervor Lib. IV, 33. Udite una entenzone. Lib. V, 4. O libertà subietta.. Vom Feuer himmlischer Liebe entzündet geht sie als Braut aus, ihren Bräutigam Christus zu suchen. Vor seiner Türe bittet sie um Einlaß:

Öffne mir Jesus, mein Leben Lib. VI, 29. Aprimi Jesu vita mia..

Dann ruft sie die Freundinnen, mit ihr den Freund zu suchen:

Laßt uns zur Wiese gehn, um ihn zu werben,
Im Blumenschmuck ein Lager ihm bereiten,
Mit schönen Rosen wollen wir's ihm röten
Und lauernd nach ihm ausspähn aller Orten.

O kommt herbei, ihr meine schönen Mädchen,
Den Schoß mit Rosen pflückend euch zu füllen!
Kommt der Geliebte, tragt bedachtsam Sorge,
Daß er nicht weggeh', nein gefangen bleibe Lib. VI, 40..

Die frohe, selige Liebe vereinigt sie alle zum Reigen:

Jedweder Liebende, der liebt den Herrn,
Zum Tanze komme und zum Liebessange!
Zum Tanze komm' er froh und liebesselig,
Des Sehnens voll nach dem, der ihn geschaffen,
Sein Herz entflammt von brennend heißer Liebe
Sei ganz verwandelt von so großen Gluten Lib. VI, 43. Ciascuno Amante che ama il Signore. Gereimte Übersetzung bei Schüler und Storck, S. 335. – Vgl. die ähnlichen VI, 37. Bene morrò d'amore. VII, 8. Nol mi pensai giammai..

In diesen Gluten aber verzehrt sich das Herz selbst: lebend stirbt es und sterbend lebt es.

In Glut mich Liebe senkte
In Glut mich Liebe senkte! Das berühmte Lied: ›In foco amor mi mise‹, das irrtümlicherweise lange, bis auf die jüngste Zeit noch häufig, Franz selbst zugeschrieben wurde, obgleich schon Affò: Dissertazione de' Cantici volgari di S. F., Guastalla, 1778, das endgültig widerlegt hatte, dem dann auch Diepenbrock, a. a. O. S. 355, und Schlosser (Die Lieder des h. F. 1842, S. 26 f.) beistimmen. Es befindet sich unter Jacopones Poesie VII, 6. Vgl. S. Bernardini Opera, Venedig, 1591. T. IV. Sermones IV. – Acta S. S. Oct. II, S. 1003. – Poeti dei primo secolo. Florenz 1816, II. Bd. Ozanam a. a. O., S. 78 (mit Übers.). Chavin: Storia di S. F., S. 322. Hase: F. v. A. S. 151 (Übers.). Schlüter und Storck, S. 345.

Die Liebe schlägt ihm im heißen Kampfe Wunden, bis Christus selbst sein Sehnen stillt und es in die ewige Liebesgemeinschaft mit ihm aufnimmt Amor di caritate. Op. Bernardini a. a. O. Chavin, Storia di S. F. S. 324.. Da löst sich endlich alles Denken, alles Fühlen, alles Dichten in einem Schrei der Liebe auf:

O Liebe, Liebe, Jesus mein Verlangen,
O Liebe, dich umfassend will ich sterben,
O Liebe, Liebe, die ich halt' umfangen,
O Liebe, Liebe, Tod möcht' ich erwerben,
O Liebe, Lieb', in dich ganz aufgegangen
Umfaß ich dich und darf dich ganz ererben:
            Sieh meine Kraft in Scherben,
            Weiß nicht, wo ich mich finde,
            Mich senk' in die Abgründe
            Die Liebe deiner Hand Übers. Schlüter und Storck, S. 309, die ich oben benutze..

Für solches zeit- und raumloses Gefühl aber gab es keine Worte weiter. »Man sagt und glaubt, daß dieser selige Jacopone vor Liebe zu Christus gestorben und daß vor allzugroßer Liebe sein Herz zersprungen sei!« –

Ob alle die zahlreichen Lieder der venezianischen Ausgabe wirklich von Jacopone sind, erscheint sehr zweifelhaft. Eine kritische Sichtung derselben steht noch aus, doch vermuteten Ozanam und Adolfo Bartoli mit Recht, daß manches darunter andern als Dichter bekannten Franziskanern, wie Fra Ugo Panziera da Prato, Fra Francesco da Fabriano und Fra Angelo da Camerino, von denen uns sonst nichts erhalten ist, angehören dürfte Bei Ozanam die Bemerkung S. 265, daß nach Wadding in der Bibliothek Chigi in einem Codex (577) neben verschiedenen Gedichten von Jacopone auch solche von Ugo sich befinden. Vgl. d'Ancona: Studi sulla lett. Ital. S. 1 ff..


Der gesamten Franziskanerdichtung sind, wie wir gesehen haben, vor allem zwei Dinge eigentümlich: sie geht aus einer starken Gemütsbewegung des Einzelnen hervor und sucht durch sinnlich anschauliche Bilder eine solche im Volke hervorzurufen. Sie unterscheidet sich darin in nichts von der Predigt. In beiden, Predigt wie Dichtung, aber macht sich als notwendige Folge des Inhaltes und des Zweckes in sehr charakteristischer Weise ein dramatisches Element in der Form geltend und dieses ist es, was eigentlich bestimmend für den ersten Eindruck wirkt. Darin liegt das Neue, das den Leser, der sich mit Dichtung und Predigt des frühen Mittelalters beschäftigt hat und nun zu den Reden des Berthold von Regensburg und den Liedern des Jacopone gelangt, so überraschend berührt. Dieses dramatische Element aber ist es ebenso, das der Kunst Giottos ein von der vorangehenden so verschiedenes Gepräge verleiht. Fast unwillkürlich drängt sich da der Gedanke auf, ob nicht auch die Mysterien, die im 13. Jahrhundert zuerst in Italien beliebt wurden, auf die Anregung der Franziskaner zurückgehen? Jene Weihnachtsfeier, die Franziskus in dem Drange seines sinnlich religiösen Gefühles in Greccio veranstaltete, wird schon von Salimbene geradezu als »repraesentatio« bezeichnet Chronik S. 132.. Thomas von Celano erzählt, wie Franz das Evangelium gelesen, wie das Volk mit Singen eingefallen sei, wie er dann vor der Krippe niedergekniet sei, ja das Kindlein selbst in den Armen gehalten habe (Abb. Anhang III, Tafel 18). Das ist offenbar ein kirchliches Mysterium so gut wie irgendeines der späteren gewesen, zugleich aber das früheste, von dem wir aus Italien Kunde haben Gewöhnlich bezeichnet man als das erste ein 1243 in Padua aufgeführtes.. In Frankreich und in Deutschland haben derartige Aufführungen schon früher stattgefunden: wir wissen von lateinischen Mysterien aus dem 12. Jahrhundert, welche die Anbetung der Heiligen Drei Könige, den Bethlehemitischen Kindermord, die Auferstehung Christi und seine Erscheinung in Emmaus, sowie die Parabel von den klugen und törichten Jungfrauen veranschaulichen Vgl. Kleins Gesch. des ital. Dramas. Leipzig, Weigel 1866. I. Bd. S. 12, wo ausführlichere Literaturangaben zu finden sind..

Nun hat Ozanam die Vermutung aufgestellt, daß in einer Reihe von Gedichten Jacopones die ersten Versuche der italienischen Volksbühne vorliegen, und zwar neben jenen erwähnten, für die kirchlichen Feste bestimmten Dichtungen besonders in einzelnen Kanzonen, die den Dialog verschiedener Personen enthalten A. a. O. S. 251 ff.. Ist in dem Liede: ›San Francesco sia laudato‹ die epische Form trotz der Wechselrede zwischen Franz, der Armut und dem Dichter noch gewahrt Lib. III, 24., so tritt in einem Dialoge über den ›Sündenfall und die Erlösung‹ das dramatische Element bereits stark in den Vordergrund Lib. II, 2.. Als sprechende Personen werden eingeführt: der Dichter, die Gerechtigkeit, die Barmherzigkeit, Gott Vater, Gott Sohn, ein Engel, Maria, Tugenden, die Seligkeiten, der Mensch. Durchaus aber für die Deklamation berechnet scheint die Klage der Maria unter dem Kreuze, welche beginnt: ›Donna del Paradiso‹ und bruchstückweise von Ozanam gegeben ward Lib. III, 12. Vgl. damit das Zwiegespräch zwischen Maria und dem Kreuz in einer dramatisierenden Dichtung, die von Mazzatinti: Poesie religiose del secolo XIV. Bologna 1881. S. 79 publiziert ist.. Mag man auch bezweifeln, ob es nicht schon vor Jacopone Mysterien in der Volkssprache gegeben hat, ob nicht namentlich die dramatischen Gesänge der Laudesi für Aufführungen bestimmt waren, so läßt sich doch die Bedeutung dieser Gedichte für eine Wertschätzung der Franziskanerpoesie auch auf dem Gebiete der Mysteriendichtung nicht ableugnen Tiraboschi, St. della lett. Ital. 1807 P. IV p. II, p. 419 und Ebert: Studien zur Gesch. des m. a. Dramas. Jahrb. f. rom. u. engl. Lit. 1864. V. Bd. S. 51 ff. sind der Ansicht, die Mysterien des 13. Jahrhunderts seien noch lateinisch gewesen.. Es scheint mir durchaus wahrscheinlich, daß jene kirchlichen Aufführungen der Passion und Auferstehung Christi 1243 im Prà della Valle bei Padua von den gerade hier besonderes Ansehen genießenden Minoriten in Szene gesetzt worden sind, daß die zunächst folgenden uns bekannten Darstellungen 1261 in Treviso, 1264 in Rom, 1298 und 1304 in Cividale, 1304 in Florenz wenigstens allgemein auf die Anregungen der Bettelmönche zurückgehen Vgl. darüber: Ebert a. a. O. – Klein a. a. O. S. 153 ff. – Quellen: Muratori Script. rer. ital. VIII, 375 (Padua), XXIV. 1205. (Cividale.) – Muratori: Antiq. Ital. II. Diss. 29: de spectaculis et ludis publicis medii aevi..

In dieser Ansicht bestärkt mich jenes im Mittelalter weit verbreitete, dem Bonaventura zugeschriebene Buch: die › Meditationes vitae Christi‹, das, wie die Mysterien, in ausführlicher, ausschmückender Weise den Vorgang der wichtigsten Ereignisse in Christi Leben neu erzählt Bonaventura: opera Peltier 1868. XII. Bd. S. 509 ff.. Wenn es freilich auch, nach der Ansicht vieler Forscher und nach meinem eigenen Dafürhalten, schwerlich von Bonaventura selbst geschrieben ward, so ist es doch unzweifelhaft das Werk eines Franziskaners und liefert einen wichtigen Beitrag zu den Franziskaneranschauungen. Jacopone da Todi hat es gekannt und benutzt, und nach ihm dürften wohl viele andere, besonders dramatische Dichter dasselbe getan haben. Seinerseits lehnt es sich in der Einleitung, welche den Streit zwischen der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, der Wahrheit und dem Frieden vor dem Throne Gottes und dessen Entscheidung zugunsten des Erlösungswerkes Christi schildert, an Bernhard von Clairvaux an – ein Stoff, der sich auch in sogenannten Moralitäten der Troubadours behandelt findet, z. B. von Guillaume Herman und Etienne Langton, Erzbischof von Canterbury Meditationes cap. II. – De la Rue: Essais historiques sur les Bardes et les Trouvères. Caen 1834. II, p. 52 und III, p. 10. – Vgl. auch das obenerwähnte Gedicht Jacopones II, 2 und eine Stelle in Bertholds Predigten I, S. 199.. Der Verfasser der ›meditationes‹ verweilt mit besonderer Vorliebe bei der eingehenden Schilderung der Jugendgeschichte und der Passion Christi und weiß in spannender und dramatischer Weise neben den Hauptvorgängen von den besonderen Erlebnissen der Maria, Magdalena und der Jünger zu erzählen. Im Grunde genommen spielt nicht Christus, sondern Maria die Hauptrolle, ihre Freude und Schmerz, was sie getan und gesprochen, tritt stets in den Vordergrund. Dasselbe Hervorheben der Maria, ein ganz verwandtes Ausdehnen der evangelischen Geschichten und deren gleiche gefühlsvolle Auffassung aber begegnet uns in den ältesten der uns erhaltenen dramatischen Spiele in italienscher Sprache. Dieselben, › Devozione del Giovedì Santo‹ und › Devozione del Venerdì Santo‹ genannt, behandeln die Passion und dürften nach Palermo und Ebert spätestens in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden sein Publ. bei Palermo: I Manoscritti Palatini di Firenze. Firenze 1860, vol. II, S. 272. – Vgl. die Besprechung bei Ebert, Klein und Bartoli. – Wie sie uns vorliegen, sind sie eine 1375 gefertigte paduanische Übersetzung des römischen Originals.. Sie stehen noch in engster Verbindung mit dem Kultus und wurden zweifelsohne in der Kirche selbst aufgeführt. Die Bühne: talamo befand sich im Mittelschiff und hatte verschiedene Abteilungen für die verschiedenen Orte der Handlung. Der Chor bezeichnet Jerusalem. Daß aber für solche Passionsmysterien sich damals bereits eine ganz sichre Norm festgestellt hatte, geht daraus hervor, daß der Verfasser bei seinen Anweisungen oft hinzufügt: »wie üblich«, »wie bekannt«. Der Priester liest das Evangelium, und die szenische Darstellung unterbricht ihn nun beständig und führt gleichsam das Grundthema in Wort und Handlung aus. Da wir später noch auf diese dichterische Ausbildung der christlichen Legende im Zusammenhange mit der bildenden Kunst zu sprechen kommen werden, genügt es hier auf die wenn auch allgemeinen, doch beachtenswerten Beziehungen zwischen den Meditationes und Devozioni hingewiesen zu haben. In einem anderen Mysterium »von einem Mönche, der sich in den Dienst Gottes begab«, das sich gleichfalls bei Palermo (S. 337) findet und offenbar für spezielle Klosteraufführungen bestimmt war, handelt es sich um einen Jüngling, der ebenso grausam und so ungerührt wie Salimbene seine Eltern verläßt und von einem greisen Eremiten in das einsame Leben der Selbstentsagung eingeweiht wird.

Die wenigen uns erhaltenen Denkmale erlauben es demnach freilich nicht, bestimmt zu sagen, wieweit das Franziskanertum an der Ausbildung der Mysterien beteiligt gewesen ist. Der Vermutung aber, daß ihm deren erste Einführung verdankt worden ist, vermag man sich schwer zu entziehen, hält man alles das zusammen, was über die Art der Popularisierung religiöser Anschauungen im vorhergehenden gesagt ist. Kirchliche Aufführungen liegen so recht im Geiste des Ordens.

In Jacopones Liedern hat die Franziskanerdichtung ihren Höhepunkt erreicht – während er die letzten sang, schrieb Dante fern von der geliebten Heimatstadt die Divina commedia. Es hat nicht an Stimmen gefehlt, die dieses Riesenwerk einen Franziskanergesang genannt haben Vgl. aber auch G. Mesticas Aufsatz: San Francesco, Dante e Giotto in der Nuova Antologia II S. T. XXVII. 1881. S. 1 ff., 403 ff., XXVIII S. 38. Hier ist der Einfluß des Franziskanertums auf Dante auf das richtige Maß zurückgeführt.. Das ist zu weit gegangen – aber etwas Wahres liegt doch darin! Die religiöse Begeisterung, die, von Franziskus ausgegangen, ein Gemeingut des italienischen Volkes geworden war, hat auch dies erhabene Lied zur Verherrlichung der himmlischen Liebe hervorgerufen. Das edel Menschliche der ›vita nuova‹ ist nur ein eigenartiger genialer Ausdruck jener Humanität, die, wie wir gesehen haben, der hervorstechende Zug des Franziskanertums ist. Das anschaulich Sinnliche wie das Mystische in den Predigten und Gedichten des letzteren findet sich, als Ausdruck eines mächtigen Geistes, in der Göttlichen Komödie wieder. Und gerade hieraus erklärt es sich, daß ein so tiefsinniges Werk eine so beispiellose Popularität gewinnen konnte. Und liegt dem Ganzen auch die Weltanschauung des Thomas von Aquino, der allein dem klaren Denker Dante den großen, einheitlichen Zusammenhang zu geben vermochte, zugrunde, so hat ihm den Geist und die Sprache der Liebe doch Bonaventura geschenkt. Dieser ›amor divino‹, der in den unbeschreiblichen Gesängen des Paradieses durch ewiges Licht dem einen Unfaßlichen entgegenschwebt, verdankt die Kraft seiner Schwingen dem reichen Gefühlsleben des Franziskanertums. In Dante kommen die beiden Strömungen der italienischen Poesie im 13. Jahrhundert: die philosophische Troubadourdichtung und die mystische Dichtung der Franziskaner zusammen, aber wie die letztere stärker und ursprünglicher war, so verlieh sie auch der Divina commedia den eigentlich künstlerischen, ewigen Gehalt. Sie lehrte den Dichter jene Kraft erfassen, die ihn hinanzieht, die in der bewundernd liebenden Verehrung der Jungfrau des Himmels gewiß wird – »das ewig Weibliche!« Mit größerem Rechte als Guido Cavalcanti ist Jacopone der Vorläufer des Dichters zu nennen, der die Schrecken der Hölle und die Seligkeit des Himmels an sich erfahren. So mag mit Recht die Betrachtung der Franziskanerpoesie zuletzt zu dem Werke hinaufstreben, das deren Vollendung geworden.


Die kurze Betrachtung hat uns gelehrt, wie Predigt und Dichtung des neuen Ordens derselben Mittel sich bedient haben, um eine kräftige und für lange hinaus wirkungsvolle Religiosität im Volke zu erwecken. Daß aber auch eine dritte Kunst, die Musik, den Bund der anderen beiden vervollständigt hat, ist durchaus wahrscheinlich, wenn man auch noch nicht imstande ist, im einzelnen festzustellen, welche Fortschritte diese Kunst, die mehr als irgendeine andere dazu berufen schien, der mystischen Gefühlsschwärmerei der Franziskaner Ausdruck zu verleihen, dem Orden zu danken hat. Franz selbst ja wußte Gott seine Liebe nicht herrlicher darzubringen, als im Gesange, und seine tiefsten Empfindungen machten sich in Tönen Luft. Wie empfänglich sein Ohr für Musik gewesen, bezeugt eine von Thomas von Celano mitgeteilte rührende Geschichte:

»In der Zeit, als er seine Augen zu heilen bei Reate verweilte, rief er einen seiner Genossen, der in seinem früheren weltlichen Leben Zitharista gewesen war und sprach zu ihm: Bruder, die Söhne dieser Welt verstehen nicht die göttlichen Mysterien. Denn die Musikinstrumente, die einst für göttliche Lobgesänge bestimmt waren, verwendet menschliche Begierde zu sinnlicher Wollust der Ohren. Ich wünschte, Bruder, du borgtest dir heimlich eine Zither und brächtest sie her, meinem schmerzerfüllten, kranken Körper durch ein ehrliches Lied etwas Trost zu verleihen.« Dem antwortet der Bruder: »Ich schäme mich des nicht wenig, o Vater, aus Furcht, daß nicht die Leute argwöhnen, ich werde durch meinen leichten Sinn dazu verführt.« Darauf der Heilige: »Also unterlassen wir es, Bruder! Es ist gut, viel zu unterlassen, damit es nicht der guten Meinung zu Schaden gereiche.« In der folgenden Nacht aber, als der h. Mann wachte und über Gott sann, ertönte plötzlich eine Zither in wunderbarer Harmonie und süßesten Melodien, ohne daß jemand zu sehen war, aber der Wechsel der Tonstärke machte das Vorübergehen und das Zurückkehren des Zitharöden bemerkbar. Als aber sein Geist sich wieder zu Gott gewendet hatte, kam ein solches Entzücken mit jenem süßtönenden Gesange über den Vater, daß er die Erde verlassen zu haben glaubte« II Leg. III, 66. S. 186 f. – Danach Bonaventura cap. V, S. 756..

Die Musik der Franziskaner wird, wie die Dichtung, in einen bestimmten Gegensatz zu dem weltlichen Sange der Troubadours, der sich nach den alten Nachrichten einer ausnehmenden Beliebtheit in Italien erfreute Vgl. Salimbene an verschiedenen Stellen, namentlich S. 21, wo er von seinen musikalischen Verwandten spricht., getreten sein, sie wird die tiefere begeisterte Empfindung vor demselben vorausgehabt haben. Salimbene namentlich lehrt uns, mit welcher Vorliebe die Musik in den Klöstern betrieben wurde. Als hervorragende Künstler erwähnt er einen Frater Henricus Pisanus, einen reich begabten Mann, der sein Lehrer im Gesange gewesen und später Minister in Griechenland war: »er verstand zu schreiben, zu miniieren, was einige, weil das Buch mit minium illuminiert wird, auch illuminieren nennen, Noten zu schreiben, die herrlichsten und ergötzlichsten canti zu erfinden, sowohl modulierte, d. h. fracti, als firmi. Er selbst war ein feierlicher Sänger. Er hatte eine so mächtige und wohlklingende Stimme, daß er mit ihr den ganzen Chor ausfüllte. Eine Violine aber spielte er, die feinfühlig, sehr hoch und hell, süß, weich und ergötzlich über alles Maß war« Salimbene. S. 64.. Er hat viele Kantilenen und viele Sequenzen gemacht, die Salimbene einzeln aufführt Quillam(?) habebat – ich vermute stattdessen »viellam«.. – Ein anderer bedeutender Sänger und Komponist war ein Frater Vita in Lucca, der gleichfalls, im Jahre 1239, Salimbene unterrichtet hat. »Er war der beste Sänger der Welt zu seiner Zeit in beiderlei Gesange, dem cantus firmus und fractus. Er hatte eine anmutige, feine Stimme, die ergötzlich zu hören war. Da gab es keinen noch so Strengen, der ihn nicht gern gehört hätte. Er sang vor den Bischöfen, Erzbischöfen, Kardinälen und dem Papst und wurde gern von ihnen gehört. Wenn jemand sprach, während Bruder Vita sang, ertönte sogleich jenes Wort des Ecclesiasticus (32): ›non impedias musicam‹. So auch wenn zuweilen eine Nachtigall oder eine Amsel im Gebüsch oder auf einem Zaune sang, gab sie jenem nach, wenn er singen wollte, und hörte ihm begierig zu, ohne sich vom Flecke zu bewegen, und nahm erst dann ihren Gesang wieder auf, und so tönten denn in wechselndem Gesange ergötzend und süß die Stimmen wieder. Dabei war er so höflich betreffs seines Gesanges, daß er sich niemals, sei es mit Angegriffenheit der Stimme oder mit Heiserkeit oder aus einem anderen Grunde, entschuldigte, wenn man ihn bat zu singen. So fanden jene Verse, die man zu zitieren gewöhnt ist, auf ihn keine Anwendung:

Omnibus hoc vitium est cantoribus inter amicos
Ut nunquam inducant amicum cantar erogati.

Seine Mutter und Schwester waren vortreffliche, ergötzliche Sängerinnen. Er machte jene Sequenz: »ave mundi – spes Maria«, die Worte und den Gesang. Auch machte er viele Kantilenen im cantus melodiatus oder fractus, an denen sich die Weltgeistlichen ungemein ergötzen« Sal. S. 64 ff. Er verließ verschiedene Male den Minoritenorden und trat endlich bei den Benediktinern ein, lebte lange Zeit bei dem Erzbischof in Ravenna Philippus und starb in Mailand, wo er bei den Franziskanern bestattet wurde..

Neben diesen bedeutendsten Sängern erwähnt Salimbene noch einige andere, einen Frater Johanninus de Ollis Sal. S. 128: bene sciebat musicam et bene cantabat., einen Frater Guidolinus Januarius von Parma S. 318: optime cantabat in cantu melodiato, id est cantu fracto, et de cantu firmo melius cantabat, quam vocem haberet, quia valde gracilem vocem habebat. und andere mehr.

Die Liebe zur Musik, die in den Klöstern gepflegt wurde, spricht aber auch aus den Gedichten und Liedern der Franziskaner: wo immer die Freuden des Himmels geschildert werden, wird auch von der unaussprechlichen Süßigkeit der Engelmusik gesprochen. Die Seelen, die zur Liebesgemeinschaft mit Christus gelangt sind, haben nur einen Ausdruck ihres Glückes: ihn singend im Reigentanze zu verehren. Singende, musizierende und tanzende Engel umgeben fortan auf den Bildern des Paradieses, des Jüngsten Gerichtes, der Himmelfahrt Mariä, der Krönung Mariä, kurz auf allen den Darstellungen himmlischer Feste die Herrscher des Himmels. Und welche Pflege die Musik bis auf unsere Zeiten in der Hauptkirche des Franz in Assisi erhalten, beweist der noch ungehobene Reichtum an wertvollen Musikmanuskripten im Archive daselbst. In derselben Kirche aber wird jedwedem, der dem Heiligen nachsinnt, das volle Verständnis für diesen erst werden, wenn die Orgel zu spielen beginnt und die Wellen des Chorgesanges durch die mächtigen, dunklen Wölbungen fluten. In solchen Augenblicken allein geht dem in dichtendes Träumen versunkenen Geiste die Ahnung auf, was die glühende, tief innerliche Gefühlsauffassung des christlichen Glaubens der Menschheit geschenkt. Auf dieses Bettlers Zauberruf der Liebe ist im Frühlingslicht edler, christlicher Menschlichkeit ein leuchtendes Reich der Schönheit erstanden!


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