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Warum, verehrter Herr Snob«, sagte eine junge Dame von Rang und Stand (der ich hiermit meine besten Grüße zu Füßen lege), »warum blieben Sie nur solange in ›Immergrün‹, wenn Sie dort alles so snobhaft fanden, wenn das Schwein Ihnen unerträglich war und der Hammel nicht nach Ihrem Geschmack, wenn Mrs. Ponto Ihnen nach Ihrer Meinung blauen Dunst vormachte und die schrecklichen Klavierübungen der Miß Wirt Ihnen Pein verursachten?«
Ah, mein gnädiges Fräulein, was für eine Frage! Haben Sie denn nie von tapferen britischen Soldaten gehört, die Batterien stürmten, von Ärzten, die nächtelang in Pestbaracken zubrachten, oder von ähnlichen Beispielen der Selbstaufopferung? Was, meinen Sie wohl, hat unsere tapferen Edelleute veranlaßt, als sie gegen die Batterien von Sobraon mit ihren hundertundfünfzig donnernden Feuerschlünden zwei Meilen weit anliefen, die sie zu Hunderten hinmähten? Vergnügen daran ganz gewiß nicht. Was veranlaßt Ihren verehrten Herrn Vater, seine behagliche Häuslichkeit zu verlassen, um nach Tisch auf sein Büro zu gehen, wo er bis lange nach Mitternacht die ödesten Gesetze studiert? Die Pflicht, Mademoiselle, die Pflicht, die gleicherweise von Soldaten, vom Richter oder vom Literaten erfüllt werden muß. Ja, auch in unserem Beruf gibt es eine Fülle von Selbstaufopferung.
Sie glauben es nicht? Ihre rosigen Lippen verziehen sich zu einem ungläubigen Lächeln – das ist kein anmutiger und schöner Ausdruck auf dem Antlitz einer jungen Dame. Gut denn, die Wahrheit ist, daß meine Junggesellenwohnung Nr. 24, Pump Court Temple, von der wissenschaftlichen Gesellschaft neu getüncht wurde und daß Mrs. Slamkin, meine Aufwärterin, die Gelegenheit wahrnahm, um ihre verheiratete Tochter, die sie mit einem allerliebsten kleinen Enkel beschenkt hat, zu besuchen – demnach konnte ich gar nichts Besseres tun, als einige Wochen auf dem Lande zu verleben. Aber, ach, welche Wonne, als ich Pump Court mit seinen vertrauten Schornsteinen wieder aufsuchte! »Cari luoghi!« Willkommen, willkommen, Nebel und Ruß!
Wenn Sie aber glauben, es fehle die Pointe in meiner eben erzählten Geschichte über die Pontinische Familie, so befinden Sie, meine Gnädigste, sich in einem sehr verhängnisvollen Irrtum. Denn eben in diesem Kapitel kommt die Moral – wie sollte es auch anders möglich sein, bilden doch diese ganzen Artikel eine fortgesetzte Moral, da sie die Narrheit des Snob-Wesens dartun.
Sie werden bemerkt haben, daß in meiner Beschreibung des Snobtums auf dem Lande mein armer Freund Ponto fast ausschließlich dem Blick der Gesellschaft preisgegeben ist – und weshalb wohl? Etwa, weil wir in kein anderes Haus gekommen wären, weil andere Familien uns nicht ihrer Gastfreundschaft gewürdigt hätten? Nein, nein. Weder Sir John Hawbuck auf Haws noch auch Sir John Hipsley auf Briary Hall verschlossen uns ihre gastlichen Tore, und General Sagos indische Weitherzigkeit kannte ich aus Erfahrung. Gelten Ihnen die beiden alten Damen in Guttlebury gar nichts? Meinen Sie, daß ein junger Strick, der ungenannt bleiben soll, nicht mit Vergnügen willkommen geheißen worden wäre? Wissen Sie denn nicht, daß die Leute auf dem Lande nur zu froh sind, wenn sie jemanden zu sehen bekommen?
Aber all diese würdigen Personen gehören nicht in den Rahmen des vorliegenden Werkes, sondern spielen nur untergeordnete Rollen in unserem Snob-Drama, gerade so, wie oft auf der Bühne Könige und Kaiser nicht halb so wichtig sind wie manche niedrigen Personen. Der Doge von Venedig zum Beispiel tritt in den Hintergrund vor Othello, der doch nur ein Neger ist; und ebenso der König von Frankreich vor Faulconbridge, der doch trotz alledem sicherlich kein Mann von legitimer Geburt war. So verhält es sich auch mit den vorerwähnten hohen Herrschaften. Ich erinnere mich sehr wohl, daß der Rotwein bei den Hawbucks durchaus nicht so gut war wie der bei Hipsleys, während im Gegenteil der weiße Eremitagewein bei den Haws zum Entzücken schön war. (Nebenbei bemerkt, schenkte mir der Kellermeister jedesmal nur ein halbes Glas ein.) Ich erinnere mich auch an die Unterhaltung. Oh, meine Gnädige, meine Gnädige, wie blöde war die! Über Tiefpflügen, über Fasanen und Wilddieberei, über den Wahlkampf wegen der Vertretung der Grafschaft. Der Earl von Mangelwurzelshire war nämlich in einen Streit mit seinem Verwandten und von ihm aufgestellten Kandidaten, dem Ehrenwerten Marmaduke Tomnoddy, geraten. All dieses hätte ich niederschreiben können, wenn ich die Absicht hätte, das mir in Privatsachen geschenkte Vertrauen zu verletzen. Ein großer Teil der Unterhaltung drehte sich auch um das Wetter, die Jagd in Mangelwurzelshire, neue Düngemittel und natürlich um Essen und Trinken.
Aber cui bono? In diesen ebenso stumpfsinnigen wie ehrenwerten Familien ist nicht die Art des Snobtums zu Hause, die zu erforschen unsere Aufgabe ist. Ein Ochse bleibt ein Ochse – ein großes, massiges, dickes, blökendes und gefräßiges Rindvieh. Seiner Natur nach käut er wieder und verschlingt seine ihm zugemessene Portion Rüben oder Ölkuchen, bis seine Zeit kommt, wo er von der Weide verschwinden muß, um anderen breitbrustigen und fleischigen Tieren Platz zu machen. Vielleicht respektieren wir einen Ochsen nicht genügend. Wir haben uns wohl an ihn gewöhnt. Der Snob, meine verehrte Gnädige, gleicht dem Frosch, der sich zum Ochsen aufblasen möchte. Wir aber wollen den albernen Toren in seiner Narrheit bloßstellen.
Betrachten wir, bitte, einmal den Fall meines unglückseligen Freundes Ponto, eines gutmütigen, liebenswürdigen englischen Gentleman, der zwar nicht übertrieben, aber doch ganz ausreichend klug ist – der ein Freund des Portweines, seiner Familie, ländlicher Vergnügungen und der Landwirtschaft ist und ein hübsches, wenn auch etwas altväterliches Herrenhaus besitzt, wie man es sich nur wünschen kann, nebst einer Rente von tausend Pfund im Jahr. Das ist zwar nicht viel, man kann aber mit weniger und doch ganz anständig leben.
Da ist zum Beispiel der Arzt, den Mrs. Ponto ihres Besuches nicht für wert hält; dieser Mann erzieht eine zahlreiche Familie und wird von allen Armen vier Meilen im Umkreise geliebt. Gibt er ihnen doch umsonst Portwein zur Stärkung und als Medizin. Wie diese Arztfamilie mit solch einem »Almosen«, wie Mrs. Ponto sagt, auskommen kann, erscheint ihr wunderbar.
Da ist weiter der Geistliche Doktor Chrysostomos – von dem Mrs. Ponto sagt, sie hätte sich mit ihm wegen seines Puseyismus entzweit; man hat mir aber zu verstehen gegeben, daß der Zwist seine Ursache in dem Umstände habe, daß bei Haws Mrs. Chrysostom den Vortritt vor ihr gehabt habe; – von dem Wert seiner Pfründe kann man sich aus dem Taschenbuch für Geistliche überzeugen; aber man kann nicht daraus ersehen, wieviel er davon fortgibt.
Das gibt selbst Pettipois zu, in dessen Augen doch das Chorhemd des Doktors eine scharlachrote Schändlichkeit ist. Und so erfüllt auch Pettipois auf seine Weise seine Pflicht und hilft seiner Gemeinde nicht nur mit seinen Traktätchen und seinen Reden, sondern auch nach Kräften mit seinem Gelde. Da er der Sohn eines Lords ist, so ist es der sehnsüchtigste Wunsch von Mrs. Ponto, daß er diejenige ihrer Töchter heiraten möge, die Lord Gules nicht zu nehmen beabsichtigt.
Also, obwohl Pons Einkommen fast so groß ist wie das dieser drei ehrenwerten Männer zusammengenommen, so werden Sie, meine Gnädigste, zweifellos erkennen, in welch hoffnungsloser Dürftigkeit der arme Kerl lebt! Welcher Pächter kann wohl auf seine Nachsicht rechnen? Und welcher Arme darf auf seine Mildtätigkeit hoffen? »Mein Herr ist der beste von allen«, sagt der ehrliche Stripes, »als er noch im Reggement war, gab es keinen freigebigeren Vorgesetzten als ihn. Aber bei der Art, wie Missus geizig ist, wundere ich mich, daß die jungen Damen noch am Leben sind, das tue ich wirklich.«
Sie legen großes Gewicht auf eine feine Gouvernante und auf feine Hauslehrer und tragen Kleider, die von derselben Modistin stammen, die auch für Lady Carabas arbeitet. Ihr Bruder reitet mit Earls zur Jagd, und nur die vornehmsten Leute der Grafschaft verkehren in »Immergrün«. Mrs.Ponto hält sich für das Muster aller Frauen und Mütter und für ein Weltwunder, weil sie für all diese Jämmerlichkeit und all das Blech und den ganzen Snobkram nicht mehr als tausend Pfund im Jahr ausgibt.
Sie ahnen nicht, meine Gnädigste, was für ein unaussprechliches Behagen ich empfand, als Stripes meinen Mantelsack in den vierrädrigen Wagen legte und mich (der arme Pon hatte einen Anfall von Hüftweh) nach Guttlebury in das Gasthaus zum »Wappen von Carabas« fuhr, wo wir uns trennten. Im Gastzimmer dort waren einige Handlungsreisende, von denen der eine von dem Hause, das er vertrat, erzählte, ein anderer über das Essen, der dritte über die Gasthäuser an der Heerstraße sprach, und so fort – alles zwar nicht sehr hohe, aber ehrbare und zweckmäßige Gespräche. – Jedenfalls waren sie ebensogut wie die der Gutsbesitzer; und um wieviel angenehmer, als den Paradestücken von Miß Wirt auf dem Klavier zuzuhören oder dem lieblichen Quatsch von Mrs. Ponto über die vornehme Welt und die Großgrundbesitzerfamilien.