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Mein Heiland, dem ich offenbar,
Hör, was ich Kranker lalle:
Ich lag schon achtunddreißig Jahr
Hier in Bethesdas Halle;
Ich bin und bleib ein armes Kind,
So krank und lahm, so dürr und blind;
Wann wirst du endlich eilen,
Selbst meinen Schaden heilen.
Durch Arzt und Mittel dort und hier
Ich wenig Trost erlange,
Kein Wasser sich beweget mir,
Ich hab' gewartet lange:
Wird dem und jenem Rat geschafft
Durch Menschen- und durch Engelkraft,
Ich bleib in einem Wesen;
Du selbst mußt mich genesen.
Das war's, warum kein andrer konnt
Den alten Schaden heilen;
Das war's, warum bis diese Stund'
Ich hilflos mußt verweilen:
Ich sollt verzweifelnd ganz an mein
Und Kreaturen Hilfe sein,
Weil Jesus kommen sollte,
Der selbst mich heilen wollte.
Auf dich allein und auf dein Wort
Ich warte nur auf Erden.
Frag mich nicht lang, wie jenen dort,
Ob ich gesund will werden?
Wie bitter ist solch Kränkeln mir;
Was nützet andern, mir und dir,
So lau und halb zu leben?
Du kannst mir Kräfte geben.
Herr, meine Not und deine Güt',
Die machen mich so dreiste:
Du legst den Willen ins Gemüt,
Komm auch und Hilfe leiste.
Warum verließt du sonst dein Reich?
Besuchtest bei Bethesdas Teich
Die Lahmen und die Blinden?
War's nicht, um mich zu finden?
Mich, der vor andern desperat
Im Elend mußte schweben,
Mich, der vor andern deine Gnad'
Sollt ewig hoch erheben.
Kein eignes Wirken hilfet mir,
Drum will ich Sabbat feiern dir:
Ein Wort aus deinem Munde
Sprich zu mir: Sei gesunde!
Willst du nach meinem Zustand fragen,
Wie es mit mir beschaffen sei?
Ich muß gar heimlich etwas tragen,
Das ich scheu zu entdecken frei;
Doch ich mich nicht enthalten kann,
Etwas davon zu zeigen an.
Ich seh in mir gar tief verborgen
Ein'n Abgrund von Melancholei,
Der ist, wann ich erwach am Morgen,
Als wenn er immer würde neu:
Drin bring ich jetzt die Tage zu
Und finde nirgends Rast und Ruh.
Dies macht ein unaussprechlich Sehnen,
Daß ich schier wünsche, nichts zu sein,
Als länger mich in Schwermut grämen
Und heimlich leiden solche Pein:
Doch endlich wird der kalte Tod
Zerbrechen diese Zentnernot. – – –
Du darfst dein Kreuz nicht heimlich tragen,
Du mußt dein Herz entdecken frei
Und Gott und treuen Freunden sagen,
Wie es mit dir beschaffen sei:
Ein schwerer Mut wird öfters leicht,
Wenn man die Schwermut andern zeigt.
Man muß es immer recht entscheiden:
Natur ist noch kein Christentum,
Natur hat Freud, Natur hat Leiden,
Dies macht vor Gott nicht bös noch fromm:
Laß, wie es will, im Aeußern gehn,
Du mußt dich nach dem Grund ansehn.
So bist du, wie du bist inwendig.
Was liebst du? Was begehrest du?
Bei diesem Sinn bleib nur beständig,
Bei diesem Grunde bleib in Ruh.
Vernunft mag denken, was sie kann,
Denk du: Was geht Vernunft mich an?
Laß dich von Jesu blindlings führen,
Verleugne dich und liebe nur,
Hüt' dich vor allem Spekulieren,
Ein Kindersinn trifft leicht die Spur,
Und wenn Vernunft dir Zweifel macht,
So gib nicht auf ihr Zweifeln acht.
Sag', würd'st du weinen oder lachen,
Wenn dich ein Blindgeborner gleich
Wollt an der Sonne zweifeln machen?
So ist Vernunft an Gottes Reich:
Ei saug' die Brust und dich nur nähr'
Und forsch' nicht, wo die Milch kommt her.
Du mußt von Gott nichts Arges denken,
Er ist ganz Liebe, Güt' und Treu,
Er hat nicht Lust, daß wir uns kränken
Durch Schwermut und ihm bleiben scheu:
Denk, Gott will in dein Herz hinein,
Drum muß es weit und offen sein.
Gott ist ein wonnesames Wesen,
Ganz freundlich, stille, sanft und froh,
Soll deine Krankheit recht genesen,
So muß dein Grund auch werden so.
Ei diene Gott mit Freuden doch,
Zeig, daß sein Dienst ein sanftes Joch.
Mit vielem Forschen durchzudringen,
Bringt größern Schaden, als man glaubt,
Gott läßt sich mit Gewalt nicht zwingen,
Brich deinen Willen, nicht das Haupt;
Erwart' nur in gelass'nem Grund
Der ew'gen Weisheit Zeit und Stund.
Viel besser ist ein Handgeschäfte,
Als traurig sein beim Müßiggang;
Erquicke dann und wann die Kräfte
Durch einen guten Lobgesang:
Vergiß dein Elend und dich freu'
In Gottes Herrlichkeit und Treu.
Nimm auf dies Kreuz und alle Leiden
Und trag' es Jesu willig nach,
Es folgen wesentliche Freuden
Nach langem, bangem O und Ach:
Der Glaube muß durch Proben gehn
Und glauben lernen ohne Sehn.
Wohl dem, der ganz in Gott kann sterben
Der Kreatur und Eigenheit!
Der wird ein göttlich's Leben erben,
Von Kummer, Angst und Weh befreit:
Es kann fürwahr nur dieser Tod
Zerbrechen deine Zentnernot.
Ach Gott, du Gott der Seligkeit,
In Jesu mir gewogen,
Du bist so nah und ich so weit,
Ich komm, ich werd' gezogen.
Ich suchte mich und dies und das,
Drum fand ich nicht den Nahen:
Wenn ich dich mein und mich verlaß,
Kann ich dich leicht umfahen.
O süßer Gott, du selig's Gut,
Wie liebest du die Leute!
Du öffnest uns durchs Lammes Blut
Dein liebend Herz so weite.
Dein Herze liebet, sucht und zeucht
Mit innigstem Begehren:
Du bleibest unermüd't geneigt,
Könnt'st mein doch wohl entbehren.
Ich soll nur kommen ohne Scheu
Und an mich selbst nicht denken,
Ja, Tag und Nacht und stets aufs neu
Mich in dein Herze senken.
Ich komm, mein Herzens-Gott, ich komm
Zu deinen offnen Armen:
Ein andrer wartet, bis er fromm,
Ich komme auf Erbarmen.
Du nimmst mich Würmlein an und ein
Und willst dich selbst mir geben,
Du willst meines Herzens Herze sein
Und meines Lebens Leben.
In dich gesenkt, wirst du mein Leid
Und Elend ganz verschlingen,
Mit deiner Gottheit Herrlichkeit
Durch meine Menschheit dringen.
Dein rein Vergnügen innerlich
Kein falsch Genügen leide,
Dein tiefer Gottesfriede mich
Von dem, was störet, scheide.
Die süße Freundlichkeit in dir
Mein Wesen ganz durchfließe,
Was steif und hart und herb in mir,
Dein sanftes Herz durchsüße.
Dein flammend Herze mich entzünd'
Mit reiner Gottesliebe,
Mich läutre, treib' und dir verbind';
Ach, daß von mir nichts bliebe!
So sei du selbst der Seele Zier
Und führ es aus auf Erden,
Daß du in mir und ich in dir
Nur mag gefunden werden.