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Dieser Brief berichtet über einen Versuch Swifts, Walpole für seine Bestrebungen in Irland zu gewinnen. Er steht hier als Einleitung zum folgenden Traktat. Swift hat in London zweimal eine Unterredung mit Walpole gehabt; einmal auf eine Einladung des Ministers hin, ein zweites Mal auf Swifts Wunsch, den er durch einen gemeinsamen Freund, Lord Peterborough, aussprechen liess. Die zweite Unterredung, die unter vier Augen stattfand, drehte sich um die Politik. Ohne Zweifel hätte Walpole Swift gern für sich gewonnen; Swift hatte, wie man aus der vorletzten Schrift dieses Bandes und den Anmerkungen zu ihr entnehmen wird, dem Toryministerium (Harley) unter der Königin Anna die grössten Dienste geleistet und eine Weile eine fast allmächtige Stellung eingenommen, weil er tatsächlich die öffentliche Meinung beherrschte. Es ist begreiflich, dass Walpole einen so gewaltigen Helfer nicht abgewiesen hätte. Aber die Unterredung, in der Swift offenbar sondieren wollte, auf welcher Grundlage ein Bündnis hätte zustande kommen können, verlief resultatlos. Der ausführlichste Bericht über sie findet sich in dem einen Tag nach der Begegnung geschriebenen Brief Swifts an Lord Peterborough, der oben folgt. Dieser Brief allein genügt, um zu zeigen, welche Bedingungen Swift gestellt hätte.
Den 28. April 1726.
My Lord!
Da Eure Lordschaft mir auf meine Bitte von Sir Robert Walpole eine Stunde der Unterredung erwirkt hatte, suchte ich ihn demgemäss gestern um acht Uhr morgens auf und hatte eine Unterredung von etwas über einer Stunde mit ihm. Es beliebte Eurer Lordschaft heute, mich zu fragen, was zwischen jenem grossen Minister und mir vorgefallen sei; ich gab Ihnen einige allgemeine Antworten, aus denen Sie, wie Sie sagten, wenig oder nichts entnehmen konnten.
Ich hatte, als ich Sir Robert Walpole zu sprechen wünschte, keine andre Absicht, als ihm die Lage Irlands im rechten Licht zu zeigen; und zwar nicht nur ohne jeden Gedanken an mich selbst, sondern auch an irgend eine Partei. Und da ich die Lage dieses Königreichs ziemlich gut kannte und wohl merkte, dass die Darstellungen, die er erhalten hatte, solche waren, wie ich sie nicht billigen konnte, so war es meine Hauptabsicht, ihn aufzuklären, und das nicht nur im Dienste Irlands, sondern auch Englands und seiner eigenen Verwaltung.
Ich bin mit meiner Absicht völlig gescheitert; denn ich musste sehn, dass er sich nach dem Beispiel und Brauch des gegenwärtigen und einiger früherer Statthalter eine Meinung gebildet hatte, die ich mit meinen Begriffen von Freiheit nicht in Einklang bringen konnte; von jener Freiheit, in deren Besitz die britische Nation stets ein Erbe jedes Menschenwesens gesehen hat.
Es beliebte Sir Robert Walpole, sich ausführlich über das Thema Irlands zu ergehn, aber in einem Sinne, der so weit entfernt ist von allem, was ich als die Rechte und Privilegien eines englischen Untertanen ansah, dass ich es nicht für geraten hielt, die Sache so ausführlich mit ihm zu besprechen, wie ich es sonst wohl getan hätte; denn ich sah, es wäre vergeblich gewesen. Ich will mich also erkühnen, ohne mich in einen Streit einzulassen, Eurer Lordschaft einige wenige Klagepunkte dieses Königreichs anzuführen, denn es besteht aus einem Volk, das, abgesehn von dem natürlichen Recht und Anspruch auf die Privilegien aller Untertanen, noch ein besonderes Verdienst geltend machen kann, weil es sich dem gegenwärtigen König und seinem Hause so ausserordentlich ergeben erwiesen hat.
Zunächst werden alle in Irland geborenen Personen Iren genannt und als solche behandelt, obwohl ihre Väter und Grossväter in England geboren wurden; und da ihre Vorfahren Irland erst erobert haben, so ist man der demütigen Meinung, dass sie nach dem Brauch aller andern Nationen, besonders der Griechen und Römer, auf ebenso gutem Fuss stehn sollten wie nur irgend welche Untertanen Britanniens.
Zweitens wird ihnen das natürliche Recht versagt, ihre Waren in jedes Land auszuführen, das nicht mit England im Kriege liegt.
Drittens gibt es in Irland eine von der Königin Elisabeth gegründete Universität, an der die Jugend mit weit strengerer Zucht unterrichtet wird, als in Oxford oder Cambridge; aber sie wird aufs schwerste entmutigt, weil man alle wichtigen weltlichen wie geistlichen Ämter mit Leuten aus England besetzt, die in diesem Königreich weder Interessen noch Besitz, weder Bekanntschaften noch Freundschaften haben; auch das widerspricht dem Brauch aller andern Staaten Europas, die von Vizekönigen regiert werden, und jedenfalls hat man dergleichen niemals versucht, ohne dass sich unter dem Volk die äusserste Unzufriedenheit regte.
Viertens rufen manche der Bischöfe, die man nach Irland schickt, und die zuvor obskure geistliche Ämter inne hatten und sich durch nichts auszeichneten, als dass sie etwa Kaplane der Statthalter waren, oft ihre alten Freunde oder Bekannten herüber und verleihn ihnen die besten Pfründen, die sie zu vergeben haben. Das gleiche lässt sich von den Richtern sagen, die ein oder zwei Untergebene mitnehmen und diese begünstigen, so dass sie, ohne andres Verdienst, auf der Stelle in die wichtigsten Stellungen ihres Gerichtshofs aufrücken. Den gleichen Brauch befolgen ferner alle andern Zivilbeamten, wenn sie nur in ihrem Hause einen Vetter, einen Kammerdiener oder Lakaien haben, der in England geboren ist.
Fünftens werden alle vermöge von Anwartschaften verliehenen Zivilämter Leuten gegeben, die in England ansässig sind.
Das Volk von Irland – es besteht sicherlich aus den königstreuesten Untertanen der Welt – kann sich nichts andres denken, als dass die meisten dieser Härten die Folgen unglücklicher Darstellungen (wenigstens) in früheren Zeiten sind; und der gesamte niedere Adel fühlt die Wirkungen an sehr empfindlicher Stelle, da er sich aller Mittel beraubt sieht, seine jüngeren Söhne zu versorgen, sei es in der Kirche, in der Rechtsprechung, der Finanzverwaltung oder (neuerdings) im Heer; und bei der verzweifelten Lage des Handels ist es ein ebenso eitler Gedanke, sie zu Kaufleuten zu machen. Ihnen bleibt nur noch eins übrig: beim Ablauf der Pachtfristen ihre Pächter auszusaugen; und sie haben das schon bis zu einem Grade getan, dass es unter hundert Pächtern im ganzen Königreich nicht einen mehr gibt, der sich für seine Kinder Schuhe oder Strümpfe leisten oder mehr als zweimal im Jahr Fleisch essen und etwas besseres trinken kann als saure Milch und Wasser. So ist das ganze Land mit Ausnahme der schottischen Kolonie im Norden ein Schauplatz des Elends und der Öde, dem sich diesseits von Lappland kaum etwas an die Seite stellen kann.
Die Pachtsummen in Irland werden auf anderthalb Millionen berechnet; und davon wird mindestens eine halbe Million von Mitgliedern des hohen und niedern Adels, die in England leben, und von ein paar andern Dingen verzehrt, die zu erwähnen zu weit führen würde.
Etwa dreihunderttausend Pfund wandern aus andern Gründen dorthin; und im ganzen gerechnet, sind sich all die genausten Kenner in diesen Dingen darüber einig, dass England jährlich mindestens eine Million verdient; und selbst ich könnte das so nachweisen, dass niemand mehr zu zweifeln vermag.
Aber wenn dieser gewaltige Verdienst bei erträglicher Behandlung wahrscheinlich um noch eine halbe Million wachsen würde, muss er bei den Härten, unter denen dieses Königreich gegenwärtig leidet, notwendig sinken.
Und während es Sir Robert Walpole gefiel, darauf aufmerksam zu machen, wie wenig der König aus Irland erhält, sollte man vielleicht in Betracht ziehn, dass die Einkünfte und Steuern sich, ich glaube, auf mehr als vierhunderttausend Pfund im Jahr belaufen; und rechnen wir das Verhältnis des irischen Nationalvermögens zum englischen wie eins zu zwölf, so würden des Königs irische Einkünfte mehr als fünf Millionen englischer entsprechen; und wenn man berücksichtigt, wie schlecht so elende Geschöpfe, wie es in Irland die meisten Pächter sind, ihre Pacht bezahlen, so muss man zugeben, dass ein solches Königreich nicht mehr abwerfen kann.
Die kurrente Münze Irlands wird auf höchstens fünfhunderttausend Pfund berechnet, so dass alljährlich mehr als vier Fünftel in den Schatz gezahlt werden.
Ich halte es für unbestreitbar, dass alle Umstände, die nur irgendwie dazu beitragen können, ein Land arm und verächtlich zu machen, inbezug auf Irland vereinigt sind. Die Nation wird nach Gesetzen regiert, denen sie ihre Beistimmung niemals gegeben hat; sie wird von ihren Brüdern und Landsleuten verleugnet, ihr wird die Freiheit versagt, nicht nur mit ihren eigenen Fabrikaten, sondern sogar mit den einheimischen Wachstumserzeugnissen Handel zu treiben; will sie Gerechtigkeit, so muss sie zu Meer und zu Lande viele hundert Meilen weit reisen, und sie wird gewissermassen unfähig gemacht, ihrem König und ihrem Lande in irgend einem Ehren- oder Vertrauensamt oder in einträglicher Stellung zu dienen; und all das, ohne sich irgendwie schuldig gemacht zu haben. Die Statthalter aber, die man hinüber schickt, können dem Volk unmöglich irgend welche Liebe entgegen bringen, es sei denn, soweit die eigene Gerechtigkeit und ihre Menschenliebe, die nicht immer in Wirkung treten, sie ihnen eingeben; und alles, was ihnen hierher zu berichten beliebt, wird niemals in Frage gezogen.
Ob die Vertretungen eines solchen geknechteten und in den Staub gebeugten Volks, wenn sie in einem Parlament zusammentreten, die öffentlichen Geschäfte mit jener Freudigkeit erledigen können, die sich von freigebornen Untertanen erwarten lässt, das wäre in jedem andern Lande ausser jener unglücklichen Insel eine Frage, und doch haben ihre englischen Einwohner mehr und grössere Beispiele ihrer Königstreue und Ergebenheit geliefert, als sich in irgend einem andern Teil der Welt aufweisen lassen.
Wievielen dieser Klagepunkte ein so weiser und grosser Minister wie Sir Robert Walpole abhelfen kann, das wird er selbst zu erwägen geruhn; zumal sie alle erst seit der Revolution entstanden sind; die man dort trotzdem alljährlich mit dem grössten Eifer und der grössten Aufrichtigkeit als einen Segen feiert.
Ich flehe Eure Lordschaft demütig an, diesen Brief Sir Robert Walpole zu geben und ihn zu bitten, dass er ihn lese, was er in wenigen Minuten tun kann.
Ich verbleibe, My Lord, mit der grössten Achtung Eurer Lordschaft gehorsamster und ergebenster Diener