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Diese Predigt gibt einerseits wenig über Swifts politische Tätigkeit in Irland, was nicht auch in den rein polemischen Schriften zu finden wäre; andererseits aber zeigt sie, wie er den Iren selbst gegenüberstand, deutlicher, als manche seiner sonstigen Schriften. Ferner ist sie ein sprechendes Beispiel dafür, wie Swift zu predigen pflegte. Wenn auch das Thema in besonderem Grade unreligiös ist, so ist doch schon das bezeichnend für den Dechanten, der als Prediger eine Stellung völlig für sich einnimmt. Uns sind nur zwölf Kanzelreden Swifts erhalten, und alle zeichnen sich durch eine grosse Nüchternheit aus, wenn man sie als oratorische Werke betrachtet. Aber in der Kühnheit, mit der der Prediger seine Pfarrkinder selbst angreift und ihre wirtschaftliche Lage bespricht, zeigt sich seine ganze Natur, die stets eine Kampfstellung sucht, um sich zu äussern.
Psalm 144. Ein Teil des 14. und 15. Verses.
»Dass keine Klage auf unsern Gassen sei.
Wohl dem Volk, dem es also gehet!«
Es ist ein sehr melancholischer Gedanke, dass ein Land wie unsres, während es imstande ist, alles zum Leben Nötige und das meiste, was das Leben behaglich macht, in genügender Menge hervorzubringen, um die vierfache Zahl seiner Einwohner zu ernähren, dennoch unter der schwersten Last des Elends und Mangels leben muss; dass unsere Strassen von Bettlern wimmeln und dass so viele unserer ärmeren Kaufleute, Arbeiter und Handwerker für die Ihren weder Kleidung noch Nahrung zu finden vermögen.
Ich denke, es wird deshalb nicht ohne Nutzen sein, wenn ich euch die Hauptursachen dieser elenden Lage, in der wir uns befinden, darlege; dann wird man leichter sagen können, welche Hilfsmittel in unsrer Macht stehn, um wenigstens einen Teil dieser Übel zu beseitigen.
Denn es ist ewig zu beklagen, dass wir unter vielen Nachteilen leiden, die nicht durch uns verschuldet, die uns allein eigen sind, und über die keine andre Nation unter dem Himmel zu klagen je Grund gehabt hat.
Ich will daher zunächst einige Ursachen unsres Elends erwähnen, denen wir, wie ich glaube, nicht abhelfen können, bevor Gott es denen, die stärker sind, ins Herz gibt, uns die allergewöhnlichsten Rechte und Privilegien der Brüder, der Mituntertanen, ja, der Menschen zu verleihen.
Die erste Ursache unsres Elends liegt in dem unerträglichen Druck, der auf jeden Zweig unsres Handels ausgeübt wird, so dass wir für unsre strengen Nachbarn geworden sind als wie Holzhauer oder Wasserträger.
Die zweite Ursache unsrer elenden Lage liegt in der Narrheit, der Eitelkeit und Undankbarkeit jener ungeheuren Zahl, die sich für zu gut halten, um in dem Lande, das ihnen das Leben gab und ihnen noch immer ihr Brot gibt, zu leben; und die ihre Tage lieber unter denen verbringen, die sie von Herzen verachten, die dort ihren Reichtum verzehren und ihrem Mutterlande die Eingeweide aus dem Leibe ziehn.
Diese Dinge habe ich nur flüchtig berührt, weil ich fürchte, ihnen ist nicht abzuhelfen; und ausserdem bin ich mir sehr wohl bewusst, wie bereit manche Leute sind, an der ehrlichen Wahrheit Anstoss zu nehmen. Deshalb werde ich auch mehrere Missstände übergehn, unter denen wir wahrscheinlich noch lange stöhnen werden.
Ich gehe also dazu über, ein par weitere Ursachen der Armut dieser Nation aufzuzählen, durch die sie unfehlbar dem äussersten Verderben anheimfallen muss, wenn sie noch lange bestehn bleiben.
Die erste besteht in dem ungeheuerlichen Hochmut und der Eitelkeit beider Geschlechter, zumal des schwächeren Geschlechts, dem man mitten in der Armut erlaubt, sich in allerlei Ausgaben zu stürzen und mit seiner Kleidung Verschwendung zu treiben; vor allem aber setzen die Frauen ihren Stolz darein, nichts zu tragen, was nicht vom Ausland kommt; und sie verschmähen Wachstum und Erzeugnis ihres eigenen Landes selbst in den Dingen, in denen sie im Lande zum halben Preis besser bedient werden können; und das hat einen solchen Umfang angenommen, dass sie die ganze Jahresrente eines hübschen Guts zugleich auf ihrem Leibe tragen. Und da in diesem Geschlecht ein Geist des Neides lebt, vermöge dessen sie es nicht ertragen können, andre besser gekleidet zu sehn als sich selbst, so wollen auch die, deren Vermögen die Ihren kaum mit der Lebensnotdurft zu versorgen vermag, durchaus mit den reichsten und grössten unter uns wetteifern, und zwar zu ihrem eigenen Verderben und zu dem ihrer Nachkommenschaft.
Doch auch die Männer machen sich dieser verderblichen Narrheit nicht minder schuldig; sie wollen den Flitterprunk und die Ziererei nachahmen, die in den letzten Jahren in unser Nachbarkönigreich Eingang fand (wie denn Narren immer nur die Fehler Bessergestellter nachahmen), und können in ihrem eigenen Lande keine Stoffe finden, die würdig wären, ihre Leiber aus Staub zu zieren, während ihre Seelen jeder wertvollen Eigenschaft bar sind.
So lässt man unsre Kaufleute und Ladenbesitzer, die mit einheimischen Waren handeln, hungern, und nur die werden ermuntert, die das Königreich zugrunde richten, indem sie ausländische Eitelkeiten unter uns einführen.
Eine weitere Ursache unsres Niedergangs ist unsre grosse Üppigkeit, deren Hauptstütze darin besteht, dass ihr Material der Nation für die wenigen wertvollen Dinge gebracht wird, die uns noch geblieben sind; und eben darum fehlt es so vielen tausend Familien an der einfachsten Notdurft des Lebens.
Drittens überlassen sich in den meisten Teilen dieses Königreichs die Eingeborenen von frühester Jugend an so sehr dem Müssiggang und der Faulheit, dass sie oft lieber betteln und stehlen als sich durch ihre eigene Arbeit erhalten. Sie heiraten, ohne im geringsten darauf zu achten oder daran zu denken, ob sie auch imstande sind, irgendwie für ihre Familien zu sorgen; und während man in allen fleissigen Nationen in den Kindern eine Hülfe für ihre Eltern sieht, sind sie bei uns mangels einer frühen Anleitung zur Arbeit für das Haus eine unerträgliche Bürde und für die Allgemeinheit eine schwere Last; das zeigt sich in der ungeheuren Anzahl zerlumpter und nackter Kinder in Stadt und Land, die umhergeführt werden von vagabundierenden Frauen und aufgezogen in Unwissenheit und allerlei Lastern. Schliesslich liegt eine Hauptursache des Elends dieser Nation in jener ägyptischen Knechtschaft unter grausamen, tyrannischen, habgierigen Gutsherrn, die da erwarten, dass alle, die unter ihnen leben, ohne Stroh Ziegelsteine machen sollen, die sich ärgern und neidisch werden, wenn sie einen ihrer eigenen Pächter in einem heilen Rock sehn oder wenn er imstande ist, sich einmal im Monat eine behagliche Mahlzeit zu leisten; dadurch wird der Mut des Volks gebrochen und für die Sklaverei vorbereitet, denn die Pächter und Kätner sind fast im ganzen Königreich in jeder Hinsicht und in jedem Sinne ebenso wirkliche Bettler wie die, denen wir auf den Strassen unsre Almosen geben. Und diese grausamen Gutsherrn entvölkern das Königreich mit jedem Tage immer mehr, indem sie ihren elenden Pächtern gegen jede Vernunft und Gerechtigkeit und entgegen dem Brauch und der Einsicht aller andern Nationen verbieten, ihren Boden zu pflügen; dadurch sind zahllose Familien gezwungen worden, entweder das Königreich zu verlassen oder umherzuziehen und die Zahl unsrer Bettler und Diebe zu vermehren.
So und viel schlimmer noch ist unsre Lage gegenwärtig, hätte ich nur Musse oder Redefreiheit, sie Euch darzulegen; und deshalb ist das nächste, was zu betrachten wäre, ob sich ein wahrscheinliches Abhilfsmittel gegen wenigstens einen Teil dieser Übel finden liesse; denn die meisten sind ganz verzweifelt.
Da aber das ein zu ausgedehnter Gegenstand ist, um ihn jetzt zu behandeln, und da mich der Zweck meiner Rede darauf beschränkt, einige Fingerzeige hinsichtlich der Armen dieser Stadt zu geben, so will ich mich in diesen Grenzen halten. Es steht in der Tat in der Macht der Gesetzgeber, in jedem Kirchspiel des Königreichs eine Schule zu gründen, wo die geringeren und ärmeren Kinder englisch schreiben und lesen lernen, und den Lehrern ein angemessenes Gehalt zu geben. Das würde mit der Zeit jene Barbarei und Unwissenheit beseitigen, um deretwillen unsre Eingeborenen von allen Ausländern so verachtet werden; sie würden dahin kommen, dass sie den Regeln der Vernunft entsprechend denken und handeln; und dadurch würde ein Geist des Fleisses, des Erwerbssinns und der Ehrlichkeit unter ihnen geweckt werden. Und wahrhaftig, wenn wir bedenken, eine wie niedrige Steuer für ein solches Werk genügen würde, so ist es ein öffentliches Ärgernis, dass etwas Derartiges noch nie versucht worden ist, ja, dass man vielleicht noch nie daran gedacht hat.
Um den Mangel eines solchen Gesetzes auszugleichen, haben sich mehrere fromme Personen in vielen Teilen dieses Königreichs durch die grossen Bemühungen und das gute Beispiel der Geistlichen bestimmen lassen, in manchen Kirchspielen Armenschulen zu errichten; und oft tragen die reichsten Pfarrkinder zu ihnen am wenigsten bei. In diesen Schulen lernen die Kinder (oder wenigstens sollten sie es lernen) lesen und schreiben und rechnen; und diese Kinder sollten wenn möglich von ehrlichen Eltern abstammen, die durch die Hand Gottes vor Alter, Krankheit oder anderm unvermeidlichem Unglück hilflos geworden sind; nicht die Brut verworfener Vagabunden; denn es ist keineswegs vernünftig, wenn die Almosen wohlwollender Leute dazu benutzt werden, die Unzucht jener lasterhaften, zügellosen Frauen zu ermuntern, die unsre Strassen mit ihren erborgten oder unehelichen Kindern füllen.
In jenen Armenhäusern, die zu ihrer Erhaltung gute Kapitalien und Einkünfte besitzen und deren es zum Ärgernis der Christenheit in diesem Königreich so wenig gibt – in solchen Armenhäusern, sage ich, sollten alle Kinder von Bürgern und Freisassen stammen, die ins Unglück geraten sind; und man sollte sie zu einem guten Gewerbe erziehn. Aber in den kleinen Armenschulen der Kirchspiele, die ganz ohne Mittel sind, wenn nicht wohltätige Leute gelegentlich freundlich helfen – da missbillige ich die Sitte, die Kinder in andern als den niedrigsten Gewerben in Lehre zu geben, unbedingt; sonst wird der arme, ehrliche Bürger, der eben imstande ist, sein Kind aufzuziehen und bei einem guten Meister eine kleine Summe dafür zu zahlen, völlig aus dem Feld geschlagen, und ihm wird vielleicht der Bastard irgend eines Bettlers vorgezogen. Daher haben wir auch einen solchen Überfluss an Lehrlingen und Arbeitern, wie ihn unser entmutigtes Land nicht beschäftigen kann; und ich fürchte, der grössere Teil unsrer Räuber, Taschendiebe und andern Vagabunden gehört zu dieser Zahl.
Um also diese Armenschulen der Kirchspiele allgemein und gründlich nutzbar zu machen, darin stimme ich vielen gescheiten Leuten bei, müsste der ganzen Angelegenheit eine neue Wendung gegeben werden.
Ich glaube, keine Klage kann gerechter sein, als jene, die wir in fast jeder Familie hören; die Klage über die Narrheit und Unwissenheit, die Trägheit und Verderbnis und die unwirtschaftliche, verschwenderische Charakteranlage der Dienstboten, die tatsächlich zu einem der vielen öffentlichen Missstände des Königreichs geworden sind. Ich glaube, mir werden augenblicklich nur wenig Brotherrn zuhören, die sich davon nicht aus eigener Erfahrung überzeugt hätten. Und ich bin fast sicher, dass durch die Verdorbenheit der Dienstboten mehr Familien aller Stände zugrunde gerichtet worden sind, als durch alle andern Ursachen zusammengenommen. Das kann auch nicht weiter wundernehmen, wenn wir bedenken, aus welchen Kinderstuben heraus so viele in unsre Häuser eintreten. Zunächst haben wir die Horde ruchloser Buben, die an den meisten Ecken dieser Stadt herumlungern und die öffentlichen Tore belagern. Das ist die Brut von Bettlern; aufgezogen, um zu stehlen, sowie sie nur gehn oder sprechen lernen, werden sie, wenn sie in die Jahre kommen, angestellt, um sich in den untersten Stellungen Brot zu verdienen; dabei üben sie sich in jeder Art von Halunkerei, und wenn sie erwachsen sind, so müssen sie, falls sie nicht in einer Diebesbande ihren Unterhalt finden, nach einem Dienst suchen. Die zweite Kinderstube besteht in dem barbarischen und öden Teil des Landes, aus dem solche Burschen hierher kommen, um ihr Glück zu machen; vom Misthaufen weg sind sie in Müssiggang, Unwissenheit, Lug und Diebstahl aufgezogen. Aus diesen beiden Kinderstuben, sage ich, kommt eine grosse Anzahl unsrer Dienstboten zu uns, und sie genügt, um alle übrigen anzustecken. Swift hat eine seiner bittersten Satiren über die Dienstboten geschrieben, die »Anweisungen für Dienstboten«, in denen er ausführlich die besten Mittel darlegt, die Brotherrschaft zu betrügen und sonst zu schädigen, oder all ihre Befehle und Massnahmen wirkungslos zu machen. Daher ist das ganze Geschlecht der Dienstboten in diesem Königreich in so schlechten Ruf geraten, dass einige Leute, die aus England herübergekommen sind, um grosse Ämter zu verwalten, sich geradezu geweigert haben, irgend einen unter uns geborenen Dienstboten in ihre Häuser aufzunehmen. Daraus kann man ihnen auch keinerlei Vorwurf machen; denn wenngleich es nicht unmöglich ist, für einen guten Dienst einen ehrlichen Eingeborenen zu finden, so ist doch die Suche zu mühsam und das Wagnis für einen Fremden zu gross.
Wenn wir die vielen Unglücksfälle durchgehn, die einzelne Familien treffen, so wird sich herausstellen, dass die Dienstboten bei allen Ursache und Werkzeug waren: wird uns Hab und Gut unterschlagen, vergeudet und ruiniert? Brennt unser Haus bis auf den Erdboden nieder? Es geschieht durch die Faulheit, die Trunksucht oder die Schurkerei der Dienstboten. Werden wir im Bett beraubt oder ermordet? Unsre Diener sind mit den Tätern im Bunde. Geraten wir in Streit und Missverständnisse mit unsern Nachbarn? Begonnen und entfacht sind sie durch die falschen und boshaften Zungen unsrer Dienstboten. Werden die Geheimnisse unsrer Familien verraten und üble Gerüchte über uns verbreitet? Unsre Dienstboten sind die Urheber. Erheben sich falsche Ankläger wider uns (ein Übel, das in diesem Lande nur zu häufig auftritt)? Sie haben mit unsern Dienstboten unterhandelt. Verraten unsere Kinder in ihren Worten und Handlungen Narrheit, Heimtücke, Hochmut, Rachsucht, Grausamkeit und Ungehorsam? Lassen sie sich verführen zu Unzucht und ärgernisserregenden Ehen? Es geschieht alles durch unsre Dienstboten. Ja, selbst die Irrtümer, Narrheiten, Versehen und Absurditäten derer, die in unserm Dienst stehn, vermögen den mildesten in Harnisch und ausser Fassung zu bringen, und oft sind sie so folgenschwer, dass sie ganze Familien in Verwirrung bringen.
Da also nicht nur der Frieden und die Ruhe unsres Hauses und die Wohlfahrt unsrer Kinder, sondern selbst die Sicherheit unsres Lebens, unser Ruf und unser Vermögen so sehr von der Wahl unsrer Dienstboten abhängig sind, so scheint mir, es wäre eine Aufgabe für die Weisheit der Nation, in einem so wichtigen Punkt Vorkehrungen zu treffen. Inzwischen aber wäre zu wünschen (und vielleicht würde es auch noch zweckdienlicher sein), dass die Kinder beiderlei Geschlechts, die in den Armenschulen der Gemeinden Unterkunft finden, in einer Weise aufgezogen würden, die sie gelehrig machte und instand setzte, zu lernen, was nur in irgend einem Dienst verlangt werden mag. Sie sollten zum Beispiel lesen und schreiben lernen, und auch ein wenig rechnen; man sollte sie darin unterweisen, die Grundlagen der Religion zu erfassen, Sauberkeit zu üben, im Geist der Ehrlichkeit, des Fleisses und der Sparsamkeit zu leben; und für jedes Versäumnis in einem dieser Punkte sollte man sie streng bestrafen. Denn es ist das Unglück der Menschheit, dass Kinder, die nicht in früher Jugend regelmässig unterrichtet wurden und dadurch das erwarben, was ich eine gelehrige Anlage nenne, im Lauf ihres Lebens nicht das Leichteste ohne grosse Schwierigkeit zu lernen vermögen, sondern stets linkisch und ungewandt bleiben; denn sowohl ihr Geist wie ihr Körper wird steif und unbiegsam; das sehn wir auch an jenen adligen Herrn, denen die Nachsicht ihrer Eltern nur ein paar Jahre der Schule ersparte und die die verlorene Zeit nie wieder einbringen können, so dass sie in Unwissenheit und allerlei Lastern aufwachsen, wofür es im ganzen Lande nur zu viele Beispiele gibt. Um aber auf das zurückzukommen, wovon ich sprach: wenn diese Armenkinder in der erwähnten Weise vorbereitet und dann bei den Familien der Gutsherrn oder Bürger in die Lehre gegeben würden (und ein kürzlich erlassenes Gesetz sucht diesen Brauch sehr zu fördern), so würden sie, da sie von Anfang an gewohnt sind, stets etwas Nützliches zu lernen, in einem Monat mehr Kenntnisse erwerben, als ein anderer ohne diese Vorbereitung in einem Jahre erwerben könnte; und inzwischen wären sie, soweit ihr Alter und ihre Kraft es erlauben, in der Familie schon sehr nützlich. Und wenn solche Kinder in die verständigen Jahre kommen, werden sie wahrscheinlich ihren Mitdienstboten ein nützliches Beispiel geben und sich wenigstens für die andern als eine starke Hemmung erweisen; denn ich denke mir, jedermann wird zugeben, dass ein einziger ehrlicher, fleissiger Diener im Hause eine Fülle von Unheil in der Familie verhüten kann.
Das sind die Gründe, weshalb ich soviel Gewicht auf diesen Punkt lege, und ich hoffe, alle, die mir zuhören, werden sie erwägen.
Ich will jetzt einiges über jene grosse Anzahl von Armen sagen, die als Bettler unsre Strassen heimsuchen und uns mit ihrem beständigen Schreien und ihrem flehenden Drängen die Ohren füllen. Das kann ich kühn ein unnötiges Übel nennen, wie es die grobe Nachlässigkeit und der Mangel an Vorsorge bei denen, deren Pflicht es ist, solche Dinge zu verhindern, über uns gebracht hat. Aber bevor ich weiter gehe, lasst mich in Demut versuchen, Gottes Gnade und Gerechtigkeit und sein Handeln an den Menschen zu rechtfertigen. In diesem Punkt hat er nicht so hart an seinen Geschöpfen gehandelt, wie manche denken mögen, wenn sie sehn, dass so viele elende Wesen aus Mangel zugrunde zu gehn bereit sind. Denn bei strenger Untersuchung würde sich unfehlbar herausstellen, dass es unter zwanzig dieser Elenden kaum einen gibt, der seine gegenwärtige Armut nicht seinen eigenen Fehlern verdankt, seiner dauernden Faulheit und Nachlässigkeit, seiner unvorsichtigen Heirat, als er nicht die geringste Aussicht hatte, eine Familie ernähren zu können, seiner törichten Verschwendung, seiner Trunksucht und andern Lastern, durch die er das Seine vergeudet und sich für sein Alter Krankheiten zugezogen hat. Und um ganz offen zu reden: ist es irgendwie recht oder vernünftig, dass Menschen, die sich viele erlaubte Befriedigungen und Annehmlichkeiten versagt haben, und zwar ebenso sehr aus einem Gewissensprinzip heraus wie aus Vorsicht, um nämlich nicht der Allgemeinheit zur Last zu fallen, die Bürde tragen müssen, andre zu erhalten, die sich durch ihre Faulheit, ihre Ausschweifung und ihre Laster so weit herunter gebracht haben, dass sie kein Stück Brot mehr besitzen? Und doch bilden solche und keine andern bei weitem die grösste Zahl nicht nur derer, die in unsern Strassen betteln, sondern auch derer, die wir arme, ins Unglück geratene Hausväter nennen und die wir leicht als wirkliche Gegenstände der Wohltätigkeit bemitleiden, indem wir sie von den gewöhnlichen Bettlern unterscheiden, wiewohl in Wahrheit beide ihr Verderben derselben Ursache verdanken. Nur ist jener zu feinfühlig erzogen, um es zu ertragen, dass er halb nackt in den Strassen umhergehn muss; oder er ist zu stolz, um seine Armut einzugestehn. Was aber den Handwerker oder sonstigen Gewerbetreibenden angeht, der geltend macht, er sei zu alt geworden, um noch zu arbeiten oder sich um sein Geschäft zu kümmern, und der deshalb als ins Unglück geratener Hausvater Hilfe erwartet; können wir den nicht fragen, weshalb er nicht in seiner Jugend und in den Tagen seiner Kraft für das Alter vorgesorgt hat, während er doch so viele Beispiele von Leuten vor sich sah, die durch ihren Müssiggang und ihre ruchlose Ausschweifung ins Verderben gerieten? Und um ein wenig höher hinaufzusteigen: Wie kommt es, dass so viele Bürger und Ladenbesitzer der angesehensten Gewerbe, die früher eine gute Figur abgaben, durch ihren kostspieligen Hochmut und ihre Eitelkeit ins Unglück geraten, weil sie nämlich ihre Kinder prunkvoller erziehn und kleiden, als ihre Mittel oder der Lebensrang, den sie erwarten sollten, erlauben?
Da aber selbst die besten von uns nur zu viele Schwächen haben, für die sie eintreten müssen, dürfen wir gegen die der andern nicht allzu streng sein. Und wenn also unser Bruder infolge von Kummer, Krankheit oder andrer Schwächung nicht mehr in der Lage ist, sein Leben zu erhalten, so sollten wir ihn nach besten Kräften unterstützen, ohne allzu genau nach den Ursachen zu forschen, die ihn in sein Elend gebracht haben. Immerhin jedoch sollten wir zu dem Zweck, und um unsre Wohltätigkeit in die richtigen Kanäle zu leiten, erwägen, wer und wo die Wesen sind, die vor allem zu unterstützen unsre Aufgabe ist.
Nach dem alten Gesetz dieses Reiches, das noch in Kraft ist, ist jede Gemeinde verpflichtet, ihre eigenen Armen zu erhalten; und wenn das manchen auch als nicht sehr gerecht erscheinen mag, weil einige Gemeinden reich sind und wenig Arme beherbergen, andre aber umgekehrt, so denke ich doch, es lässt sich mit Recht verteidigen. Denn in den entlegenen Landgemeinden der öden Teile dieses Königreichs ist die Notdurft des Lebens so billig, dass es für die Einwohner nur eine geringe Bürde ist, wenn sie die kranken Armen erhalten müssen. Doch will ich mich in dem, was ich zu sagen gedenke, lediglich auf diese Stadt beschränken, wo wir nicht nur von unsern eigenen Armen, sondern von einer weit grössern Zahl aus allen Gegenden des Reichs überlaufen werden. Nun behaupte ich, dass diesem Übel der Überfüllung mit so vielen fremden Bettlern, die nicht den geringsten Anspruch an unsre Wohltätigkeit besitzen und die wir unmöglich erhalten können, leicht abzuhelfen wäre, wenn die Regierung dieser Stadt es nur in Verbindung mit der Geistlichkeit und den Gemeindebeamten für der Mühe wert hielte, dafür zu sorgen; und ich bin überzeugt, dass wenig Dinge diese Sorge eher verdienen. Denn wenn jede Gemeinde eine Liste der bettelnden Armen aufstellte, die zu ihr gehören, und einen jeden zwänge, ein Abzeichen zu tragen, das mit einem Merkmal und mit einer Nummer versehen wäre, so dass alle, denen sie begegnen, es sehn und erkennen müssten, und wenn sie ihnen ferner unter schweren Strafen im Fall der Übertretung auferlegten, nur innerhalb der Grenzen ihres eigenen Kirchspiels zu betteln, indem sie alle Überläufer aus andern Kirchspielen vertrieben, so könnten wir endlich ihre Zahl berechnen; und wenn die Vagabunden vom Lande aus der Stadt verjagt würden, so wäre der Rest nicht mehr zu zahlreich, um von den Vorübergehenden unterhalten zu werden; auch würde kein Bettler, wiewohl er auf sein eigenes Kirchspiel beschränkt ist, gehindert sein, von der ganzen Stadt seine Almosen zu erhalten; denn in diesem Fall würden jene wohlwollenden Leute, die durch die Strassen gehn, ihr Almosen dem geben, den sie für einen geeigneten Empfänger halten; und zwar ohne Rücksicht darauf, wo sie ihn finden, wenn er sich nur innerhalb seines eigenen Kirchspiels hält und dessen unterscheidendes Merkmal trägt. In den Kirchspielen aber, die an die Säume und Vororte der Stadt grenzen, und in denen sich Überläufer vom Lande zu verbergen pflegen, muss man sie zwingen, nach Hause zurückzukehren, wenn sie niemanden finden, der ihnen hilft; denn ihnen fehlt das Zeichen, das allein sie zum Betteln berechtigt. In dieser Hinsicht wäre zu wünschen, dass man die unteren Gemeindebeamten mehr ermutigte, ihre Pflicht zu tun, indem sie alle nicht ins Kirchspiel gehörigen Bettler vertreiben, statt ein Auge zuzudrücken, wie sie es, nach dem, was ich höre, gegen eine kleine Zahlung tun. Denn die ganze Stadt würde weit mehr dadurch sparen, dass sie viele hundert Bettler los wird, als sie verlieren könnte, wenn sie den Gemeindebeamten ein angemessenes Gehalt zahlte.
Es könnte seltsam und unerklärlich scheinen, dass jemand, der wahrscheinlich durch Ausschweifung, Unzucht und Faulheit in Not geraten ist, wiewohl er die Stirn h[*]at, jeden, dem er begegnet, öffentlich anzubetteln, dennoch zu stolz sein sollte, die Gemeindeabzeichen zu tragen, die ihm so sehr zum Vorteil gereichen müssten, da sie ihn von der grossen Zahl derer befreien würden, die jetzt den grössern Teil dessen, was ihm gebührt, abfangen. Und doch steht es fest, dass viele öffentlich erklären, sie würden niemals diese Abzeichen tragen; und viele andre würden sie verstecken oder fortwerfen. Aber dagegen gibt es ein kurzes, gerechtes und einfaches Verfahren: man stellt sie als Landstreicher und unverschämte Bettler vor Gericht und treibt sie mit Gewalt zur Stadt hinaus.
Ich ermahne also alle, die mich hören, ernsthaft, sobald dieses Auskunftsmittel der Abzeichen eingeführt wird, ihre Almosen keinem öffentlichen Bettler mehr zu geben, der sich diesem Befehl nicht unbedingt fügt, durch den die Zahl unsrer Armen so vermindert werden wird, dass man für den Rest weit leichter wird sorgen können. An unsern Ladentüren werden dann nicht mehr in der Verkleidung von Bettlern so viele Langfinger und Taschendiebe herumlungern, und unsre Strassen werden nicht mehr so viele Gefahren bergen für alle die nachts auszugehn gezwungen sind.
Ich habe damit meine Gedanken über diesen Gegenstand, der uns so nahe angeht, ganz offen ausgesprochen. Es ist sicherlich schlimm für jedes christliche Land, das Gott mit Fruchtbarkeit gesegnet hat und wo das Volk die guten Rechte und Privilegien der Menschheit geniesst, dass es überhaupt Bettler geben kann. Aber ach! Unter uns, wo durch die Benachteiligungen, unter denen wir leiden, und die Härten, die wir zu ertragen gezwungen werden, durch die Trägheit, die Unwissenheit, die Gedankenlosigkeit, die Verschwendungssucht, die sklavische Veranlagung und die unsaubere Lebensweise der armen papistischen Eingeborenen, sowie auch durch die grausame Bedrückung der Gutsherrn, die frohlocken, wenn sie ihre Lehnsleute im Staube sehen, die ganze Nation selbst schon fast an den Bettelstab gebracht worden ist – wie können wir, sage ich, in einer solchen Nation etwas andres erwarten, als überlaufen zu werden von Geschöpfen des Elends und der Not? Deshalb kann es keine andern Mittel und Wege geben, um diese Stadt von einem so unerträglichen Missstand zu befrein, als dass wir uns, so viel wir können, bemühn, die Bürde gleichmässiger zu verteilen, auch unserseits zur Unterhaltung der Armen beizutragen und die Landstreicher und Strolche zur Rückkehr in ihre jeweilige Heimat auf dem Lande zu zwingen, damit sie dort jenen Bedrückern aufs Gewissen fallen, die ihnen zuerst all ihre Habe raubten.
Ich könnte hier, wenn die Zeit es erlaubte, viele Gründe anführen, die zu Werken der Barmherzigkeit überreden müssten; aber ihr hört sie so oft von der Kanzel herab, dass ich gern hoffe, ihr werdet sie jetzt nicht nötig haben. Ausserdem war es vorläufig nur meine Absicht, euch zu zeigen, wo eure Almosen zu Gottes Ehre und eurem eigenen Vorteil und Behagen im Dienste eures Landes und zum Nutzen der Armen am meisten angebracht sind. Ich wollte, ihr erwöget und bedächtet alle, was ich gesagt habe, und ihr bemühtet euch je nach eurem Stand und euren Fähigkeiten, es in Wirklichkeit umzusetzen; und Gott verleihe euch guten Erfolg. Ihm samt Seinem Sohn und dem Heiligen Geiste sei alle Ehre usw.