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Die Musik hielt inne und alle Tanzenden stellten sich zurück, um die Herren und Damen aus dem Schlosse vorbeizulassen, welche gekommen waren, dem Kirchweihfeste zuzusehen. Es war Graf Paul mit mehreren jungen Freunden und zweien eben auf Besuch anwesenden Cousinen.
»Musik, Musik!« rief der junge Gutsherr. Sogleich nahm die Bande die unterbrochene Polka wieder auf – und die »Herrschaft« begann zu tanzen. Die Bauersleute trauten sich nicht mitzutun und schauten zu. Ich war noch immer an Franzls Seite und er sprach lebhaft auf mich ein; aber ich konnte ihn nicht verstehen, denn wir standen dicht unter den Musikanten.
Da gewahrte mich Graf Paul und auf mich zueilend, forderte er mich zum Tanze auf. – Ach, wie sich's in seinem Arm dahinflog! Als wir an der Gruppe seiner Freunde vorbeikamen, hörte ich, wie der eine zum andern sagte: »Donnerwetter, ist das ein Prachtmädel!« Dann zu meinem Tänzer: »Un morceau de roi – gratuliere, Paul!«
»Gehört nicht mir,« warf Paul zurück.
Bis ans Ende der Welt hätte ich so forttanzen wollen, so leicht dahinschwebend, von diesen sicheren und festen Armen über den Fußboden gehoben; – mit Lust atmete ich den bekannten Kölnerwasserduft, der aus dem Taschentuch wehte, welches, rotgerandet und mit rotem Monogramm gestickt, aus der Brusttasche des Grafen hervorschaute . . . das tat nach der Zigarre meines vorigen Tänzers doppelt wohl. Auch die Worte, die mir mein jetziger Partner während des Drehens zuflüsterte, träufelten mir süß betäubend in den Sinn.
»Mädchen, wunderholdes Mädchen, so viel Schönheit könnte mich rasend machen . . . Dieses Augenfeuer – dieses herrliche Gesichtchen spricht ganze Gedichte von Glück und Liebe . . . Du bist nicht für deine jetzige Stellung geschaffen, du mußt einen Menschen zum Gott machen und dabei selber wie eine junge Göttin leben, von Glanz und Freude umgeben – du mußt . . .«
»Ich muß Ihnen verbieten, so zu mir zu reden, Herr Graf . . . Ich bin ein ehrbares Mädchen . . . Sie dürfen nicht ›du‹ zu mir sagen –«
»Fern ist mir die Absicht, Sie zu beleidigen, Liebliche! Ich habe Sie geduzt, wie man Feen und Engel duzt . . . Wenn Sie mir erlauben wollen, Sie zu lieben, Sie auf Händen zu tragen . . .«
»Führen Sie mich sofort zu Frau Nani –«
»Mirzl!«
»Sofort – ich befehle.«
»So ist's recht: indem Sie befehlen, erklären Sie sich zu meiner Herrin – mehr verlang' ich nicht – und ich gehorche.«
Er brachte mich zu der Stelle, wo Frau Nani saß, und verneigte sich da so ehrerbietig vor mir, wie er auf dem Hofball sich vor seiner Tänzerin verneigen mochte, welche er nach beendeten Lanciers an die Seite der Gräfin-Mutter zurückgeführt.
Wie gern hätte ich ihn noch in meiner Nähe behalten, wie gern noch länger solche Reden angehört, die ich ihm verbieten mußte – aber jetzt entfernte er sich und gleich war Franzl neben mir.
»Hören's, Mirzl – dös duld' i nit! Wenn's mi gern hab'n woll'n, so derfen's Ihnen von solche schöne Herren keine Komplimenter in die Ohren wischpeln lassen. Der wollt' ja doch nix anders, als Sie zum besten haben.«
»Reden wir nicht davon, Franzl. Wenn ich wollte, würde der Graf sich eine Ehre daraus machen, mich zur Frau zu nehmen.«
»Daß ich Ihnen nit auslach'! Aber erst – wer weiß? Aus Lieb' hab'n schon manche hohe Herrn ärgere Dummheiten g'macht – und Sie san gar sakrisch sauber . . . Aber das sag' ich Ihnen, Mirzl, wenn's wen andern heirat'n, so tu i mir a Leids an.«
»Haben Sie mich denn gar so lieb?«
»Und wie! Wann's mi nimmer mög'n, müßt' i elend sterben.«
»Meinethalb Ihr Leben verlieren – Sie, der Sie meinethalb Ihr Leben in die Schranken geschlagen –«
»Was sagen's?«
»– das soll nimmermehr sein. Ich werde beweisen, daß auch ich groß denken kann, daß ich –«
In diesem Augenblick kam Graf Paul wieder auf mich zu:
»Wollen wir noch ein Tänzchen machen, Fräulein Mirzl?«
Eine Wonne – ich schwöre es, eine Wonne wäre es mir gewesen, mit ihm davonzutanzen. Aber jetzt oder nie mußte ich groß und edel sein – mich auf der Höhe meiner romantischen Lage erhalten.
Ich blickte von Paul zu Franzl – dieser machte ein finsteres Gesicht – und indem ich meinen Arm in den Arm des Gärtnerburschen legte, sagte ich zum Grafen:
»Nein, ich danke vielmals. Dieser Tanz gehört Franz Hubinger – meinem Bräutigam.«
Und ohne das verblüffte Gesicht des jungen Edelmannes eines weiteren Blickes zu würdigen, zog ich Franzl in eine neue Trampeltour fort.
»Das war schön von dir, Mirzl,« sagte er mir, »aber nit recht g'scheit. Der Herr Graf wird sich vielleicht ärgern, daß der Gärtnerg'sell schon ans Heirat'n denkt, und jagt mi davon.«
»Das macht nichts.«
»Das macht nix? No, du redst an schönen Unsinn zam . . . glaubst, i find wieder leicht so a gute Stell'?«
Das »du« war mir nicht recht – es sägte so eigens widerwärtig an meinem Gehörnerv – aber konnte ich's dem eben verkündeten Bräutigam verbieten?
»Wir brauchen keine Stelle,« antwortete ich.
»Nit? – Hast etwa so viel Erspartes?«
»Wieviel denn?«
Die Frage schien mir nicht »groß«. Desto mehr Vergnügen machte es mir, dieselbe verblüffend zu beantworten:
»Wieviel? – Eine Million.«
Franzl lachte; er mochte den Witz gut gefunden haben.