Auguste Supper
Der schwarze Doktor
Auguste Supper

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6. Kapitel.

Es war schon lange Nacht, da mein Vater heimkam. Ich flog ihm entgegen in heftiger Angst und fragte nach Ursula. Er wischte sich mit dem Ärmel die feuchte Stirn ab und sagte: »Sie ist jetzt in der Saalgasse.« Da meinte ich froh: »Also bei ihrer Base in Sicherheit?« Aber mein Vater entgegnete rauh: »Das habe ich nicht gesagt.« Ich lief rasch, einen Imbiß herzuschaffen von unsern kargen Vorräten, denn mein Vater sahe müde und bleich aus, viel älter denn sonst. Doch nahm er nichts, als einen Schluck Weins. Das Brot warf er dem Rupprecht hin, der gierig darauf losfuhr.

Als mein Vater stumm und finster am Tisch saß, kam der kleine Magister herein. Er lief in der Stube herum und sagte unruhig: »Böse Geschichten, böse Geschichten!«

Mein Vater fuhr sich über die Stirn, als wolle er seine Gedanken auf das Gegenwärtige herzwingen, und sprach von den fremden Horden, doch kein Wort von dem Streit mit dem Priester.

Er wußte zu sagen, wie die wilden Scharen Bütten mit 38 Trauben und Wein aus den Weingärten mit sich schleppten und die Gottesgaben, darauf so mancher arme Mann in dieser bösen Zeit seine Hoffnung gesetzt hatte, auf der Straße vergeudeten.

Auch eine Masse frechen Gesindels war mit den Soldaten gekommen, und in der Gasse bei St. Agneten erschlugen sie am selbigen Abend einen von der städtischen Wehr und zwei Weiber.

Der Haufe, der sich durch St. Burkhard gewälzet hatte, da wir eben darinnen standen, war aus den Weinbergen des Schloßbergs gekommen, allwo sie die Kelter geplündert hatten, darin der beste Wein auf Würzburger Gemarkung, der Leistenwein, gekeltert wird. Dort hatten sie gehaust wie die Unmenschen, auch sich nicht an die Schüsse gekehret, die der Schloßhauptmann auf dem Marienberg hatte lösen lassen. Daher waren sie so trunkenen Muts gewesen und hatten den wüsten Lärm verführet, der die Kirche geschändet, uns aber von peinlichem Verhör befreit hatte.

Da wir genug die Greuel und wilde Roheit des fremden Volkes besprochen hatten, nahm mein Vater sein Öllämplein vom Brett zum Zeichen, daß er in seine Kammer schlafen gehen wollte, denn es war über unsern Reden spät in der Nacht geworden.

Als der Magister dies sahe, wünschte er uns eine friedsame Nacht; aber unter der Tür wandte er sich noch einmal zurück und sprach gegen meinen Vater hin: »Doktor, wider die ziehenden Söldner weiß ich kein Mittel; aber einen guten Trank vor der Tortur kann ich Euch nennen, und es soll ihn ein Jesuit erfunden haben.«

Mein Vater stieß ein kurz Lachen aus, indes er sagte: »Ich halte nichts auf die Tränke der Jesuiten und werde niemalen einen benützen.«

Der Magister trat noch einen Schritt in die Stube zurück und zählte an den Fingern her: »Weihbrunnen, St.-Johannis-, Hl.-Dreikönig- und Ignati-Wasser, sowie einen kräftigen Schluck Terpentinöl mischt man zusammen und gibt es dem peinlich Befragten zu trinken. Merkt Euch dies, Doktor, und sorgt, daß Ihr solch scheußlich Gebräu nicht vonnöten habt.«

Mein Vater sagte mit finsterer Stimme dagegen: »Tut 39 dazu noch einige Quentlein gelb Arsenikum, und gebt es den Jesuiten löffelweis ein, daß es für alle reichen mag im heiligen römischen Reich!«

Der Magister lachte und sprach: »Ich gab Euch einen guten Rat, Doktor, Ihr gebet mir einen besseren; aber es ist der leidige Lauf der Welt, daß die besten Ratschläge nicht befolget werden.« Danach zog er die Tür hinter sich zu und stieg hinauf in sein Losament. Da ich wieder allein in meiner Kammer saß, kam doch kein Schlaf in meine Augen; es wogte in mir wie ein Meer von Angst und Unruhe. Meine schreckhaften Gedanken nahmen überhand, denn ich hatte aus des Magisters und meines Vaters Wesen wohl entnommen, daß sie nur darum so viel über das fahrende Gesindel redeten, um ihre Sorgen wegen des Streits in St. Burkhard zu verdecken.

Es mochte gegen den Morgen gehen, da ich mein Lager aufsuchte. In der Stadt war es stiller geworden, und das Aufflammen der Fackeln blitzte nicht mehr in mein schmal Fensterlein.

Ich lag im Halbschlaf, daraus ich mich dann und wann wieder aufraffte, mein angefangen Nachtgebet fertig zu sprechen, als leis meines Vaters Kammertür aufging und er, angekleidet, mit seinem Lämplein, das am Verglimmen war, hereintrat.

Er kam an mein Bette, und da er sahe, daß ich wach war, setzte er sich auf den Rand, stellte das Licht auf den Schemel und sagte: »Es ist gut, Renata, daß du wach bist, ich hätte dich sonst wecken müssen; denn es ist an der Zeit, mit dir zu reden.«

Ich setzte mich jäh aufrecht und es brannte in mir, zu hören, was er mir in solcher Stunde zu sagen hatte.

Mein Vater öffnete mehrere Male die Lippen und schloß sie wieder, als gehe ihm das Sprechen über seine Kraft, danach begann er zu erzählen, was ich jetzo nach bestem Können berichten will:

»Es ist einmal ein lutherischer Pfarrer gewesen, der hat mit fünfundfünfzig Jahren ein achtzehnjährig Dirnlein gefreit, das nach einem Jahr an der Geburt eines Sohnes gestorben ist. Dieser Sohn eines alternden Mannes bin ich. 40

Vor seiner Heirat und während des einen Ehejahrs soll mein Vater ein leutseliger und menschenfreundlicher Mann gewesen sein; aber in meinen Gedanken stehet er ganz anders da.

Ich kannte ihn nur als einen verbitterten, verknöcherten Greis, der immer zänkischer wurde, je länger er sich eingrub in seine Trauer und Einsamkeit. Da er auch jetzt noch eines rastlosen und scharfen Geistes war, bohrte er mit seiner Bitterkeit und seinem beständigen Unmut alles an, so daß er der Schrecken seiner Amtsgenossen, ja ein Ärgernis für seine Gemeinde, aber auch für die katholischen Geistlichen im Umkreis ein gefürchteter Kampfhahn ward.

So wuchs ich auf inmitten einer Luft voll Streitsucht und Wortklauberei, voll sinnlosen Hasses gegen die Andersgläubigen und spöttischer Überhebung gegen die Genossen des eigenen Glaubens. Und das Verderblichste für meine junge Seele war, daß mein Vater für all seine unpriesterlichen und unchristlichen Eigenschaften gar erbauliche und christliche Namen hatte.

Als ich ein Bursch von vielleicht siebzehn Jahren war, hörete ich einmal meinen Vater auf seiner Kanzel also zetern über seine Oberen, seine Amtsgenossen, seine Gemeindeglieder, daß mich ein völliger Ekel ankam, insonderheit, da es am heiligen Pfingstfest war, und ich mit dem Begehr, erbauet zu werden, in der Kirche saß.

So war mein Jammer nicht allzu schwer, da er nach einigen Jahren starb.

Ein schön Erbteil ging auf den einzigen Sohn über, und ich zog auf die hohe Schule zu Wittenberg. Ich war willens, die Jurisprudenz zu studieren, da mir von meinem Vater her Theologie bös entleidet war.

Doch hatte ich ein unglücklich Jahr gewählt, denn es waren die Professoren dazumal voll eines so engen und trägen Geistes, daß ich gar bald ihnen an Wissen voraus war und in den Disputationen des öfteren mit einem bösen Wort zum Schweigen gewiesen ward.

Da ich einmal an den Rektor die Frage richtete, ob und warum die Rezeption des römischen Rechtes in deutschen Landen notwendig sei, rief er mir voll unmäßigen Zorns zu: ›Still! Du Sau, du Hund, du Narr oder wer du bist, du grober 41 Esel!‹ Dazu warf er mir ein Buch an den Kopf, daß ich ohnmächtig zusammenbrach. Nachdem ich mit einem blutenden Kopf in meine Kammer geschafft ward, die ich im Hause des Theologie-Professors Seger inne hatte, kam eilends ein anderer Professorenbursch, der in derselben Kammer wohnte und Medizin studierte, namens Hans Bütthard, mir beizustehen.

Ich hatte von der blechernen Ecke des Buchs eine böse Schramme an der Schläfe, auch sauste mir das Blut im Schädel wie vom Fieber. Der Bursch nahm sich wacker um mich an, und es ist dies der große, pockennarbige Mann, den du in St. Burkhard mit mir hast reden sehen. Dieweil meine Gesundheit schon zuvor nicht allzu fest gewesen, warf mich der Verlust so vielen Bluts und die große, zornmütige Erregung auf ein ziemlich lang Lager, und in dieser Zeit vermochte mich Bütthard dazu, daß ich beschloß, zum Studium der Medizin überzugehen und mit ihm gen Würzburg zu übersiedeln, allwo vor noch nicht 20 Jahren der Bischof Julius Echter von Mespelbrunn eine hohe Schule gegründet hatte, deren Ruf schon jetzt ganz Deutschland erfüllete, insonderheit, was die medizinische Fakultät anlangte.

Es war Würzburg meiner Heimat viel näher, und Wittenberg mir entleidet worden, denn gerade im selbigen Jahr nahmen die Zänkereien und lächerlichen Keifereien in allen Fakultäten so überhand, daß genug Spottgedichte darüber unter den Studenten im Umlauf waren. Mir wollten schwere Bedenken aufsteigen, ob ich als eines lutherischen Pfarrers Sohn in Würzburg möchte aufgenommen werden in der Schule, an der zumeist Jesuiten lehreten, aber mein Kammergenoß, der auch lutherisch war, redete mir zu, daß wir dies wohl verschweigen möchten, denn besser sei besser.

So zog ich gegen das End meines Jahres von Wittenberg ab, und Bütthard mit mir. Als ich hineinging, meinem Hauswirt ein Lebewohl zu sagen, saß Seger mit rotem Kopf über Büchern und Schriften. Er reichte mir die Hand hin und sagte: ›Ihr jungen Bursche habt es gut, da ihr noch nippen möget von allerlei Wissen, ohne mit Schweiß und Müh in die Tiefe der Dinge zu dringen. Ich aber sitze hier, zu untersuchen und darzutun, ob es nach der Heiligen Schrift möglich wäre 42 und zuzugeben, daß Christus bei der Allmacht Gottes die Welt auch in Gestalt eines Steins oder eines Kürbisses hätte erlösen mögen, und wie dann der Stein oder der Kürbis am Kreuz hätte hängen müssen. So ich glaube, nach der einen Stelle ein Urteil zu haben, finde ich wieder eine andere, die es mir umstößt.‹

Ich stund ganz stumm vor dem schwitzenden Theologen, der solch albern Gewäsch nicht als närrischen Scherz, sondern im Ernst vorbrachte, und es regte sich wieder Zorn und Ekel, Lachlust und Hohn in mir, wie ich es oft zu meines Vaters Lebzeiten empfunden hatte.

Als wir durchs Sandertor in Würzburg einzogen, war am Himmel eine furchtbare Röte zu sehen, wie von einer Feuersbrunst. Wir eileten durch die Gassen mit einer großen Menge Volks dem Maine zu und sahen alsbald die bischöfliche Residenz in Flammen stehen. Es war ein schauerlicher Anblick, wie gegen den schwarzgrauen Himmel die Flammen schlugen, indes das ragende Gebälk in der gelbroten Glut sich reckte, als wie um Hilfe. Ich sah manchen in der Menge stehen mit erblaßtem Munde und schreckerstarrt.

Mein Weggefährte und ich liefen über die Brücke, der Unglücksstelle zu. Es war eine harte Müh für zwei wegmüde Bursche, emporzukommen, denn es drängten viele Leute teils hinauf, teils hinunter. Der östliche Teil des Schlosses war schon halb eingestürzt, als wir oben ankamen, und war ein groß Geschrei, daß des Bischofs gesammelte Kostbarkeiten, Bücher und Altertümer in schwerer Gefahr, wo nicht verloren seien. Bütthard und ich griffen mit an bei der Arbeit des Löschens und Einreißens; doch sah man wenig Fortschritt, dieweil nicht Ordnung war. Da kam ein hoher Mann auf einem schweißtriefenden Gaul barhäuptig einhergesprengt. Mitten unter den Hilfeleistenden sprang er ab und hub allsofort an, mit starker Stimme zu befehlen, also, daß jeder ihm zu Willen war, und das ganze Werk einen raschen und guten Fortgang hatte. Auch mein Gefährte und ich taten in aller Eile und ohne Zaudern, was der Mann anordnete. Nach harter Müh ward man des Feuers Herr, auch der größte Teil des wertvollen Guts war gerettet worden. 43

Bütthard und ich stunden mit rußgeschwärzten Gesichtern, darüber der Schweiß lief, im Hof, und mein Genosse mühete sich, mir einen Überschlag von Lehm auf meine linke Hand zu machen, die ich an einem Balken verbrannt hatte, davon man jetzt noch die Schramme sieht.

Da trat der barhäuptige Mann an uns heran und fragte uns, wer wir seien und was wir lerneten, denn er sahe an unseren Pluderhosen wohl, daß wir Studenten an einer hohen Schul wären.

Ehe ich antworten konnte, denn meine Hand machte mir bösen Schmerz unter der Binde, begann schon Hans Bütthard mit geläufiger Zunge unser Herkommen und unsere Absicht, zu Würzburg Medizin zu lernen, dem Manne zu erzählen, und der horchte wohl auf, nickte auch mit dem Kopfe.

Danach fragte er, wer unsere Väter gewesen seien, und da sahe mich mein Genoß an, als wolle er mich verwarnen und log dem Manne also: ›Dieser ist eine Wais', und sein Vater, Peter Burkhard, war Schöffe zu München. Ich bin zu Nürnberg geboren, als des Hufschmieds Johann Kilian Bütthard einziger Sohn.‹

Der Mann fragte noch: ›Und ihr seid römisch-katholischen Glaubens?‹ Wieder sah mich mein Kamerad an und sprach frischweg: ›Römisch-katholisch-apostolischen Glaubens.‹ Und ich ließ ihn reden und nickte. Danach ging der Mann über den Hof und hieß uns folgen.

Als wir durch den unverletzten Teil des Schlosses kamen, merketen wir wohl an der Ehrfurcht aller, die uns begegneten, daß es Se. Gnaden der Bischof selber war, der uns führete, und ich ward bang und voll Scham, da ich der Lügen über mich gedachte, doch redete ich nichts dawider.

Wir kamen durch eine Reihe prunkvoller Gemächer in ein ganz einfach, sauber Gelaß, darinnen der Bischof selbst zu wohnen schien. Dort ließ er uns zwei Becken mit Wasser bringen, daß wir uns waschen möchten, dann ging auch er in seine Kammer und kam bald danach neu gekleidet wieder hervor. Nun sahe ich ihn zum erstenmal recht an, und sein Gesicht voll Klugheit, Willen und Kraft fiel mir auf, auch seine hohe 44 und edle Gestalt, insonderheit aber seine hellen, durchdringenden Augen.

Er trat an einen Tisch und schrieb eine Zeitlang auf einen Zettel, den er uns dann einhändigte. Dazu sprach er: ›Ihr wackeren Gesellen, das sei des Bischofs Julius Dank für euer tätig Eingreifen!‹

Dann winkte er mit der Hand und wir machten uns davon.

Der Zettel aber, den er uns gegeben, war wohl eingeschlagen und also überschrieben: ›An Seine Magnifizenz, den Prorektor der hohen Schule zu Würzburg, Magister, Doktor, Professor Halesius.‹

Als wir den Schloßberg hinunterstiegen, wo es immer noch von Menschen wimmelte, wollte ich meinem Gefährten seine Lügen vorhalten; aber er sprach: ›Schweig mir doch stille! So mir eine Lüge einen solchen Zettel einträgt, wo die Wahrheit mich in ein schief Licht brächte, müßte ich wohl ein grober Narr sein, wenn ich nicht die Lüge wählete. Was schadet es dir oder mir, so wir uns zu einem Glauben bekennen, der Männer hat, wie diesen Bischof! Hast du die elenden Zänker, die Wortklauber und Haarspalter, die ungeschlachten Tölpel zu Wittenberg nicht gehört und gesehen? Waren sie besser, weil sie sich Protestanten nannten? So lang wir zu Würzburg sind, sind wir katholisch, und danach wird man weiter sehen.‹ Da gab ich meinem Gefährten in meinem Herzen recht, denn mein Bekenntnis war mir dazumal fast zuwider.

Wir herbergten in selbiger Nacht im Grünen Baum und gingen des andern Morgens zeitig in der Frühe zum Prorektor, der im Kollegium der Jesuiten wohnete. Wir wurden mit unserem Zettel wohl aufgenommen und Hans Bütthard wiederholte hier das Märlein von unserem katholischen Glauben, und auch vor Halesius, einem Jesuiten mit schneeweißem Haar, und einem schmalen, geistvollen Angesicht, widersprach ich nicht.

So waren wir denn als katholische Studenten eingeführet und mußten als solche verbleiben, so wir nicht Schimpf und Schande und vielleicht schwere Strafen davon haben wollten.

Die Studenten von Würzburg waren dazumal voll rohen 45 und tollen Wesens, wie an allen hohen Schulen im Reich; doch hielt ich mich fern davon, dieweil es mir ernst war mit Lernen, und weil hinwiederum dies Lernen, dabei einem soviel Menschenelend, Jammer und Krankheit vor Augen kam, mir die Lust zur Wildheit benahm.

Ich mußte dafür viel Spott leiden, sonderlich auch von Hans Bütthard, der ein leichtherziger Kamerad und bald mitten im Strudel war.

Im selbigen ersten Jahr ward das in Rom begangene Jubeljahr im Hochstift gefeiert. Der Bischof hatte dies vom Papst erwirkt, und aus solchem Anlaß zahlreiche Kongregationen und Bruderschaften gestiftet, sowie neue Pfarreien zu Wipfeld, Püssensheim und Untersteinbach.

Am Tag der Feier zog Hans Bütthard mit den Zöglingen des Jesuitenkollegiums von Kirche zu Kirche und danach in der ganzen Stadt umher. Es galt aber dafür, daß diese jungen Frommen, so sie einmal einen freien Tag hätten, wilder seien denn sämtliche Bursche und Pennäle Würzburgs. Am Abend, da Hans endlich in unsere Kammer trat, wo er mich bei der Arbeit sahe, fing er an, in trunkenem Mut ganz toll zu lachen und höhnte mich: ›Ei, du Muster und leuchtend Vorbild von einem Studenten, wirst wohl erleben müssen, daß ich vor dir den Magister oder gar den Doktor weghabe. Aber dafür bin ich auch ein besserer Katholik als du. Hättest du, wie ich, heute Bilder und Kerzen getragen, könntest du ein Kreuz schlagen wie ich, wärest du der Glaubens- und Saufgenoß der künftigen Domherren und Prälaten – du stündest zum ersten bälder im Amt und hättest zum zweiten mehr Kurzweil!‹

Bei solchen Worten entbrannte in mir ein heißer Zorn über des Burschen Frechheit. Ich hielt ihm in heftiger Rede vor, wie unwürdig mir solch Treiben dünkelte, und verlangte von ihm, er möge sich genügen lassen, durch eine Lüge hier aufgenommen zu sein, nicht aber diese Lüge fortsetzen mit gotteslästerlichen Worten und Taten.

Aber er verhöhnte mich bös und sprach: ›Hättest dir müssen eher überlegen, was für ein zart Gewissen du hast, du Sproß eines Pfaffen; hinterher ist deine Entrüstung ein wohlfeil Ding. Reden, Herr, muß man, wenn Zeit und 46 Gelegenheit ist, so wie lieben und trinken! Damals, als der Bischof dich so gut wie mich gefragt hat nach Namen und Herkunft, wär's eher am Platz gewesen, Farb' zu bekennen. Aber da hast du geschwiegen und gedacht: eines andern Lügen, die bringen mich nicht in die Höll.‹ So sprach er auf mich ein, und ich schwieg stille, dieweil ich mich schämte. Damals fing die kurze Lüge an, mein langes Leben zu knechten.



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