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Die Hochzeitsvorbereitungen nahmen das ganze Haus in Anspruch. Es wurde geklopft, gescheuert, gewaschen und geputzt, dass man meinte, alles stehe auf dem Kopfe. Dem Professor wurde ganz angst, sogar er musste aus seinem stillen Zimmer weichen, denn auch hier wurde alles umgestürzt. Auf seine schüchterne Frage, ob denn das durchaus nötig sei, wurde ihm versichert, er verstehe das nicht, das gehöre dazu.
Das Mädchen lief mit verweintem Gesicht herum. Fräulein Fanny war ja immer wie der Teufel hinterher, aber jetzt war es gar zu schlimm und nichts machte man ihr gut genug. Wenn sie noch die Braut wäre, aber die, behüte Gott, das Lämmchen, die ginge wie sie lief und stand in die Kirche, die kümmerte sich um nichts, machte nur immer, was die anderen wollten. Und dabei ein so stilles, abseites Gesicht, – »wie eine Heilige schaut sie aus,« versicherte sie der alten Lorenzen, die gekommen war, am Polterabend zu helfen.
Endlich war es nun so weit. Alles glänzte und blitzte und blinkte nur so mit der Oktobersonne um die Wette. Die neuen, weissen Vorhänge, die Bilder, Glasscheiben, Schlösser und Lampen, die grossen silbernen Leuchter, unter denen das Brautpaar sitzen sollte, bis herab zu dem kleinsten Aschenabstreicher, einem kupfernen Frosch, der das glänzende Maul weit aufsperrte, und ordentlich begierig der Dinge harrte, die da kommen sollten.
Ueberall duftete es nach Kuchen und Torten, eine festliche Stimmung wehte durch alle Räume. Ueber den Türen hingen Kränze und Girlanden, alle Vasen und Schalen waren verschwenderisch mit Blumen gefüllt. Fanny hatte alles so angeordnet. Sie hatte sich nicht genug tun können in der letzten Zeit, der Schwester Hochzeit möglichst zu verschönern und unermüdlich alle Arbeit auf sich genommen.
Aus dem Gastzimmer tönte leises Kichern, dann wieder eintöniges Sprechen. Zwei kleine Cousinen vom Lande sollten als Brautjungfern ihr erstes Debüt in der Grossstadt erleben; sie waren furchtbar aufgeregt und ängstigten sich entsetzlich. Eine dritte, eine Bekannte Evas, deren Eltern vor kurzer Zeit nach einer anderen Stadt versetzt worden waren, sass auf dem Bettrand, halb angezogen, schlenkerte die schwarzen Seidenstrümpfe in der Hand hin und her und amüsierte sich köstlich über die beiden naiven Dinger. Sie hielt mit einigen alten Schulbekannten Generalprobe über die Aufführungen ab, die heute abend stattfinden sollten, ordnete die Reihenfolge und probierte die Kostüme an, die herumlagen, denn hier sollten sich die näheren Bekannten umziehen.
In dem anderen Gastzimmer waren die beiden Schwestern der Professorin einquartiert, alte Fräuleins, die sich in einer nahen Kleinstadt vom Stundengeben erhielten und die für ihr Leben gern bei Hochzeiten zugegen waren. Der einzige Bruder des Professors war mit seiner Frau bei Lotte. Sonst war kein auswärtiger Besuch geladen. Mieze in Berlin, die in der allgemeinen Freude doch eine Einladung erhalten – allerdings nur für sich, von ihrem Mann war nicht die Rede darin gewesen – hatte zur grossen Verwunderung abgelehnt. Sie hatte aber Eva einen sehr herzlichen Brief geschrieben und ihr soviel Glück gewünscht, wie sie es an der Seite ihres Mannes gefunden habe.
Viel Bekannte hatten Professor Weidmanns nicht; sie lebten zwar schon viele Jahre hier mitten in der Grossstadt, aber er ging ganz in seinen Büchern auf, sie in der Wirtschaft und den Sorgen um das Morgen. Eva schloss sich nicht leicht an, Fanny hatte meist Lottes Bekannte übernommen, als diese heiratete, – und so war der Kreis trotz der heranwachsenden Kinder ein enger geblieben. Es waren deshalb nur wenig Personen zum Abend in der Familie gebeten; die Hochzeit sollte im Hotel stattfinden und fiel grösser aus, da der Bräutigam für eine stattliche Anzahl Geladener gesorgt hatte. Er hatte viele Freunde unter den benachbarten Gutsbesitzern, bei denen er als Junggeselle verkehrt, die er nun als Revanche für genossene Gastfreundschaft beim Hochzeitsdiner sehen wollte.
Lotte war oben in dem kleinen Mädchenstübchen und half Eva ankleiden. Die Braut trug ein einfaches weisses Wollkleid aus weichem Stoff, das sich glatt an die Glieder schmiegte und sie noch schlanker und jünger erscheinen liess. Es war auf ihren Wunsch ganz schmucklos und schlicht gearbeitet. Auf Lottes Bitten und Vorstellungen steckte sie wenigstens ein paar Rosen in den Gürtel, volle rote Rosen, die wie grosse Blutstropfen sich von dem schneeigen Weiss abhoben. Zu einem anderen Schmuck war sie nicht zu bewegen.
Mancherlei Arbeiten und Zerstreuungen hatten Eva über die letzte Zeit hinweggeholfen; die Tage waren schnell, entsetzlich schnell vergangen, sie kam gar nicht zum Nachdenken, und abends war sie so todmüde gewesen, dass sie meist rasch und traumlos schlief.
Kein Mensch hatte ihr von Hans gesprochen, seinen kurzen Aufenthalt schien niemand im Hause erfahren zu haben.
Lotte wurde abgerufen, die ersten Gäste kamen. Ehe sie die Schwester verliess, küsste sie sie mütterlich auf die Wange, wie sie es in letzter Zeit gern tat, und bat sie in einigen Minuten nachzukommen.
Eva setzte sich. Sie fühlte sich so matt und schwach. Mit einem Male kam es ihr zum Bewusstsein, dass es ja nun ernst wurde, bitterer Ernst, dass es soweit war ... Wären doch erst noch einige Tage vergangen, – es war doch zu grässlich schwer, was sie auf sich genommen hatte.
Sie dachte an Paul. Bis jetzt hatte er ihr ja alles so leicht gemacht durch seine Zurückhaltung. Aber, – es würde ja nicht immer so bleiben, es würde anders werden, er würde mehr von ihr verlangen ... Sie schauderte zusammen und ballte die Hände. Das sollte er nicht wagen ... Sie musste ihm sagen, er sollte ihr Zeit lassen, – einige Monate, einige Wochen, – Tage nur, ... jeder Aufschub, jede Frist war ihr recht. – Es kam ihr vor, als sollte sie Hans verraten und verleugnen ... Petrus fiel ihr ein, – der Hahn der krähte. – Wie hatte sie nur je denken können, dass das ging! ... Sie konnte Hans nicht solches Unrecht tun ... Ihm und seinem Andenken. Das, das ging doch über ihre Kraft. – Wenn sie nur dachte, dass der andere sie berühren könnte, fuhr es ihr wie ein Dolchstoss durch alle Glieder, – jedes zärtliche Wort musste ein Tropfen sein, der ihr wie Gift in der Seele brannte, jeder Kuss, den sie duldete ein Verrat ...
Sie musste Paul beichten. – Ihm beichten? – Aber das war ja ebenso unmöglich ... Sie wusste nicht ein noch aus.
Drunten rollte ein Wagen.
Wenn er das schon wäre? Noch hatte sie keinen Entschluss gefasst, war zu keinem Ende gekommen.
Der Wagen fuhr vorbei, – es war ihr wie eine Erlösung.
Aber war es der nicht, der nächste konnte ihn bringen. Vielleicht bog er schon um die Ecke! – Oder er hatte schon ausgespannt, kam zu Fuss, – war vielleicht schon da?! –
Wenn er nun plötzlich nicht käme! Wenn er sie nicht mehr wollte? Irgend etwas musste geschehen. Irgend jemand konnte sterben, verunglücken ...
Sterben? ...
Er selbst, wenn er tot war, dann war alles gut, dann hatte sie Ruhe. Ja, ja, das wäre das beste. – Wenn die Welt unterginge, Feuer ausbräche, irgend ein Naturereignis einträte ... Ihre erregte Phantasie gaukelte ihr alles mögliche vor ...
Sie wies die Gedanken von sich, – es half nichts. Immer und immer wieder tauchte der eine Wunsch in ihr auf: Wenn er tot wäre, tot, – tot ... Wie hypnotisiert weilte sie dabei, unfähig die Vorstellung von sich abzuschütteln. Dann wäre sie in Sicherheit, dann konnte er keine Ansprüche mehr an sie machen, er nicht und sie alle nicht.
Oder sie selbst konnte sterben. Sie selbst? Das wäre auch gut. Aber wie? Wie? Sie ging im Geiste alle Todesarten durch, von denen sie je gehört oder gelesen – aber alles ging nicht. Und dann ihre Eltern, die beiden alten Leute, um deretwillen sie doch alles hatte tun wollen. – Sie waren so streng christlich in ihren Anschauungen, Selbstmord erschien ihnen die grösste Sünde. Ebensogut hätte sie da mit Hans gehen können, wenn sie ihnen das antun wollte.
Nein, Paul musste es sein, er musste sterben ... Ganz deutlich formulierte sich der Wunsch in ihrer Seele, ihre Lippen flüsterten ihn leise vor sich hin. So sass sie lange, ihrer selbst entrückt, starrte vor sich hin.
Endlich nahm sie alle Energie zusammen, schüttelte sich wie unwillig, wie entsetzt über ihre eigenen Gedanken. Langsam wich der Bann von ihr. Sie wollte nicht vorwärts schauen, es gab keinen Entschluss zu fassen, sie musste eben durch, mitten durch, mochte alles gehen wie es wollte.
Wie gejagt lief sie die Treppe hinunter, ohne Besinnen ins Wohnzimmer hinein.
Hier wurde sie stürmisch begrüsst. Einige Freundinnen empfingen sie lachend, tanzten um sie herum und legten ihr, das Lied vom Jungfernkranz singend, ein Gewinde von Rosen, lauter vollen roten Rosen, ins Haar.
Die Kinder drängten sich herzu, ihr Fräulein Tante zu begrüssen; Fritz wollte ihr durchaus gleich sein Verschen aufsagen und Hanna flüsterte ihr zu, sie bringe ihr nachher ein schönes, weiches Kissen, das Mama gestickt habe, aber sie müsse es bis dahin wieder vergessen, sie dürfe es nicht sagen. Der Professor strich ihr zärtlich über die Schulter, die Mutter zupfte ihr eine Falte am Kleide zurecht und schob ihr den Kranz gerade. Neugierig musterten sie die jungen Cousinen; sie hatten noch keine Braut gesehen, wenigstens keine bessere, wie sie versicherten. Die beiden Tanten nickten ihr mit gerührten Gesichtern zu; einige Damen und Herren, die sie begrüsste, machten ihr Komplimente über ihr blühendes Aussehen. Ihre Wangen glühten jetzt, sie trank rasch ein paar Glas Wein und lachte, sprach und scherzte dann munter nach allen Seiten.
»Gott, so 'ne glückliche Braut!« hörte sie hinter sich anerkennend sagen. »Das lass ich mir gefallen!«
Fanny sah abgehetzt und müde aus. Sie war überall und bot Erfrischungen und Backwerk an, aufgeregt, dass man sie lachend fragte, ob heute denn auch ihre Hochzeit sei, und den glücklichen Eltern Schmeichelhaftes sagte, wie rührend die Kinder doch aneinander zu hängen scheinen, wie der älteren das Glück der Schwester zu Herzen gehe.
Von Zeit zu Zeit sah Fanny nach der Uhr über dem kleinen Seitentisch, wo die Bowle und Gläser und Flaschen standen. Es war schon halb acht, – um sieben hatte der Bräutigam kommen wollen. Er war sonst so pünktlich. Sie verstand das nicht. Noch heute Nachmittag hatte er ein Bukett und ein kleines Päckchen an sie geschickt – jedenfalls der Brautschmuck, den er Eva heute abend geben wollte – mit einem kurzen Billet, er bäte, sie möchte ihm das aufheben bis zum Abend, er könne es gar nicht erwarten, sie wären doch nicht böse, wenn er schon früher käme.
Es war nur gut, dass die anderen das nicht wussten. Sie hatten ihn bis jetzt nicht erwartet. Aber merkwürdig war es doch. – Wo er nur blieb? ...
Sie bemühte sich harmlos auszusehen, sorgte, dass die Unterhaltung nicht ausging, zeigte unermüdlich die Hochzeitsgeschenke, die im Esszimmer aufgebaut waren. Es war eine stattliche Anzahl. Man hatte sie allgemein den Verhältnissen des Bräutigams angepasst, der als eine »famose Partie« galt, und wollte sich vor ihm nicht lumpen lassen. Dann wieder lief sie herum, nötigte zum Trinken und füllte die Gläser frisch.
Endlich, da, ein bekanntes Klingeln. Sie eilte selbst hinaus, um zu öffnen. Es war nur der Schwager, Pastor Ludwig. Er liebte es, immer die letzte Minute zu kommen, immer noch durch etwas im Amt aufgehalten zu sein. Dann bedauerte man ihn, lobte seine Pflichterfüllung, staunte ihn an und bewunderte ihn, was er demütig bescheiden abzuwehren pflegte.
Auch jetzt bildete er so eine Weile den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Dann erinnerte er sich, dass er doch heute nicht die Hauptperson sei. Er drehte sich suchend um, fragte nach dem lieben jungen Paar.
»Was, der Bräutigam lässt auf sich warten? Na, na, Eva ... den musst du dir aber besser ziehen. Frage mal meine Frau, die weiss, wie man das macht!«
Er stellte sich gern als Pantoffelhelden hin, was seine Frau mit einem nachsichtigen Lächeln aufnahm. Sie wusste ja, wie sich alles um ihn drehte. Und das war auch recht und richtig so. »Er soll dein Herr sein,« – daran war nicht zu rütteln.
Aber es war komisch, nun fiel es mit einem Male allen ein, dass der Bräutigam doch längst hätte da sein müssen. Sie warteten doch alle nur auf ihn. Eigentlich gar nicht passend. Man sah heimlich nach der Uhr, flüsterte, sah sich fragend an. Eine geheime Unruhe war über die ganze Gesellschaft gekommen.
Der Professor rieb sich die Hände.
»Ja, meine Herrschaften, ich weiss nicht, – Illner – Paul wollte um sieben kommen. Wahrscheinlich ist er irgendwie aufgehalten worden. – Es hat ja nichts zu sagen, der Abend ist noch lang.«
Die Hausfrau ging in die Küche, sie wollte fragen, ob irgend eine Nachricht gekommen sei. Achtlos liess sie ihr schweres Seidenkleid am Boden hinstreichen. Sie wartete schon längst heimlich und war nun doch aufgeregt.
»Herr du meine Güte,« jammerte Anna. »Wenn nur nischt passiert ist! Ich hab die ganze Nacht den Totenwurm pochen hören. Ganz genau, gerade neben meinem Bette. Und das is noch nie was Guts gewesen. Noch derzu vor 'ner Hochzeit!« Und sie fing gleich laut an zu heulen.
Aergerlich verwies es ihr die Professorin. Das war doch zu albern, solcher Aberglaube. – Aber ihre Angst war noch verstärkt worden, ein unbehagliches Gefühl kam über sie. Sie nahm sich zusammen, ging wieder hinein zu den Gästen und tat möglichst unbefangen.
Fragend blickten ihr alle entgegen. Sie zuckte nur leicht die Schultern. Es war ihr selbst unbegreiflich.
Mitleidige Blicke streiften Eva, halb von der Seite. Es war ja möglich, dass er sich anders besonnen hatte im letzten Augenblick. Das kam vor, man hatte von solchen Geschichten in der Zeitung gelesen. Ein Mann wie Illner hätte doch auch eine ganz andere Partie machen können. –
Da kam Fanny auf einen glücklichen Gedanken. Sie holte die Blumen und das kleine Paket, das am Nachmittag für die Braut gekommen war. Unter lautem »Ah!« und »Oh!« wurde es geöffnet. Auf schwarzem Grund funkelten in Silber gefasst die auserlesensten Brillanten: Boutons, Brosche, Armband und eine schmale Silberkette mit einem grossen Solitär als Anhänger. So etwas hatte man bis jetzt nur bei dem grössten Juwelier im Schaufenster ausliegen sehen! Und das schickte der Bräutigam so ohne weiteres, mit einem Boten am Nachmittag, wie Fanny gesagt. Eigentlich recht leichtsinnig von dem jungen Mann. Ja, er wusste eben den Geldeswert nicht. Glückliche junge Leute!
Und der leise aufsteigende Gedanke, dass er absichtlich nicht komme, war damit ein für alle Mal allseitig unterdrückt worden. Das konnte man ja unmöglich annehmen. Die entzückende Braut! Nein, nein, niemand hatte so etwas gedacht. –
Alle beeilten sich, Eva etwas Liebenswürdiges zu sagen, ihr zu versichern, dass sicher nichts passiert sei, sie solle sich nur nicht ängstigen, ihr lieber Paul käme gewiss bald. –
Aber es war indessen später und später geworden. Einige Herren wollten nach dem Gute telegraphieren, die Damen redeten von nach Haus gehen, es würde sich schon alles morgen aufklären, – die allgemeine Erregung stieg und stieg. Alle Gesichter sahen blass aus, hielten nur noch ein konventionelles Lächeln aufrecht. Eva war noch die ruhigste, sie redete tröstend auf die Mutter ein.
Der schrille Ton der Klingel tönte plötzlich in den Wirrwarr hinein. Im Nu lächelten alle, Gott sei Dank, endlich kam der Erwartete. –
Auf dem Korridor hörte man eine laute Stimme fragen:
»Wohnt hier der Professor Weidmann, zu dem Herr Illner auf Niederwiesa fuhr?«
Darauf wohl ein bejahendes Nicken des Mädchens, denn die Stimme fuhr fort zu sprechen. Eine laute, amtliche Stimme, einfach, klar, so dass man jedes Wort im Zimmer verstand:
»Der Herr ist verunglückt, am Bahnübergang sind die Pferde scheu geworden und durchgegangen ... Er liegt im Krankenhaus. Der Kutscher ist besser dran, der redete von hierher schicken ... ganz klar ist er zwar noch nicht. Aber mit dem Herrn steht's schlimm, wenn ich den Herrn Professor mal sprechen könnte ...«
Das Mädchen riss verstört die Tür weit auf. Mit erstaunten Blicken mass der Polizeibeamte die Anwesenden. Da wurde ihm die Situation klar. Unwillkürlich wollte er wieder zurücktreten. Aber schon stürzte sich Eva auf ihn, klammerte sich mit beiden Händen an seine Schulter und rief in höchstem Entsetzen:
»Tot? Tot?«
Der Mann nickte. Man sah seinen einfachen offenen Zügen das Bedauern an, der Träger einer solchen Botschaft zu sein. Leise, behutsam nahm er die Hände des jungen Mädchens herab, fasste sie zwischen seine beiden und sagte traurig, während es feucht in seinen Augen schimmerte:
»Ja, ja, Kind, der liebe Gott macht's oft nicht so, wie wir dachten, aber gut meint er's darum doch! Ich hab schon manches erlebt, aber so schwer wie das jetzt, ist's mir selten geworden.« Und dabei wischte er sich mit dem Rockärmel über die Augen. – »Leicht ist er gestorben, das können Sie mir glauben, und glücklich sieht er aus, Herr du meines Lebens, so glücklich! Verdenk's ihm nich. Hat sicher noch an Sie gedacht zuletzt. So blutjung un so'n Unglück!«