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»Beim Wotruba ziagn s' aus!«
Der Gehweg vor dem Zwölferhaus ist gesperrt, unterschiedliche Möbelstücke stehen umher, vom Menzel und »Schuastakind« bewacht. Drinnen emsiges Regen und Rücken, Mutter und Tochter in hastender Tätigkeit, der Sohn die Nägel aus den Wänden ziehend. In der leeren Werkstatt aber steht der stille Böhm mit schwimmenden Augen, betäubt von dem Unfaßbaren einer erbarmungslosen Scheidestunde.
Dann kommt ein Möbelwagen angefahren und drei Hünen, für die das Türmen des Ossa auf den Pelion nur eine belanglose Nebenbeschäftigung wäre, mustern nun kalt kritisch den Wotrubaschen Hausrat und einer stellt streng sachlich fest:
»Dös Grafflwerk ram i in ana halbn Stund allani am Wagn auffi und da spuck i ma erst gar net in d' Händ.«
»Schnapsn ma uns daweil drei Liter aus«, meint der Zweite und trägt dem Dritten auf: »Sag 's der Altn da drinn, wann s' firti is, soll s' uns holn lassn.«
Dieser ruft denn auch zum offenen Fenster hinein: »Hörn S', Frau, wann S' beim Spucktrücherl san, lassn S' uns holn, mir san im Wirtshaus da vurn am Eck!«
Frau Wotruba kannte keine Furcht vor Titanen, heute schon gar nicht.
148 »Für 's Saufen werdn S' von mir net zahlt, tuats liaba aufladn, so langs no nüacht seids . . .«
Starke Leute sind immer gutmütig; der Riese lacht, daß es in der leeren Wohnung hallt: »Aber Frau Muatta, dö ganze Einrichtung trag i Ihna auf an Arm außi und mit d'r andern Hand fang i daweil Fliagn! Nur kan Angst habn, wia mir gebaut san ziagn ma dö ganze Gassn in an Vurmittag aus – – also vurn am Eck san ma . . .« Mit einem zufrieden-heiteren Lächeln zieht er den andern nach und Frau Wotrubas Redeblitze verzucken wirkungslos im leeren Raume.
»Jetzt saufn sich die drei Pülcher an Rausch an und dann haun s' mit die Sachn uma, daß alles ausanand geht – – ja, ja, mei Großmuatta hat recht ghabt, die hat allaweil gsagt: Zwamal ausziagn is amal o'brenna – – wer waß, wann dö wieda daherkumma und ob s' dann no stehn könna – – Schani, nagl die Kistn zua und gib dann die Bülter und 's Eßgschirr in die Spiaglhutschn – – Wotruba, was stehst denn so tramhappert da? pack 's Werkzeugkistl z'samm – – Mariedl, den Christus mit 'n Glassturz gebn ma in 'n Wäschkorb, im Kastn is er net sicher, wann denan bsoffenen Lackln was aus die Pratzn rutscht, is alles hin! – – Zwölf Guldn für 'n Möblwagn und vier Guldn für die drei Pülcher – und was da no alles tschari geht – – – die Radlinger kann ja ka ruhige Stund mehr habn . . .«
Nach einer Stunde erscheint einer der Hünen und lehnt sich wie zu traulicher Zwiesprach breit ins Fenster.
»San ma net gschwind! Dö andern zwa werdn aa glei da sein, sie hängen no dö sechs Bummerln z'samm – i hab s' 149 owidraht, dö zwa Pfründna, aber d'r Haugsdorfer in dem Beisl is dulli – also, schau ma uns die Gschicht amal an.«
Er läßt die Blicke prüfend über den Hausrat gleiten und verkündet dann das Ergebnis seiner Schätzung:
»Glei werdn ma 's habn, bis nur dö andern zwa da san, den Schubladkastn und dö zwa Schiffonehr kann ana allani net tragn, zum Kuchlkastn ghörn a zwa, i muaß glei schaun, ob s' schon firti san – i kumm glei wieda . . .«
Nach geraumer Frist kamen dann alle drei, harmlos heiter, vom Hangsdorfer merklich angeregt und keines üblen Empfanges gewärtig. Aber da stand auch schon Frau Wotruba vor ihnen.
»Daß schon do san – i hab glaubt, Ihna Herr hat Ihna zum Ausziagn hergschickt, aber net zum Schnapsn – – aber dös sag i Euch, wann von die Kästn was ogstößn wird oder d'r Spiagl z'sammghaut wird, net an Kreuza Trinkgeld zahl i . . .«
Zwei der Männer machen stumm abwehrende Handbewegungen, der dritte Goliath aber sieht mit glotzendem Erstaunen auf den schiefen Zahn der Sprecherin und will dann mit dem mächtigen Zeigefinger der jedoch noch rechtzeitig Ausbiegenden an das seltsame Gebilde tippen. »Sagn S', Frau Muatta, tuat Ihna das beim Redn net weh?«
»Dös geht Ihna gar nix an – – schaun S', daß jetzt aufladn!«
Willig folgten die drei dem Gebote, luden auf, sprachen dabei jedoch fortwährend von der großen Hitze und von ihrem großen Durste. Frau Wotruba aber blieb taub gegen alle Anspielungen und Winke, wodurch sich die Heiterkeit der Drei gleichmäßig verringerte. Einmal kam ihnen ein 150 Möbelstück ins Gleiten und der schrille Mahnruf der besorgten Frau fand ein unwilliges Echo: »Jessas, gebts acht, daß ka Wanzn owafallt, wia leicht kunnt ana drauftretn und dös arme Viecherl is dann hin . . .«
Aber die Sache ging doch rasch vonstatten. Die Hünen verstauten alles so geschickt, daß noch ein leerer Raum im Wagen blieb; da hinein setzten sie sich und sprachen wieder von der Hitze.
Frau Wotruba teilte das Gefolge ein.
»Wotruba, Du tragst die Pendeluhr und gehst voraus – Schani, Du tragst die Petroleumlampn und gibst acht auf 151 die zwa Klan – und mir zwa tragn den Wäschkorb mit die Glassachn . . .«
Der stille Böhm nahm die Pendeluhr unter den Arm, aber seine Augen hingen schier unlösbar an der verlassenen Stätte seines Gewerbefleißes, nur zögernd und wie in qualvoller Mühsal hob er endlich unter den befeuernden Zurufen der Riesen die Beine, aber noch an der Ecke wandte er das Dulderhaupt und ein tiefer Seufzer entrang sich der gepreßten Schusterbrust.
Der Schani litt furchtbar unter der zu ruhigem Gleichschritt zwingenden Lampe, deren Schirm bei der geringsten Abweichung von der Schwergewichtsverteilung in klirrendes Gleiten kam; dem Buben überkam da eine ehrfurchtsvolle Erkenntnis von der hohen Weisheit seiner Mutter, die auf so einfach wirksame Art ihres Sprößlings Überschwang zu hemmen verstand.
Nur sie und das alte Gfrieß kamen noch nicht weg; es hatten sich doch etliche zum Abschied eingefunden und die getreue Blumenmacherische hielt am längsten aus.
»Jessas, Frau Wotruba, Sie werdn ma abgehn – – es is ja eh nimmer schön, wia 's in dera Gassn jetzt zuageht! Aber das Eine kann Ihna tröstn, die Hammerer hat ihrn Teil, der Ladn in ganzn Tag leer und er nur mehr im Kaffeehaus, ja der zahlerte Tag kummt für an Jedn! Und die Direktorin siecht ma dö ganze Wochn net und mit der Fräuln Tini is beim Barteten aa schon oha, ja! Und die Radlinger ziagt zu ihrer Schwester nach Znaim, und der Bimstengl kummt aa nimma und – denkn S' Ihna, beim Engl habn s' schon wieda a neuchs Madl, ja! Aber jetzt halt i Ihna net mehr auf, i wir Ihna glei besuchn, 152 bis daß S' in Ordnung san; also Frau Wotruba, recht viel Glück in der neuchn Wohnung – Sie solln S' ja durt sehr schön habn . . .?«
»Dös glaub i, a neuchs Haus mit an Aufzug, ka so a windvadrahte Kalupn wia dö da, a Hochpaterr und an Mezzanin, das Haustor mit Glasfenster, über ana jedn Tür an Engerl, herzig sag i Ihna, überall Messingschnalln und d'r gewisse Ort mit Wasserspülung, a Pracht sag i Ihna – und lauter feine Partein, von die Herrn kummt kana vor zehne ham, 's Spirrgeld regnt 's durt nur, und mein Mann kann si durt aa gnua vadiena, kane Doppler oder Fleck – – na, lauter feine Leut mit Lack und Schewrohschuach – das Stiagnglanda politiert und beim Ausgang a große Figur mit ana Lampn und auf unsra Tür steht ›Portier‹. – Jessas, d'r Wagn is schon ums Eck umi, Mariederl pack an, wer waß wo der Vatta in sein Taml hingeht – also Frau Klempa, bsuachn S' mi nur recht bald, 's wird mi recht gfreun, – – also pfirt Ihna Gott! – – I kann Ihna gar net sagn, wia froh daß i bin, daß i aussikumm aus dera Lamplgassn!«