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Nach zwanzigjährigem Suchen habe ich schließlich Paris entdeckt und sein Geheimnis gefunden. Gleich Athen, Byzanz, Rom, Aachen, Wien, London liegt es auf einer digerierten geologischen Formation, welche Sandstein und Kalk gibt, das beste Baumaterial, das Menschen kennen. Kiesel und Kalk, die bereits Diatomaceen und Foraminiferen kannten und in der Tiefe des Meeres noch kennen, wenn sie ihre wandernden Häuser bauen, die jetzt bloß noch ein Panzer zum Schutz gegen Feinde und Kälte sind.
In einem Flußtal, wo zwei Flußarme eine Insel umfaßten, machten die römischen Kaiser nach der Eroberung des Landes Halt und bauten eine Stadt. Warum sie das unbedeutende Fischerdorf Lutetia an der Seine wählten, die nicht ins Mittelmeer mündet; warum sie nicht Lyon an der Rhone wählten, die eine Wasserstraße direkt nach Rom hinaufführte: das glaubte ich vergangenen Herbst (1895) bei einem Besuch auf den Buttes Montmartre zu ahnen, ob mit Recht oder Unrecht.
In einer ungeheuer großen, vom Fluß durchschlängelten Campagna liegt Paris auf sieben Hügeln und in den Talgängen dazwischen. Und die Hügel heißen: Charonne (mit dem Père-Lachaise), Ménilmontant, Buttes-Chaumont, Montmartre auf dem rechten Ufer; und auf dem linken: Maison-Blanche, Ste. Geneviève (mit dem Pantheon) und Mont-Parnasse. Wandernde Völker, die sich niederlassen, sind vielleicht bei der scheinbaren Wahl von Plätzen ebensosehr von Erinnerungen und Affekten geleitet wie der einzelne, wenn er einen Bauplatz für seine Villa sucht. Hier ist das neue, das wiedererstandene Rom mit Amphitheater und Märtyrern, mit Thermen und Katakomben; Sankt Peter und Vatikan sind nicht da, aber statt dessen eine Sorbonne, die unter einem Albertus Magnus und Abälard ebenso mächtig in der Wissenschaft gewesen ist, wie der Vatikan in der Religion. Und Paris gibt Europas Geschichte in Bildern von größerer Kontinuität als Rom, denn es ist, wenn auch von größeren oder kleineren Barbaren eingenommen, doch niemals in neuerer Zeit geplündert worden. Hier wird noch die Römersprache in verjüngter Form gesprochen und geschrieben; hier wird römische Kunst und Literatur gestaltet; hierher werden alle neuen Gedanken der Welt gebracht, werden hier umgeschmolzen, umgeprägt, und ziehen wieder hinaus.
Aber es gibt auch einen Fleck Natur hier, von ungefähr dreißig Hektar Umfang, gleich dem Lustgarten des Paradieses mit einer Mauer eingehegt. Die ganze Schöpfung auf einer Stelle gesammelt, wo jeder Gegenstand seine Geschichte erzählt, jeder Stein, jedes Kraut, jedes Tier in der Erinnerung mit dem Namen eines großen Menschengeistes vereinigt ist. Dies ist der größte Eindruck, den ich in Paris kenne, nächst Notre-Dame. Es ist groß wie die Genesis, und es wirkt auf mich wie eine Propyläe zur Weltgeschichte, wie das alte Testament; ob darum, weil die Libanonzeder da ist mit der ganzen Arche Noah, weiß ich nicht. Jemand hat gesagt: die Erde kann gern vergehen; wenn nur der Jardin des Plantes gerettet wird, wird die Schöpfung fortdauern. In diesem Gefühl von der Wichtigkeit des Ortes gehe ich mit Andacht die Rue Linné hinunter und trete durch Buffons Hof ein, um die Wanderung im Tempel des Steinreiches zu beginnen.
Am Anfang war alles! Wenn es überhaupt einen Anfang gegeben hat. Das ist der Totaleindruck, den ich zum Schluß bekommen habe und mit dem ich jetzt beginne, wie ich beim Eingang auf den Gneißblock mit dem Wurzelfußtier Eozoon Canadense stoße, der seiner Zeit drauf und dran war, das ganze geologische System umzuwerfen, aber schließlich forterklärt, verleugnet und verschwiegen wurde, weil das System gerettet werden mußte. Granit und Gneis sollen ja die Urmaterie sein, die durch das Feuer gegangen ist und darum der anorganischen Welt angehört, und dürfen nicht Kohle enthalten, mit der ja das Leben beginnen würde. Der Urberg besteht ja, kurz gefaßt, aus Kiesel und Kalk, aber der Graphitgneis enthält Kohle, die Eisenerze enthalten Kohle, und in den Gängen von Dannemora in Schweden habe ich Bergpech gesehen. Im westlichen Vermland hat man schon lange mit Bergöl imprägnierten Gneis und Glimmerschiefer gefunden. Vor solchen konstanten Erscheinungen, die dem System widersprachen, blieb man nicht stehen, sondern ging weiter. Aber ich will gerade da stehen bleiben, und zwar in Gegenwart der großen petrifizierten Baumstämme von Nordamerika.
In den Wäldern standen diese Bäume und wuchsen, fielen vor Alter und blieben auf der Erde liegen; wurden viele hundert Jahre später wiedergefunden, in schöne Agate, das ist Kiesel, verwandelt. Aus dem Kiesel in der Erde, im Berge holten sie einmal ihre Nahrung und verwandelten den Kiesel in Kohle, und als die Lebenskraft wich, der Widerstand gegen die äußeren Kräfte aufhörte, kehrte die Kohle zu Kiesel zurück. Von Erde waren sie gekommen, und zu Erde wurden sie wieder. Kohle und Kiesel, Kiesel und Kohle.
Der Diamant, der einem Kieselstein gleicht, ist Kiesel oder Kohle. Amorpher Kiesel ist nämlich ein braunes Pulver, das an der Luft brennt wie Kohle, aber Kieselsäure statt Kohlensäure gibt. Vom Diamanten könnte also gesagt werden, er sei ein Kiesel, der Kohle war und darum in höherer Temperatur zu Kohle zurückkehrt, um Kohlensäure zu geben, wenn dies wahr und konstant ist.
Kohle und Kiesel ersetzen einander in organischen Verbindungen, und Kieselalkohol, Kieselchloroform und andere sind Verbindungen nach organischen Formeln, trotzdem der Kiesel anorganisch sein soll.
Ist der Kiesel nun ein so hartnäckiger Stoff, daß er lebenden Wesen keine Nahrung geben kann? Nein! Kleine Steine sind wohl schwer verdaulich, aber erhitze ich Quarz und Pottasche (oder Kalihydrat) in einem Tiegel, so bekomme ich einen Stoff, der sich in kochendem Wasser löst, vollständig rohem Eiweiß gleicht und unter dem Namen Wasserglas bekannt ist. Führe ich eine Säure, wie Salzsäure, in Wasserglas ein, bekomme ich amorphe Kieselsäure, welche Gelatine oder Gummi gleicht und verzehrt werden kann.
Man hat ja längst Vögel Sand essen, den Strauß Steine schlucken sehen; und Humboldt bemerkte, daß gewisse Einwohner von Südamerika Lehm aßen; nicht aus Unart oder Laster, sondern aus Not nährten sie sich davon mehrere Monate im Jahr. Wir wissen ja, daß gewisse Lappen und Finnen Bergmehl (Kieselsäure) aßen, entweder allein oder mit Brot vermengt. Schafe essen im Notfall den Lehm auf dem Felde, und das Märchen erzählt, daß der hungernde Wolf Erdschollen verschlingt. Steine können also Brot werden, und der Kiesel zählt unter die Nahrungsstoffe. Warum denn diese eigensinnige Grenzziehung zwischen organisch und anorganisch, zwischen Kiesel und Kohle, da die Natur nicht so streng scheidet wie der Experimentator?
Berzelius selbst glaubte ja an das Vermögen der Kohle, sich unter gewissen Umständen in Kiesel zu verwandeln, ebenso wie er auch davon überzeugt war, daß Ammoniak und Chlor Säure enthalten, bis er überstimmt wurde.
Hat die Schöpfung mit dem Kiesel zu arbeiten begonnen, dann braucht man nicht zu dem Wunder der vom Himmel gefallenen Kohlensäure zu greifen, um die Entstehung des Lebens zu erklären; denn es ist ein Wunder, daß die Kohlensäure, das Gift, erst zerlegt werden sollte nach der Aufnahme in ein so empfindlich lebendiges Organ wie die Blattkiemen der Pflanze. Kohlensäure wird nämlich erst in sehr hoher Temperatur oder von dem brennenden Metall Kalium zerlegt; und Kohlensäure, in nennenswerter Menge der Luft beigemischt, tötet die Pflanzen (Saussure). Erst in nicht nennenswerter Menge, 4/ 10 000, wo die Kohle als Nahrung unzureichend ist, kann dieses Gas den Pflanzen ihren Kohlenbedarf geben, sagt man. Das ist großartig, ganz einfach, und macht das Wunder mit den Alpenpflanzen in kohlensäurefreier Luft noch größer.
Mit Kiesel und Kalk, dem Urberg, beginnt die Erde; mit Kiesel und Kalk arbeiten die vielleicht niedrigsten Tiere, die Tiefseetiere, Diatomaceen und Foraminiferen. Aber: beginnen diese Kleinen mit dem Eiweiß (woher?), und sondert das Eiweiß den Kiesel- und Kalkpanzer ab? Oder umgekehrt? Betrachten wir das Hühnerei! Kiesel und Kalk außen, Eiweiß innen; und ein Eiweiß, das ganz dem Wasserglas oder gelatinösem Kiesel gleicht.
Bernhardin de Saint Pierre, der einmal Direktor dieses Jardin des Plantes war, der aber auch das Unglück hatte, »Paul und Virginie« zu schreiben, erzählt: in Schlesien pflegt man das Ei eines gewissen Stelzenvogels zu nehmen und während eines Jahres trocknen zu lassen. Es wird dann so hart wie Agat, geschliffen und in Ringe gefaßt wie andere Agate. Wäre es nicht der Mühe wert, eine gewöhnliche organische Analyse mit einem solchen versteinerten Ei vorzunehmen und zu sehen, ob das pulverisierte Eiweiß wirklich eine Eiweißreaktion oder wenigstens mit Kali erhitztes Ammoniak gibt?
Ein sehr berühmter Botaniker hat in seiner Arbeit (der Fortsetzung von Brehms Tierleben) mir diese beiden Erklärungen gegeben, natürlich, ohne zu ahnen, welchen schrecklichen Gebrauch ich von ihnen machen würde. In der Nähe von Innsbruck, erzählt er ganz unverblümt, gedeiht eine Diatomacee, Odontidium Hiemale, in einer so kalkhaltigen Quelle, daß sie Tuff bildet, aber keine Spur von Kieselsäure enthält. – Diese Kleintiere sind in Kieselpanzer gekleidet und nicht in Kalk. Frage: woher der Kiesel? Antwort: vom Kalk. Aber er erzählt auch: In den Zentralalpen sind Saxifraga Sturmiana und Oppositifolia mit Kreide überzogen, ohne daß sich davon eine Spur im Berggrunde findet. – Woher der Kalk? Vom Kiesel.
Vielleicht kann jetzt, 1896, zwei Jahre nach der Ausgabe meines »Antibarbarus« (Berlin 1894), Petrus Kalm anfangen, recht zu bekommen, da er glaubte, was die englischen Bauern von den Flintballen in der Kreide sagten, als sie meinten, der Flint auf dem Acker würde Kreide, oder umgekehrt!
Sind die Steine tot, ein caput mortuum, wie die Alchimisten das Letzte im Tiegel oder der Retorte nach einem beendeten chemischen Experiment nannten? Sind sie Rohmaterial, das Nahrung geben soll, oder sind sie die letzten Exkrete? Wahrscheinlich alles beides, nacheinander, durcheinander.
Die Steine sollen so niedrig stehen, weil sie mit einfachen geometrischen Figuren arbeiten. Aber so verhält es sich nur zum Teil, denn wenn die Kristalle danach streben, sich zu gruppieren, geschieht dies nach bestimmten Formen, die denen des Pflanzenreiches gleichen und am bekanntesten durch die Eisblumen auf der Fensterscheibe sind.
Am 9. Juni 1869 fiel bei Tiflis Hagel und wurde zufällig von einem Naturforscher beobachtet, der das Aussehen der Körner der Nachwelt bewahrte. Die Abbildung, die sich in vielen Mineralogien findet, zeigt einen kreisrunden Kern mit sechs Strahlen in einem Winkel von sechzig Graden. Sie gleicht in der Hauptsache, was ja Hauptsache ist, einem Protisten aus der Meerestiefe, welcher aus einer kreisrunden Scheibe mit sechs Strahlen aus Kiesel in einem Winkel von sechzig Graden besteht und Actinomma Asteracanthion genannt wird. Ich sagte mir sofort, daß hier der Urstoff, das Wasser, seine Form auf das erste Leben, das aus dem Wasser entstand, gedrückt, und die Gelatin- und Kieselmasse gezwungen hatte, im Hexagonalsystem zu kristallisieren. Für die, welche die Unzerstörbarkeit der Energie verkünden, gibt es keine Gründe, diese Erklärung zu verwerfen; im Gegenteil. Und ich nehme mir auch diesmal die Freiheit, das Phänomen ancestrale Energien, ererbte formgebende Triebe, zu nennen.
Es wurde Winter und ich ging in den Wald, aufs Eis, in die Hage. Und ich sammelte im Gedächtnis Bilder von allen Pflanzenformen, die ich bemerkte, wenn der Reif sich auf die Bäume oder Schilfhalme absetzte. Meine Aufzeichnungen nennen diese: Palmen, Farne (sowohl Polypodium wie Adianthum), Espen- und Birkenblätter, die ganze Kontur der Fichte, die Blüte der Rose, des Tangs, der Islandflechte, des Blumenkohls. Und ich fragte eine neue Frage: hat dieses Wasser in Dampfform, das viele Male vielleicht den Kreislauf der Pflanzen passierte, Eindrücke von Pflanzenformen angenommen und beibehalten, oder hat das Wasser selbst, seit es das niedrige Stadium der Kristallform verließ, ein eigenes höher strebendes Vermögen freierer Formbildung in den Kristallaggregaten, und ist es das Wasser, das den Pflanzen die Form gegeben hat, oder umgekehrt?
Da ich damals exklusiv war, ließ ich die beiden Fragen schneidend einander gegenüber stehen, nicht ahnend, daß die Wahrheit in beiden liegen könnte. Aber ich suchte. Bemerkte eines Tages, daß Reif auf einem Schilfhalm unausgebildet die Form Adianthum und voll ausgebildet Polypodium zeigte. Da sagte ich: war die Adianthumform vor Polypodium, dann gibt es hier eine Entwicklung bei der Kristallbildung des Wassers. Ich suchte in der Palaeontologie und fand, daß meine Vermutung richtig war, da in der Steinkohlenflora die Form Adianthum (der Farn Venushaar) vor Polypodium (Tüpfelfarn und andere) war. Und das bestätigte sich bei näheren Forschungen. So kristallisiert Ammonium-Magnesiumphosphat in rechteckigen Tafeln, wenn es aus einer chemischen Lösung kommt; wird aber derselbe Stoff aus organischer Substanz genommen, tritt bereits die Farnform Polypodium auf. Als ich dann in einer Chemie (Huguet: Chimie Medicale et Pharmaceutique) Ammonium-Magnesiumphosphat als das Aggregat, das aus Guano kristallisiert hatte, abgebildet sah und fand, daß es den Blättern des Sargassotanges gleicht, fragte ich mich, ob nicht die recht haben, die den südamerikanischen Düngerstoff aus aufgehäuften Tangmassen herleiten, und die anderen unrecht, die meinen, es seien Vogelexkremente.
Ich ging weiter: begann Salzlösungen auf Glasplatten zu kristallisieren, in Wärme, in Kälte, in Sonnenschein, in Mondschein. Und ich fand viele wunderbare Dinge. Fand, daß die Stoffe oft in den Aggregaten einen inneren Zusammenhang verraten, den die einfachen Kristalle verleugnen; daß die Einteilung kolloidierend und kristallisierend keine Einteilung ist, und daß sie am allerwenigsten eine Kluft zwischen organisch und anorganisch bildet; daß die Metalle nicht spezifisch anorganisch sind, da z. B. Eisenchlorid und chromsaures Kali erst kolloidierten, ehe sie kristallisierten.
Um in Schrift die Formen wiedergeben zu können, mußte ich eine eigene Terminologie finden, die meist aus dem Pflanzenreich geholt ist, doch, wohlgemerkt, ihre Formen auch im Tierreich (Herz, Niere, Ei, Feder, Horn, Haar usw.) hat. Ich will etwas aus meinen Aufzeichnungen anführen, es der Zukunft überlassend, herauszubringen, ob damit ein Zusammenhang zwischen gewissen chemischen Stoffen angedeutet worden ist oder nicht.
Schwefel in Schwefelkohlenstoff gelöst: Kiefernadel, gleich essigsaurem Bleioxyd, das vielleicht während der Abdünstung Karbonat wird. Borsäure: unvollendete Federn mit Winkeln von im allgemeinen 90°. Chlornatrium: die Alge Polysiphonia. Salpetersaures Silberoxyd: gleich der Borsäure mit unreifen Federn. Eisenchlorid: kolloidiert erst wie chromsaures Kali (saures), aber springt dann wie kohlensaures Kali in Figuren, die aufs Geratewohl hingeworfenen Spänen gleichen. Schwefelsaures Eisenoxydul: fadengleiche Bündel, palmenartig, in unreife Straußfedern endend; die federähnlichen Strahlen gleichen denen des Schwefels in Schwefelkohlenstoff und essigsaurem Bleioxyd. Schwefelsaures Zinkoxyd: Strahlen und Fäden essigsaurem Bleioxyd und Schwefel in Schwefelkohlenstoff gleichend. Zinkchlorür: gleich dem vorhergehenden, aber sich verzweigend. Salpetersaurer Baryt: gleich der Borsäure, aber Fichtenwipfel. Salpetersaures Kupferoxyd: gleich schwefelsaurem Zinkoxyd, aber auch sehr Eisblumen gleichend. Chromsaures Kali: kolloidiert erst; dann gleich der Alge Chladophora oder auch dem Renntiermoos. Jodkalium: gleich Bromkalium und Chlornatrium. Chlorammonium: federngleich mit Winkeln von 90° zwischen Fahne und Stiel; sonst am meisten den Eisblumen gleich. Phosphorsaures Natron: ungleich allen andern; in Schwärmen und Stalaktiten.
Ich ging eines zweiten Weihnachtstages durch die Leipziger Straße in Berlin, als es über zwanzig Grad kalt war. Die Läden waren wegen des Festes für zwei Tage geschlossen, sodaß die eingesperrte Feuchtigkeit Gelegenheit gehabt hatte, sich ungestört auf einer sehr großen Fensterscheibe abzusetzen und Eisblumen zu bilden. Ich blieb stehen und betrachtete. Hatte gleichzeitig die Theorie eines deutschen Philosophen von der Herleitung aller Dinge aus der Formel Verdichtung und Verdünnung im Kopfe. Sah, wahrscheinlich während ich das dachte, daß die Eisblumen auf der Scheibe eine größere Dichtigkeit unten gegen den unteren Rand der Scheibe zeigten als nach oben zu; was natürlich war, da das Wasser nach unten gesunken. Ich begann, die kolossale Wiese zu durchforschen, und sah oben die deutlichsten Flechten, die ich benennen konnte: Islandflechte und andere. Darunter waren Algen, von Siphonia bis hinauf zu Fucus, Palmella, Chara. Hier hielt ich an und dachte: dies ist ja das jetzt herrschende botanische System, und so war es, ungefähr. Von den Algen ging es zum Pflanzenreich aufwärts, auf der Scheibe hinunter mit zunehmender Verdichtung: Moose, Farne, Lycopodien, Koniferen, Gräser und Palmen. So ganz regelmäßig war es nicht, aber die Natur ist auch nicht so regelmäßig.
Ich verließ das Fenster, nachdem ich aufgeschrieben hatte, was ich gesehen. Und ich dachte: ist die Erde, nach Kant-Laplace, aus der verdünnten Form des Nebelsterns in die verdichtete des Wassers und des Urberges übergegangen, so ist nichts folgerichtiger, als die Entstehung der Pflanzenformen aus der zunehmenden Verdichtung des Wassers auf der Erdfläche zu denken – also auch auf der Fensterscheibe. Mit einer gewissen Einschränkung, welche ich aus Furcht vor den Folgen so traf, daß ich die Analogie zwischen den Eisblumen und der Pflanzenwelt auf die Algenflora begrenzte, welche unter dem Wasser, im Wasser, auf dem Wasser alle Pflanzen bis hinauf zu Koniferen und Palmen skizziert. Aber es ist möglich, daß der feige Gedanke auf halbem Wege stehen blieb, während die unerschrockene Natur ihn zu Ende gegangen ist.
Ich will hinzufügen, daß ich diese Kristallisationen mehrere Male wiederholt und konstante bekommen habe, sowie daß ich einige Platten durch direktes Kopieren auf Papier photographiert habe.
Anmerkung des Übersetzers. Dem in Neapel wirkenden deutschen Professor von Schroen ist der Nachweis gelungen, daß die Kristallisation ein organischer Vorgang ist, sagt Willy Pastor 1903 in seiner Lebensgeschichte der Erde. Strindberg schreibt am 22. Oktober 1902 an den Übersetzer: »Italienisch lese ich, und ich habe Schroens Abhandlung, die Herr Pastor mir sandte, gelesen. Bitte, geben Sie Willy Pastor diesen wunderbaren schwedischen Aufsatz des verstorbenen Sohnes von Nordenskiöld, damit er ihn an Schroen sende mit einem kurzen deutschen Bericht über den Inhalt, der folgender ist: Schneekristalle, die mikroskopisch photographiert werden, zeigen Hohlräume, die den Gefäßen der Pflanzen gleichen; Nordenskiöld nennt sie Organoidbildungen, »weil sie an Formen der organischen Welt erinnern«. Nordenskiöld ertränkte diese in Anilinöl, das mit Methylblau gefärbt war, und erhielt eine Reaktion (ganz wie bei botanisch-biologischen Experimenten). – Das ist was für Schroen!« Nordenskiölds Aufsatz erschien mit über sechzig photographischen Aufnahmen in den Berichten der Geologischen Gesellschaft zu Stockholm von 1893.
Während dies niedergeschrieben wurde, habe ich eine neue Serie Versuche mit Auskristallisierungen begonnen. Ich kochte einen Extrakt aus Rose, Alpenveilchen, Hauslauch und Kürbis und ließ die Flüssigkeiten auf das Objektglas des Mikroskops filtrieren. Wohin ich zielte, muß der Leser verstehen. Ich kann den Wißbegierigen nur ermahnen, die Versuche zu erneuern, aber sie etwas zu komplizieren. Er beginne mit Weinsäure aus anderem Stoffe als Weinhefe, und zum Vergleich Weinsäure aus Weinhefe. Und wenn er Gelegenheit hat, führe er vergrößerte mikroskopische Photographien aus. Als ich in Kälte auskristallisierte Weinsäure in mäßiger Vergrößerung unter das Mikroskop brachte, wurde ich betroffen vor Erstaunen. Da war nicht nur das Laub des Weins, mehr oder weniger ornamental behandelt, sondern da war auch eine ganze Flora. Und bei einer fünfhundertfachen Vergrößerung zeigten sich Gefäße, sogar die spiralförmigen … Arons Stab, der grünt! Nicht wahr?
Aber diesen Bildungstrieb nach den Formen des Pflanzenlebens hin besitzen auch die Metalle, was ein schneller Streifzug durch die Mineralsammlung zeigt. Gold und Silber bildet Dendriten in Heide, Krähenbeere oder Algenformen. Das Eisenerz Limonit ahmt alles nach und geht mit seinen Muschelformen auf das Tierleben hinaus. Phosphorsaures Bleioxyd bildet Moose, die zugleich moosgrün sind. Phosphorsaurer Kalk zeigt Schneckenformen, und prismatischer Quarz ahmt ausgezeichnet Seeanemonen nach. Schwefelantimon gleicht täuschend einer Koralle.
Eine Koralle, das ist: eine Sammlung Tiere, die sich festgesetzt haben und eine Pflanze geworden sind, die immer im Begriff ist, sich zu petrifizieren. Oder: die Koralle ist ein Stein, der Kalk des Meeres, der Glykol wird, der danach strebt, Pflanze zu werden, aber so schnell vorwärts geht, daß er gleich blüht und dessen Blumen Tiere werden, Eiweiß und Gelatine enthalten. Von Kalk zu Eiweiß, von der Eischale zum Weiß, oder umgekehrt. Die Koralle sprengt alle Systeme, und auf die Frage, die ewige, was war zuerst, die Schale oder das Weiß, organisch oder anorganisch, antwortet sie: alles war zuerst!
Die Mineralsammlung ist nach den für einfach angesehenen Stoffen geordnet, aber in der Natur gibt es nicht einen einzigen einfachen Stoff; nicht einmal gediegenes Gold ist rein, denn sein Gehalt wird auf höchstens 98 Prozent angegeben.
Wie sind denn, fragt man, die Minerale bestimmt; nach welchen Proportionen sind sie zusammengesetzt? Willkürlich, wird die Antwort sein, denn weder das Verbindungsgewicht noch das Atomgewicht ist hier bestimmend, obwohl beide hier und da hervorschimmern, um sich an anderen Stellen vollständig zu verbergen. Also was die Natur hervorbringt, ist nach anderen Gesetzen gebildet, als der Chemiker im Laboratorium darstellt.
Ein Beispiel: Das Mineral Kobaltnickelkies, in Zeichen (Co Ni) 3S 4, oder 3 Kobalt, 3 Nickel und 4 Schwefel, gibt bei metallurgischer Behandlung bis zu 42 Prozent Nickel und bis zu 58 Prozent Kobalt. Nun ist allerdings das Atomgewicht des Kobalts 58, so aber ist auch das des Nickels, und doch gibt Nickel nur 42. Nach Davy existiert nun eine Nickel-Schwefelverbindung, die 58 Nickel und 42 Schwefel enthält. Merken wir uns, wie die Zahl 42, die im vorigen Fall als Nickel auftrat, jetzt als Schwefel auftritt. Aber es existiert auch ein Arsenik-Nickel, der 42 Prozent Nickel gibt. Dieses Spuken der Zahl 42 muß bestimmt die Spur zur Zusammensetzung des Kobalts und des Nickels geben können, denn diese beiden Metalle von gleichem Atomgewicht werden von deutschen Chemikern vom Fach nicht mehr für einfache angesehen, seit es einem Krause gelungen ist, die Salze des einen Metalls in die des anderen umzuwandeln.
Aber auch die Naturen des Schwefels und des Arsens könnten hierdurch an den Tag kommen, denn sie begleiten oder verunreinigen beständig die beiden Metalle; und Schwefel soll immer durch Arsenik verunreinigt sein, bis hinein in die Schwefelsäure. Diese Verunreinigungen, die in der Chemie eine so große und störende Rolle gespielt haben, sind nichts anderes als Nachkommen, Verbindungen oder Kommutationen, und die Gangart des Minerals ist ihre Mutter.
Damit habe ich das größte Problem der neuen Chemie berührt: das von den Metalltransmutationen, das in die Goldmacherei ausmündet.
Es ist kein Geheimnis, daß die neuere französische Chemie mit Berthelot an der Spitze die Einfachheit der einfachen Stoffe leugnet, und daß man sich über die Möglichkeit, Gold aus anderen Metallen hervorzubringen, günstig ausspricht. Und von Tiffereau erwartet man zur Pariser Weltausstellung von 1900 die Goldbarre zu sehen, an der er hier oben auf Montparnasse arbeitet. Er hatte anfangs der fünfziger Jahre die Goldgruben in Mexiko studiert, den allmählichen Übergang der Gangart in Gold bemerkt und ist von da aus dem Naturprozeß auf die Spur gekommen. Im August 1854 legt er der Pariser Akademie der Wissenschaften eine ausgezeichnete Abhandlung über die zusammengesetzte Natur der Metalle und über seine Methoden, Gold herzustellen, vor. Er brachte das Münzwerk dazu, das Gold zu analysieren, das er durch Behandlung einer Kupfer- und Silberlegierung mit Salpetersäure in geringer Menge erhalten hatte. Das Münzwerk leugnete nicht, daß Gold da war, zauberte aber die ganze Sache mit der Formel »Verunreinigung« fort. Tiffereau verschwand, wurde eine Zeitlang für tot gehalten, lebt jetzt aber in Paris, ist interviewt worden und wird so ernst behandelt, daß man sagen kann: er ist der Mann, von dem man die Lösung des Problems, Gold zu machen, erwartet – in vollem Ernst!
Anmerkung des Übersetzers. Das Pariser Fachblatt Echo des Mines vom 10. November 1904 nimmt die Alchemie ernst, indem es einen Aufsatz von René Schwabele aus dem Moniteur universel abdruckt, den Strindberg für das Beste hält, was über die moderne Alchemie geschrieben ist.
Warum Tiffereau nicht in größerem Maßstabe fortfuhr? Mit demselben Recht könnte man die Natur fragen, warum sie nicht Gold in größeren Mengen herstellt; dann verlöre es ja seinen Wert. Das hohe spezifische Gewicht des Goldes deutet auf einen Kondensationsgrad, der viel Arbeit erfordert, um nicht zu sagen Fürsorge, und darum wird es wohl auch dem Alchimisten so teuer, Gold herzustellen.
Paracelsus, der die meisten Gruben Europas (auch Schwedens) besucht hat, hatte wahrgenommen: wo eine Eisenader Quarz, Jaspis oder Flintstein traf, war das Eisen im Schnitt goldhaltig. Also Eisen und Kiesel erzeugte das Gold! Das stimmt vollkommen mit den Beobachtungen, daß Gold hauptsächlich aus Quarz und Schwefelkiesen (Schwefeleisen oder Schwefelkupfer) gewonnen wird. Es gibt nämlich kaum einen durch Granit oder Gneis rinnenden Fluß oder Bach, der nicht Goldsand führt; und der besteht meist aus eisenhaltigem Quarz. Und Pyrite, Schwefelkiese führen immer etwas Gold. Die einzige Goldgrube Schwedens, Ädelfors, bestand hauptsächlich aus Schwefelkies. Gewisse und recht viele Arten Steinkohlen sind ja mit goldgelben Schuppen durchsprengt, die Schwefeleisen sein sollen und es auch sind. Aber auf dem Kohlenhof, in Regen, Schnee, Sonne, Luft liegend, verändern sich die meisten von diesen Schuppen nicht, was Schwefelkies tut. Darüber wunderte ich mich; und als ich diese Kiese mit Schwefel- oder Salpetersäure angriff, ergaben sie keinen Schwefelwasserstoff. Dagegen lösten sie sich sofort in Königswasser und ergaben eine Goldreaktion. Sie waren also vergoldet. Das heißt: ein Teil des Schwefeleisens hatte das Gold erzeugt.
Wenn nun die Natur Schwefel und Eisen in Gold verwandelt: können wir der Natur nicht ihr Geheimnis ablocken und es ebenso machen? Die Natur und der Experimentator kennen verschiedene Verbindungen von Schwefel und Eisen, aber die Verbindung 3 Eisen und 1 Schwefel ist unbekannt. Warum? Weil diese Vereinigung Gold ist! Das ist eine Behauptung, auf Beobachtungen und Nachdenken gegründet; es würde zu weitläufig sein, den Beweis hier zu führen.
Anmerkung des Übersetzers. Hat Strindberg im Novemberheft 1896 der Pariser Hyperchimie geführt.
Wer Lust hat, die Goldmacherei zu versuchen, den will ich nur an eine bekannte Sache erinnern. Um herauszubringen, ob eine Flüssigkeit Gold enthält, benutzt man ja die gewöhnliche Analyse, der Flüssigkeit eine Lösung von Eisenvitriol zuzusetzen; und das Gold fällt als ein braunes Pulver, das Eisenrost in Wasser gleicht. Merken wir uns jetzt: Eisenvitriol ist schwefelsaures Eisenoxyd. Da ist ja das Eisen und der Schwefel! Ist es da nicht wahrscheinlich, daß Schwefel und Eisen in die Verbindung eintreten und durch Synthese das Gold bilden?
Die Mineralogie behauptet: vor der Entdeckung der Goldgruben Amerikas und Australiens wurde alles Gold Europas aus Schwefeleisen gewonnen. Vollständig wahr ist es nicht, aber ziemlich. Ist daraus nicht ersichtlich, daß Gold zu allen Zeiten gemacht wurde? Man wußte nur nicht, was man machte. In dem Augenblick, wo man's weiß, muß man auch die Extraktionsmethoden entwickeln und verbessern und Gold in größeren Mengen als früher machen können.
Ich habe kein Gold gemacht, wie Tiffereau, Vial und Jollivet-Castelot; ich wich den Versuchen mit Absicht aus, um nicht den Lästerern eine Blöße zu geben; aber ich habe mit anderen Metalltransmutationen gearbeitet und will nur ein paar erwähnen. Ein Kupferblech wurde in Urin gestellt und acht Tage der Sonne und der Luft ausgesetzt. Bei der Analyse konnte das Kupfer nicht wiedergefunden werden, aber regelrechtes Nickel und immer in der Boraxperle vorm Lötrohr. Wenn das Kupfer auch mit Nickel vermengt gewesen wäre, müßte das Kupfer sich doch auch wieder finden. Ein anderes Kupferblech in Leinöl gab dasselbe Resultat. Ein eiserner Nagel, in Eiweiß der Sonne und der Luft ausgesetzt, gab keine Eisenreaktion mehr, aber beständiges Mangan. Geschmolzenes Blei wurde in kochende Salpetersäure gegossen. Silberreaktion, aber nicht Blei.
Das Wort Zusammensetzung benutzend, um verstanden zu werden, sage ich: die Zusammensetzung der Metalle scheint am ehesten auf dem Wege des Denkens gelöst werden zu können, da während dieser langen Periode des Beobachtens, des Wägens, des Messens genügend experimentiert ist.
Wenn ich vor mir eine Lösung der gewöhnlicheren Metalle habe, wie man sie im Laboratorium erhält, um eine Analyse auf feuchtem Wege zu bewerkstelligen, so ist ja der Verlauf in der einfachsten Form dieser, da ich die Metalle voneinander trennen will. Zuerst setze ich der unbekannten Flüssigkeit etwas Salzsäure zu; und der Niederschlag, der in Pulverform ausfällt, ist: Blei, Silber, und Quecksilber, die filtriert werden. Also diese drei Metalle, die sich dekomponiert in der Flüssigkeit befanden, werden mit Chlorwasserstoff rekonstruiert. Die filtrierte Flüssigkeit wird mit Schwefelwasserstoff behandelt; und nun fallen nieder: Kupfer, Gold, Platin, Zinn u. a., die also aus ihrem Chaos ihre Stücke mit Hilfe von Schwefelwasserstoff sammelten. Die zurückgebliebene Flüssigkeit wird mit Schwefelammonium behandelt; und nun fallen: Eisen, Nickel, Kobalt, Mangan, Zink und Aluminium. Kohlensaures Ammoniak bringt aus dem Rest zum Fallen: Kalk, Strontian und Baryt. In der übriggebliebenen Flüssigkeit findet man nur ein Metall noch, Magnesium, und um das herauszubekommen, muß ich zu einem so komplizierten Stoffe greifen, wie phosphorsaures Natronammoniak einer ist.
Das alles, hier in sehr starker Vereinfachung dargestellt, zeigt doch soviel, daß verschiedenes erforderlich ist, um das Niedergerissene im metallischen Körper wieder aufzubauen; und aus diesem Verschiedenen könnten die Verschiedenheiten in der Konstitution der Metalle hergeleitet werden. So fällte der Schwefelwasserstoff sofort die Kupfergruppe; aber die Eisengruppe fällt Schwefelwasserstoff erst nach Zusatz von Ammoniak. Also sowohl Kupfer wie Eisen fordern Schwefelwasserstoff, aber das Eisen daneben Ammoniak, um rekonstruiert zu werden. Ist es da übereilt, anzunehmen, daß Eisen Ammoniak »enthält«, außer Wasserstoff und Schwefel, die sowohl Kupfer wie Eisen »enthalten«? Zwei Erfahrungen sprechen für die Sache. Eisen, das in feuchter Luft oxydiert, zeigt immer Ammoniak im Roste. Kupfer oxydiert am besten in feuchter, ammoniakhaltiger Luft. Da scheint ja das Kupfer ein fehlendes Ammoniak zu fordern, wie das Eisen aus sich selbst herausgeht, um dieselbe Arbeit auszuführen. Ich verweise hier übrigens auf die ausführliche Motivierung in meiner »Introduction à une Chimie Unitaire« (Paris 1895).
Daß Kalk, Strontium und Baryt bei kohlensaurem Ammoniak fallen, gibt mir jedoch eine stärkere Stütze für die Theorie, daß eine Rekonstitution bei der Analyse auf feuchtem Wege stattfindet. Ich kann hier nur ein paar Glieder der langen Beweiskette geben. Kohlensaures Ammonium ist das letzte Zerlegungsprodukt von Albuminaten. Die Albuminate des Tierkörpers enden im Urinstoff, der zu kohlensaurem Ammoniak gärt. Zwischen Kalk und Eiweiß und Zucker gibt es einen inneren Zusammenhang, der dem Zusammenhange des Eiweiß mit der Kalkschale ähnlich ist. Ungelöschter Kalk schmeckt nach Urin. Kalkhydrat ist (nach Troost) dem Glykol analog, das erhitzt Aldehyd und schließlich dieselben Zerlegungsprodukte wie Alkohol gibt. Zucker ist ein Alkohol. Baryt riecht nach Urin; das Molekulargewicht der Urinsäure ist 168, ganz wie das des Baryts. Baryt polymisiert Albumin und das Barythydrat hat das Molekulargewicht des Albumins, wie ich das Albumin formuliert habe (»Chimie Unitaire«). Schließlich über Strontium ein einziges Wort. Thénard merkt ganz trocken und im Vorbeigehen an: Chlorstrontium gleicht dem Urinstoff (der ja selbst zu kohlensaurem Ammoniak gärt).
Hiermit bin ich von den Metallen wieder kopfüber dazu gekommen, das Geheimnis der Schöpfung, die Allgegenwart des Lebens, die Dethronisierung der Kohle als des Stammvaters der Organismen und das Vorrangsrecht der Erdarten zu berühren … Aber es gab ja kein vor und nach, da im Anfang alles war … wenn es einen Anfang gab!
Neulich sah ich in einem schönen und lebendigen Buch, in Jollivet-Castelots »L'âme et la vie de la matière«, diesen Gedanken ungefähr so ausgedrückt: »Ihr sagt, das Metall sei tot. Und doch atmet ja das Eisen ganz wie ein Tier. Das Eisen nimmt Sauerstoff aus der Luft auf und gibt Kohlensäure, Wasser und Ammoniak ab.« Ist das nur ein Gleichnis oder ein poetisches Bild? Nein, es ist mehr, mehr auch als Analogie; es ist Identität!
Ich will einen Schritt weitergehen und sagen: Der Kiesel atmet und hat das Bewegungsvermögen des Protoplasma. Im Quarz der Granitarten findet man oft radförmig angeordnete Punkte, die mit einer Flüssigkeit gefüllt sind, in der kleine Blasen eine umschwingende Bewegung ausführen. Diese Blasen enthalten manchmal Luft, manchmal Kohlensäure. Was ist das anders als die protoplasmatische Zirkulation der Zellen und die Aufnahme von Sauerstoff mit Abgabe von Kohlensäure? Und ferner: das Protoplasma in einer Zelle enthält, außer Albuminaten, auch Körner von Urinsäure, Urate, Kiesel und kohlensauren Kalk.
Erinnern wir uns an die Entstehung des Urtieres, wo sich Kiesel und Kalk fanden, erinnern wir uns an die gelatinöse Kieselsäure, die Kieselsäure als Futterstoff, und noch einmal, vielleicht nicht das letzte, an den Urschleim Bathybius Haeckelii, den Huxley aus der Tiefe des Ozeans heraufholte, wo nur Kiesel und Kalk vorhanden war, und den man für Eiweiß hielt, der aber bei der Analyse sich als schwefelsaurer Kalk herausstellte, der jedoch Amiboidbewegungen ausführte. Bei der Analyse! Hier Edmond Perrier über die Analyse: »Man könnte kaum dem lebendigen Protoplasma die Eigenschaft einer chemischen Verbindung zuerkennen. Allerdings: in dem Augenblick, wo die chemische Analyse das Protoplasma faßt, findet sie eine Konstitution, die einer Mischung von Albuminoiden analog ist, aber nur in dem Moment, wo das Leben aufhört; das heißt: gerade da, wo das Protoplasma aufhört, seinen Namen zu verdienen und zur Region der chemischen Verbindungen niedersteigt.«
Wenn man mit der herrschenden Zoologie annimmt, daß das Tierleben in der Tiefe des Ozeans begonnen hat, wo es kein Eiweiß zur Protoplasmabildung gab, dennoch aber Eiweiß existiert und Kiesel und Kalk absondert, so … stehen wir wieder vor dem Welträtsel: Was war zuerst? Können die Berge gebären? Sicher, da die Steine leben, ob sie nun Fäkalien von einem großen unbekannten Urleben sind und als solches wieder in einen neuen Kreislauf hatten eintreten können, oder ob sie das Eiweiß und die Stärke in Diatomazeen und Foraminiferen erzeugten, die wiederum mit dem Kiesel- und Kalkpanzer wenigstens gewisse Berge der Kreideformation erzeugten.
Wenn man aus den licht- und farbenreichen Sälen der Minerale und der Metalltuffe in die Steinkohlenformation eintritt, wo doch Leben oder Erinnerungen an ein Leben sein sollten, ist es, als käme man in eine Grabkammer. Das Leben der Minerale, das sich in dem reichen Spiel der Linien und Lichtbrechungen äußert, hat hier aufgehört. Alles ist schwarz und formlos, so daß man sich fragt: Sind das früher lebende Gewächse gewesen, die eine Trockendestillation durchgemacht haben? Warum keine Spur von organischer Struktur wie sonst? Und trockendestilliert man diese Steinkohlen in Gasretorten, so bekommt man Kokes, die noch weniger der Holzkohle gleichen, aber fast einem Stück blasigen Gußeisen, Graphit oder Schlacke.
Sind es denn diese Pflanzenüberreste, die Ammoniak geben? Den gibt Pflanzenkohle in gewöhnlichen Fällen nicht, sondern nur Kohlensäure und dergleichen. Tierkohlen geben Ammoniak; das aber sollen ja keine Tierkohlen sein. Was also dann? Kohle braucht ja nicht organischen Ursprungs zu sein, da bereits die Gneisarten Graphit führen, und da Kiesel, nach Berzelius und anderen, in Kohle verwandelt werden kann. Wenn man auf einem Kohlenhof sich damit zerstreut, eine Reihe Kohlen zu sammeln, kann man bemerken, wie man aus einem Stück unverbrennbaren Schiefer durch immer bituminöseren Schiefer schließlich zu einem reinen Stück Bitum kommt, das alle Eigenschaften eines Bitums hat; oder eines Asphalts, wenn man es mit fetten Kohlen zu tun hat. Diese sollen jedoch Stämme von Riesenfarnkräutern, Palmen, Schachtelhalmen und Koniferen sein; Koniferen sind ja allein harzig, ohne darum bituminös zu sein.
Niemand hat Petrol und Asphalt von Organismen herleiten wollen; und nichts steht der Steinkohle so nah wie Asphalt. Die Steinkohlen führen oft Metalle, gewöhnlich Schwefelkies, manchmal Quecksilber; Pflanzen führen kein Quecksilber, weil sie daran sterben. Doch die Abdrücke der fossilen Pflanzen sind ein sprechender Beweis. Ja; aber die Pflanzenabdrücke sind so äußerst selten, daß ich sie nur in Museen und Büchern gesehen habe, und das Vorkommen der Pflanzenüberreste tritt unter so eigentümlichen Umständen ein, daß Sachkundige meinen, die Steinkohlen seien Asphalteruptionen, die die wenigen Pflanzen, die man findet, ertränkt oder mumifiziert hätten. So meinte der Grubeningenieur Judycki 1883. Er fand nämlich, daß die Pflanzen meist keine Wurzeln haben, und glaubte deshalb, sie seien angeschwemmt und zum Eruptionort hingeführt. Er verglich durch Analyse ein Farnkrautblatt mit einem aus der Steinkohlenflora und fand, daß dieses vier und ein halb Mal mehr Kohle enthielt, als es müßte; wonach der Kohlenüberschuß dem zuströmenden Asphalt zuzuschreiben ist. Und wenn Spuren von Holzstämmen angetroffen wurden, waren diese nicht in Steinkohle, sondern in verkohltes Holz verwandelt.
Die Steinkohlenformation soll sich regelmäßig zwischen Devon und Perm einfinden. Das ist aber nur ungefähr; denn der Urberg enthält bituminösen Quarz (Stinkquarz), der Urkalk enthält Bitumen, Silur führt Anthrazit und die schonischen Steinkohlen gehen in Jura. Also: die Steinkohlenformation eine willkürliche Anordnung der rubrizierenden Wissenschaft.
Die Urgeschichte der Erde oder Geologie ist so trist und leblos geworden, seit, mit Lyell, alle Geologen sagen gelernt haben, die Natur sei durch Gesetze gebunden, die im Gegensatz zu anderen Gesetzen nicht geändert oder aufgehoben werden könnten. Alles ist so still, regelmäßig, tötend einförmig zugegangen wie jetzt. Keine Revolutionen, keine Ausbrüche unbändiger Kraft, keine Schöpferlaunen, keine Künstlerphantasien der Natur oder, um mich eines mehr malenden Ausdrucks für dieselbe Sache zu bedienen, des Schöpfers! Darum erfand man die Eiszeit; eine allmählich geschehende Vereisung, die, als die Eisfelder schmolzen und Flüsse bildeten, die Steinblöcke bis nach Leipzig hinunterschleppte. Wer aber von Upsala nordwärts gereist ist und diese ungeschliffenen, eckigen, zersplitterten Blöcke sah, hat vielleicht, wie ich, die naseweise Frage gefragt: Woher kam der Fall? Von den Felsenbergen; aber diese Granit- und Gneisblöcke sind keine Fjellschiefer. Mir scheinen sie einen Steinregen von einer Flächeneruption zu bilden! Und die Krater? Die tausend Seen, wenn Flächenexplosionen eher Krater bedürfen als die Erdbeben. Vielleicht können die Rollsteingrate, die jetzt ziemlich mit dem Meridian gehen, von der gewaltigen Schlagwelle zeugen, die der veränderten Lage der Erdachse folgte, da der Äquator einmal durch die Pole ging und Palmen auf Spitzbergen wuchsen, das damals unter den Tropen lag? Vielleicht – alles ist ja möglich – hat die Erde kleine Planeten übergeschluckt, Meteorsteine größeren Formats mit eigenem ausgebildeten organischen Leben, und diese Zusammenstöße haben gewisse der schwer erklärlichen geologischen Bildungen verursacht mit fossilen Pflanzen und Tieren, die nicht zu der eigenen Entwicklungsgeschichte der Erde gezählt werden können? –
Mit einer gewissen Erleichterung verlasse ich die Unterwelt und ihre beklemmenden Eindrücke, um einen Augenblick bei den Meteorsteinen stehen zu bleiben, die sicher vom Himmel gekommen sind, weil sie nicht aus den Vulkanen gekommen sind. Was bringen sie uns neues? Nicht einen neuen Stoff, da sie meist aus Kiesel, Kalk, Eisen, Nickel und den meisten übrigen bestehen, nur weiter die Einheit der Materie verkündend. Enthalten sie auch Kohle? So müßte wohl ein rechtgläubiger Chemiker fragen, der es nicht weiß. Ja; denn sie enthalten Kieselsäure und das ist eben so gut. (Einen weiteren Beitrag zur Geschichte vom Übergang des Kiesels in Kohle gibt Thénard in seiner Chemie. Er schreibt: Wenn man Kieselsäure mit metallischem Kalium reduziert, erhält man Quadribure de Silicium, der bei Verbrennung Kohlensäure ergibt. Woher die Kohle? [Thénard sagt Verunreinigung.])
Wenn die alten Griechen, die an ein begrenztes Weltall glaubten, gewußt hätten, daß die Meteorsteine Kiesel und Kalk enthalten, würden sie sich ihrer bedient haben, um zu beweisen, daß der Kristallhimmel aus Glas (Kiesel und Kalk) sei.
Wenn Flammarion, der die Kanäle des Mars kartographiert, um zu beweisen, daß die Marsbewohner die »Depression der Punkte der Tagundnachtgleiche« voraussahen, diese Kanalzeichnungen mit den Ätzfiguren auf dem Meteoreisen vergliche, könnte er die Meteorite als Briefsendungen zur Erde auffassen mit Warnungen vor dem, was auch uns bevorsteht. Geleugnet kann nicht werden, daß, wenn man zum erstenmal diese Zeichnungen auf dem großen Meteoreisen aus den Mittelmeeralpen sieht, man den Eindruck von Schriftzeichen erhält; und wenn man daneben die Zeichen eines Hammers und eines Keils (weil die Dorfschmiede da Eisen geholt haben, sagt man) sieht, wird einem wunderlich zumute. Die Figuren, die anfangs unsichtbar waren, treten erst nach der Behandlung mit einer Säure hervor; also wie in einem mit sympathetischer Tinte geschriebenen Brief. Die Figuren sind eigentümlich, und da sie nicht auf Kristallachsen oder andere Zeichnungarten der Natur zurückgeführt werden können, kann vielleicht eines Tages bewiesen werden, daß sie von Menschenhand geschmiedet sind; wie vielleicht eines Tages klar wird, daß die Fingalsgrotte von Menschen gebaut ist, weil die Basaltblöcke mit Zapfen ineinanderfassen und die Fugen Spuren von Zement zeigen, und weil man sehen kann, wo jeder Stein gebrochen ist. (Siehe Troils Reise nach Island, in der er die Hebriden schildert.)
Ich verlasse, mit diesem Blick nach oben, das Innere der Erde, das seine größten Geheimnisse dem sterilen Leugner noch zu verbergen scheint, aber nicht dem furchtlosen Zweifler, der alles untersucht und sich abwartend, empfänglich verhält. Der große Pan ist gewiß nicht tot, wenn er auch krank gewesen ist; aber ein Orpheus mußte einmal in die Unterwelt hinunter, um Leben in die Steine zu singen, die nicht tot sind, nur schlafen!
Wenn Lösungen aus schwefelsaurem Kalk, schwefelsaurem Natron oder Eisenvitriol stehen bleiben, wächst Schimmel auf den Flüssigkeiten. Eiweiß reagiert alkalisch, trocknet in der Luft und wird hornartig. Aber setzt man einige Tropfen Schwefelsäure hinzu, so wird das Eiweiß opak, füllt sich mit kleinen runden Körpern, die den Schimmelpilz Penicillium glaucum erzeugen. Die Schwefelsäure ist ein grausamer Zerstörer; aber wenn sie einen Stoff trifft, der hart gegen hart setzt, erzeugt sie Leben. Verdünnte Schwefelsäure wird ein Ferment genannt, weil es bestimmte Stoffe zum Gären bringt. Gären ist ja ziemlich analog mit Faulen; das heißt: aufgelöst werden; aber aus der Verfaulung kommt Leben; deshalb scheint der Unterschied zwischen Leben und Tod nicht so groß zu sein.
Alles Lebendige kommt aus einem Ei oder einem Samen, einer Zelle, sagt man; aber woher das erste Ei kam, seit die Erde nach Kant-Laplace gründlich pasteurisiert worden ist, das sagt man nicht. Und weil es niemand weiß, lohnt es nicht, darüber zu streiten. Aber woher kam der Same auf den Schimmelpilz, als die Schwefelsäure das Eiweiß berührte? Es war vorher da, in der Luft, überall, antwortet man. Dann frage ich, und Tausende mit mir: Wenn die Schimmelspore da war, warum ist sie nicht unter dem Mikroskop sichtbar, wo sie doch nicht so sonderlich groß ist? Und wenn sie da war, warum wurde sie nicht von der Schwefelsäure getötet, die alles Lebendige tötet? Wenn Pasteur die Luft in einem glühenden Platinrohr erhitzt oder das Wasser eine längere Zeit überhitzt hält, tötet er die Luft und das Wasser. Das ist das ganze öffentliche Geheimnis. Um aber zu zeigen, daß diese Sporen vorhanden sind, zieht man Luft durch ein Rohr und fängt den Staub in Baumwolle auf, die mit Salpetersäure und Schwefelsäure behandelt ist, und löst dann die Baumwolle in Äther. Nun fügt es der Zufall, daß Zellulose, mit Salpetersäure und Schwefelsäure behandelt, gibt, was man kurz Stärkeamid nennen könnte und die schematische Formel des Eiweiß ist. Löse ich dies Baumwollenpulver in alkoholhaltigem Äther, so bekomme ich Kollodium, das in der Photographie vollständig das Albumin ersetzt. Es ist also eine Synthese des Lebens und des Eiweiß, die Pasteur gemacht hat, ohne es zu ahnen; und das ist groß genug, bereits das!
Was ist denn Gärung? Der Anfang des Lebens. Und die Pilze, die Algen, die Bazillen sind die Produkte, die, einmal geboren, den Prozeß komplizieren und das Leben weiter ausarbeiten. »Das mikroskopische Studium von Bergarten zeigt, daß einige von ihnen auch gären können.« »Wenn man unter dem Mikroskop eine Feuchtigkeit beobachtet, die in Gärung eintreten will, sieht man in einem gegebenen Augenblick eine Menge beweglicher Punkte entstehen; und diese bilden dann unendlich kleine Wesen, von veränderlicher Form, die an Zweifüßler, Vierfüßler, Schlangen, Fische, auch an Pflanzen erinnern …« Derselbe Bergingenieur Judycki, den ich bei den Steinkohlen zitierte, hat diese Reihen geschrieben. Daß er dabei irgendeinen Hintergedanken gehabt hat, glaube ich, wenn er auch nicht den Mut gehabt hat, seine Meinung rund heraus zu sagen, die wohl so lauten würde: Der Fels lebt und kann Leben durch Gärung erzeugen. Die Steinkohlen sind vom Berge erzeugt … (der Kiesel zu Graphit und Kohle). Wenn der Wein gärt und man, unter dem Mikroskop, die ganze Zoologie vorbeireisen sieht, so repetiert jede Partikel ihre Gedächtniseindrücke von der Metempsychose, die sie zu durchwandern gehabt hat, vom Tierkörper im Viehstall, vom Menschenkörper, vom Weinstock, von anderen Pflanzen … (Man denke an die Kristallaggregate, die Eisblumen und die Weinsäure!)
1896.
Anmerkung des Übersetzers. Als dieser Essay am 11. Oktober 1902 in Maximilian Hardens Zukunft zum ersten Mal deutsch erschien, konstatierte die naturwissenschaftliche Beilage der Wiener Zeit vom 20. Februar 1903, daß auch Professor E. Hayn in seiner Abhandlung »Krankheitserscheinungen im Eisen und Kupfer« in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure vom 26. Juli 1902 für das Leben der Metalle eintritt. – Professor Fittica schrieb am 21. Oktober 1902 aus Marburg an den Übersetzer: »Mit freundlichem Dank für die Zusendung der interessanten Aufsätze von Strindberg bestätige ich Ihre Voraussetzung. Die dort vertretenen Ideen sind den meinigen in jeder Weise verwandt und sympathisch.« – Strindberg selbst schreibt am 14. Oktober 1902 aus Stockholm an den Übersetzer: »Beinahe größer als der Erfolg von ›Rausch‹ ist für mich mein Artikel in der Zukunft. Als ich ihn jetzt wieder las, war ich bestürzt! Bestürzt über die neuen Gedanken, die mir handgreifliche Tatsachen zu sein scheinen. Ich bin nur erstaunt, daß nicht alle andern das einsehen.« – Von den Briefen aus Laienkreisen, die Strindberg damals erhielt, sei nur einer zitiert, und zwar nur, weil er Strindbergs Art zu fragen erwähnt. Herr Röhr aus Netzschkau in Sachsen schreibt 20. Oktober 1902: »Die beiden Aufsätze in der Zukunft haben mich bezaubert. Nicht wegen der Goldmachekunst, sondern wegen der Art, wie Sie es fertig bekommen, Fragen an die Natur zu richten und sie von dieser selbst beantworten zu lassen. Sie haben mir damit die seit fünfundzwanzig Jahren gesuchte Brücke vom Anorganischen zum Organischen gezeigt, und ich danke Ihnen dafür von ganzem Herzen.«