G. F. Streckfuss
Der Auswanderer nach Amerika
G. F. Streckfuss

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Eine Scene auf dem Eise in Philadelphia.

Der Winter des Jahres 1834 und 35 kündigte sich erst im December 1834 durch einige Nachtfröste an; denn bis dahin verlieren die Tage noch immer nicht ganz den lieblichen Zauber des indischen Sommers. Die Wälder fingen zwar schon an, theilweise ihren Blätterschmuck abzulegen, spielten aber noch lange mit der ihnen unter diesem Himmel eigenen herbstlichen Farbenpracht. Endlich aber stürzte, kurz vor Weihnachten, der Schnee in dichten Massen auf die bereits leicht gefrorne Erde herab, und verhüllte sie bald fußhoch mit seiner weißen Decke.

Eine heftige Kälte nun die nächste Folge jenes Schneewetters, wodurch die Wogen des meilenbreiten Delaware zu einer glatten glänzenden Eisfläche erstarrten, welche die vom Meere aufwärts drängende Fluth bald nicht mehr zu heben vermochte. Das großartige Leben und Treiben, das bis jetzt durch die ab- und zueilenden Dampfboote, Seeschiffe, und kleinern Fahrzeuge darauf geherrscht hatte, verschwand, und fest eingefroren lagen diese nun in den Wharften, nur durch den hie und da aufsteigenden Rauch der Schiffsküchen das Daseyn lebender Wesen auf ihnen andeutend.

Bald aber sollte eine andere Scene auf diesem jetzt leeren Theater erscheinen; zwar weniger groß und erhaben, aber desto freundlicher, desto anmuthiger. Es eröffneten dieselbe einige Wagehalse, die mit Schlittschuhen kühn und flüchtig auf dem dünnen Eise sich herumtummelten, und als nun bald eine größere Sicherheit erprobt war, strömten tausende auf tausende, jener schönen schlanken, fein gekleideten Amerikaner, Gentlemen, und Ladies, mit und ohne Schlittschuhe auf den schlüpfrigen Boden, wo schon auf unzähligen Tischen, über welchen auf hohen Stangen die amerikanischen Flaggen flatterten, hot Whisky punch – warmer Whisky-Punsch – Austern und Austersuppe, Wein, Brandy (Franzbranntwein), Rumm, Gin (Wachholderbranntwein) Whisky mit allerlei Kuchen und Backwerk, zum Verkauf ausgestellt waren. Schlitten auf Schlitten, mit klingendem Geläute und mit glänzenden Ladies besetzt, jagten von einer Seite zur andern; Lastwagen mit Lebensmitteln, knarrten von New-Jersey herüber, und dazwischen wurden Boote von Arbeitern geschoben, welche die in Cambden auf der Eisenbahn angekommenen Güter, welche die bei flüssigem Wasser stets ab und zu gehenden Dampfschiffe nun nicht herüber bringen konnten, nach Philadelphia beförderten.

Es ist ein erheiternder Anblick diesen vielbewegten buntfarbigen Knäuel, von der Philadelphier Landseite aus zu betrachten, und man wird verlockt, sich selbst in ihn hinein zu wickeln und durchzuwinden, wobei freilich mancher von einem ungeschickten Schlittschuhläufer oder wohl gar von einem Schlitten über den Haufen geworfen wird. Auch werde, wer eine brennende Zigarre bei sich hat, nicht ungeduldig, wenn er aller fünf Schritte, von einem herbeisausenden Eisenbeschuheten mit dem Anrufe pray give me fire – please to give me a light – ich bitte um Feuer – angehalten wird, um dessen verlöschten Klimmstengel an dem seinigen anzuzünden, denn der großstädtische Amerikaner kann keinen Augenblick ohne Rauch im Munde leben, und hier giebt es der Unfälle so viele, die diesen ersticken können. Er giebt euch ja dafür sein artiges Thank you Sir, – ich danke mein Herr, – und ist jeden Augenblick bereit, euch den gleichen Dienst zu erweisen. So kommt man in Schlangenwendungen nach einer halben Stunde bei Smiths Island an, was, will man nicht vieles verlieren, ohne Zögerung bestiegen werden muß.

Dieses Inselchen liegt so ziemlich in der Mitte des Stromes, zwischen den Städten Philadelphia auf der einen, und dem niedlichen Cambden auf der andern Seite. Smiths Island ist ein langer aber schmaler Landstrich, theilweise mit Gras bewachsen, theilweise mit Steinen und angeschwemmten Muscheln bedeckt. An dem einen Ende befindet sich jedoch ein nicht sehr großer Garten, und inmitten einer Baumgruppe liegt eine ans Land gezogene, einst hier gestrandete Fregatte, die nun zu einer Restauration eingerichtet ist. Diese wird im Sommer sehr häufig von Badenden besucht, und wimmelt heute von solchen, die übers Eis herüber kamen.

Der Weg zu ihr, und die Mühe sie zu besteigen, wurde mir reichlich belohnt, denn ich gewann hier einen erhabenen Punkt in der Mitte jenes lustigen Getümmels. Auf der einen Seite sah ich Philadelphia, wie es sich unübersehbar, von der Navygard, bis hinauf nach Kensigton zieht, wo es Dyottsville, jene große, einem kleinen Städtchen gleichende, Glasfabrik schließt. Zahllose Schiffe belagern die Stadt in ihrer wohl 3 bis 4 Wegstunden hinauf sich dehnenden Länge, und strecken ihre entseegelten Masten an den Pallästen, Häusern und Thürmen der üppigen Stadt empor.

Auf der andern Seite liegt das niedliche Cambden, vor dessen Vordergrund auch mehrere Schiffe eingefroren liegen, das aber an der Seite und im Hintergrunde schon mit einem Anflug jener Urwaldgruppen eingefaßt ist, die sich dicht und finster durch den ganzen Staat New-Jersey ziehen. Die Intervallen zwischen beiden Ansichten füllet das hintere Getümmel. Ich betrat nun die gastliche Fregatte, erquickte die erstarrenden Glieder mit einem erwärmenden Trunke, und eilte nun auch in zahlreicher Begleitung nach Cambden im Staate New-Jersey. Es ist ein zwar kleines, aber angenehmes, mit mehreren schönen Häusern und geraden Straßen geziertes Städtchen, das von der Railroad – Eisenbahn – und der Schifffahrt belebt wird, weshalb sich auch mehrere große Handlungshäuser daselbst befinden. Gleich beim Aufsteigen empfing uns ein schönes Lusthaus, auf einem von Bäumen umgebenen Platze einer Landspitze angefüllt mit Schau- und Genießlustigen. Dieses muß im Sommer ein zauberisch-schöner Aufenthalt sein. Unweit davon, neben dem Post- und Eisenbahn-Depot, ist ein schöner Gasthof, welcher an solchen Tagen nicht groß genug ist, die Zahl der Gäste zu fassen. Nachdem wir die Wharfte, die Eisenbahn und andere Sehenswürdigkeiten besehen, und uns noch einige Zeit an der alle Momente wechselnden Scenerie auf dem Strome befriedigt haben, wird es nun Zeit, den Rückweg zu beginnen. Denn ehe wir die pensilvanische Küste wieder werden erreichen können, wird der Abend heraufgekommen sein, und wir müssen eilen, damit wir noch Theil haben an den dampfenden Fleischschüsseln und an den duftenden Thee, die im Boarding-Hause (Kosthause), zum Abend-Imbiß zeitig aufgetragen werden, und dem säumigen und nicht zur rechten Zeit eintreffenden Boarder (Kostgänger) theilweise oder auch ganz verkümmert werden.

Geschicklichkeiten der Amerikaner in Handwerken und Künsten.

Derjenige, der mit großer Geschicklichkeit nach Amerika kommt, glaube ja nicht, dort nicht auch seines Gleichen zu finden. Sogar der allergeschickteste Europäer würde dort noch etwas zu lernen haben. Gewiß aber überragt ihn der Amerikaner in sofern, als derselbe neben der Kunst und dem Handwerk, das er zu seiner Hauptbeschäftigung macht, gewöhnlich noch 2 oder 3 andere versteht. So ist gewöhnlich der Schmidt zugleich Schlosser, Mechanikus, Maschinenmacher, auch wohl Tischler und Zimmermann; der Schuhmacher, vorzüglich auf dem Lande, ist nicht selten auch Schneider, Maurer, Ziegelstreicher, Kalkbrenner. Der Zimmermann, der bei Hausbauten will angestellt werden, muß unbedingt auch Tischler, Schlosser, Glaser, Dachdecker und nicht selten auch Maurer seyn. Der Klempner ist in der Regel auch Kupferschmidt, Gürtler, Zinngießer; und der Uhrmacher: Goldschmidt, Gürtler etc. und das Betreiben dieser vielen Handwerke beeinträchtiget ganz und gar nicht die Geschicklichkeit in dem einen Hauptgeschäft.

Trotz dem wird der fleißige Deutsche doch gern in den dortigen Werkstätten angestellt, obgleich anfänglich immer um etwas niedrigen Lohn; denn das ist dem Deutschen nicht abzusprechen – und die Amerikaner bekennen das gern – er hat die Tugend der Ausdauer, die dem Amerikaner gewöhnlich abgeht; und er liefert, wenn auch nicht feinere, doch in der Regel weit dauerhaftere Arbeiten, als der Amerikaner.

Nur in folgenden Fächern scheint der Deutsche dem Amerikaner unbedingt zu überragen: im Bau musikalischer Instrumente, als Orgelbau etc. in der Mathematik und Geometrie, in der Musik und im Musikunterricht, ferner als Meuble-Tischler, Kürschner etc.


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