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Es sind die amerikanischen Frauen in den vereinigten Staaten im allgemeinen gleich ausgezeichnet durch Reize und Tugend, wie durch glückliche Lebensverhältnisse keinen Frauen anderer Nationen der Erde, namentlich im Genuß der Freiheit, vergleichbar. Sie sind der Gegenstand der Völker- und Menschenkunde, welcher bisher zwar gewürdiget, aber doch, namentlich in Deutschland, immer noch nicht so allgemein bekannt wurde, daß ein treues Bild davon, gezeichnet nach eigner Anschauung, überflüssig würde. Einige allgemeine Bemerkungen über das amerikanische Volk in den vereinigten Staaten mögen diesem Gegenstande als Einleitung dienen. – Dieses Volk ist aus so verschiedenartigen Elementen zusammengesetzt, daß es den Anschein gewinnt, als ob hier der Erdpunct sei, wo die ersten Versuche gemacht würden, die seit Jahrtausenden getrennte Menschennatur wieder zu vereinigen und zu verschmelzen. Bekanntlich waren die ersten europäischen Ansiedler daselbst Engländer, Schottländer und Irländer; zu diesen gesellten sich bald Deutsche, Holländer, Schweden, Dänen, Franzosen etc. Alle diese Völker verschmolzen sich, wenn auch nicht überall gleichmäßig, doch theilweise, in Sprache, Sitte und Gewohnheit, verbanden sich durch Ehen, und es formte sich eine, wenn auch noch nicht überall ganz gleichmäßig sich darstellende National-Physiognomie.
Diese Verschmelzung so verschiedener Nationen, die Beimischung von etwas indischem und Negerblut, die Einwirkung der feinern amerikanischen Luft haben jedoch auf die Körperformen nichts weniger als nachtheilig gewirkt, so daß die Bewohner der V.St. mit jedem andern Volke der Erde hinsichtlich der Schönheit wetteifern können.
Es gewährt Jedem, der Schönheitsgefühl besitzt, Freude, eine Anzahl Jünglinge im Bade zu erblicken. Eine glänzende, glatte, weiße Haut ist straff gespannt um schlanke, gerundete, schön geformte Glieder. Auf feinem Halse sitzt der ovale Kopf, aus dessen Lockenfülle brauner Haare ein ernstedles Gesicht, mit kleinem Munde, muntern blauen Augen, hohen Augenbraunen, und etwas bleichem Colorit hervorleuchtet. Ein Maler brauchte nicht lange zu suchen, um unter einer geringen Anzahl solcher Jünglinge herrliche Apollo-Modelle zu finden.
Niemand wird nun bezweifeln, daß das schöne Geschlecht auch hier seinen Ruhm behauptet, daß es an äußerer Schönheit dem männlichen wenigstens nicht nachstehe. Unter einer größern Zahl junger amerikanischer Frauen eine einzige häßliche herauszusuchen, dürfte in der That sehr schwer werden, keineswegs aber unter einer kleinen Anzahl mehrere Schönheiten zu finden. Sie können mit unsern schönen Sachsenfrauen, die mit Recht überall im Rufe vorzüglicher Schönheit stehen, immer wetteifern, denn ob sie diesen gleich in lieblicher Fülle und blühender Gesichtsfarbe nachstehen, so übertreffen sie dieselben doch an Gewandtheit, Feinheit und Zartheit. Sie sind leicht und flüchtig, ätherisch wie der Zephir. Blos am Klange des Fußtrittes will ich beide erkennen und die deutschen Frauen aus den amerikanischen, und diese aus jenen heraussuchen.
Kommt man unmittelbar aus Deutschland und besucht eine amerikanische Kirche, so wird man versucht zu glauben, daß die Versammlung darin blos aus höhern Ständen bestehe; und dieser Glaube wird auch dann nicht geschwächt, wenn man sie nach beendigtem Gottesdienste herauswallen sieht, ja die höchst zierliche Kleidung und der edle Anstand, fast aller, erhebt denselben eher zur Gewißheit. Dieß ist nun natürlich nicht der Fall, die Versammlung ist eben so gemischt wie anderswo; nur scheiden sich hier die Stände bei weitem nicht so schroff wie in Europa. Hier geht eine ältliche Dame, in schweren Seidenstoff gekleidet, inmitten zweier schönen, ebenfalls sehr fein gekleideten jungen Ladies, die allem Anschein nach ihre Töchter, oder doch nahe Verwandtinnen sind; denn sie saßen in der Kirche neben ihr, und jetzt auf dem Wege spricht sie mit ihnen sehr traulich und freundlich. Wer sind sie nun? Die ältere Dame ist die Gattin eines großen Kaufmanns, der mit allen Welttheilen handelt, und die jüngern Ladies? – sind ihre beiden weißen Dienstmädchen. Sie begleiteten sie in die Kirche und aus der Kirche, helfen ihr im Hause beim Auskleiden, und nehmen dann ihren Sitz neben ihr, dem Hausherrn und den etwaigen übrigen Gästen an der reichbesetzten Tafel, bis das schwarze Hausgesinde, das freilich solche Auszeichnung nicht genießt, bereits servirt hatte.
Amerika ist das Paradies der Frauen. Sie genießen dort einer Herrschaft, einer Auszeichnung und Behandlung wie sonst nirgends. Diese Vortheile verdanken sie den frühern Verhältnissen der Colonien, deren erste Gründer natürlich fast aus lauter Männern bestanden. Aber wie lange befinden sich Männer in solchen Verhältnissen wohl, wie lange können dieselben auch nur einigermaßen erträglich leben, ohne das schöne Geschlecht, ohne die treuen Gefährtinnen des Lebens! Es mußten große Opfer gebracht werden, um die ersten Einwanderungen junger Frauen zu vermitteln, und es gelang nicht jedem, eine für sich zu gewinnen; aber wem es gelang, der galt für hochbeglückt, ob er gleich hier die Gewalt, wie sie in andern Ländern geübt wird, nicht über seine Gattin bekam. Nicht nur waren seine Forderungen an sie in weit engere Schranken eingeschlossen, sondern der Gattin Rechte an ihn waren auch weit höher; und stets war die Obrigkeit bereit, ihr diese letztern zu erzwingen; denn man betrachtete das Weib als ein Wesen, das nicht ausschließlich dem Gatten, wohl aber als die hoffnungsvolle Mutter eines aufblühenden Geschlechts, der Colonie angehöre. Er mußte sie pflegen, schützen und hüten wie seinen Augapfel, er durfte ihr kein hartes Wort sagen, sie noch weit weniger mißhandeln, wenn er nicht die strengsten Strafen verwirken wollte. Ihr dagegen stand frei, welche Arbeiten sie aus Fleiß, Gewissenhaftigkeit oder zum Zeitvertreibe wählen wolle. Vor dem Richter mußte der Mann immer unterliegen, und der Gattin wurde stets mehr als selbst zwei oder drei männlichen Zeugen geglaubt. Für die Gattin lag nicht die geringste Strafe darauf, wenn es ihr einmal einfiel, ihren Eheherrn mit thätlicher Züchtigung zu belegen; wobei ihm selbst nicht einmal Nothwehr, höchstens Flucht erlaubt war. Ueberhaupt war jedes männliche Geschöpf in ihrem Hause ihr Sclav und Unterthan, den sie beliebig schlagen oder entfernen konnte.
Ob sich nun gleich in spätern Jahren das Zahlverhältniß der Frauen zu dem der Männer günstiger herstellte, so daß man jetzt im Durchschnitt daselbst 97 Frauen auf 100 Männer, in großen Städten sogar schon 109 Frauen auf 100 Männer zählt, so sind dennoch die schützenden Gesetze hinsichtlich ihrer durchaus nicht geändert worden. Doch zur Ehre der amerikanischen Frauen und ihres ganzen Geschlechts muß ich sagen, daß sie diese Gesetze nicht, oder nur höchst selten mißbrauchen. Der brave Mann kann fast überall darauf rechnen, von seiner Gattin mit Ehrfurcht, Liebe und Güte behandelt zu werden. Eine harte Arbeit übernimmt zwar die Gattin auch des armen Amerikaners selten oder nie; sie bekümmert sich sehr wenig um das Finanzwesen des Hauses, ja sie überläßt sogar dem Eheherrn die Einkäufe und das Herbeischaffen der Lebensmittel; aber dagegen sorgt sie mit Emsigkeit für die höchste Reinlichkeit in ihrem Hauswesen, ist die liebevollste Trösterin ihres Gatten bei Unglück, seine zärtlichste Pflegerin in Krankheiten, und die liebevollste Mutter ihrer Kinder. Untreue von Seiten des Weibes ist fast unerhört, unglückliche Ehen sind sehr seltene Ausnahmen. Und wenn auch die Gattin, die ihren Gatten unverdient unwürdig behandelt, dies an ihm und vor dem Richter ungeahndet thun darf; so findet sie doch die gerechte Strafe in der Geringschätzung und Verachtung ihres eignen Geschlechts. Beispiele von guten Frauen und von glücklichen Ehen wären zu Tausenden von dort aus aufzustellen; aber was läßt sich viel davon sagen. Eine gute glückselige Ehe fließt ja in heiterer Stille dahin, die Stimme des häuslichen Glücks ist viel zu leise, um in dem Geräusch der Außenwelt dem Haufen bemerkbar zu werden. Denn das stille Walten der edeln Hausfrau verbreitet nur Wohlseyn in ihrem häuslichen Kreise, reicht nur wenig über die Schwelle, wo ihr Sitz aufgeschlagen ist. Viel leichter lassen sich Beispiele vom Gegentheile aufstellen, und die hier folgenden sind Belege, was die amerikanischen Frauen thun dürfen, ja wozu sie berechtiget sind, obgleich die Besseren dieses Rechts freiwillig sich begeben.
Ich spazierte einmal über die noch wenig angebaute West-Street in Kensington bei Philadelphia hinter einem Deutschen her, der Spuren ziemlicher Trunkenheit zeigte. Vor ihm ging, ein junges hübsches Mädchen. Der Halbtrunkene eilte ihr nach, und sprach mehrere verliebte Worte in deutscher Sprache zu ihr, worauf sich das Mädchen umsah, und, da sie einen ganz Fremden erblickte, dessen Sprache sie nicht einmal verstand, ein ziemlich böses verachtendes Gesicht machte. Der Verliebte mochte wohl die hübschen Züge desselben, aber nicht das was im Innern verborgen lag, bemerken, und ergriff sie beim Arme. Aber da riß sich das Mädchen rasch los; und setzte dem Zudringlichen ohne Zögerung eine solche Ohrfeige in das Faunengesicht, daß dieses blutroth verfärbt wurde. Diese nicht unverdiente Züchtigung schlug die verliebten Triebe des guten Duchman (Deutschen, ein Spottname) sofort nieder und machte ihn so vernünftig, daß er das Mädchen nicht allein ohne Weiteres fahren ließ, sondern auch das Händeklatschen und Auszischen der sogleich versammelten Jungen geduldig ertrug. Er that sehr wohl daran, denn er rettete dadurch seinen gesunden Rücken und seine Freiheit.
Ein andrer Vorfall, den ich ebenfalls in Kensington erlebte, gab mir den zweiten Beweis vom amerikanischen Weiberregimente. Er trug sich auf der Queen Street (Königinstraße, der Hauptstraße in Kensington) zu. 4 oder 5 Männer, welche vor mir hergingen, blieben vor einem hölzernen Häuschen auf einmal stehen; einer von ihnen ging durch die offne, auf die Straße führende Thür des WohnzimmersEin großer Theil der amerikanischen Häuser hat keine Hausflur, und die Thür die auf die Straße geht, führt gleich in ein unteres Wohnzimmer. hastig hinein.
Im Vorbeigehen sah ich diesen Mann im heftigen Gespräche mit einem alten Weibe, das eine tönerne Tabackspfeife im Munde hielt.Die Weiber in Amerika, und vorzüglich die alten, rauchen gern Taback und Cigarren. Ich war nicht sehr weit entfernt, als sich ein heftiger Zank erhob, wobei der Mann mit tiefer Stentorstimme brüllte, die Frau hingegen im höhern Ton gewaltig und weittönend kreischte. Die Vorübergehenden blieben stehen, und auch mich trieb die Neugierde zurück; da sah ich wie die Frau ihre Pfeife aus dem Munde riß und sie wüthend dem Manne ins Gesicht schleuderte. Dieser entweder dadurch verblüfft, oder im Gefühl seines Rechtes, blieb stehen. Da eilte sie nach einem im Winkel befindlichen Besen, und schlug mit dem starken hölzernen Stiel desselben so heftig auf den Bestürzten, daß er endlich doch für besser hielt, auf den Rückzug zu denken. Er führte diesen nun wohl aus, jedoch nicht unverfolgt, und erst nachdem er aus dem Bereich des Hauses hinweg war, ließ die Alte mit ihrem Besenstiel von ihm los, und gab ihm Zeit, sich den Tabacksschmergel und die Asche aus dem Gesicht zu wischen und seinen erbärmlich zerquetschten Hut wieder in Ordnung zu bringen. Dies alles geschah unter Gelächter seiner ganz theilnahmlos gebliebenen Gefährten und unter Gezisch und Händeklatschen der zusammengelaufenen Menschenmenge.
Noch abweichender von den europäischen Sitten ist es, wenn zwei Amazonen handgreiflich mit einander werden, und dieß fällt nicht selten, aber freilich nur unter den niedrigsten Classen vor. Da entsteht ein langes heftiges und nicht selten blutiges Gefecht; da wird nicht blos geschlagen, da wird auch gekratzt, und die Kleider werden vom Leibe gerissen; alles zwar wie in Europa, aber so groß auch die Zahl der Zuschauer seyn mag, die sich um eine solche Scene versammeln, so bleiben doch alle theilnahmlos, ja sogar ernsthaft, und es mischt sich selten Jemand darein, als der etwa hinzukommende zärtliche Gatte der Unterliegenden, der jedoch dann, um seine theure Gattin zu retten, großmüthig und ohne Widerstand die dieser etwa noch bestimmte Prügelsuppe verschlucken muß. – Ich habe mehrern solchen Schlachten mit dem nöthigen Ernst und der gesetzlichen Theilnahmlosigkeit beigewohnt, die zwischen Negerinnen, oder alten weißen Weibern, oder auch zwischen Freudenmädchen mit gehöriger Tapferkeit gefochten wurden; doch meine Feder darf sich nicht erniedrigen, von diesen Ausbünden viel zu sagen. Aber ein Schlachtgemälde aus den vornehmern Ständen erlaube ich mir doch zu geben. Es erhob sich auf der Second Street (zweiten Straße, einer der beliebtesten in Philadelphia) ganz in meiner Nähe zwischen zwei schön gekleideten Lady's – eine davon war vielleicht die Gattin irgend eines Nachtwächters oder eines Kaufmanns, eines Maurergesellen oder eines Geistlichem, eines Schuhflickers oder eines Advokaten, kurz sie war eine feingekleidete alte Lady, und die andere, ein Körbchen tragend, war wahrscheinlich ihr Dienstmädchen – ein heftiger Streit, der anfänglich jedoch nur von der ältern Dame durch schreiende Reden und Gestikulationen geführt wurde, wobei das junge Mädchen, obgleich ihm erstere nicht wenig mit den Fäusten unter dem Gesicht herumfuhr, sich lange in den Grenzen bescheidener Vertheidigung erhielt. Da jedoch dem sanft und gut aussehenden Mädchen immer heftiger, und sogar mit Schimpfreden zugesetzt wurde, so wurde es endlich doch etwas heftiger im Widersprechen, und brachte dadurch die wüthende Frau so auf, daß sie ihm einen heftigen Schlag auf die Backe gab. Es war wirklich interessant das bisher noch immer ziemlich sanft gebliebene Gesicht des Mädchens, wie auf einen Zauberschlag sich in das einer Furie verwandeln zu sehen. Es ergriff sogleich die Dame, warf sie gegen einen vor einer Storenthür – Ladenthür – stehenden, und mit neuen Hüten bedeckten Tisch, daß dieser umstürzte und die Hüte umherkollerten, und fing an mit beiden Fäusten dergestalt auf ihr herumzutrommeln, daß ihr Hören und Sehen vergehen mußte. Niemand von der sogleich zusammengelaufenen Menschenmenge mischte sich hinein, und der herbeigekommene Storkeeper – Herr des Kaufladens – suchte, ganz theilnahmlos an der vor seiner Thür sich ereignenden Begebenheit, ruhig seine Hüte zusammen. Das Mädchen trommelte so lange fort, bis es ermüdet war, und ließ erst dann die Geschlagene los. Diese raffte sich nun eilig auf, brachte möglichst schnell ihre Kleider in Ordnung und machte sich eiligst die Straße aufwärts aus dem Staube. Das Mädchen ließ den hingefallenen, mit seiner Wäsche angefüllten, Korb liegen und ging die Straße abwärts.
Die amerikanischen Freudenmädchen geringerer Classe, geben den europäischen an Frechheit und Zudringlichkeit nicht allein gar nichts nach, im Gegentheil sie übertreffen dieselben noch. Einer meiner Bekannten, ein Candidat der Theologie, aus der Gegend von Chemnitz gebürtig, Namens B***, der genöthigt war sich dort mit Handarbeiten zu beschäftigen, geht eines Tages in Geschäften vor einem der auf der Wild Street – in der Point von Baltimore – häufig sich befindlichen liederlichen Häuser, die vorzüglich für Matrosen und für andere gemeine Wollüstlinge niedrer Classe bestimmt sind, vorbei und wird von einer an der Thüre stehenden ganz unschönen Nymphe angehalten, geküßt und aufgefordert, mit in ihre Höhle hineinzukriechen. Der keusche Candidat macht sich ziemlich ungestüm los, und entkommt unter dem Gelächter mehrer gegenwärtigen Gefährtinnen der Liebenswürdigen. Er begeht jedoch andern Tages den Fehler, vor demselben Hause wieder vorbeizugehen. Die Nymphe bemerkt ihn schon von Weitem, und stellt sich mit einem gefüllten Wasser-Eimer hinter die Thür auf die Lauer und wählt den Augenblick so glücklich, daß sie den ganzen Inhalt desselben ihm im Vorbeigehen über den Hals schüttet. Der wider Willen kalt gebadete Candidat schüttelt sich nicht wenig, fand es aber demohngeachtet für's Beste, sich eilig aus dem Staube zu machen, denn jede Mißbilligungsbezeugung würde ihn zum Opfer der dort sich zahlreich aufhaltenden Priesterinnen der Venus gemacht haben.
Es ist keine geringe Gefahr für reiche junge Leute, sich mit Mädchen auf irgend eine Weise einzulassen, oder etwas von sich zu geben, was einem Eheversprechen ähnlich sieht. Das Mädchen hat sowohl an demjenigen, der ihm die Unschuld nahm, als auch an demjenigem, der ein Eheversprechen ihm gab, fast unglaublich große Rechte. Nur zu oft sprechen die Zeitungen von großen Entschädigungen, zu denen sich solche Männer gegen Frauenzimmer haben verstehen müssen, und wozu sie gerichtlich gezwungen worden sind. Da übrigens dem Frauenzimmer immer so unbedingt geglaubt wird, so geschehen auch so manche Prellereien, wohl leichter als in andern Ländern, und nur der Zartsinn der Amerikanerinnen ist Ursache, daß dieses nicht öfterer geschieht. Als ich in Philadelphia lebte, wurde mir folgende Geschichte, die sich kurz zuvor in Pensilvanien ereignet haben sollte, erzählt.
Einer jener unglücklichen Familienväter, die verlockt durch den falschen Wahn, in Amerika Glück und Reichthum und Alles leicht zu finden, was ihm auch die größten Bemühungen in Europa nicht verschaffen konnten, sieht sich kurz nach seiner Ankunft in jenes Eldorado bald in die schrecklichste Lage versetzt. Hunger und Kummer ward ihm statt der gehofften Fleischtöpfe Egyptens, und da der Bettelsack, der den armen Kindern bald aufgebürdet werden mußte, nicht so hinreichend gefüllt nach Hause gebracht werden konnte, daß dessen Inhalt alle hätte sättigen können, so mußte endlich zu dem Mittel geschritten werden, das so viele deutsche Familien als letztes Rettungsmittel dort ergreifen müssen: die Kinder wurden verbunden, d. h., der Knabe bis zum 21., das Mädchen bis zum 18. Jahre als Sclaven an gewisse Familien abgegeben, die für diese Abtretung eine bedungene Summe bezahlten.
Eines dieser Kinder, ein bildschönes zwölfjähriges Mädchen, kam in das Haus eines reichen Kaufmanns, und fand an der welkenden Gattin desselben zwar eine Frau, die auf alle Weise für sie sorgte, sie dagegen aber auch sehr mit Grillen und vieler Arbeit plagte. Trotz dem wuchs das Kind zu einer glänzenden Schönheit empor. Der Hausherr wurde natürlich bald auf den Unterschied zwischen der dahin welkenden Lilie und der aufblühenden Rose aufmerksam, und als letztere sich in ihrer höchsten Pracht entfaltet, das 18te Jahr erreicht, und mit demselben zugleich ihre Freiheit erworben hatte, fing er an mit einer Zudringlichkeit, die dem unschuldigen unerfahrnen Mädchen für Liebe galt, sich ihr zu nahen. Während nun die Frau vom Hause sie mit Launen plagte, überhäufte sie der Herr mit Liebkosungen, Schmeicheleien und Geschenken, und es konnte nun nicht fehlen, daß die letztern den Sieg über das Pflichtgefühl davon trugen. Der wohlaussehende rüstige Mann hatte gar bald ihr Auge und ihr Herz gewonnen.
So vorsichtig nun auch das angeknüpfte verbrecherische Verhältnis vor der Gattin verborgen wurde, so traten doch bald Umstände ein, welche über eine schreckliche Entdeckung, die bald erfolgen mußte, nicht mehr im Zweifel ließen. Es zeigten sich nämlich unzweideutige Spuren des vertrauten Umgangs. Wie gewöhnlich folgte nun auf die verbotenen süßen Genüsse große Angst und Verlegenheit. Der Hausherr war zu sehr Amerikaner, um seine Gattin nicht zu fürchten, und das Mädchen längst schon zu sehr von Furcht vor ihr eingenommen, um nicht mit Schrecken an die Möglichkeit einer voreiligen Entdeckung zu denken. Gut daß der Reichthum des Mannes ein Auskunftsmittel möglich machte. Er rieth nämlich dem Mädchen, den ersten besten, gut aussehenden pensylvanischen Bauerbuben (ein jeder unverheiratheter Mann heißt im pensylvanischen Deutsch ein Bube) von dem sie wisse, er sey unverheirathet, anzureden, ihn an das ihr gegebene, d. i. nicht gegebene, Eheversprechen zu erinnern, von ihm zu verlangen, daß er sie sofort heirathe, er aber dagegen 1000 Dollars zum Brautschatz ungekürzt erhalten solle.
Wozu ist nicht ein Weib zu bringen, wann es in Verlegenheit ist. Auch konnte das Mädchen den Vorschlag um so lieber annehmen, da es schon seit einiger Zeit einen schönen breitschulterigen Bauerbuben, der alle Wochen sich mit seinem vierspännigen Wagen an jener Stelle der Market Street aufstellte, wo die Sixt Street (die 6te Straße) dieselbe durchkreuzt, und Butter, Eier, Geflügel, Potatoes (Kartoffeln) und Gemüße daselbst feil hatte. Dieses jungen Menschen Figur hatte ihr stets sehr gefallen, und sie hatte immer zuerst bei ihm angefragt, wenn sie beauftragt war, in Begleitung des Hausnegers Einkäufe zu besorgen. Dabei mag er wohl scherzweise manchmal den Wunsch ausgesprochen haben, eine so schöne Gattin zu besitzen wie sie sey. Heute geht sie allein, gerade auf ihn zu, erinnert ihn an das ihr gegebene Eheversprechen, macht ihm Vorwürfe, daß er es noch nicht erfüllt, bedeutet ihn zugleich fest und bestimmt, daß sie nun nicht länger warten wolle, und daß er sich noch heute mit ihr trauen lassen müsse. Auch sähe sie den Grund der Zögerung nicht ein, da sie tausend baare und bereit liegende Dollars besitze, und sie doch auch, wie ihr ihr Spiegel sage, nicht häßlich sey.
Dies letztere war dem jungen Manne auch in der That schon längst kein Geheimniß, und er ist heute um so erfreulicher davon betroffen, da der Glanz dieser Schönheit durch die gewählteste Kleidung, den Wohllaut ihrer Stimme und durch das Klingen mit Dollars um vieles noch erhöhet wurde. Das Ganze kam ihm zwar höchst unerwartet, aber die Nothwendigkeit in die er sich versetzt sah, war für ihn keineswegs eine unangenehme; er erklärte sich deshalb bereit, in ihr Begehr ohne Zögerung einzuwilligen und sich mit ihr trauen zu lassen, auch sie auf seiner Eltern Gut zu bringen, wenn sie ihm nur die 1000 Dollars Brautschatz zuvor überliefern wolle.
Das Mädchen eilt nach Hause, erhält von dem Herrn ohne Weigerung die versprochene Summe, packt schnell ihre Habseligkeiten zusammen, und eilt zu dem Bauer, welcher, als er den wohldurchzählten Packt Bankzettel in der Hand hielt, nun keinen Augenblick zögerte, sich mit ihr zum ersten besten Prediger zu begeben, um sie sich antrauen zu lassen,Der Prediger in Amerika hat weder Pflicht noch Recht, bei der Trauung nach weiter etwas als nach den Namen zu fragen; ist der Mann allem Anschein nach über 21, und das Mädchen über 18 Jahre alt, also beide unbedingt mündig, so sind weder Eltern noch Vormünder etwas dagegen einzuwenden berechtigt. Dies ist nun freilich auch der Grund, daß wohl in keinem Lande Bigamie so häufig ist, als in den Freistaaten. sie und ihre Sachen gleich darauf in seinen wohlverwahrten Wagen zu verpacken, und sofort nach seiner Heimath abzureisen.
Vater und Mutter sind nicht weniger erstaunt, als sie ihren Sohn in so unerwarteter Gesellschaft zurückkehren sehen; heißen jedoch nach Anhörung der Sache sein Benehmen auf alle Weise gut, verbieten ihm aber auch streng, seine Gattin vor der Hand für etwas anders, als für seine Schwester anzusehen. Das Weibchen wird übrigens von der Familie aufs Beste behandelt, verdient dieses aber auch, denn sie unterzieht sich freiwillig und gegen die Gewohnheit amerikanischer Frauen, einer Menge von Geschäften, greift die ihr ungewohnte Landarbeit sehr geschickt an, und wird in Kurzem der Liebling der ganzen Familie.
Sichtbarer und immer sichtbarer wird nun aber auch ihr Zustand und die Zeit ihrer Entbindung rückt immer näher. Diese kommt endlich herbei; alle mögliche Hülfe wird ihr geleistet und alles gethan, was zu ihrer und ihres Kindes Pflege erforderlich ist.
Die ersten Wochen des Kindbettes sind überstanden, die junge Frau befindet sich sehr wohl, wird aber immer noch durch die Besorgniß ihrer Schwiegermutter in dem Zimmer fest gehalten. Da treten einmal Vater und Sohn ganz unerwartet zu ihr herein, und so wenig auch beide eine drohende Bewegung verrathen, so freundlich auch ihre Gesichter sind, so muß es dem Weibchen doch auffallen, daß jeder in der herabhängenden Hand eine Pistole trägt. Der Vater tritt ihr näher und spricht: Mein liebes Kind, du bist jetzt Mutter und du weißt es, nicht durch diesen, meinen Sohn. Wir lieben dich alle, wir sind weit entfernt, dich deshalb von uns verstoßen zu wollen, aber wir verlangen zu wissen, wer der wirkliche Vater deines Kindes ist. Das ist alles, was wir jetzt von dir fordern, und im Fall der Noth selbst mit Gewalt von dir erforschen wollen.
Mochten nun die Pistolen einige Furcht eingeflößt, mochte die Güte, Liebe und Schonung der Familie, vielleicht auch die wirklich erwachte Liebe zu ihrem Gatten, das Herz des jungen Weibes erweicht haben, genug sie zögerte keinen Augenblick, das geforderte Geständniß abzulegen.
Kaum aber ist es beendigt, als sich die Thür öffnet, und herein treten die im Nebenzimmer versammelt gewesenen Personen, bestehend aus dem Squire (Friedensrichter), dem Geistlichen, und 5 oder 6 Nachbarn. Es wird ihr angedeutet, daß sämmtliche den Namen ihres Verführers wohl verstanden haben, und sie wird freundlichst ersucht, denselben noch einmal zu wiederholen, was sie auch ohne Widerrede thut. Ein Protokoll, das sie selbst und alle Gegenwärtige unterschreiben, wird sofort darüber aufgenommen, nachher zur Taufhandlung geschritten, das Kind empfängt des genannten Vaters Namen, und der Ueberrest des Tages wird nun schmaußend und bei der Flasche verbracht.
Tags darauf gehen Vater und Sohn zu dem reichen Kaufherrn in der Stadt, benachrichtigen ihn von der gemachten Entdeckung, und fordern als Entschädigung für ihre gekränkte Ehre und zur Erziehung und Versorgung des Kindes eine Summe von mehrern Tausend Dollars. Der Herr glaubt jedoch mit dem schon bezahlten Eintausend alles abgemacht zu haben, und gebraucht, als jene mit dieser Meinung nicht übereinstimmen, das amerikanische Hausrecht, d.h., er wirft sie zur Thür hinaus.
Dadurch wohl erbittert, aber keinesweges abgeschreckt, begeben sie sich nunmehr zu einem der besten Lawyers (Advokaten) der City. Dieser, nach Durchlesung des Protocolls und nach Anhörung der Sache, schlägt fröhlich die Hände zusammen, nimmt den Prozeß an, ohne den üblichen Vorschuß zu fordern, verspricht den besten Erfolg, und bei der nächsten Court-Sitzung ist er schon anhängig gemacht. Er nimmt gleich anfänglich einen Gang, der keinesweges den Erwartungen des Verklagten entsprechend ist. Er wird gewarnt, und erklärt sich bereit, die erste Forderung zu bewilligen. Aber dies wird nun schon nicht mehr angenommen. Er bietet nun 5, er bietet 6000 Dollars, doch auch diese vergebens. Indeß geht der Prozeß seinen Gang fort, und die in Amerika so hohen Kosten schwellen immer mehr; und immer bedenklicher wird die Sache. Es wird von Ehebruch und dessen strenger Strafe gemurmelt, und alle Freunde des Verklagten rathen ihm einen möglichst baldigen Vergleich an. Dieser kommt nun endlich, doch mit 11 000 Dollars, und der alleinigen Tragung der Gerichtskosten auf Seite des Verklagten, zu Stande. Die Herren Lawyers, die der Verklagte ebenfalls bezahlen muß, mögen auch eine treffliche Erndte gehalten haben.
Von dieser Geschichte habe ich nachträglich noch so viel gehört: Das junge Paar lebte von nun an wie ein Leib und eine Seele. Da jedoch die junge Frau sich von den Frauen ihrer Nachbarschaft nicht recht geachtet sah, so verließen sie beide bald nach Ausgang des Rechtshandels Pensylvanien, und begaben sich nach dem Ohio, wo sie für ihr schönes Geld eine trefflich gelegene Farm ankauften. Das auf diese Weise entsprungene Kind blieb bei weitem nicht das Einzige; soll jedoch nie gefühlt haben, daß es einen Stiefvater gehabt, vielmehr als ein Heil- und Glücksbringer betrachtet und behandelt worden seyn.