G. F. Streckfuss
Der Auswanderer nach Amerika
G. F. Streckfuss

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Es war in dem Monat April noch empfindlich kalt, und obgleich ein großer Ofen vorhanden war, wurde doch, nachdem der Kaffe gekocht war, nicht mehr eingeheitzt. Es fror mich und meine Kinder sehr. N*** selbst bebte vor Frost und lud mich zu einem Spaziergange nach der Stadt ein. Wir blieben bis Mittag weg und meine Kasse erhielt einen neuen empfindlichen Stoß. N*** wollte selbst Bier brauen. Er rühmte sich ein treffliches Bier aus Waitzenkleyen und Hopfen fertigen zu können, und wolle nun nicht mehr dem Schinder die Keule abkaufen; wir würden dabei viel verdienen können. Dies wäre alles recht gut gewesen, wenn nur meine Kasse nicht wieder in Anspruch genommen worden wäre. Allein die Materialien mußten herbeigeschaft werden, und es wurden ein Sack Kleyen und ½ Pfund Hopfen eingekauft: Der Sack wurde von uns abwechselnd nach N***s Wohnung getragen; wo wir dessen Frau, – damals hieß sie noch seine Pflegetochter, späterhin hat sie sich ihm antrauen lassen, – beschäftiget fanden, bei, an der Werft zusammen gelesenen Spänen, Theile eines Ochsenkopfs mit Kartoffeln zu kochen. Nun es war doch ein nahrhaftes Gericht, und das Zimmer war leidlich erwärmt. –

Als aber Nachmittags die geringe Wärme, welche die Späne gegeben hatten, wieder schwand, wurde es in der Stube so kalt, daß es fast nicht auszuhalten war. Ich merkte bald, woran es lag, und um mit meinen Kindern nicht zu erfrieren, mußte der Rest meiner Kasse springen. N*** wußte sich wohl zu helfen; er trank häufig Schnaps; auch ich wäre damals gern seinem Beispiele gefolgt, wenn ich nur Geld gehabt hätte.

Was sollte hier aus mir und meinen Kindern werden; womit wollte ich mir einen Unterhalt verschaffen? – Unaufhörlich beunruhigten mich diese Gedanken. Die Täuschungen, welche mich nach Amerika gelockt hatten, waren entwichen; ich sah die Verhältnisse in ihrer nackten, traurigen Gestalt. Ich kam zu der Ueberzeugung: ich müsse hier mit den Meinigen zu Grunde gehen, und meine Blicke und Wünsche wandten sich wieder dem theuern Vaterlande zu. Mein Bestreben ging nun unabläßlich dahin, mir die Rückkehr vorzubereiten. Ich konnte nachweisen: daß ich in der Heimath noch ein kleines Vermögen besitze und ich hoffte mir dadurch Kredit und die Mittel zur Rückkehr zu verschaffen. Ich schrieb zuvor an den Herrn, welcher mich schon einmal mit einem Vorschuß gütig unterstützt hatte, und an den ich empfohlen war; doch ich bekam keine Antwort. Meine Bemühungen, Geld aufzutreiben, brachten mir jedoch den Vortheil, daß ich durch die Vermittelung der Herrn Heineck und Schuhmacher – diese Herren haben mir auch späterhin manche und große Güte erzeigt, welches ich hier aus weiter Ferne dankbar anerkenne – eine Unterstützung von 5 Dollars aus der deutschen Gesellschaft erhielt. Ich glaubte N*** nicht die reine Wahrheit sagen zu müssen, wohl wissend, daß mir bald alles abgelockt seyn würde, und behielt daher etwas für Schnupftabak und andere kleine Bedürfnisse zurück.

Aber wie wurde er freundlich, als ich wieder mit Gelde klapperte! –

Nachdem ich 14 Tage bei N*** so verlebt hatte, trat er mit einer Rechnung vor, auf welcher alle für sein Hauswesen gemachten Ausgaben aufgeführt waren, von welchen ich die Hälfte tragen sollte; ja, zu dem Hauszinse sollte ich die Hälfte beisteuern. Sie betrug ein hübsches Sümmchen für meine damaligen Umstände; obschon meine Beköstigung elend genug gewesen war: Meine 5 Dollars wurden dadurch sehr in Anspruch genommen.

Da ich kein Geld auftreiben konnte, mußte ich meinen Entschluß, nach Europa zurückzukehren, vor der Hand aufgeben.

Ich mußte etwas zu verdienen suchen und ich lief nach Arbeit überall herum. Ich wollte mich zu der allerniedrigsten hergeben; aber an jeder Ecke in Baltimore standen große Haufen kräftiger Männer, welche auf Arbeit lauerten und mich, den so sehr abgemergelten Mann, mochte Niemand. N*** wurde ich immer mehr schuldig und ob er gleich artig genug war, nichts darüber zu sagen, so bemerkte ich doch, wie nothwendig er Geld brauchte. Um diesem Mangel abzuhelfen, mußte alles, was ich noch von einigem Werth besaß, ins Leihhaus, wo ich für 10 Dollars Werth etwa einen Dollar bekam.

Meine Stimmung war fürchterlich. Ich versank in dumpfe Verzweiflung, aus welcher mich nur die Liebe zu meinen Kindern ein wenig erhob. Was aus mir werden solle; wie lange N***, dessen Character sich immer mehr und mehr entfaltete, mich, nachdem alle Hülfsquellen erschöpft waren, noch bei sich dulden werde, konnte ich nicht errathen. Die Zeit, wo der Hunger mich bald an seinen magern Tisch laden würde, stand mir schrecklich nahe; und der Versucher trat zu mir. Es war mir nicht möglich einen Verdienst zu finden. Mein zerstreutes, ängstliches Wesen mußte auffallen. Der Amerikaner schämt sich nicht, denen, welche er in Noth sieht, vorzüglich aber den Deutschen, allerhand Anträge zu machen. So kam auch einer zu mir und wollte mir meine Kinder unter der Bedingung abnehmen, daß ich sie ihm verbinden, das heißt, bis zu ihrem 18ten Jahre als volles Eigenthum übergeben solle. In der That ein Anerbieten, welches in einem Lande, wo Handel mit Menschen zu treiben erlaubt ist, nicht auffallen konnte. Ein solches Geschäft muß, gleich jedem andern Menschenkauf, vor irgend einer gerichtlichen Behörde abgeschlossen werden; und derjenige, welcher sich so ein Kind erwirbt, hat eben das Recht über dasselbe erlangt, welches dem Eigenthümer von Sclaven über diese zustehet; nur mit dem Unterschiede: daß er es nicht wieder verkaufen darf und etwas milder behandeln muß. Mein ältestes Kind war damals ein blühendes, liebliches Mädchen von 6 Jahren; mein jüngstes, ein 4jähriges Mädchen, war zwar von ihrem Scharlachfieber wieder hergestellt, litt aber, als Folge desselben, an einem Hautausschlag; trotz dem wollte man mir sie abnehmen, obschon ohne Entschädigung, wogegen mir für meine älteste 50 Dollars geboten wurden. War ich auch damals so unglücklich, so hoffnungslos, daß mein Gehirn selbst Gedanken von Selbstmord durchzuckten, so waren es doch gerade diese Kinder, die mich noch einigermaßen empor hielten; und schrecklich, furchtbar war mir der Gedanke an die Möglichkeit, ich könne durch Hunger gezwungen werden: sie aufzugeben. Ich wies also diese Anträge mit Verachtung; selbst mit Grobheit zurück.

Ich mochte so sieben Wochen bei N *** verlebt haben, als ich eines Tages aus der Stadt zurück kam, wo ich Arbeit gesucht hatte. Ich fand ihn an der Hausthür, sehr freundlich; ja er kam mir sogar mehrere Schritte entgegen und fragte mich, was ich ihm wohl geben wolle, wenn er mich mit guten Nachrichten erfreue. Fast gedankenlos staunte ich ihn an, ohne zu antworten; er brachte nun selbst in Vorschlag, daß ich wenigstens eine Bouteille Wein zum Besten geben müsse; welches ich endlich fast mechanisch versprach. Nun zeigte er einen Brief vor, auf welchem die Herrn Heineck und Schuhmacher bemerkt hatten, daß ich sofort in ihr Comptoir kommen solle, wo gute Nachrichten mich erwarteten. Wie könnte ich meine damaligen Gefühle beschreiben. Der Inhalt des Briefs kündigte mir Hülfe an. Meine Noth sollte ein Ende haben. Ich warf mich auf meine Knie, um dem Geber alles Guten, der mich so hart geprüft hatte, zu danken. Dann eilte ich an den bezeichneten Ort, wo ich ein hübsches Geldsümmchen erhielt.

Meine erste Sorge war, als ich mich wieder im Besitz einiges Geldes sah, N***s Haus zu verlassen, und mir eine andere Wohnung zu suchen. Es gelang mir dies bald. Brummend und knurrend entlies mich N***. Ich zog zu einem gewissen W**, welcher mir Wohnung und Kost in seinem Wirthshause anbot.

Dieser Mann, den ich schon einige Zeit zuvor hatte kennen lernen, gewann bald meine Freundschaft, so wie er mir die seinige schenkte. Die Erzählung seines mühvollen Lebens zog mich an; seine regelmäßigen, ja schönen Gesichtszüge, sein ehrwürdiges Aeußere, welches jedoch tiefe Spuren unglücklicher Schicksale trug; sein graues Haupt, erweckten mein Vertrauen. Er war ein Mann von 50 Jahren und ein geborner Würtemberger. Noch sehr jung mußte er Soldat werden; allein als sein Regiment im Jahr 1806 marschirte, ergriff er die erste sich ihm darbietende Gelegenheit, um davon zu laufen. Er ging nun in österreichische Dienste; aber auch diese behagten ihm nicht. Bald verließ er sie heimlich und ging zu den Franzosen. Mit diesen macht er die Feldzüge gegen Spanien mit, wird von den Engländern gefangen, will auch hier sein Glück versuchen; und tritt in ein Dragoners-Regiment. Bald ist ihn aber der englische Dienst verleidet; das französische Leben gefällt ihm besser und immer glücklich beim Davongehen, kommt er mit Sattel und Zeug zu den Franzosen und wird sofort eingestellt. Er macht nun den letzten Theil des spanischen Krieges mit und kommt nach Napoleons Abdankung und Wiederherstellung der Bourbonen mit der Französischen Armee nach Frankreich. In Bourdeaux wird er Bedienter bei einem, aus hoher Familie abstammenden, General. Dieser ermordet beim Spiel einen Kapitain und er wird beauftragt, den Leichnam ins Wasser zu tragen. Aus Dankbarkeit für seine Treue und Verschwiegenheit, bringt ihn der General in die Dienste der Herzogin von Angouleme; aber die Rückkehr Napoleons reißt ihn wieder aus denselben. Während der 100 Tage führt er ein unstetes Leben; durchstreift Frankreich in verschiedenen Richtungen und kommt endlich nach Bourdeaux zurück. Hier hält er sich einige Jahre auf, ergreift verschiedene Nahrungszweige, bis endlich sein wohlhabender Vater seinen Aufenthalt erfährt und ihn zurückruft. Er verlebt nun einige Jahre im Vaterhause, nimmt dann ein kleines Gut an und heirathet. Aber das ruhige Leben behagt ihm, den an das Herumstreifen gewöhnten nicht; er überläßt die Wirthschaft seiner Gattin und fängt einen Hausirhandel an. Unglücklich in diesem, zerfallen mit seiner Familie, veräußert er alles was er hat, kauft Uhren, behält von seinem Vermögen nur so viel in baarem zurück, als er zur Ueberfahrt bedarf, und folgt mit Gattin und 4 Kindern dem Zuge nach Amerika. Dort angekommen, wird ihm für diese Uhren ein bedeutender Zoll abgefordert, den er nicht anders als durch den spottwohlfeilen Verkauf eines Theils derselben decken kann. Einen andern Theil muß er verkaufen, um mit seiner Familie ins Innere gehen zu können. Er kommt bis Pittsburg, pachtet in dessen Nähe ein Blockhaus mit 36 Ackern Landes, überläßt deren Bewirthschaftung abermals Frau und Kindern und durchstreift mit seinen Uhren den Ohio- und Misouristaat, Louisiana und Illinois. Nachdem er die meisten Uhren verkauft und den größten Theil des Erlöses verzehrt hat, oder darum betrogen worden ist, kommt er mit noch einigen Uhren und fast ohne Geld zur Gattin zurück. Die Abnahme des Geldes nöthigt ihn, den Ueberrest seiner Uhren zu verkaufen; aber kaum hat er sie ausgeboten; als ein bisheriger Freund, ein Landsmann, hingehet und anzeigt, daß er keinen Gewerbschein – Lizenz – habe. Ein schwerer Prozeß wird nun gegen ihn eingeleitet; seine Gattin ist gezwungen, in seiner Abwesenheit Schulden, zu machen; die Gläubiger erwachen, der Pachtzins wird fällig, man bemächtigt sich seiner Uhren, seines Viehes, seiner ganzen Habe, und er sieht sich in kurzem seines ganzen Eigenthums beraubt.

Er ist nun an den Bettelstab gebracht; aber in dieser äußersten Noth erhält er die Nachricht: daß sein Vater gestorben ist; und – eine Remesse von 400 Dollars. Er eilt nach Baltimore um sie einzuziehen, läßt Frau und Kinder nachkommen, und pachtet dort ein Wirthshaus. Aber die Gastwirthschaft geht schlecht; denn der Herr Wirth ist einer seiner besten Kunden. Der alte Soldat kehrt immer zurück. Er vermag große Massen zu verschlucken, ohne betrunken zu werden. Um diese Zeit machte ich mit ihm Bekanntschaft, sein ehrliches, biederes Benehmen zog mich an, und da ich einmal mit N*** zerfallen war, entschloß ich mich, zu ihm zu ziehen.

Kurz nach meiner Ankunft in seinem Hause war mir ein neuer Versuch zu einem Erwerb mißlungen. Ich wollte nun mit andern Auswanderern, die häufig ankamen, in den Missouristaat gehen; aber mein braver Wirth hielt mich davon zurück; indem er mir den traurigen Zustand der dortigen Anbauer schilderte. Ich ließ mich auch halten; doch bald nachher wurde mir in Montgommery, County Maryland, ohngefähr 50 Meilen von Baltimore, ein Landgut von 150 Acres für 700 Dollars angeboten, welches als vorzüglich gerühmt wurde; aber ohne Haus und Befriedigung – fence war. W** erbot sich sogleich zur Theilnahme an dem Besitz desselben; wenn ich Lust dazu hätte; eben so ein gewisser Schneider, welcher mit seiner Frau und 6 Kindern erst vor kurzem nach Baltimore gekommen war. Ich ging darauf ein; aber das Gut mußte doch zuvor besehen werden und W** übernahm dies, weil er, wie er zu sagen pflegte, ein geborner Bauer sey und den Boden in Amerika eben so gut, als den in Europa beurtheilen, könne; ihn sollte man nicht betrügen. Ich hatte in der That zu seiner Klugheit und Ehrlichkeit ein so großes Vertrauen, daß ich ohne Einrede sein Erbieten annahm. Was nun die Ehrlichkeit betraf, hatte ich mich nicht getäuscht; wohl aber hatte ich mich über Mangel an Klugheit zu beschweren. Er reiste auch wirklich und zwar in Gesellschaft des Eigenthümers hin. Dieser rühmt ihm schon unterweges sehr die Güte des Bodens, klagt aber zugleich über Verluste in seinen Geschäften durch diese Reise; und sucht ihn so auf die beabsichtigte Abkürzung des Aufenthalts vorzubereiten. Auch gelang ihm dies nur zu gut.

Dort angekommen, werden dem guten Manne die Waldgränzen, die aber der Verkäufer nicht recht kennen will, und welche auch nicht richtig waren, überhin angegeben; man zeigt ihm in Vorbeigehen einige gute Grundstücke; und dann wird die Rückreise sofort angetreten. Er hat also beinahe nichts gesehen und kehrt unverrichteter Sache zurück; aber er schämt sich es zu gestehen und lobt das Gut außerordentlich. Konnte ich an der Wahrheit seiner Erzählung zweifeln? – Ich mußte ein sicheres Unterkommen wünschen; der Handel wurde daher abgeschlossen, billige Bedingungen gestellt und die Abreise beschleuniget.

So war ich denn endlich ein amerikanischer Bauer geworden, deren glückliche Lage mir in Europa so sehr gerühmt worden war. Meine neue Besitzung lag nicht zu sehr entfernt. Wie glücklich fühlte ich mich; ich hoffte endlich ein Ruheplätzchen gefunden zu haben, wo ich den Rest meines Lebens zubringen, meine Kinder fröhlich um mich aufwachsen sehen könnte. Nachdem ich und W** unsere Geschäfte in Baltimore gänzlich abgemacht ; W** seine Wirthschaft einem andern übergeben hatte, luden wir, ich, W** und Sch. unsre Familien und Sachen auf einen großen, in Amerika gebräuchlichen Bauerwagen, welche mit Landeserzeugnissen in die großen Städte kommen und auf dem Rückwege Kaufmannswaaren oder Einwanderer mitnehmen. Es war ein großer, langer, blau angestrichener Kasten, welcher die nicht ganz unbeträchtlichen Wirtschaften dreier Familien in sich aufnahm und auf dessen Oberfläche noch 18 Personen Platz fanden. Unsere Abfahrt erfolgte bei dem lieblichsten Wetter. Wir brachen etwas spät auf, konnten an diesem Tage nur noch 10 englische Meilen machen, und kamen bei schönem, hellem Mondschein zu einem hübschen Gasthofe, wo wir abstiegen und die Nacht zubrachten. Der Herr Wirth war ein ziemlich maulfauler Hanoveraner; der nichts destoweniger am andern Morgen eine starke Rechnung machte. Und er war ein Deutscher!! –

Bei Tagesanbruch bewegte sich unser mit Menschen und Sachen wohlbepackter Wagen weiter, seinen Weg auf der schlechtesten Straße, Berg auf und ab und durch dichte Wälder verfolgend. Der Wagen schwankte fürchterlich; wir waren oft in Gefahr, umgeworfen zu werden; und ich zitterte für das Leben meiner Kinder. Aber der sorgfältige Fuhrmann brachte ihn überall glücklich durch. Er war einer jener biedern deutschen Pensylvanier; ein schöner langer Mann; artig und anspruchlos. Er sprach mit gleicher Fertigkeit das Englische, wie sein etwas rohes Deutsch. Wir fuhren bis tief in die Nacht, ehe wir ein Wirthshaus erreichten; wo wir aber weder etwas zu essen, noch Futter für die Pferde fanden. Obgleich die Mitternacht schon nahe war, so war im Hause doch noch alles munter; es wurde, wie es schien, stark gespielt. Wir fanden endlich Obdach in einer entfernten Kammer und der Fuhrmann war genöthiget, durch Schwarze einige Bushel Welschkorn in einer entfernten Plantage um hohen Preis kaufen zu lassen. Nur wenige Stunden war uns der Schlaf vergönnt; nüchtern mußten wir aufbrechen und erst in dem 10 Meilen entfernten Rokville fanden wir Erquickung und Futter für die Pferde. So fuhren wir noch bis Nachmittags gegen 4 Uhr, wo wir endlich auf unserm neuen Besitzthum ankamen. Es lag in einer reizenden, lieblichen Gegend, bildete einen sanften Abhang und wurde von einem schönen Waldkranze umfaßt. Die unbebaute Fläche war aber nicht mit grünem Rasen, sondern entblätterten Brombeersträuchern und einem hohen, gelben, binsenartigen Grase bedeckt. Es fiel mir dies sogleich auf; ich rufte meinen gebornen Bauer und fragte ihn, wie es denn komme, daß hier alles so gelb sehe, da es doch in diesem Jahre an Regen nicht gefehlt habe. Sehen Sie, gab er mir zur Antwort, denn nicht das viele Vieh, das hier weidet; wie kann da ein grünes Gras aufkommen. Ich stach ein wenig in die Erde und fand den Boden sehr sandig. Dies, meinte er, wäre hier zu Lande der beste Boden. Ich mußte mich bescheiden.

Da wir keine Häuser hatten, der nächste Nachbar mehr als eine Meile entfernt wohnte, so mußten wir in der ersten Nacht unsere Ruheplätzchen in Freien bereiten. Doch die Nacht war warm und schön; ein dichtbelaubter Kastanienbaum bot uns seinen Schutz; mit Betten waren wir reichlich versehen und alle schliefen herrlich. Nur gegen Morgen kam uns eine Schweinheerde so nahe, daß wir aus dem Schlafe gestört wurden. Die lieben Thiere wollten wahrscheinlich die neuen Gäste kennen lernen. Ich kann nicht sagen, daß mein Verlangen nach ihnen eben so groß gewesen wäre; ich hetzte unsern großen Hund auf sie, welcher bald Ruhe schaffte.

Am andern Morgen waren wir alle fleißig daran uns 2 Hütten zu erbauen, in welchen wir fürs erste das nöthigste Obdach finden könnten. Baumäste wurden abgehauen; diese durch Stangen befestiget und mit belaubten Zweigen so dicht verbunden, daß wir wohl für Regen gesichert zu seyn glauben durften. Gegen Mittag war die Arbeit beendiget und unsere Wohnungen standen fertig da. Sie waren 24 Fuß lang und 18 Fuß tief. Wir hatten bald Gelegenheit ihre Festigkeit zu prüfen. Schon in der ersten Nacht erhob sich ein ziemlich starker Sturm, und als wir am Morgen aus der Hütte heraustraten, sahen wir den Himmel mit dicken, schwarzen Wolken behangen. Bald strömte der Regen herab, breite Bäche stürzten auf unsere Hütte zu; und von oben drang er durch tausend Löcher herein. Guter Rath wurde theuer, die Männer fluchten, die Weiber jammerten, und die Kinder weinten und schrien, zu welchem Concert der plätschernde Regen accompagnirte. Ich hatte mich jedoch bald gefaßt; nahm meine Kinder bei der Hand und führte sie zu dem nächsten Nachbar. Er nahm uns gütig in sein kleines Blockhäuschen auf und verschloß auch dann seine Thüre nicht, als der ganze, noch 15 Köpfe starke Haufe, triefend von Nässe, nachkam. Der Regen dauerte den ganzen Tag fort, drang in unsere Kisten; durchnäßte unsere Betten, und verursachte manchen Schaden; mir vorzüglich, indem er meiner Gattin Bild sehr beschädigte, welches sie mir in unserer ersten Ehezeit – die glücklichste meines sturmbewegten Lebens – geschenkt hatte.

Der Regen dauerte den ganzen Tag und die folgende Nacht ununterbrochen fort, und wir sahen wohl ein, daß unsere Hütten uns nicht hinreichenden Schutz darböten. Wir mußten uns nach einer andern Wohnung umsehen. Aber woher diese in der so menschenarmen Gegend nehmen? – Der größte Theil der Häuser bestand hier aus Blockhäusern, in welchen höchstens die sie bewohnenden Familien Platz hatten. Endlich waren wir jedoch so glücklich, ein leeres Blockhaus zu finden; aber es war 2 Meilen von unserm Eigenthum entfernt. Wir mußten daher alle Morgen von hier unsern Weg dahin antreten, um unsere Arbeit, zu besser eingerichteten Wohnungen, beginnen zu können.

Es ging jedoch rasch daran; Bäume wurden gefällt und zugehauen, an welcher Arbeit aber meine ungewohnte Hand keinen Antheil nehmen konnte. Ich grub indeß auf einer der besten Stellen unsers Landes einen Garten. Nach Verlauf von vier Wochen standen unsere Wohnungen aufgerichtet da; wobei unsere Nachbarn treulich mit Hand angelegt hatten. Nun mußten Löcher für die Thüren eingehauen; die Lücken, welche die Baumstämme gelassen hatten, mit Lehmen verklebt und durch einige eingefügte Glasscheiben, der Mangel der Fenster ersetzt werden. Dann wurden die ungedielten, noch mit keiner Thür versehenen Häuser bezogen.

Bis hierher war mir die Heiterkeit des Geistes ungestört geblieben, welche ich nach Empfang einiger Hülfe aus Europa wieder gewonnen hatte. Ich war völlig gesund und voll schwärmerischer Hoffnungen wegen meiner Zukunft; und leicht wurden die Zweifel, welche ich über die Güte des Landes, das Gelingen meiner Plane hegen konnte, durch W**, – den gebornen Bauer – beschwichtiget.

Zwar wurden meine Geldmittel von Tage zu Tage schwächer; aber ich wußte, daß ein Wechsel von 300 Thalern noch zurück war, der sich zwar verirrt zu haben schien, welchen ich aber aufzufinden möglichst bemüht war. Nach Eingang dieses Wechsels sollte die erste Anzahlung an die Verkäufer gemacht, etwas Vieh gekauft und ein kleiner Handel angefangen werden.

Aber jetzt zeigten sich fast bei allen an verschiedenen Theilen des Körpers Geschwüre; bei den Kindern auf dem Kopfe, bei Erwachsenen an den Füßen. Ich blieb ziemlich lang davon befreiet; aber mochte das Klima endlich auch einwirken, oder mochte die ungewohnte Arbeit, das Lehmtreten mit bloßen Füßen, schuld seyn, mein linker Fuß fing an zu schwellen, ob ich schon, außer den großen Schmerzen, welche ich empfand, äußerlich nichts daran bemerkte. Ich schämte mich um so mehr, die einmal angefangene Arbeit einzustellen, da man mich schon genug über meine ungeschickte Handhabung der Axt verspottet hatte, und trieb das Wesen so lang, bis einer meiner Füße aufbrach und am Knorren sich eine eiternde Wunde zeigte. Die Schmerzen die mir diese verursachte hinderten mich bald, auch nur aufzutreten, und so sah ich mich genöthiget, meine ganze Zeit auf dem Bette zuzubringen. Zugleich fehlte mir zum Verband der eiternden Wunde alles; und mußte ein Hemde zerrissen werden, um die böse Wunde nur nicht ganz offen zu lassen und um das einzige Pflaster, welches ich hatte, ein wenig Schweinefett, darauf festzuhalten. Da mir meine Gefährten alle Hülfe versagten, so mußte ich zum Wasser und Feuerplatz kriechen; wenn ich kochen, oder Wasser haben wollte. Meinem Schmerzenlager nahte sich täglich drohend der Hunger; denn ich konnte mir keine Lebensmittel verschaffen. Und wenn mich auch eine gütige Vorsehung vor demselben oft wie durch ein Wunder schützte, – gewöhnlich kamen Schwarze und überließen mir für Geld und gute Worte einige Lebensmittel; – bestand meine und meiner Kinder Nahrung doch nur aus den gröbsten Speisen, als: Welschkornmehl, Kraut, Kartoffeln ohne Fleisch, oft ohne Schmalz, sehr oft ohne Salz.

Ich muß hier die Güte rühmen, mit welcher unsere edelmüthigen Nachbarn uns gleich nach unserer Ankunft entgegenkamen. Sie besuchten uns häufig; aber nie mit leeren Händen; und versorgten uns so reichlich mit Lebensmitteln, daß wir an nichts Mangel litten. Aber meine Gefährten waren Leckermäuler, gingen, wenn irgend ein Bedürfniß eintrat, in die Hauser, um es sich zu erbetteln, und kamen gewöhnlich, reich beladen, wieder zurück. Nun blieben aber die gütigen Unterstützungen, welche unsre Nachbarn früher in unser Haus gebracht, und wovon ich auch meinen Theil erhalten hatte, nebst ihren Besuchen aus; da ihnen das mit Zudringlichkeit abgefordert wurde, was sie sonst freiwillig gegeben hatten. Während um mich her besser gelebt wurde, als ich dies auch in guten Tagen je gekonnt hatte, mußte ich und meine armen Kinder mit den gröbsten Nahrungsstoffen vorlieb nehmen. Man hütete sich wohl zu gestehen: daß wir an dem Erbettelten nicht Theil haben sollten, aus Furcht, dadurch zu verlieren.

Unterdeß wurde mein Fuß immer schlimmer und schlimmer; ich fand kein Mittel, welches meine Schmerzen hätte lindern können. Fast noch mehr als meine Körperleiden, schmerzte mich aber der Zustand meiner armen Kinder. Zwar hielt ich darauf, daß sie täglich gewaschen, daß ihre Wäsche wöchentlich gewechselt wurde, aber ich konnte nicht verhindern, daß die Kopfgeschwüre immer bösartiger; und meine Lage immer verzweifelter wurde.

Doch eben jetzt, wo ich an jeder Rettung verzweifeln mußte, nahte sich mir Hülfe. Mehrere unserer Nachbarn hatten endlich Kenntniß von meiner elenden Lage erhalten; sie kamen, mich zu sehen und mir Hülfe zu bringen. Ihre Güte versorgte mich mit Lebensmitteln, gab mir Pflaster für meine wunden Füße. Zwar erhielt ich dadurch keine Hilfe, meine Schmerzen wurden nur vermehrt; allein der Gedanke, ich sey nicht ganz verlassen, beruhigte mich, entriß mich der dumpfen Verzweiflung, welche mich ergriffen hatte.

Edle Menschen, die ihr mir, den aus weiter Ferne zu euch gekommenen Fremdling, uneigennützig Trost und Hülfe brachtet, ihr Maurerbrüder, Böhm und Paul; ihr Nicholes, Dowzen, Cromvel, Jessowe, Dorze, Moser, Williams, empfangt hier meinen aufrichtigen, tiefgefühlten Dank; möge er zu euch dringen; möchtet ihr für die mir erzeigte Liebe und Freundschaft belohnt werden! – Aber ihr seyd es bereits durch das Gefühl einer schönen und edlen That. Nie werde ich eure Wohlthaten vergessen! –

Selbst Schwarze kamen und erbarmten sich meines Zustandes. Auch ihnen danke ich; möge es ihnen dafür wohl gehen. –

Diesen immer häufiger werdenden gütigen Besuchen verdankte ich endlich die Erlösung von meinen Fußleiden; nachdem es mir von Anfang September bis Anfang December unsägliche Schmerzen verursacht hatte. Mein Freund Dowzen schickte mir die schwarze Sclavin eines entfernten Freundes zu. Sie besichtigte meinen Fuß, brachte mir bald darauf eine blecherne Büchse voll grüner Salbe, und gleich bei dem ersten Auflegen derselben spürte ich Besserung. Nach Acht Tagen war mein Fuß heil; und ich konnte ohne Schmerzen umhergehen.

Unterdessen war der December herbeigekommen und der Winter trat mit einer furchtbaren, hier aber gewöhnlichen Strenge ein. Der Schnee fiel in Massen herab; schmolz zwar anfangs wieder und erweichte den Boden so, daß man keinen Tritt thun konnte, ohne bis an die Knorren in die Erde zu treten; aber bald gefror er zu harten, festen Massen.

Meine Hülfsmittel waren indeß aufgezehrt. Bei meiner Lage war mir nicht möglich gewesen, mit vorsichtiger Sparsamkeit Haus zu halten. Es blieb mir kein Ausweg und ich wendete mich noch einmal an den Mann, an welchen ich empfohlen war. Ich bat ihn zugleich, seine Antwort an das 2 ½ Stunde entfernte Postamt – Office – Dowzensvill, zu adressiren. Aber es vergingen Wochen und keine Antwort erfolgte. Mein Geld drohte völlig zur Neige zu gehen und nun wurden mir auch die Augen über den Werth unseres Besitzthums geöffnet.

Mein Nachbar, Nicholes, bewies mir bis zur Ueberzeugung, daß wir uns nicht darauf ernähren könnten; und da er in Erfahrung gebracht hatte, daß noch nichts darauf angezahlet worden sey; rieth er mir, es sofort zu verlassen. Er wollte mir von allen seinen Nachbarn schriftliche Zeugnisse bringen, welche die Wahrheit seiner Behauptungen darthun würden.

Allein diese Aufklärungen kamen mir gerade jetzt sehr zur unrechten Zeit. Meine theuren Gefährten hatten bereits manchen Baum umgeschlagen; ich, der Unterzeichner des Vertrags mußte natürlich dem Verkäufer für alles haften; fürchten, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden; allein, was konnte ich thun, wie mich entfernen, da ich kein Geld hatte und der Winter mit seiner furchtbaren Strenge fortfuhr. In dieser Noth machte mir mein Nachbar Moser den Vorschlag, mich nach Fredrikstown zu wenden und mir dort durch Unterricht in der französischen Sprache Unterhalt zu verschaffen. Er wollte mich dahin bringen; und ich ging in den Vorschlag ein. Doch die anhaltende Strenge des Winters verzögerte die Ausführung. Alle Wege lagen unter tiefen Schnee und waren unfahrbar. Meine wenige Baarschaft schwand immer mehr. Der Januar 1836 verging, ohne daß irgend eine Verbesserung meiner Lage eingetreten wäre. Die Nachbarn wußten mich gesund und ihre Hülfe blieb aus.

Da trat der Tag endlich ein, wo ich gar nichts mehr hatte; kein Geld, keine Lebensmittel. Das letzte Welschkornmehl war zum Frühstück verkocht worden. Wo ich Mittagsbrod hernehmen sollte, wußte ich nicht. Aber auch in dieser, in der verzweiflungsvollsten Lage, verließ mich die gütige Vorsehung nicht.

Ich sah kein anderes Auskunftsmittel, als meine Nachbarn um Hülfe anzusprechen. Aber welchen wohl zuerst? –

Noch dachte ich darüber nach, als ich vor der Thür Pferdegetrappel unter dem Knistern des Schnees vernahm. Ich trat heraus und da ist mein alter Wohlthäter, mein Nachbar, Nicholes, welcher meine Noth zufällig erfahren hat und mir einen starken Sack mit Welschkorn, ein großes Stück Schweinfleisch bringt. So war ich wieder für einige Zeit versehen. Ich hatte dem Manne gerne die Hände geküßt; ich wußte nicht, wie ich ihm mündlich genug danken sollte. Aber er sah die Thränen aus meinen Augen stürzen; drehte sein Pferd und sprengte in Gallopp davon.

Habe Dank für deine Güte! – Du, edler Mann, entrissest einen Vater dem stechenden Schmerz, seine Kinder nicht, oder nur mit Bettelbrod sättigen zu können. Gott gebe dir dafür eine gute Stunde, entferne von dir jeden Schmerz, jedes Leiden! –

Meine damalige Lage überzeugte mich, daß der Arme, welcher sich schämt den Bettelstab zu ergreifen, der unglücklichste ist.

Möchten dies Reiche doch beherzigen. Wie oft geben sie dem zudringlichen Armen eine Unterstützung, die dieser verschwendet, welche aber dem bescheidenen, seine Noth still tragenden, dem ruhig und mit Hingebung leidenden auf lange Zeit Hülfe und Trost gewährt hätte. Ehe ich jedoch in der Erzählung meiner Schicksale fortfahre, glaube ich dem Leser noch einiges aus unserm Leben im Blockhause zu Besten geben zu müssen.

Ehe die Strenge des Winters eintrat, hatten wir Thauwetter, mit Regengüssen vermischt, die die schützende Lehmbekleidung von unserer Hütte wegschlemmten. Das Wasser drang von allen Seiten in unsere elende Wohnung, und verwandelte den Fußboden in ein Kothmeer. Wir waren genöthiget, mitten durch das Wohnbehältniß einen Graben zu ziehen, um dem Wasser freien Abzug zu verschaffen. Bald darauf trat aber ein furchtbarer Frost ein, verhinderte uns, den durch Thau und Regenwetter entstandenen Schaden auszubessern und Wind und Kälte drang von allen Seiten in unsere elende Wohnung. Gottlob, daß wir einen guten Ofen und Holz genug hatten! – Aber so furchtbar wir auch feuerten – der Ofen glühte fortwährend – konnten wir doch nur ganz in seiner Nähe einige Wärme verspüren.

An jeder Ecke gefror das Wasser in wenig Minuten; ja selbst Wasser, welches wir Abends auf den noch heißen Ofen gesetzt hatten, war früh gefroren.

Die Geräthschaften in unserm Zimmer bestanden aus 3 aus ungeschälten Baumästen zusammen gezimmerten Bettstellen, auf denen 40 Menschen, groß und klein, schliefen; aus einer Bank und drei zerbrochenen Stühlen. Die Bettstellen ersetzten zum Theil die fehlenden Stühle; und die Stelle der Tische vertraten unsere Kisten, auf welchen gegessen, gearbeitet und auch wohl geschrieben wurde. Eine Leiter führte mittelst einer in der Dicke angebrachten Oeffnung, welche mit keiner Thür verschlossen war, zu dem Speicher; und mußte, wenn die Kälte heftiger wurde, mit einem starken Teppich bedeckt werden. Es half dies jedoch nur wenig; denn alle Wärme zog durch die Löcher, welche in den Seiten des Speichers für den Rauch hatten offen gelassen werden müssen, der aus dem zu kurzen, das Dach nicht erreichenden Ofenrohr kam.

Mitbewohner unsres Hauses waren: zwei Schweine, ein großer Hund, ein Hahn, sechs Hühner und eine Katze, welche mit zahllosen Mäusen genug zu thun hatte.

Die Sorge für die geistige Unterhaltung in den langen Winterabenden mußte ich übernehmen. Ich wollte anfangs Unterricht ertheilen und die Kinder in der Religion, in rechnen, der englischen und deutschen Sprache unterrichten; da ich aber als Protestant den Kindern die 10 Gebote nach dem lutherischen Katechismus lehrte, so legten mir die rechtgläubigen Katholiken das Handwerk bald; gerade, als ich in der Bibel bis zum babylonischen Thurmbau vorgeschritten war. Man fühlte jedoch die dadurch in der Abendunterhaltung entstandene Lücke bald, und man drang in mich, alles das zum Besten zu geben, was mein Gedächtnis noch von Mährchen, Ritter-, Räuber- und Geistergeschichten aus früheren Jahren behalten hatte. Dann vermehrte sich unsere Gesellschaft gewöhnlich durch Zuspruch aus dem andern Hause, und jung und alt saß auf Stühlen, Bänken, Bettstellen und Kisten mit gespannten Ohren und offenen Mäulern. War eine Geschichte beendiget, dann unterhielt man sich darüber, machte allerhand Bemerkungen und ließ mir so Zeit, mich auf eine andere zu besinnen.

Doch nun zu mir selbst zurück.

Unter meinen Wohlthätern nimmt Nachbar Dowzen, dessen Vater das benachbarte Städtchen Dowzenvill gegründet hatte, den ersten Platz ein. Immer war er freundlich und gütig gegen mich, den verlassenen Fremdling. Hatte ich Bedürfnisse, suchte er sie zu befriedigen und ich erhielt viel für wenig Geld. Mochte ich allein oder mit meinen Kindern kommen, immer war der Tisch für mich gedeckt. Seine 17 Sclaven, deren Vater er war, umringten mich allemal, und ich mußte ihnen von dem schönen fernen Vaterlande, von seinen prächtigen Städten, seinen Königen und Fürsten, von den Schlachten, die auf seinem Boden geschlagen worden waren, erzählen. Er stand, wenn er zugegen war, selbst dabei, hörte aufmerksam zu, überließ aber das Fragen seinen schwarzen Kindern, um die eigene Unwissenheit nicht zu verrathen. Waren wir aber allein, dann fragte er mich: ob Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart, München, cities, towns oder villen – große, mittlere, oder kleine Städte wären, ob Moskau nahe an Bourdeaux liege, und ob man auf Railroad – Eisenbahn – von Petersburg nach Madrid gelangen könnte; welche Fragen ich jederzeit ehrlich und nach meinem besten Wissen beantwortete.


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