G. F. Streckfuss
Der Auswanderer nach Amerika
G. F. Streckfuss

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Der Leser kennt nun die Geschichte meiner Irrfahrten und Leiden. Möge er billig darüber urtheilen. Ich selbst nehme jetzt von ihm Abschied. – Ich wollte aber nicht blos von mir reden; ich wollte meine Landsleute mit Amerika, seinen Sitten und Gewohnheiten, und insbesondere mit der Lage der dort eingewanderten Deutschen bekannt machen. Ich glaube daher Beifall zu erlangen, wenn ich das, was ich darüber beobachtete und erfuhr, hier mittheile.

Amerika wird sehr verschieden beurtheilt. Die Nachrichten, welche von dort herüber kommen, zeigen uns dasselbe bald als das Land der Glücklichen, wohin man nur gehen dürfe, um ohne Arbeit und Anstrengungen zu genießen; die goldnen Früchte zu brechen, welche überall entgegen winken; oder sie schildern es als ein Land, welches jedem Verderben und Untergang drohe, der es wage sich ihm anzuvertrauen.

Schwer ist es in diesem Widerstreit der Ansichten und Meinungen die Wahrheit herauszufinden. Es ist natürlich, daß diejenigen es herabsetzen, welche ihre Plane scheitern sahen, welche Noth und Elend, anstatt Wohlstand und Glückseligkeit dort eintauschten; daß dagegen andere, welche daselbst ihr Glück gründeten, oder zu gründen glaubten; welche hier den letzten Zufluchtsort fanden; oder die von der Größe und Erhabenheit der Landschaften, der Fruchtbarkeit des Bodens, durch den Anblick seiner großen und prächtigen Städte und ihrer Häfen und Schiffe; seiner Straßen, Kanäle und Eisenbahnen, seines blühenden Handels und wachsenden Gedeihens, zur Bewunderung hingerissen wurden, es mit den glänzendsten Farben hervorheben; die reizendsten Gemälde davon entwerfen.

Ich werde es dagegen so schildern, wie ich es fand; die Eindrücke, welche sich mir darboten, meine Beobachtungen treu wiedergeben. Nie soll mich das Urtheil anderer leiten oder bestimmen. Ich kann irren; und habe vielleicht oft geirrt; allein ich bin mir bewußt: nur meiner Ueberzeugung gefolgt zu seyn.

Das erste, was den Neuangekommenen unangenehm berührt, ist die Verachtung, welche ihm, besonders wenn er ein Deutscher ist, entgegentritt.

Der Irrländer, welcher hier einwandert, ist vielleicht roher, ungebildeter; allein er ist mit der Sprache des Landes vertraut und das giebt ihm über den Deutschen ein Uebergewicht.

Diese Geringschätzung der Deutschen traf auch mich, und mußte einen sehr unangenehmen Eindruck auf mich machen; meine Erwartungen sehr herabstimmen.

Freilich tragen viele der Deutschen die Schuld davon. Wie viele verließen ihr Vaterland, weil sie an Glück und Hoffnungen banquerot waren; weil sie die Ahndung der Gesetze fürchteten; oder weil es sie aussties. Sie hatten kaum genug, um ihre Ueberfahrt bestreiten zu können; und nun sind sie gelandet! – Aber wie wollen sie sich nur irgend einen Unterhalt verschaffen? – Jede Beschäftigung ist ihnen recht, wäre sie auch die niedrigste, schlechteste. Oder kann man annehmen, daß diejenigen, welche sich in der Heimath mit Lastern vertraut gemacht hatten, diesen hier sofort entsagen werden? – Gewiß nicht! – Sie fallen bald in ihre alten Gewohnheiten; betrügen, stehlen, saufen und spielen, so lange sie etwas haben; schwören für wenig Geld falsche Eide, und entehren ihr Vaterland und ihren Namen.

Man braucht einen falschen Zeugen. In Baltimore darf man nur auf den Pointmarkt gehen, um Hunderte zu finden, welche dort auf Arbeit warten und man wird hier ohne Schwierigkeit Leute genug finden, welche bereit sind, mit zu dem Squire zu gehen, um vor ihm alles zu bezeugen, was man nur haben will; durch einen Eid zu bekräftigen. Sie glauben sich mit ihrem Gewissen leicht abgefunden; denn nichts weiter wird von ihnen verlangt, als daß sie, wenn ihnen, die Eidesformel in englischer Sprache vorgelesen worden ist: mit ja – yes – antworten und die Bibel küssen.

Kaum ist ein Schiff mit deutschen Auswanderern angekommen, und sogleich sind Hunderte um dasselbe versammelt; theils um Nachrichten aus der Heimath zu erhalten, theils um Neuigkeiten zu erfahren, oder auch um sich der Ankömmlinge zu bemächtigen. Besonders drängen sich an sie die Eigenthümer kleiner Wirthshäuser, selbst Deutsche, welche in Baltimore in der Pointstraße ihr Wesen treiben und deren Häuser zum Theil wahre Diebeshöhlen sind. Jeder will die neu Angekommenen, welche doch in der Regel etwas mitbringen, haben; man reißt und zankt sich um sie; und jeder spannt sein Netz aus, um einen oder einige zu fangen. Es fallen dabei oft sehr unterhaltende, Lachen erregende Scenen vor. Die Amerikaner stehen dabei im Hintergrunde, sehen dem wunderlichen und lächerlichen Treiben zu; und lassen oft den Spottnamen: dutchmen, dutchmen! – hören.

Gewöhnlich liefert ein solches Schiff für den Friedensrichter und Konstabler gute Arbeit; denn immer giebt es Streitigkeiten, welche vor ihn gebracht werden, und die gewöhnlich zum Nachtheil der armen Fremdlinge ausfallen.

Und wie sollte dies anders seyn. Der Ankömmling, in eine neue Welt versetzt, mit allen ihn umgebenden Verhältnissen unbekannt, unkundig der Landessprache, der Gesetze und Gebräuche; wird verlegen, benimmt sich linkisch, und scheint so das Urtheil der Amerikaner über ihn und seine Landsleute zu rechtfertigen.

Aber die Deutschen selbst tragen oft die Schuld dieses ungünstigen Unheils durch ihre Mißgunst, ihren Brodneid gegen Landsleute; und man siehet selten zwei, die ein gleiches Gewerbe treiben und welche nicht die bittersten Feinde wären; wozu freilich auch Nahrungslosigkeit, Mangel und Noth beitragen mögen.

Diese Verachtung, welche die deutschen Einwanderer drückt, ist wohl auch der Grund, daß diejenigen, welche der englischen Sprache erst mächtig geworden sind, um jede Rückerinnerung an ihren deutschen Ursprung zu verwischen, in ihren Häusern nur englisch sprechen und ihre deutschen Namen in englische verwandeln; als: Löwe, in Lion; Schneider, in Tailor; Weber, in Weaver; Ludwig, in Lewis etc.

Die Art, wie die Amerikaner leben, sagt dem Deutschen wenig zu, und nicht leicht gewöhnt er sich an das wortkarge und ungesellige Betragen des Amerikaners. Er muß auf so manchen unschuldigen Lebensgenuß fast ganz Verzicht leisten. Die Woche verbringt er unter schweren Arbeiten; und der Sonntag, welchen er im Vaterland als einen Tag der Erholung und Freude kannte, ist in Amerika ein Tag der Langeweile und Trauer. Der Amerikaner gehet an Sonntag dreimal, früh, nachmittags und abends zur Kirche. Von Spaziergängen ins Freie weiß man hier nichts; und es giebt keine Veranlassung dazu; da für den Fußgänger nichts gethan ist und er weder gut unterhaltene Wege, noch irgend einen Platz findet, wo er sich ausruhen oder erholen könnte. Die Umgebungen großer Städte sind gewöhnlich baumlos und im Sommer verleitet Mangel an Schatten, im Winter aber heftige Kälte das Spazierengehen.

Musik ist in Amerika selten und gewöhnlich ist sie schlecht. Gesang hört man nicht, außer in den Kirchen, wo man ihn theilweise sehr schön findet. Die Theater habe ich selbst nicht besucht und kann daher über sie nichts sagen.

Der Amerikaner ist immer ernst. Er besucht zwar gern Kaffe- und Wirthshäuser, allein weniger um seine Gedanken umzutauschen, als um Zeitungen zu lesen und etwas zu genießen. Hier sitzt er hinter dem Tische, schaukelt sich mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Stuhle, und entfernt sich sehr oft wieder, ohne mit irgend Jemand, als dem Barkeeper – Kellner – gesprochen zu haben, von dem er ein oder zwei Gläser Wein, Rum, Wiski oder Bier fordert, diese schnell hinunterstürzt und sich dann entfernt. Manchmal unterbrechen jedoch den Ernst dieser Zusammenkünfte Lustigmacher, welche singen, tanzen, ohne dafür etwas zu erhalten. Dann werden sie umdrängt, ihre Späße werden belacht und dies ist das höchste gesellige Vergnügen des Amerikaners, der bei allem seinen Ernst gern lacht, und wenn er auch selbst nicht gern Lachen erregt, doch die sogenannten Lustigmacher gern hat. Barbierer, Wirthe, welche Spaßmacher sind, haben, wenn sie auch nicht immer die feinsten Späße machen, guten Zuspruch; obschon letztere sich selten damit abgeben.

Für den Auktionator aber ist die Fertigkeit in Späßen eine unentbehrliche Eigenschaft. Jeder Ausruf muß mit einer lustigen Bemerkung begleitet seyn. Ein Auktionator, welcher dies nicht versteht, darf nur auf wenig Zuspruch rechnen. Die Zungenfertigkeit der amerikanischen Auktionatoren ist aber auch außerordentlich groß; und mit bewundernswürdiger Schnelligkeit wiederholen sie das gethane Gebot.

Auktionen sind in Amerika sehr häufig; und ungeheure Vorräthe werden hier öffentlich verkauft, oder vielmehr verschleudert. Die häufigen Banquerote liefern darzu Material genug; und in Seestädten werden oft große Massen aller Arten von Waaren und Verkaufs-Gegenständen, welche theils dorthin gesendet wurden, oder Haverie waren zum öffentlichen Verkauf gestellt.

Bei solchen Verkäufen gewinnen natürlich die großen Kaufleute vorzüglich; da die Waaren oft für geringe Preise weggehen und sie nur Geld oder Kredit genug haben, um sie erstehen zu können.

In der Regel wird in Auktionen Jedem ein sechsmonatlicher Kredit gegeben, für welchen eine Bank Bürgschaft übernimmt, welche, wenn die Zahlungsfrist eintritt, mit Abzug von sechsmonatlichen Zinsen, Zahlung leistet.

Die Amerikaner zeigen in der Regel schöne Körperformen; sie sind hoch und schlank gewachsen, haben blaue Augen, gebogene Nase, einen feinen Mund und edle Haltung. Ihre Bewegungen sind leicht und geschickt und verrathen Sicherheit und Selbstvertrauen.

Die Frauen dürften sich wohl mit den schönsten Frauen und Mädchen Sachsens messen können. Denn, wenn ihnen auch die blühende Gesichtsfarbe und die feine Vollendung der Formen abgehet; entschädigen sie dafür durch regelmäßigem Wuchs, schönern Nacken und Busen, feine Gesichtszüge; durch, von Milde und Güte sprechende Augen, durch leichten Gang, gefällige Haltung reitzenden Anzug, – welcher in Schnitt bei allen, niedrigen und hohen, gleich ist –; und durch Feinheit der Sitten und des Umganges.

Aber diese schönen Formen sind vergänglich. Das weibliche Geschlecht ist in Amerika vielen Krankheiten unterworfen; wozu die sitzende Lebensart – alle gröbern Geschäfte werden von den Männern besorgt, welche sogar die Einkäufe für die Küche auf den Märkten übernehmen – und das häufige Theetrinken beitragen mag. Sehr viele sterben jung an der Auszehrung; andere leiden an der Krankheit, die der Pompadour ein Spottgedicht zuzog.

Die unverheiratheten Frauenzimmer zeichnen sich durch Sittlichkeit aus, die Frauen sind die besten und treuesten Gattinnen; und nirgends ist wohl mehr eheliches Glück als hier zu finden.

Ueberhaupt genießt das weibliche Geschlecht in Amerika einer größern Achtung als irgendwo; und selbst die Gesetze erkennen diesen Vorzug an. Das unbeschworne Zeugniß des Weibes hat dieselbe Gültigkeit vor Gericht als das beschworne eines Mannes; und jede brutale Behandlung der Ehefrau wird an dem Ehemann mit einer sechsmonatlichen Gefängnißstrafe geahndet. Daher das Uebergewicht der Frauen; welches oft in eine unbedingte Herrschaft, selbst in thätliche Zurechtweisung der Herren der Schöpfung ausartet.

Zwei Vorfälle, von welchen ich den einen selbst beobachtete, den andern aus sicherer Quelle erfuhr, werden die besten Kommentare darzu liefern.

Der erste, ein spaßhaftes Ereigniß, stieß mir auf, als ich einmal von Philadelphia nach Kensington zurückkehrte. Ein im höchsten Grade Betrunkener, – wahrscheinlich ein Irrländer, – ging taumelnd vor mir her und gleitete in diesem Zustande in ein ziemlich tiefes Loch hinab, welches sich auf seinem Wege befand. Ein Frauenzimmer, wohl gekleidet, und wahrscheinlich seine Gattin, hatte dies bemerkt, kam an das Loch hin und rufte: George! George! – Aber George befand sich auf dem im Loche befindlichen Schlamme wohl gebettet, war bereits sanft entschlummert und alles Rufen half nichts. Schnell eilt sie nun zu ihrer Wohnung hin, kehrt mit einem tüchtigen Knittel zurück, steigt mit vieler Mühe und selbst Gefahr in das Loch hinab und fängt an, denselben mit solcher Behändigkeit auf den Schenkeln und dem Hintern des Schlafenden tanzen zu lassen, daß selbst Todte dadurch hätten erweckt werden können. Mit solcher Behandlung wahrscheinlich vertraut, steht er endlich lachend auf. Nun befiehlt ihm die Entrüstete herauszusteigen. Ein schweres Unternehmen für einen so Trunkenen. Er versuchts; doch vergebens; der Kopf bekommt das Uebergewicht, noch ehe der halbe Weg vollendet ist und er kollert zurück zu den Füßen seiner zärtlichen Ehehälfte. Eine verstärkte Wiederholung des ersten Impulses treibt ihn zu einem neuen Versuche an; aber mit gleich unglücklichem Erfolg. Endlich gelingt das Wagestück doch mit Hülfe des heftiger erregenden Knüppels; der Rand des Lochs ist erreicht; und nun erst klettert die zürnende Eva dem armen Geschlagenen nach. Er schien endlich doch etwas nüchterner geworden zu seyn, denn er ging weniger schwankend nach seiner Wohnung; wo er seinen Rausch ausgeschlafen haben wird. Obgleich die Frau ziemlich gut gekleidet war, so gehörten beide doch wohl zu der niedrigen, das heißt, zu der ärmern Volksklasse.

Der zweite ist etwas ernster Natur.

Ein armer; aber junger, kräftiger und wohlgebildeter Engländer, der erst vor kurzem gelandet war, reist durch Virginien und wird in dem Hause einer jungen, ledigen und schönen Plantagebesitzerin aufgenommen. Diese junge Dame ist Eigenthümerin von 200 Akres Landes, eines Farmhauses, – Breterhauses – eines alten und vier junger, männlichen Sclaven, welche letztern mit ihr aufgewachsen sind. Der junge englische Glücksjäger wird gut behandelt; er gefällt sich; findet seine junge Wirthin reizend, verliebt sich in sie, und glaubt hier sein Glück zu gründen. Seine Wünsche werden erhört und das junge, unabhängige Mädchen giebt ihm ihre Hand. Er findet aber bald, daß er mit ihrer Hand nicht auch die Herrschaft über sie gewonnen hat. Sie gebietet nach wie vor in ihrem Hause unumschränkt; und die Sclaven gehorchen nur ihr, wenn der Herr Gemahl auch Gegenbefehle giebt. Daraus entstehen bald ernstere Scenen. Der Herr Gemahl will den Gebieter spielen, und droht nicht selten mit ernsthafter Züchtigung; aber alle solche Drohungen werden immer verlacht. Endlich vergißt er sich einmal so weit, daß er seiner Gattin eine Ohrfeige giebt.

Doch welchen traurigen Erfolg hat dieser Beweis seiner eheherrlichen Gewalt. Die junge, beleidigte, erzürnte Frau ruft ihre Sclaven zusammen, befiehlt ihnen, ihren Gatten zu entkleiden, an eine Thürpfoste zu binden und mit einer Pferdepeitsche weidlich auszugerben. Wahrend zwei dies thun und dabei Gelegenheit haben, die rauhe Behandlung, welche sie zeither von ihrem Herren hatten erdulden müssen, zu vergelten; befiehlt sie ihre sechs Pferde zu satteln, und zu zäumen, ihre Sachen aufzupacken und reitet mit gefüllter Brieftasche in Begleitung ihrer Sclaven davon; unbekümmert um den angebundenen und blutig geschlagenen Gemahl.

Umsonst sind seine Anstrengungen sich los zu machen. Endlich wird er durch einen vorbeikommenden Reiter von seinen Banden befreiet. Er schwört den Sclaven blutige Rache; denn er hofft auf die Rückkehr seiner Gattin; aber vergebens, und er muß sich endlich damit trösten, in Besitz der schönen Plantage mit Vieh und Wirthschaftsgeräthe geblieben zu seyn.

Doch auch dieser Trost soll ihm bald schwinden. Sein Rücken ist noch nicht geheilt, als ein naher Verwandter seiner Frau ankommt; eine von ihr ausgestellte, auf eine hohe Summe lautende Schuldverschreibung vorzeigt und Zahlung fordert. Aber wie diese leisten? – Die Brieftasche mit den Banknoten ist mit der theuren Ehehälfte verschwunden und ihm selbst nur eine sehr unbedeutende Summe zurück gelassen worden. Die Plantage wird nun sofort in Beschlag genommen, und da deren Werth nicht die Höhe der erborgten Summe erreicht, wird der Unglückliche ergriffen und in das Gefängniß gesetzt.

Er darf, da er noch nicht zwei Jahre im Lande ist, auf das Benefit – Befreiung vom Gefängniß – nicht Anspruch machen. Während er nun im Gefängnisse sitzt, kommt seine Gattin zurück, ordnet ihre Geschäfte, verschafft sich heimlich bedeutende Geldsummen und verschwindet für immer.

Lange muß der Arme die der Gattin gegebene Ohrfeige mit schwerem Gefängnisse büßen; bis endlich das Herz des Gläubigers erweicht wird, und er die Freiheit erhält. Was später aus beiden geworden ist, habe ich nicht erfahren können; obschon das Ereigniß sich nur 11 Meilen von meinem Wohnorte in Maryland zugetragen hatte.

Dem Character der Amerikaner lasse ich nur Gerechtigkeit widerfahren, wenn ich sie als menschenfreundlich, theilnehmend, rechtlich und brav schildere. In Laufe der Erzählung meines Lebens unter ihnen, habe ich Gelegenheit genug gehabt, ihre Güte, ihre edlen Gesinnungen zu rühmen und auch später wird sich darzu Gelegenheit finden.

Diese schönen Eigenschaften mögen aber ja keinen meiner Landsleute nach Amerika verlocken. Er würde sich doch getäuscht finden; da die Menge der Einwanderer, der Hülfsbedürftigen zu groß ist, als daß sie immer auf Theilnahme und Unterstützung rechnen könnten.

Ich werde hier einige meiner Beobachtungen über die für den Einwanderer sich dort zu einem Fortkommen öffnenden Aussichten mittheilen.

Derjenige, welcher schon das reife Mannesalter erreicht, oder es verlassen hat, der, welcher über die vierziger Jahre ist, wird hier selten ein vortheilhaftes Unterkommen finden; und findet er es, wird er sich wohl nie einheimisch und glücklich fühlen; denn zu verschieden sind Amerikas Sitten und Gewohnheiten von denen, welche die unsrigen sind.

Also nur junge, kräftige, geschickte Handwerker, oder die, welche etwas Vermögen besitzen, können darauf rechnen, sich, jedoch erst nach mancher Anstrengung, mancher fehlgeschlagenen Hoffnung, eine gute, gesicherte Lage zu gründen.

Ein leichtes Unterkommen finden, vorausgesetzt, daß sie ihre Kunst oder ihr Handwerk verstehen, Goldschmiede, Uhrmacher, Wagner, Klempner, Tischler, Herrenschneider, Posamentier, Schuhmacher und Zimmerleute.

Zimmerleute besonders, wenn sie zugleich Tischlerarbeit zu fertigen verstehen.

Schmiede werden gut bezahlt, wenn es ihnen gelingt in Fabriken Arbeit zu finden.

Aerzte werden in den deutschen Gegenden sehr gesucht, da sich die Kranken dort größtentheils durch Charlatans behandeln lassen müssen. In großen Städten dagegen sind gute Aerzte in Ueberfluß zu haben.

Barbier, deren es in großen Städten viele giebt, finden auf dem Lande kein, in mittlern und kleinen Städten aber ein gutes Brod; doch müssen sie mit ihrer Kunst das Haarverschneiden verbinden.

Kaufleute, Sprachlehrer, Juristen haben gar keine Aussichten zu einem Fortkommen. Juristen müssen im lande selbst studiret haben. Theologen finden bisweilen eine kärgliche Anstellung, aber gewöhnlich erst nach langem Harren.

Zwar sind die deutschen Prediger in Philadelphia und Baltimore geborne Deutsche, und haben besonders in Philadelphia ein reiches Auskommen; allein dies ist eine Ausnahme von der Regel. Der Theologe, welcher eine Anstellung finden will, muß lang in Amerika gelebt haben, und das Glück muß ihn noch besonders begünstigen; oder er muß gute Empfehlungen mitbringen, außerdem wird er umsonst darauf rechnen.

Die Landgemeinden nehmen ihre Geistlichen gewöhnlich aus Zöglingen irgend eines Landpfarrers; und da man von ihnen nur eine genaue Kenntniß des Bibel und Redefertigkeit verlangt, wählt manche Landgemeinde lieber einen Schuster oder Schneider, der sich bei irgend einem Geistlichen zu seinem spätem Beruf ausgebildet hat, als einen für sein Fach befähigten Fremden, dessen früheres Leben ihr nicht bekannt ist.

Junge Theologen haben daher nur geringe Aussicht auf Beförderung, und ihre Lage bleibt immer unsicher, da die Gemeinden ihre Geistlichen und Schullehrer willkührlich anstellen und eben so willkührlich entlassen können. Ich habe einige junge, sehr gebildete Theologen kennen lernen, die genöthiget waren, als Fischergehülfen, Schiffsauslader, oder als Arbeiter bei Eisenbahnen, ihren Unterhalt zu suchen.

Handlungsdiener werden noch weniger gesucht. Von ihnen verlangt man natürlich eine vollkommene Kenntniß der englischen Sprache, welche schwer zu erwerben ist; allein hat auch der Ankömmling sie sich endlich ganz eigen gemacht, hat er bis dahin seinen Stand behaupten können, findet er doch immer nur selten eine Anstellung; denn der Kaufherr wählt lieber Eingeborne, ihm Bekannte, welche, da der Amerikaner ein geborner Kaufmann ist, in Ueberfluß vorhanden sind. Handlungsdiener müssen hier oft die gröbsten Arbeiten verrichten, um ihre elende Existenz hinzufristen.

Lehrer in fremden Sprachen sind hier überflüßig, der Amerikaner ist mit seiner Muttersprache zufrieden und will nur das lernen, wovon er in Leben Gebrauch machen kann.

Musiklehrer befinden sich in großen Städten oft sehr gut, und ich habe einige gekannt, welche sich vortrefflich standen; allein ihre Sittlichkeit muß bekannt; ihr Ruf rein seyn: wenn sie Unterricht finden wollen; da nur junge Frauenzimmer aus guten Familien Unterricht in der Musik nehmen.

Brandtweinbrenner – Destillateurs – Schlosser, Damenschneider, Porzelanmahler, Cattundrucker, Weber, Kammacher, Bürstenbinder, Handschuhmacher, Nagelschmiede, Rothgerber, Weißgerber, Töpfer, finden selten ein Unterkommen und ich muß ihnen das Auswandern nach Amerika gänzlich widerrathen.

Destillateure finden deswegen keine Beschäftigung, weil, in Folge der Mäßigkeitsvereine – Temperance-Gesellschaften – von der feinern Welt keine Liqueure mehr getrunken werden, und der gemeine Mann sich lieber in Rum, Gin und Wisky berauscht.

Damenschneider dürfen nicht auf Arbeit rechnen; da Frauenkleider ausschließend von Frauenzimmern gefertiget werden.

Porzelanmahler eben so wenig; und zwar aus Mangel an Fabriken in diesem Artikel; welche nicht mit denen des Auslandes koncurriren können.

Kattundrucker, Weber, Kammacher, Bürstenbinder, Nagelschmiede, Seiler, aber aus dem Grunde nicht; weil ihre Arbeiten größtentheils durch Maschinen betrieben werden. Töpfer nicht; weil in Amerika wenig Töpfer-, größtentheils Blech-, Kupfer- und Eisengeschirr verbraucht wird. Loh- und Weißgerber nicht; weil der stärkere Neger tüchtiger zu ihren Arbeiten ist; und endlich Schlosser nicht; weil man sich hier gewöhnlich der Fabrikschlösser bedient, welche von dem Haustischler mit angeschlagen werden.

Handarbeiter würden sich dort wohl befinden, da ihr gewöhnlicher Lohn ¾ bis 1 Dollar für den Tag ist: wenn sie stets Arbeit fänden und wenn diese Arbeit nicht so unerträglich schwer wäre, daß nur wenige es lang aushalten können. Die Arbeiten fangen mit Tagesanbruch an und endigen erst mit Sonnenuntergang; und nur fürs Frühstück und fürs Mittagsbrod wird jedesmal eine Stunde Erholung gestattet. Die Hitze des Sommers ist unerträglich; und der Aufseher ist stets bei der Hand, um zur Arbeit anzutreiben; es gehört daher ein starker Körper, eine dauerhafte Gesundheit darzu, um solche Arbeiten lang zu ertragen. An Arbeit fehlt es in Sommer nicht; denn noch überall entstehen neue Eisenbahnen und Kanäle; aber die Strenge der Arbeit, das ungewohnte Klima, vielleicht auch die ungesunde Oertlichkeit, besonders in den, Überschwemmungen ausgesetzten, Niederungen richten große Verheerungen unter den Arbeitern an; welche von Krankheiten, besonders Fiebern befallen, oft ohne alle Wartung und Pflege, auf die elendeste Art umkommen müssen.

Junge deutsche Frauenzimmer finden gewöhnlich in kurzem, wenn auch nicht immer wohlhabende oder reiche Männer; da die Deutschen deutsche Mädchen den Amerikanerinnen vorziehen, welche, wie bekannt, nicht gern arbeiten.

Jetzt noch einige Worts an die, welche mit oft nicht unbeträchtlichen Kapitalien nach Amerika kommen, um dort Landbauer zu werden. Ohnstreitig ist die Lage solcher Landgutsbesitzer, oder, um mich nach deutscher Art auszudrücken, Bauern, welche in der Nähe guter Absatzplätze, wie eines Kanals, oder einer Eisenbahn wohnen, sehr glücklich; und ich werde später Gelegenheit nehmen, ihr Hauswesen näher zu beschreiben.

Aber zu dem Besitz solcher Güter gehören sehr bedeutende und solche Kapitalien, welche ihrem Eigenthümer auch in Europa ein angenehmes und sorgloses Leben sichern würden. In der Nähe der Städte Newyork und Philadelphia kostet der 72 Quadrat Yard – 120 Quadrat Leipziger Ellen – große Akre, schon 100 bis 150 Dollars; rechnet man nun noch das dazu, was die theuern Gebäude, Vieh, Schiff und Geschirr kosten, so wird man leicht berechnen können: welche große Summen dazu gehören, um ein nur mittelmäßiges Landgut – farm – zu kaufen.

Ueberdies sind jetzt schon alle Ländereien, welche nur einigermaßen Ausbeute versprechen, von Spekulanten aufgekauft, welche sie an den Ankömmling nur mit ungeheurem Gewinn ablassen.

Und dann die Unsicherheit des Besitzes, welche ich kaum zu erwähnen brauche; da sie allgemein bekannt ist. Selten ist der Besitzer vermögend, den Titel seines Besitzes nachzuweisen. Man muß daher auf Treu und Glauben kaufen, und jeden Tag befürchten: von dem wahren Eigenthümer entsetzt und vertrieben zu werden. Nur wenn man Congreß-Land kauft, ist man sicher.

So bieten sich dem eingewanderten Landbauer überall keine günstigen Aussichten dar. Nehmen wir an, er hat die Beschwerlichkeiten und Gefahren der Seereise, die oft noch größern der Landreise glücklich überstanden und ist nun endlich auf der Stelle angekommen, wo er sich anbauen, eine Familie gründen, leben und sterben will. Er findet sie mit undurchdringlichem Wald bedeckt, er hat keine Wohnung, kein Obdach. Diese muß vorerst geschafft werden; und sie wird bald dastehen; da sie aus rohen, über einander gelegten Baumstämmen erbauet wird; besonders wenn gütige und helfende Nachbarn nicht zu entfernt sind. Dann muß der Boden von Wald gereiniget und urbar gemacht werden. Welche Schwierigkeiten wird dies verursachen; besonders wenn er wenig Familienglieder mit sich gebracht hat? – Nur unter den größten Anstrengungen und wenn er fremde Hände benutzen muß, mit einem bedeutenden Aufwand, wird ihm dies gelingen. Hat er aber auch endlich 10 bis 15 Acker von Holz gereiniget, den Boden umgearbeitet; so muß er erst Befriedigungen um dieselben machen, ehe er an eigentliche Benutzung denken kann. Welche ungeheure Arbeit gehört nur darzu 10 bis 15 Acker von Holze zu reinigen; dieses auf die Seite zu schaffen; und wie theuer wird ein Gut von so vielen oder mehrern Grundstücken kommen; besonders wenn fremde Hände darzu verwendet werden müssen. –

Ist es ihm nun endlich gelungen, das Land urbar gemacht zu haben; hat er es eingefriediget; stehet eine bequeme Wohnung; giebt der Boden gute, selbst reichliche Aerndten; wird er sich nun bequem, glücklich fühlen? – Wie könnte er dies, da ihm alle andern Bedingungen darzu fehlen. Meilenweit muß er gehen, um das kleinste Bedürfnis zu befriedigen; er sieht sich allein, ausgeschlossen von jeder geselligen Freude; einer schnellen, oft jeder Hülfe bei Krankheitsfällen, bei eintretenden unglücklichen Ereignissen beraubt; seine Kinder roh aufwachsen; da sie vielleicht vier und mehrere Stunden brauchen würden, um zu einer Schule zu gelangen. Die Tröstungen der Religion fehlen ihm ganz; denn es giebt in seiner Nähe keine Kirche. Ich habe in dem doch sehr gesitteten Pensilvanien junge Männer gesehen, welche noch nicht getauft waren; Männer von 40 Jahren, die zum erstenmal das heilige Abendmahl genossen.

So wird er seines Lebens nicht recht froh werden; sich nie so glücklich fühlen, wie er es im Vaterlande mit weit weniger Aufopferung gekonnt hätte.

Und hat er nun auch reiche Aerndten; zu was helfen sie ihm? – Er muß ihren Seegen aufhäufen; ungewiß, wo und wenn er Vortheil davon ziehen wird. Glücklich, wenn endlich ein im Lande herum reisender Aufkäufer seinen farm besucht. Von diesem erhält er die unentbehrlichsten Gegenstände, Zucker, Kaffe, Leinwand, Kattun u. s. w., wogegen dieser die aufgehäuften Vorräthe zu Spottpreisen annimmt, wahrend er seine Artikel zu den höchsten Preisen weggiebt. Was will der arme Farmer machen; er muß losschlagen; froh seyn: daß er es kann. Doch der Handelsmann führte auch eine Panacé für so viele Entbehrungen mit sich: Whisky, welcher nun reichlich genossen wird.

Aber wie viele unentbehrliche Artikel fehlen noch immer. Und oft reichen auch die Vorräthe nicht hin: um nur das Notwendigste einzutauschen. Der Boden muß daher ergiebiger; mehr Land urbar gemacht werden; wodurch aber auch die Arbeiten vermehrt werden.

Eine Reihe von Jahren verging unter Anstrengungen und Entbehrungen. Endlich ist der gesammte Boden urbar, ertragsfähig gemacht; das Ganze gewinnt ein regelmäßigeres, freundlicheres Ansehen; aber nun sind auch die Kräfte des Ansiedlers verbraucht; und er steigt oft in das Grab hinab, ohne den Erfolg seiner Anstrengungen zu sehen, genießen zu können.

Glücklicher sind seine Kinder. Sie kannten keine andere, bessere Lage; sie sind bereits eingebürgert, vertrauet mit den dortigen Sitten und Gewohnheiten; die Cultur wächst, der Wohlstand vermehrt sich; die Gegend, in welcher sie leben, wird bewohnter, freundlicher, zugänglicher durch Kanäle und Eisenbahnen. Dörfer, Flecken und Städtchen erheben sich, in ihrer Nähe und mit ihnen Gewerbethätigkeit und Wohlstand, Geselligkeit und Wohlbefinden; und sie brechen die Früchte, auf welche ihr Vater hoffte, zu deren Genuß er aber nicht gelangen konnte.


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