Rudolph Stratz
Hexenkessel
Rudolph Stratz

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13

Am grauen Himmel flogen die Wolken von Westen. Graupenschlag prasselte in Regenböen. Tag- und Nachtgezeiten des Jahres glichen sich im Stöhnen des Märzsturmes aus. Er heulte über die Dächer von Berlin. Er toste im Tiergarten. Dem Studenten Vollbrecht, der im Abendgrauen den kahlen Park durchquerte, flog ein armdicker, dürrer Ast krachend mitten in den Weg. Es erinnerte ein bißchen an die Front, wenn die Russen in den verschneiten Winterwald funkten. Bernd Vollbrecht dachte es zerstreut und lief weiter, die Kollegienmappe unterm Arm. Viel hatte er heute im Hörsaal nicht behalten. Sein Kopf war wirr. In seiner Dachkammer warf er einen geistesabwesenden Blick auf das Untergestell seines Freundes Ribbentropp, der eben auch die vier Treppen heraufgeklettert war.

»Was hast du denn da für Elbkähne?« frug er. »Kauft sich der Mensch weiß Gott im Frühjahr noch Gummigaloschen!«

»Im Warenhaus! Bei Lisa Altschüler!« Der Riese lächelte verklärt. »Das war 'ne Arbeit, bis wir die richtige Nummer bekamen!«

»Paule . . . Paule . . .«

»Sonntag gondeln wir nach dem Eierhäuschen! . . . Spaß beiseite, Kerlchen: Wir sind so gut wie verlobt . . .«

»Immer feste zu, Kleiner! Du weißt gar nicht, wie gut du's hast! Du bist nicht in eine Sphinx verknallt, wie ich . . .«

»Wenn du aus einem kleinen Mädchen mit Gewalt ein großes Rätsel machst . . .«

»Nein! Es steckt etwas hinter der Luja!« Der Student schritt unruhig in der Dachstube auf und nieder. »Das fühle ich jetzt ganz deutlich. Das quält mich den ganzen Tag . . .«

»Hast du Krach gekriegt mit deiner Maus?«

»Ach wo!« Bernd Vollbrecht blieb stehen. »Aber 'nen Schwur hab' ich ihr verzapfen müssen, zu tun, was sie von mir verlangt! Was das ist, das hat mir das kleine Biest ums Totschlagen nicht verraten! Das erfahre ich erst jetzt, in ›Onkel Toms Hütte!‹ . . .«

»Quatsch . . .«

»Na natürlich macht sich das Mädel nur wichtig! Sie braucht so'n Kram um sich – weil sie innerlich an allen Nerven bibbert – so wenig man es ihr auch ansieht, wenn sie so artig dasitzt! . . .«

»Das macht, weil sie frisch aus Rußland kommt!«

»Das sage ich mir ja auch immer: Es ist gar nicht die Luja selber! Es ist das Rußland hinter ihr und das Rußland um sie 'rum! Ich hab' das ganze Rußland dick bis zum Halse . . . Aber sie zieht mich immer tiefer in dies Rußland hinein . . . Gestern abend wieder . . .«

»Wehr' dich doch deiner Haut!«

»Ich hau' jetzt auch um mich!« Der junge Landwirt reckte kampflustig die Arme mit geballten Fäusten nach rechts und links. »Ich hab' den heutigen Tag nicht verquast, Kleiner! Mir ist eine elektrische Beleuchtung aufgegangen, wie wir aus dem ganzen faulen russischen Zauber hier herauskommen – die Luja und ich! Das bringe ich der Luja jetzt gleich bei! . . . Punkt neun Uhr platzt die Bombe . . .«

Es fehlten noch zehn Minuten an der vollen Stunde, als der stud. agr. Vollbrecht schon, in seiner Ungeduld, die Likörstube am Kurfürstendamm betrat. Die Diele war klein, blitzsauber in Mahagoni und Messing, anheimelnd schummerig, voll lauschiger Kojen und Nischen. Gähnende Stille. Nur am Büffet telephonierte der Mixer in blütenweißer Leinenjacke mit seinen Stammkunden über Pariser Rennwetten und nahm Bestellungen auf Sessel im ersten Ring für den nächsten Boxer-Großkampfabend entgegen. In dem ersten Seitenverschlag, in den Bernd lugte, hockte, Schulter an Schulter, ein schweigsames Liebespärchen und las, bis es Zeit zum Kino war, in alten illustrierten Zeitungen. In der dritten Koje schlürfte eine blasse, mittelalterliche Dame, mit den umwölkten Augen der Morphinistin, ihr grünlich-bleiches Absinthwasser. Sonst war das Lokal leer . . .

Nicht doch . . . da hinten, im letzten Winkel, saß noch ein Mädel. Man hätte sie, nach ihrer einfachen Kleidung, eher für eine Angestellte halten können, die da noch schnell Staub wischte, ehe der Kurfürstendamm seine Kinder der Nacht schwarmweise in ›Onkel Toms Hütte‹ und die zahllosen anderen Zylinderdestillen des goldenen Westens schwemmte. Aber sie hatte ein Gläschen Hennessy vor sich stehen. Das zarte, runde, dunkeläugige Gemmengesicht nickte dem Jungmann ernst zu. Eine kleine Hand streckte sich ihm langsam entgegen. Er küßte sie innig. Setzte sich und bestellte.

»Du bist schon da, Luja!« begann er und ärgerte sich über die dumme Wendung. Die Kleine antwortete darauf auch nur mit einem Achselzucken und schaute stumm und feierlich gerade vor sich in den von Purpurflor gedämpften Blutschimmer des elektrischen Lämpchens auf der Marmorplatte. Der junge Mann hub wieder an – er fühlte: sein Atem ging schwer:

»Luja . . . Ehe du loslegst, lasse mich bitte 'mal reden! Vielleicht ist dann alles, was du mir zu sagen hast, ganz überflüssig . . .«

Er schaute sich um. Es war niemand, der sie behorchen konnte. Er fuhr fort:

»Denn das bezieht sich doch wieder wahrscheinlich irgendwie auf Rußland! Und sieh 'mal, Luja: Aus diesem Rußland mußt du heraus – und ich auch! Du bist ja überhaupt gar keine richtige Russin! Du bist von deutscher Herkunft und sprichst Deutsch . . .«

»Gewiß doch – ich habe keinen Tropfen russisches Blut in mir!«

»Also! Du bist nach Deutschland geflohen! Deutschland soll deine zweite Heimat werden! Da mußt du auch ganz Deutsche werden! Und damit müssen wir jetzt gleich anfangen! Morgen noch!«

»Wie denn?« frug Luja Büttner gleichgültig, den dunklen Blick in die Weite.

»Nun hör mal!« Der Jungmann rückte noch näher und faßte unter dem Tisch ihre eiskalte, kleine Hand. Seine frischen blauen Augen lachten geheimnisvoll und glückselig. »Mein alter Herr hat heute mit Gottes Hilfe die Stellung als Inspektor auf einem mordsgroßen Dominium in Hinterpommern gekriegt! Er siedelt mit Muttern schon in nächster Zeit dorthin über. Er ist heilfroh . . .«

»Ich bitte, meinen Glückwunsch zu melden!« sagte die kleine Deutsch-Russin wohlerzogen, mit leeren Augen.

»Ach – laß doch den Firlefanz! Nu weiter: Die Vicke, meine Schwester, geht nicht mit! Die Marjell bockt! Sie will in Berlin bleiben! . . . Sie hat sich in meinen Freund Alfred verliebt und er in sie . . .«

»Meinen Glückwunsch . . .«, sprach die Kleine mechanisch.

»So laß doch das öde Gerede! Du kennst den Alfred nur in seiner nächtlichen Verkleidung als Wurstmaxe. Bei Tage aber steht er groß da. Da zieht er mit Aplomb Zähne, und die Vicke denkt sich das herrlich, dabeizustehen, wenn die Leute schreien, und zur Hand zu gehen – kurzum: Sie will sich zur zahnärztlichen Assistentin ausbilden . . .«

»Ich lasse ihr alles Gute wünschen!«

»Luja! Bist du denn heute abend ganz verdreht? Man glaubt ja, man hat mit einem Automaten zu tun! Na – also: Papa – der überhaupt für einen Angehörigen der alten Generation ungewöhnlich vernünftig ist –, Papa ist einverstanden. Er, und meine Mutter, werden natürlich die Vicke sehr vermissen. Denn sie sind an eine Haustochter gewöhnt . . .«

»Ja. Das ist bedauerlich . . .«

»Luja! . . .« Der junge Mann biß sich auf die Lippen. Gleich darauf lachte er wieder übermütig wie ein großer Junge. »Weißt du, was ich meinen Vorfahren gesagt habe? – Und sie waren einverstanden, Kind – sofort einverstanden! ›Ich schaff' euch eine andere Haustochter bei!‹ hab' ich gesagt. ›Ein junges Mädchen, das aus Rußland geflohen ist und keine Eltern und Geschwister besitzt und nicht weiß, wohin sie ihr Haupt legen soll! Die geht mit euch nach Hinterpommern und lebt bei euch als‹ – bis es eben so weit ist, Luja, und ich mich selbständig machen kann – ›als meine Braut . . .‹«

Der stud. Bernd Vollbrecht zitterte vor Glück und Erregung. Er hielt die kleine Hand unter dem Tisch leidenschaftlich fest. Er drückte sie ungestüm.

»Ja – Luja, nun ist das große Wort heraus . . . Einmal muß es doch ausgesprochen werden . . . Es liegt ja alles künftige Glück für uns drin . . . Luja . . . Du mußt auch etwas reden! Du mußt ›Ja‹ sagen! Du darfst mich nicht nur schweigend anschauen! . . . Ich weiß ja: Du willst antworten: Da ist dieser Ssilin! . . . Der verspricht uns eine ganz andere Zukunft – der bietet uns jetzt gleich auf dem Präsentierteller eine schöne Stellung! . . . Kind – ich habe dir immer gesagt: Dieser Ssilin ist mir in tiefster Seele unheimlich! Ich traue diesem Ssilin nicht über den Weg! Dieser Ssilin hat überall in Berlin verborgene Feinde und ist von Spionen umgeben! Dieser Ssilin wird womöglich eines schönen Tages ein böses Ende nehmen . . .«

»Das ist sehr möglich, Bernd! . . . Sehr möglich . . .«

»Gott sei Dank, daß du das auch meinst! Und dann stehen wir da und sind womöglich noch in seine dunklen Händel verwickelt, ohne daß wir es wissen . . . und kommen noch vor Gericht . . .«

». . . vielleicht vor Gericht, Bernd.«

»Siehst du, du vernünftiger kleiner Bursche! . . . Und sogar – wenn es nicht bis zu diesem Äußersten kommt – dieser Ssilin verfolgt dich mit seiner plumpen, unverschämten Gier! . . . Wie soll denn das auf die Dauer werden? Wie soll ich denn das mitansehen? Ich lasse mich ganz bestimmt in ganz kurzer Zeit zu einer Hitzköpfigkeit gegen ihn hinreißen! Er setzt mich an die Luft, und alles ist wieder heidi . . .«

»Freilich . . .«

»Na – dann sind wir ja völlig einig! Du trittst heute zum letztenmal im ›Kolokól‹ auf . . .«

»Zum letztenmal, Bernd . . .«

»Herrgott – wenn ich dich nur küssen könnte – hier – mitten im Lokal . . . Sei nicht böse: aber ich hätte nicht zu träumen gewagt, daß du so vernünftig sein würdest! Also – Hand darauf, Kleine: Mit Herrn Serge Ssilin machen wir Schluß!«

»Schluß, Bernd . . .«

»Der muß fort aus unserem Leben!«

»Der muß aus dem Leben!«

». . . und ohne langes Getrödel . . .«

»Heute noch, Bernd!«

»Na – Gott sei Dank! . . . Uff!«

Der Student verstummte in der Überfülle seiner Seligkeit. Er saß und hielt Lujas Hand in der seinen. Die Morphinistin in der Koje bestellte sich mit leidender Stimme noch einen Absynth. Der Mixer schmunzelte am Telephon. »Die Joldelse? . . .! Armband mit Brillanten? Echt? Na . . . bring's 'mal! . . . Viel Zaster gibt's druff nicht!« Der Lebejüngling und sein Verhältnis brachen auf, die Kinokarten in der Hand. In den Dornröschenschlaf von ›Onkel Toms Hütte‹ hinein frug Luja:

»Bist du jetzt fertig, Bernd?«

»Es ist ja alles gesagt, geliebter Schatz!«

»Gut! Nun höre: Serge Ssilin hat uns beide für heute abend eingeladen!«

»Da gehen wir natürlich nicht hin!«

»Doch!«

»Aber, Luja . . . Das hat ja jetzt gar keinen sittlichen Wert mehr!«

»Bernd: Erinnere dich, was du mir geschworen hast! Alles zu tun, was ich von dir verlange! Ich verlange, daß du niemals einem Menschen eine Silbe von dem sagst, was du jetzt von mir hören wirst . . .«

»Gut. Ich schwöre!«

». . . und weiter verlange ich, daß du mich zu Ssilin begleitest!«

»Nun schön!« Der junge Mann lehnte sich gottergeben im Sessel zurück. »Wir treten also an und benutzen die Gelegenheit, um dem Ollen schonend mitzuteilen, daß er uns gewogen bleiben kann!«

»Nicht schonend! Sage es ihm recht schroff und höhnisch! Reize ihn! Ärgere ihn! Lenke ihn von mir ab!«

»Ja – wozu denn?«

»Weil ich doch rechts von ihm sitze. Er muß sich ganz von mir abwenden und in seinem Zorn zu dir hinüberschreien – dann habe ich die Möglichkeit, unbemerkt . . . Da siehst du –: Ich hab' mir irgendeine verborgene Tasche in die Rockfalten genäht! Ja: Da steckt der Dolch drin! Aber du darfst ihn nicht anfassen! . . . Der gehört mir . . . Ich hab' ihn heute nachmittag gekauft . . .«

Der junge Landwirt riß die Augen auf und lachte:

»Ich glaube, ich bin ein bißchen schwach auf den Ohren!« sagte er. »Was phantasierst du da?«

»Ssilin ist doch links von mir! Da muß ich mich mit dem Oberkörper nach links drehen, mit dem Dolch in der rechten Hand! Das braucht Zeit! Während dieser Zeit mußt du ihn beschäftigen!«

»Ich?« Der Student starrte seine kleine Freundin mit offenem Mund an. »Ich soll behilflich sein, einen Menschen zu ermorden?«

»Einen Menschen? . . . Einen Wolf schlägt man mit Knütteln tot! Dies ist ein Wolf!«

»Du hast wirklich und wahrhaftig, wenn auch nur für einen Augenblick, die wahnsinnige Kateridee im Kopf, den Ssilin umzubringen?«

»Deswegen allein bin ich nach Deutschland gekommen!«

»Aber was hat dir denn Ssilin getan?«

»Ssilin? Er heißt Ssawa Kol! Er war Starschi-Leitnant auf dem Panzerschiff ›Joann Slatoust‹, auf dem mein Bräutigam Mischa als Inscheneer-Mechanik diente. Er ist, wegen allerhand Schandtaten, sogar von den Gewalthabern in Moskau verfemt und ins Ausland geflohen. Aber früher, als er noch zu ihrem Anhang gehörte, da hat er meinen Mischa standrechtlich ermordet! Dafür muß er sterben!«

»Und das sagst du so ganz ruhig?«

»Wenn man nicht ruhig ist, trifft man nicht, Bernd!«

»Luja . . . Daß dein Verlobter in den Wirren umkam, das hast du mir ja erzählt! . . . Aber daß du daraufhin den Ssilin einfach umlegen willst – na – weißt du . . . na – nu laß 'mal! Das sind bei dir alles ja nur die Nerven! Das ist ja alles Unsinn . . .«

»Heute abend – im ›Monrepos‹ – nach Mitternacht – wird es geschehen!«

»Da sitzt sie . . .« Der junge Deutsche preßte ungläubig die Hände ineinander und schaute in das feine, bleiche, unbewegte Gesichtchen ihm gegenüber. »Da sitzt sie nun und redet ein Zeug . . . Luja: Komm zu dir! Das bist doch nicht du!«

»Ich wußte, daß du dich furchtbar aufregen würdest!« sprach Luja Büttner. »Deswegen sage ich es dir erst jetzt – ganz kurz vorher!«

»Luja . . . Du hast deinen Bräutigam sehr geliebt . . .«

»Geliebt . . .? . . . O Gott – wie arm ist dies Wort!«

»Aber durch einen Mord wird er doch nicht wieder lebendig!«

»Aber der Mörder stirbt! Ssawa Kol muß sterben!«

»Luja . . . Nun nimm aber 'mal Vernunft an . . .«

»Ssawa Kol muß heute abend sterben!«

»Luja . . . Es stehen einem ja die Haare zu Berge!«

»Ssawa Kol muß sterben . . . Ssawa Kol muß sterben!«

Die Kleine wiederholte es beharrlich, eintönig, als läutete eine dumpfe, leise Glocke. Der Student strich sich verstört den blonden Schopf aus der Stirne. Er war bleich geworden.

»Ich glaube, dir ist es wirklich mit dem Unfug Ernst!« murmelte er.

»Du wirst es sehen . . .«

»Und an mich denkst du gar nicht?«

Ein verwunderter Blick von drüben: »Wie soll ich denn an dich denken? . . . Du starbst doch nicht, sondern Mischa!«

»Ich hab' dich doch so lieb . . .«

»Deswegen wirst du mir ja helfen, Mischa zu rächen!«

»Ich will dich doch heiraten!«

»Ich bin, vor Gott, Mischas Frau – wenn ich es auch nie war . . .«

»Und aus mir machst du dir gar nichts?«

»Du bist ein guter Mensch! Du bist mein Freund. Dich hat das Schicksal mir geschickt!«

»Dazu nicht!«

»Aber ich brauche dich, Bernd!«

»Zum Morden? Das besorge gefälligst ohne mich!«

»Allein kann ich es doch nicht! Da sieht er es zu früh und packt meine Hand – wie vor fünf Tagen! Da riß er mir den Revolver aus der Tasche, ehe ich selbst ihn noch herausholen konnte – ganz kurz bevor du mich auf der Bank im Tiergarten trafst! . . . Nein . . . Bernd – lieber, guter Bernd – du mußt mir beistehen, heute abend im ›Monrepos‹ . . .!«

»Mich wird das Lokal nicht sehen, Luja! Das darfst du mir glauben!«

»Doch: Du wirst mich hinbegleiten!«

»Nie und nimmer!«

»Und dein Eid, Bernd – zu tun, was ich von dir verlange?«

»Luja: Ich habe mit Vorbehalt geschworen! Ich habe ausdrücklich vorher gesagt: Du wirst schon nichts Unrechtes von mir fordern . . .«

»Nun – ist es denn ein Unrecht, Ssawa Kol zu töten?« Ein erstaunter Aufschlag der großen, braungrünen Augen drüben.

»Nach deinen Begriffen vielleicht nicht. Aber die Gerichte denken darüber anders!«

»Was kümmern dich die Gerichte? Du sagst einfach zu den Richtern, du hättest vorher nichts von meiner Absicht gewußt! Ich sage es auch! Das gelobe ich dir! Wer will dir das Gegenteil beweisen? Niemand krümmt dir ein Haar!«

»Danke! Diese Kniffe sind mir zu hoch!«

»Ich hätte dir ja gar nicht zu verraten brauchen, was geschehen wird! Aber da war die Gefahr, daß du mir dann im entscheidenden Augenblick in den Arm fallen würdest! . . . Du brauchst ja nur dabeizusitzen, Bernd! Weiter nichts!«

»Luja: Ich hab' ein Ding in mir, das man Gewissen nennt!«

»Es ist doch ein gutes Werk!« sagte Luja Büttner leise und fanatisch und stand auf: »Komm – es ist Zeit zum ›Kolokól‹! Von da gehen wir dann vor Mitternacht zusammen hinüber zu Ssilin!«

»Ich nicht!«

»Dein Eid!«

»Der gilt nicht!«

»Er gilt!«

»Nein! Gottlob – ich hab' es in der Hand, auch dich zurückzuhalten! Allein traust du dir die Mordgeschichte nicht zu! Ohne mich bist du also glatt aufgeschmissen! Du wirst es mir einmal noch danken!«

»Bernd: Das ist nicht dein letztes Wort!«

»Doch!«

»Noch sind ein paar Stunden Zeit! Überlege dir, während du Wein servierst, was ein Eid vor Gott bedeutet . . .«

»Sicher nicht, daß man das Gebot bricht: Du sollst nicht töten!«

»Sollst du denn töten? Niemand verlangt es von dir! Denke an deine Liebe zu mir! Jetzt kannst du sie beweisen! Ich werde dich anschauen – oft genug – heute Abend im ›Kolokól‹, Bernd – und von deinem Gesicht lesen, ob du mich lieb hast und deine Pflicht gegen mich begreifst . . .«

 


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