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Vier Worte gibt es, die keinen gleich,
Und jedes erschliesst dir ein herrliches Reich:
Mutter, Sprache, Vater, Land.
Umschlingst du je zwei mit innigem Band,
Dann winken dir mit treuer Hand
Muttersprache – Vaterland.
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Wie scheint ein Jahr, das vor uns liegt,
Gar unermesslich gross zu sein,
Und findet doch, ist es besiegt,
Raum in dem allerkleinsten Schrein.
So dünkt uns wohl ein schweres Leid
Von unerhörter Wucht zu sein,
Doch ruhsam glättet es die Zeit
Und schliesst es oft für immer ein.
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Das Glück lenkt dich zur Oberfläche hin,
Der Schmerz nur weiss gar tief sein Lot zu senken,
Dem Frohen wird es flügelleicht zu Sinn,
Der Ernste lernt es, wehmutsvoll zu denken.
Für Augenblicke jubelt dir das Glück,
Doch durch ein Leben folgen dir die Leiden,
Und dennoch zürne nimmer dem Geschick,
Denn reicher Segen fliesst dir zu von beiden.
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Vermag auch nichts, dein wehes Leid zu stillen,
Natur erhält dich ohne deinen Willen,
Zwingt dich zum Schlaf und flösst dir Hunger ein,
Sie kümmert sich nicht um der Seele Pein,
Gebietet dir zu atmen Tag und Nacht
Und sorgt, dass Zelle neben Zelle wacht.
Nimm's als ein Zeichen, zeig' dich herb und hart,
Noch braucht sie dich in ihrer starken Art,
Du bist ihr wertvoll, und gehorchst du ihr,
Zerbrichst du deinen Schmerz – dann dient sie dir.
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Und ringt sich aus deiner Seele,
Der wunden, ein Klagen los,
Ist's doch, als weine ein Kind nur
In seiner Mutter Schoss.
Und wärst du alt an Jahren,
Und wärst du auch ein Greis –
Das Weinen deines Herzens
Klingt schmerzensvoll und leis
Wie eines Kindes Klage,
Dem Puppen weh getan –
So eilt der Schmerz, der tiefe,
Immer die gleiche Bahn.
Und wenn du's recht bedenkest,
Tat eine Puppe dir weh,
Und hast du's recht begriffen,
Zerfliesst dein Leid wie Schnee.
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Dem Gesetz des grossen Lebens
Kannst du nimmer dich entziehen,
Und du trachtest nur vergebens,
Die gewaltige Faust zu fliehen.
Die dich hob in jungen Jahren,
Die dich trug zu höchstem Glanze,
Wird einst auf dich niederfahren
Bei der Blätter dürrem Tanze ...
Was in Leidenschaft begonnen,
Lass in tiefer Weisheit enden,
Und du hast ein Ziel gewonnen,
Dem die Götter Segen spenden.
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Du ahnst es nicht, wie süss Vergessen ist,
Den Freund vergessen, den du masslos quältest,
Den Feind vergessen, dem du dich vermähltest,
Und alles abtun, was dich bitter störte,
Da deine Seele nie dir selbst gehörte ...
Du ahnst es nicht, wie süss Vergessen ist.
Du ruhst in einer Wolke, weiss wie Flieder,
Und alles Böse sinkt an dir hernieder,
Und alles Gute meidet deine Bahn –
Du bist dir selber Gott und Untertan.
So schwebst du durch die Bläue deiner Träume,
Dein Hauch umküsst die goldenen Himmelssäume.
Vor dir ein Licht, von Ewigkeiten trunken,
Und hinter dir in Abgrundnacht versunken,
Was dich gehemmt, beglückt, enttäuscht, gebunden,
Du hast ein Weltenreich in dir gefunden,
Und wie du ganz von Glanz umflossen bist –
Weisst du es erst, wie süss Vergessen ist.
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Einen Tag im Jahre schenken
Wir dem schmerzlichen Gedenken
Jener, die gestorben sind,
Uns're Lieb' umfasst sie dichter,
Ihre Gräber schmücken Lichter
Zärtlich im Novemberwind.
Gönnen auch die Geister droben,
Die zu Göttern sich erhoben,
Einen Tag dem Menschensein?
Zünden an die Himmelskerzen
Für uns schwer bedrängte Herzen
Und gedenken uns'rer Pein?
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Und sagte mir ein Gott: »Gib mir dein Leben
Für deiner Liebe heisse Seeligkeit –«
Ich gäb' es hin und riefe noch im Sterben:
»Wie dank' ich dir –
Du hast mit edler Grossmut mich beschenkt –
Denn schöner als das Leben war die Liebe!«
Welche Augen brennen am heissesten?
Die von Tränen trocken sind.
Welche Lippen zucken am schmerzvollsten?
Die vom Leide schweigen.
Welches Herz bebt in tiefster Not?
Das da bangt vor des Geliebten Tod.
Verbotenes Glück von selt'nen Tagen,
Durch Jahre Leides wird's gesühnt, –
Kein bitt'rer Weh, als dir zu sagen:
Du hast dein Schicksal selbst verdient.
O schliess' dich ein, verarmtes Herz,
Wenn deiner Liebe Träne quillt,
Und gib dem tiefverhalt'nen Schmerz
Die Lust, dass er dich ganz erfüllt.
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Es ist kein Tal so eng und schmal,
Die Sonne dringt zur Tiefe,
Es ist kein Bach so flach, so schwach,
Der nicht zum Meere liefe.
Es lebt kein Baum am Waldessaum,
Der nicht zehn Würzlein hätte,
Kein Käferlein, wär's noch so fein,
Das fände nicht sein Bette.
Es gibt kein Herz voll heissem Schmerz,
Dem nicht ein Glück erblühte,
Und keine Seel' in Schuld und Fehl',
Die Liebe nicht durchglühte.
Es scheint die Welt von Hass durchschwellt,
Ein arger Pfuhl der Sünden,
Und ist doch gleich ein Himmelreich,
Versteh's nur recht zu finden!
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Das ist die Jugend: leicht die Lasten fühlen,
In Schmerzen mit beglückter Seele wühlen.
Das ist das Alter: schwer das Leichte tragen
Und über Freuden wehmutvoll verzagen.
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Lass dir die Lehre nicht verdriesslich scheinen:
Wer zu viel Freunde sucht, hat schliesslich keinen.
Eisen, das Funken sprüht,
Lässt leicht sich biegen,
Eisen, das längst verglüht,
Versteht zu siegen.
Wer nicht achtet, was er nicht versteht,
Des Wissen böse Wege geht.
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Freund X wär' wahrlich zu beklagen,
Weil er sich selber muss ertragen,
Doch diese Last fällt ihm nicht schwer –
Denn er ist leer.
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Du klagst, dass deine Manuskripte wandern
Und fragst verzweifelt mich: was soll ich tun?
Gedulde dich, – sobald sie erst gedruckt sind,
Dann bleiben sicher sie behaglich ruhn.
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Dichter gleichen ewigen Sternen,
Wenn ihr Licht aus Himmelsfernen
Durch die schwarze Weite streicht
Und der Menge Blick erreicht –
Funkelt schon in neuem Strahle
Ihrer Herzen Feuerschale,
Und das Volk bekrittelt und empfängt,
Was sich längst von ihnen fortgedrängt.
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Hör' es, Künstler, der da freit,
Hohe Kunst will Einsamkeit.
Grösse darf sich nicht vermählen –
Nicht das Glück der Kleinen wählen,
Darf nicht Schmetterlinge fangen,
Muss nach gold'nen Sternen langen.
Mit den Blicken zu den Weiten
Soll der Künstler durch die Zeiten
Einem Land entgegengehn,
Das nur seine Augen sehn.
Hör' es, Künstler, der da freit –
Hohe Kunst will Einsamkeit.
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Mag dir das Leben tausend Kränze winden,
Wertlos sind sie, lernst du nicht überwinden,
Im Schmerze stolz, in Qualen lächelnd stehn,
Was hinter dir liegt, nicht mehr anzusehn,
Was du gefehlt hast und bereut – verachten,
Nach neuem Sieg mit wildem Mute trachten,
Aus deinen Sünden starke Brücken bauen
Und deiner Kraft wie Götterhuld vertrauen.
Mag dir das Leben tausend Kränze winden,
Wertlos sind sie, lernst du nicht – überwinden.
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Immer kleiner wird der Kreis,
Der dich hält umfangen,
Trug dich einst so fein, so leis,
Da dir Elfen sangen.
Streckte sich, so wie du wuchst,
Wollt' nach Wolken langen,
Zu den Sternenhimmeln trugst
Du dein heiss Verlangen.
Immer kleiner wird er nun,
Doch dir soll nicht bangen,
Treu hält dich nach letztem Tun
Einst ein Baum umfangen.
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Und ist ein Herz erloschen
Aus deinem Freundeskreis,
Da tönt in deiner Seele
Ein Sünderglöcklein leis:
»O hättest du erwiesen
Ihm Liebe und Geduld,
An seinem wehen Scheiden
Trägst du wohl mit die Schuld ...«
Drum streue deine Treue
Wie gold'ne Strahlen aus –
Es trägt ein Herz, ein gutes,
Sonne in jedes Haus.
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Und einmal ist es zum letzten Mal,
Dass du dein Zimmer betreten,
Mit letztem Blick erschaut das Tal,
Gelitten dein letztes Beten.
Dann schwindet auf fernen Stern dein Licht,
Dein Hauch entschwebt in Lüfte,
Und deines Lebens vollendet Gedicht
Schreibt sich in dunkle Grüfte.
Dann flammt dein Gedächtnis in Herzen auf,
Denen du Gutes erwiesen,
Und es leuchtet verklärt dein Lebenslauf
In Seelenparadiesen.