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Die Sonne stand am Erdenrand,
Da schritten zwei Männer über das Land,
Vom Himmelsgrunde lichteshehr
Hoben sich ihre Gestalten schwer,
Trugen zu Häupten dunkle Last,
Hielten sie mit den Händen gefasst
Und schwankten so hin in die Weiten,
Als wollten sie aus der finstern Welt
Ins leuchtende flammende Himmelszelt
Mühsam hinüberschreiten.
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Ein welker, müdgebückter Greis
Am Felde neben zwei Kühen stand,
Er hielt die Leine, betete leis,
Und sah zu Boden unverwandt.
So matt war er, so lebensschwach,
Ich tröstete ihn mit manchem Wort,
»Ja ja –« nickt er vor sich und sprach:
»Das Alter kommt und die Kraft geht fort.«
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Sass eine Alte vor einer Bank,
Die Stirn voll rissiger Falten,
Welk ihr Gesicht, ihr Körper krank,
Gefaltet die Hände, die kalten.
»Was hockst du auf dem Boden, sprich,
Hast doch die Bank daneben!«
Rief ich ihr zu, »so setze dich,
Gönn' dir ein leichteres Leben.«
Sie hob den müden Blick zu mir
Mit ruhevoller Geberde
Und sagte einfach: »Lass' mich hier, –
Wir Bauern gehören zur Erde.«
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Ein Kapuziner wandelt durch die Menge,
Sie gröhlt und höhnt und spottet seiner Tracht,
Ein Waisenkind fasst ängstlich im Gedränge
Nach seiner milden Hand und folgt ihm sacht.
Geschmäht mit wüsten Lästerreden schreitet
Der Einsame gelassen für sich hin,
Er hebt das Haupt; wie sich sein Auge weitet
Unter dem Hohngespötte: »Kreuzigt ihn!«
So fiel schon Einer einst durch Volkeswillen,
Des Name fast zweitausend Jahre glänzt,
Der Kapuziner sinnt, in fernen Stillen
Sieht er ein Haupt, von Dornen schwer umkränzt ...
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Die blasse Nonne hielt fünf rote Rosen,
Matt leuchtete ihr schmales Angesicht,
So ging sie stumm den Weg der Hoffnungslosen,
Auf ihrer Haube spielte weisses Licht.
Durch einen Garten schritt sie ohne Zagen,
Es schwankte leicht der Strauss in ihrer Hand,
Wie schien sie gern die Blütenpracht zu tragen,
Sie sah sie an beseligt, unverwandt.
Und hinter ihr schloss sich die enge Pforte,
Ein Dunkel nahm sie auf geheimnisvoll ...
Sie barg bei sich, auch wenn ihr Herz verdorrte,
Die Liebe, die aus Gluten überquoll.
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Kennst du die Mädchen mit den klaren Reden,
Sie scheuen nicht vor kühnem Wort zurück,
Sie lachen arglos, spotten über jeden
Und scheinen fremd dem zarten Liebesglück.
Hell wie der Tag sind sie, ein wenig lärmend,
Vom Traume weisen sie geringste Spur, –
Doch durch die heissen Nächte zieht sich härmend
Die eine wollustschwangere Sehnsucht nur: –
Der Mann, der Mann, geläng' es, ihn zu fassen,
Was fragten sie nach Bildung, Sitte, Welt,
Sie würden Schwester, Vater, Mutter hassen
Und alles, was sich ihnen widerstellt.
O diese Fülle wüster Phantasien,
Wie sie die Nacht in dunkle Schleier hüllt,
Bis sich mit süssen Traumesmelodien
Der Mädchen Orgienlust so ganz erfüllt.
Des Morgens blicken sie ein wenig bleicher,
Sie wandern durch den Tag hin wie verwaist,
Ihr Gang ist stiller, ihre Stimme weicher,
Dieweil ihr Sinn der Nächte Wonnen preist ...
Kennst du die Frauen mit dem müden Lächeln,
In deren Augen keine Wünsche glühn,
Und während keusche Worte kühlend fächeln,
Meinst du, dass zarte Rosen dich umblühn.
Das sind die wohlerzognen weissen Seelen,
Die immer pünktlich wissen, was sich schickt,
Und aus dem Guten stets das Beste wählen,
Die Lider senken, die den Mann erblickt.
Sie streicheln gern des Gatten rauhe Hände
Und streifen über seine Schulter hin,
Sie wünschen nie, es hätt' der Tag ein Ende
Und leise sank' herab der Nacht Beginn
Und löse die gespannten Königsglieder
Zu süsser Ruhe und zu süss'rer Lust,
Das Leben schwebt in Träumen auf sie nieder,
Sie sind sich seiner Fülle nie bewusst. –
Wie fremd entwickelt oft sich ein Begebnis,
Und sonderbar schwankt Wunsch und Glück im Raum –
Für jene Mädchen wird der Traum Erlebnis,
Für manche Frauen das Erlebnis – Traum ...
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Sie war Gast oder feierte Gäste
Im Strahl des elektrischen Lichts,
Sie jagte von Fest zu Feste
Und klagte: man kommt zu nichts!
Sie lief von Modistin zum Schneider
Und achtete ihres Gewichts,
Kauft' jährlich vier Dutzend Kleider
Und seufzte: man kommt zu nichts!
So ward aus der Jungen die Alte,
Am Tage des letzten Gerichts
Weint sie mit zitternder Falte:
Hilf Himmel – ich kam zu nichts!
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Der Weihnachtsabend zog heran,
Sie spenden an allen Enden,
Ein jeder streut, so viel er kann,
Segen mit vollen Händen.
Im leeren Zimmer, dürftig erhellt,
Sitzt Einer bei trübem Denken,
Er hat verloren Gut und Geld,
Blieb nichts ihm zu verschenken.
Er hat kein Weib, kein Heim, kein Kind,
Ihn haben die Freunde verlassen,
Und Träne um Träne langsam rinnt
Ihm über die Wangen, die blassen.
Ein Stückchen Brot, kein Huhn, kein Fisch,
Doch Salz und Pfeffer in Fülle
Sieht er auf kahlem, braunem Tisch
In seiner Kälte Stille.
Doch seine Schwestern wohnen warm,
Auch die Brüder, Onkeln und Tanten –
Drum ist er wohl so bettelarm,
Weil er so reich an Verwandten.
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Cousine bittet um ein altes Kleid,
Sie haben hundert in den grossen Schränken,
Doch keine Zeit, darüber nachzudenken,
Wie man die alte Base wohl erfreut.
Sie wartet, wartet, schleicht in grauen Fetzen,
Nach einem Briefe blickt sie täglich aus,
Und ihre armen Tränen netzen
Den morschen, längst vergilbten Flaus.
Erkrankt, zerlumpt und hungernd liegt sie
Auf ihrem letzten schmerzensreichen Lager,
Da kommt ein Bote, Seidenkleider kriegt sie,
Ein altes Jäckchen bringt sogar der Schwager.
Sie jubelt: »Zieht mir an das rötlich blasse,
Wenn ich gestorben bin – es ist so fein!
Gebt acht, dass keine Hand es gröblich fasse –
Habt Dank – wie schön werd' ich darinnen sein!«