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Zarin Elisabeth Petrowna

Zarin Elisabeth Petrowna
Bildquelle: wikipedia.org

Liebschaften der Zarin Elisabeth Petrowna.


Elisabeths Bräutigam. – Ihr erster Liebhaber, der Soldat Schubin. – Seine Verbannung nach Sibirien. – Der Sänger Rasumowsky, Gemahl einer Kaiserin. – Michael Woronzow. – Straßenkehrer, Kutscher, Bedienter und Stallknecht Liebhaber der Zarin. – Die drei Schuwalow. – Die abgewiesene Kaiserin. – Elisabeths Kinder. – Charakter der Zarin Elisabeth der Gütigen.


In demselben Jahrhundert, in dessen ersten Jahren die russischen Frauen noch im tiefsten Elend orientalischer Abgeschlossenheit geschmachtet hatten, saßen dann auf dem zarischen Throne fast ausschließlich Frauen. Keine von ihnen aber zeigte sich der großen Aufgabe würdig, die ihnen allen so plötzlich zugefallen war. Sie ließen durchweg sich und ihr Volk und ihr Reich von Grünstlingen niedrigster Abkunft und erbärmlichsten Charakters leiten.

Auf Katharina die Erste, die Sklaventochter, folgte nach dem kurzen Interregnum Peters des Zweiten die Zarin Anna Iwanowna, und dieser wieder, nach einer nur mehrmonatlichen »Regierung« des Wickelkindes Iwan Antonowitsch, im Jahre 1741 Elisabeth, die Tochter Peters des Großen.

Im Gegensatz zu ihrer früh verstorbenen Schwester Anna, der keuschen Lieblingstochter Peters des Großen, war Elisabeth schon in frühester Jugend von schrankenloser Schamlosigkeit.

Sie war die ärgste aller russischen Messalinen. Chronique scandaleuse des Petersburger Hofes seit den Zeiten der Kaiserin Elisabeth. Fürth 1832. – F. L. A. Hörschelmann, Pragmatische Geschichte der merkwürdigsten Staatsveränderungen im russischen Reiche, von dem Ableben Peters des Großen bis Katharina II. Erfurt 1763. – Lacombe, Histoire des révolutions de l'empire de Russie, Amsterdam 1778. – Pekarsky, Der Marquis de la Chetardie in Rußland, Petersburg 1862, Russisch. – Graf zu Lynar, Hinterlassene Staatsschriften, 2 Bände, Hamburg 1793-1797. Vgl. dazu: Jansen, Rochus Friedrich Graf zu Lynar, Oldenburg 1873. – Friedrichs des Großen nachgelassene Schriften III, IV, V. – Wassiltschikoff, Die Familie Rasumowsky, St. Petersburg 1880, Russisch. – Ernst Herrmann, Der russische Hof unter Kaiserin Elisabeth. Historisches Taschenbuch, VI. I. Leipzig 1882. – Schäfer, Aus den letzten Tagen der Kaiserin Elisabeth von Rußland, Historische Zeitschrift XXXVI. – Hanway, Beschreibung der Reise von London durch Rußland und Persien, Hamburg 1754. – Korrespondenzen von Iwan Iwanowitsch Schuwalow, Russky Archiv 1864, 4; 1867, 1; 1869, 11; 1870, 8, 9. – Michael Illarianowitsch Woronzow, Archiv des Fürsten Woronzow, Moskau 1870, 1871, 1872, und Russky Archiv 1870, 8 und 9. – Schtscherbatow, Sittenverderbnis in Rußland, ediert in London. Vgl. Semewsky, Russkaja Starina 1870, 7 und 8; Galachows Historische Chrestomathie, Band I, Russisch. – K. Waliszewski, La dernière des Romanow, Elisabeth Ire, Paris 1902. – Schlosser, Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts. – Vgl. ferner die früher zitierten Werke (Heibig, Crusenstolpe, Mannstein), sowie die Schriften über Peter den Dritten und Katharina die Zweite.

Sie war ärger als Katharina die Erste, ärger als Anna Iwanowna und selbst schamloser als Katharina die Zweite. Katharina die Erste begnügte sich mit wenigen Liebhabern, Anna Iwanowna sogar mit einem.

Katharina die Zweite hatte allerdings an Zahl mehr Günstlinge als Elisabeth.

Dafür aber war Katharina die Zweite eine kluge begabte Frau, die dem Reiche manchen Nutzen erwiesen und den Beinamen der Großen wenigstens als Herrscherin verdient hat.

Elisabeth indessen besaß nicht die geringste Regententugend. Sie hatte weder Geschick noch Lust, das gewaltige Reich zu beherrschen; sie war ebenso unfähig wie faul, ebenso trunksüchtig wie sittenlos.

Infolge ihres wilden Lebens wurde nicht bloß ihr Leib, sondern auch ihr Geist geschwächt. War sie doch schon von Natur nicht übermäßig begabt.

So wurde sie nach und nach unempfänglich für alles, was um sie her vorging, außer für sinnliche Reize. Diese allein vermochten noch ihre erschlafften Nerven zu erregen.

In jeder Art Bildung war Elisabeth unbewandert. Denn daß sie Deutsch und Französisch neben ihrem Russischen verstand, kann man ihr kaum als Bildung anrechnen.

Ebensowenig hatte die Zarin einen richtigen Begriff von der Politik. Sie hielt es mit Frankreich, weil der französische Gesandte, Marquis de la Chetardie, noch als sie Großfürstin gewesen war, ihre Gunst genossen und deshalb zum Erfolg ihrer Thronbesteigung viel beigetragen hatte. Vgl. Albert Vandal, Louis XV et Elisabeth de Russie. IIIe éd. Paris 1896. Mit Osterreich und Sachsen pflegte sie gute Beziehungen, weil es ihr so überliefert war. Den großen Friedrich aber haßte und bekämpfte sie, weil er über ihre Sittenlosigkeit boshafte Witze machte.

Wochen- und monatelang blieb sie den Staatsgeschäften fern; gedachte sie endlich ihrer Regentenpflichten, so geschah es in nachlässigster Weise. Sie kümmerte sich um nichts und ließ ihre jeweiligen Günstlinge tun, was sie wollten; sie war meist nicht einmal zu bewegen, unter die wichtigsten Anordnungen ihren bloßen Namen zu setzen. Eine Antwort auf einen Brief Ludwigs des Fünfzehnten, worin der König der Zarin die Geburt seines Enkels angezeigt hatte, konnte erst nach drei Jahren abgehen, weil Elisabeth vor lauter Liebesgeschäften nicht zur Unterschrift kam.

Man erzählte von einer Unterredung, welche die Kaiserin Elisabeth am Vorabend ihres Todes mit ihrem Neffen Peter gehabt haben soll. Sie ließ sich vom Großfürsten das Versprechen geben, daß er ihren Günstlingen, besonders aber Kirill Rasumowsky und Iwan Schuwalow, kein Leid zufügen würde. Um politische und nationale Fragen aber kümmerte sie sich nicht.

Elisabeth hatte den Beinamen der Gütigen. Denn bei ihrer Thronbesteigung tat sie das Gelübde, keine Todesstrafe zu verhängen. Dafür kamen die Verbannung nach Sibirien und die Knutenstrafe in Übung wie nie zuvor. Mehr als 80 000 Menschen, die oft bloß geringe Vergehen begangen hatten oder bloß verdächtigt waren – mehr als 80 000 Menschen wurden während der Regierungszeit Elisabeths geknutet, verstümmelt, verbannt. Für sie alle wäre die Todesstrafe eine Wohltat gewesen! … Gegen die Leiden, welche die damaligen Verbannten durchzumachen hatten, nehmen sich die Kennanschen Schilderungen der heutigen sibirischen Zustände wie Lichtbilder aus.

Elisabeth, die selbst durch eine Revolution auf den Thron gekommen war, fürchtete immerfort, auch auf unnatürliche Weise entfernt zu werden und sah überall Verschwörer und Thronumwälzer.

In ihrem Äußern besaß die Zarin viel Ähnlichkeit mit ihrer Mutter Katharina. Nach dem Urteile derer, die sie kannten, hätten »ihr Umriß und ihr Gliederbau zwar etwas feiner sein können, aber demungeachtet war ihre Gestalt, im ganzen genommen, höchst anmutig. Ihr Ansehen und ihr Gang waren majestätisch, ihr Anstand erhaben, ihre Bildung reizend, ihre Haut äußerst fein, ihre Augen lebhaft, ihre Blicke einnehmend und ihr Ton und ihre Art zu sprechen herablassend und sogar gefällig.«

Ihre Figur war schlank, sie hatte kastanienbraunes schönes Haar und dunkle Augenbrauen, die ihre großen blauen Augen hervorhoben; ihr war ein anziehendes Lächeln eigen, das leicht in scherzhaftes Lachen überging und eine Reihe weißer Zähne zeigte; sie war immer zuvorkommend gegen Fremde, freundlich gegen ihre Umgebung; lebhaft, liebenswürdig, heiter, machte die Zarewna Elisabeth Petrowna einen bezaubernden Eindruck auf die Männer.

Der spanische Gesandte, Herzog de Lyrià, welcher der Zarewna feindlich gesinnt war und sie, wo es anging, zu verdächtigen suchte und ihre Laster gern herausstrich, kann nicht umhin, ihre Schönheit eine übernatürliche zu nennen. Nicht nur Männer schwärmten für diese »beauté«, wie die französischen Residenten La Vie und Campredon sie bezeichneten, sondern auch Frauen gaben zu, daß sie sehr hübsch und verführerisch war.

Früh war um ihre Hand geworben worden. Als Kind schon war sie neben ihrer Schwester Anna der Gegenstand eines Heiratsprojektes mit dem König Ludwig dem Fünfzehnten, dann mit dem Herzog von Chartres, mit Condé und dem Herzog von Bourbon. Als sie heranwuchs, folgten auf die Franzosen die Deutschen: Prinz August Bischof von Lübeck, Herzog Ferdinand von Kurland, Prinz Moritz von Sachsen, Prinz Friedrich von Sulzbach, der Markgraf Carl Brandenburg-Baireuth und Prinz Peter Biron. Selbst der Infant von Portugal Dom Manuel und der Sohn Nadir Schachs bewarben sich um Elisabeths Hand. In Rußland fehlte es natürlich auch nicht an Verehrern; der junge Zar Peter der Zweite war verliebt in seine Tante, ebenso der Freund des Zaren, Dolgorucky, und der junge Fürst Mentschikoff. Vor dem Tode Katharinas der Ersten ward Elisabeth endlich mit dem Herzog von Holstein-Eutin verlobt, der aber an dem für die Vermählung festgesetzten Tage starb. Elisabeth scheint ihn sehr geliebt zu haben und betrauerte ihn tief. Selbst noch nach langen Jahren, in den Zeiten ihrer größten Sittenlosigkeit, hielt sie seinen Todestag in frommer Andacht und treuem Gedenken heilig …

Der Sehmerz um den Verlust des geliebten Bräutigams war so groß, daß Elisabeth beschloß, keinen anderen Mann zu heiraten. Diesen Entschluß hielt sie insofern, als sie wirklich keinem der zahlreichen Bewerber offiziell die Hand gab. Aber – – – dafür schenkte sie ihre innersten Gefühle stillen Liebhabern, und »bald tat sie, ohne sich zu schämen, Dinge, vor denen die Unbescheidensten erröteten«.

Mit ihrem ersten Favoriten, dem Soldaten Schubin, zog sie sich in die Alexandrowsche Slobada, eine abgelegene Vorstadt der Residenz, zurück und ging, um unerkannt zu bleiben, als Mann verkleidet mit ihm in freie Waldnatur, wo man die Beiden aber zuweilen in bösen Situationen überraschte …

Solange Katharina lebte und auch unter Peter dem Zweiten blieb diese Liebschaft ziemlich Geheimnis, aber unter der Zarin Anna wurde sie ruchbar und skandalös, da Schubin die Großfürstin ungeniert im Angesicht des ganzen Hofes zu beleidigen wagte. Die Kaiserin sah sich daher genötigt, den Geliebten ihrer Base einzufangen und nach Sibirien zu schaffen. Hier blieb Schubin lange Jahre.

Elisabeth schien trostlos und nahm sich in der Verzweiflung ihres Herzens statt des einen ihr Geraubten – mehrere.

Einer ihrer nächsten bedeutendsten Liebhaber war Alexey Rasumowsky, ein Bauernsohn aus der Ukraine, der wegen seiner schönen Stimme als kaiserlicher Sänger angestellt war und Elisabeths Wohlgefallen erregte. Nach Schubins Entfernung ließ die Großfürstin durch, ihre Freundin Frau von Ismailow dem Rasumowsky Liebesanträge zukommen, die der Sänger gerne annahm. Er wurde nun Leibsänger und Lautenschläger Elisabeths und avancierte dann zum Oberaufseher ihres Hauses und Verwalter ihres Herzens.

Die Zarin Anna, welche »gern den Anstand wahrte«, wollte Rasumowsky, ebenso wie früher Schubin, entfernen, allein sie stieß bei ihrer Base diesmal auf so energischen Widerstand, daß sie den Liebesgelüsten der Großfürstin freie Bahn lassen mußte.

Nachdem Elisabeth Zarin geworden, Elisabeth verdankte ihren Thron neben dem französischen Gesandten Marquis de la Chetardie, der ihr mit französischem Geld aushalf und auch ihre intime Gunst genoß, hauptsächlich ihrem Leibarzte Johann Hermann l'Estocq, der als junger Mann 1713 nach Petersburg gekommen war und schnell Peters Gunst gewonnen hatte. Katharina stellte ihn 1725 als Wundarzt bei ihrer Tochter Elisabeth an, welche Stelle l'Estocq bis 1748 behielt. Schon nach dem Tode Peters des Zweiten wollte l'Estocq Elisabeth zum Throne verhelfen; die träge, feige Großfürstin lehnte aber seine Vorschläge ab. Erst 11 Jahre später vermochte sie sich für dieselben so weit zu begeistern, daß sie sich zu l'Estocqs Plänen wenigstens nicht abwehrend verhielt. Im Vereine mit Michael Woronzow, dem Musikus Schwarz und dem Gardesoldaten Grünstein wurde endlich 1741 der Putsch unternommen, durch den das Wickelkind Iwan Antonowitsch verdrängt und Peters des Großen Tochter auf den Thron gehoben wurde. Elisabeth zeigte sich anfangs gegen l'Estocq dankbar, beschenkte ihn mit Ehren, Würden und einträglichen Stellungen. Aber bald kümmerte sie sich weniger um ihren Arzt und Günstling, der für sie alles gewagt hatte, und ließ es geschehen, daß l'Estocqs Neider gegen ihn falsche Anklagen erhoben, auf Grund deren man ihn nach Asien verbannte. Zu l'Estocqs Unglück mag auch beigetragen haben, dass seine häßliche Frau die Liebe des schönen Kurt von Schönberg fand, den Elisabeth selbst vergeblich zu gewinnen strebte (vgl. Seite 163). Grünstein wurde vom gemeinen Soldaten zum Adjutanten der Kaiserin erhoben, kurz darauf sogar Generalmajor. Da er sich zuviel erlaubte und die Sittenlosigkeit der Kaiserin öffentlich tadelte, wurde er nach Sibirien verbannt.

Der Musikus Schwarz hätte auf dem ihm von Elisabeth geschenkten Gute die Früchte seiner Taten ruhig genießen können, wenn er seiner Leidenschaft Zügel angelegt hätte; aber ein Landmädchen, das er unausgesetzt mit seinen Anträgen verfolgte, befreite sich endlich, indem sie ihren Gutsherrn mit einer Heugabel erstach.

Ungetrübten Glückes erfreute sich nur Michael Woronzow, von dem ich später sprechen werde (Seite 157).
war es ihre erste Sorge, ihren Geliebten zu belohnen. Rasumowsky wurde in den Grafenstand erhoben und zog in den Palast der Kaiserin, mit der er alsdann bis an ihr Lebensende Zimmer an Zimmer wohnte. Endlich ließ sie sich, da sie ebenso fromm wie unsittlich war, einreden, daß ihr Verhältnis, den Himmel verletzen könnte, und um den Himmel zu versöhnen, ging sie mit Rasumowsky eine geheime, aber förmliche, priesterlich nach allen Zeremonien eingesegnete Ehe ein …

Das war der Gipfelpunkt von Rasumowskys Glück.

Nachdem die Kaiserin mit dem Geliebten für immer verbunden war, wollte sie ihn für immer los sein. Aber sie war zu schwach, die Ehe zu lösen, zu schwach sogar, den unliebsamen Gatten überhaupt vom Hofe oder aus dem Palaste zu entfernen.

Er blieb also an der Seite der Kaiserin und sah zu, wie andere seine Rechte erhielten, seine Pflichten erfüllten.

Kurz nach ihrer Thronbesteigung hatte Elisabeth sich auch Schubins erinnert. Sie sandte einen Kurier nach Sibirien, um den Verbannten aufzusuchen.

Erst nach jahrelangem Umherirren fand der Bote der Zarin den Gesuchten und brachte ihn 1743 nach Petersburg.

Der einst schöne, kraftvolle Schubin war aber elend und kränklich geworden. Er gefiel der Kaiserin nicht mehr und wurde deshalb bloß vom Sergeanten, der er vor seiner Verbannung gewesen, zum Generalleutnant in Pension ernannt und mit einem großen Gute – möglichst weit weg von Petersburg – beschenkt.

Und da war und blieb er bis an sein seliges Ende. –

An Stelle Schubins trat der Gardesoldat Buturlin.

Elisabeth wählte ihre Liebhaber, mit einer einzigen Ausnahme, aus den niedrigsten Schichten des niedrigsten Pöbels.

Ihre Sinnlichkeit war schließlich so raffiniert, daß nur noch abstoßende Häßlichkeit Reiz auf sie ausübte, und so erklärte es sich, daß sie einmal an dem häßlichsten Menschen der Residenz, einem rohen schmutzigen Kalmücken, wildes Gefallen finden konnte …

»Ihr Hof,« sagt selbst der ernste Schlosser, »war aus Pöbel im schlimmsten Sinne des Wortes gebildet.« Es wimmelte dort von ganz gemeinen, aller Eigenschaften des Verstandes oder des Herzens durchaus ermangelnden, zum Teil ganz verworfenen Leuten, welche einmal die höchste Gunst der Kaiserin genossen hatten und deshalb mit den höchsten Stellen im Staate, mit den ersten Orden, mit ungeheuren Reichtümern beschenkt worden waren …

Ein gewisser Karl Sievers war Bedienter bei der Zarin, kam ihr infolgedessen häufig vor Gesicht und gefiel ihr.

Sie konnte sich von ihm nicht trennen, selbst zu Zeiten, wo sich andere ihrer Gunst erfreuten.

Er erfüllte zwei Pflichten: die eines feurigen Liebhabers und die eines – Kaffeebereiters.

Kaffee liebte Elisabeth nicht minder als Männer.

Sievers leistete ihr in beiden Fällen Genüge und wurde mit großen Reichtümern und Würden »belohnt« und, wie fast alle anderen, in den Grafenstand erhoben. –

Eine glänzende Karriere machte Michael Woronzow.

Er stieg aus der untersten Volksschichte zur Würde eines Grafen und Großkanzlers empor.

Als Elisabeth seines nächsten Umganges überdrüssig geworden, verheiratete sie ihn mit ihrer Cousine, der Gräfin Skawronska. –

Bei einer Ausfahrt sah die Zarin den schönen Straßenkehrer Ljallin.

Er wurde sogleich in den Palast befohlen und als Diener und Liebhaber der Kaiserin angestellt.

Nach einigen Wochen, als die Kaiserin keinen Geschmack mehr an ihm fand, wurde er Kammerherr, Graf und Gutsbesitzer – möglichst weit weg von Petersburg. –

Jermolay. Skwarzow, Woshinsky und Poltarazky waren als Kutscher, Diener und Sänger bei Hofe angestellt.

Alle drei wurden plötzlich Kammerherren, Grafen und endlich Gutsbesitzer, der letztere außerdem Direktor der kaiserlichen Kapelle, welches Amt er bis zu seinem Todesjahr, 1795, behielt. –

Neben Rasumowsky war der ausdauerndste Geliebte Elisabeths Iwan Schuwalow, ein Abkömmling dieses altadligen, aber damals wenig begüterten Geschlechts.

Iwan wurde erst Page, dann Kammerherr und endlich, anfangs der fünfziger Jahre, »Zimmerherr« der Kaiserin.

Er blieb Elisabeths Liebling bis an ihren Tod.

Die Kaiserin bot ihm mehrmals den Grafentitel an, er schlug ihn immer aus. Die Reichtümer aber, die sie ihm anbot, schlug er nicht aus.

Er war ehrlich und bescheiden. Als Elisabeth im Sterben lag, gab sie ihm den Schlüssel zu ihrer Schatulle, in welcher sich unermeßliche Reichtümer an Kleinodien, Gold und Wertpapieren befanden, und sagte:

»Das alles gehört dir!«

Er aber nahm nichts und übergab die Schatulle samt Schlüssel dem Erben der Krone, Peter dem Dritten.

Seine Bescheidenheit war die Ursache seiner unerschütterlichen Liebhaberstellung.

Iwan Schuwalow legte der Zarin in keiner Hinsicht Zwang auf, bereitete ihr niemals Ungelegenheiten, war niemals eifersüchtig.

Desto eifersüchtiger war sie.

Einmal glaubte sie ernstlich Grund dazu zu haben.

Da sie aber nicht in Erfahrung bringen konnte, welche Frau vom Hofe es wagte, Schuwalows, wenn auch ganz flüchtige, Gunst zu gewinnen, so begann eine fürchterliche Verfolgung und Marterung aller Frauen- und Mädchen, die der Zarin »verdächtig« waren.

Die verdächtigten Frauen wurden überfallen und ohne Prozeß gräßlichen Strafen übermittelt. Man schnitt ihnen zum Zeichen ihrer Entehrung die Haare ab und: warf sie in Zuchthäuser, den Banditen zur Beute …

Iwan Schuwalow blieb trotzdem in der Gunst der Elisabeth.

Er lebte noch lange nach Elisabeths Tode, war ein jovialer Herr spielte den Beschützer der Wissenschaften und Künste und begründete die Petersburger Kunstakademie.

Unter Peter dem Dritten ging es ihm gut, schlimm aber unter Katharina der Zweiten. Nachdem er sein Riesenvermögen im Spiele, verloren hatte, mußte er von einem Gnadengehalt von 4000 Rubel leben. Er starb Ende der Neunziger Jahre. –

Die Gebrüder Alexander und Peter Schuwalow erfreuten sich, gleichwie ihr Vetter Iwan, der besonders intimen Gunst der Kaiserin.

Beide waren habsüchtig und grausam. Alexander hatte wenig Verdienste, Peter dagegen fand als Militär und Staatsmann große Anerkennung.

Die zahllosen rasch wechselnden Liebschaften schadeten Elisabeths Fruchtbarkeit keineswegs.

Es werden ihr viele Ahnen der angesehensten Familien Rußlands als Kinder zugeschrieben.

Als ziemlich sicher gilt, daß sie einen Sohn, den Grafen Sakrewsky, von Rasumowsky hatte; die durch ihr trauriges Schicksal berühmt gewordene Gräfin Elisabeth Tarakanow Heibig, Russische Günstlinge, Seite 172: Schuwalow wird für den Vater einer Tochter gehalten, welche Elisabeth ohngefähr im Jahre 1753 gebar. Sie wurde Elisabeth genannt und erhielt, wenn wir nicht irren, in der Folge den Namen Prinzessin Tarakanow. Dieses Kind, für dessen Mutter man eine italienische Kammerfrau der Monarchin ausgab, wurde nach Italien geschickt und daselbst erzogen. So lange die Kaiserin lebte, mochte es wohl an nichts fehlen, aber nach dem Tode dieser Fürstin desto mehr an allem. Schuwalow kam auf seinen Reisen auch nach Italien, wo er seine Tochter sah, ohne es jedoch zu wagen, sich ihr zu erkennen zu geben. Sie lebte in den Siebziger Jahren in sehr dürftigen Umständen. – Archenholz erzählt in seinem Buche »England und Italien«: »Eine merkwürdige Begebenheit ereignete sich hier in Livorno im März 1775. Eine russische Dame von unehelicher Geburt, aber aus dem Durchlauchtigsten Blute dieses Landes, hatte sich zwei Jahre lang in Rom aufgehalten, woselbst sie in der größten Dürftigkeit lebte. In diesem Zustande konnte es ihr wohl einfallen, ihre Blicke auf einen Thron zu richten. Sie besaß Klugheit, gute Bildung und einen sehr sanftmütigen Charakter. Ihr eingezogenes Leben wurde aber auf einmal, durch einen abgeordneten russischen Offizier unterbrochen, der gegen sie mündlich Äußerungen von einer sehr außerordentlichen Tat tat, denen er durch das Anerbieten einer sehr ansehnlichen Summe Geldes ein großes Gewicht gab. Dieses letztere Argument tat die erwartete Wirkung in ihrer großen Not. Die Dame ließ sich überreden und kam im Anfange des Jahres 1775 nach Pisa, woselbst sich damals der Graf Alexis Orlow befand. Dieser empfing sie wie eine Königin. Er begleitete sie allenthalben, und wenn er mit ihr im Schauspielhause war, so begegnete er ihr vor den Augen des Publikums mit einer Ehrerbietung, die den gesamten Adel in Erstaunen setzte. Niemand konnte ergründen, wer diese unbekannte Dame sei, gegen die der stolze Graf soviel Herablassung zeige. Endlich wurde ein Vorschlag getan, das nahe gelegene Livorno zu besuchen. Es geschah. Man stieg beim englischen Konsul Dyck ab, und alles war im Wohlleben. Bei der Tafel wurde von der Flotte gesprochen, und da die Dame nie ein Kriegsschiff betreten hatte, so schlägt sie es nicht aus, eins zu besehen. Wie wenig argwohnte die Unglückliche ihr Schicksal! Sie steigt mit dem Grafen ins Boot, fährt zu dem bestimmten Schiff und wird hineingehoben. Auf einmal verändert sich die Szene. Man kündigt ihr mit verächtlichem Ton ihre Gefangenschaft an, und schließt ihre Hände mit Ketten. Das Schiff blieb noch zwei Tage auf der Reede liegen, um sich zur Reise nach Rußland vorzubereiten. Kein fremdes Boot durfte sich diesem Schiffe nähern; die darauf befindlichen Schildwachen drohten Feuer zu geben. Am dritten Tage segelte das Schiff mit seiner Beute ab. Der Hof gab über diesen Vorfall seinen Unwillen sehr deutlich zu erkennen, und die ganze Stadt war darüber aufgebracht.« So weit Archenholz. Helbig fährt dann fort: Die Dame wurde nach Petersburg gebracht. Hier setzte man sie unter dem Verdachte, daß sie eine Wahnwitzige sei, anfänglich in die Festung, brachte sie aber bald nachher nach Schlüsselburg, wo sie in den ersten Monaten des Jahres 1776 nach einer kurzen Krankheit, nicht ohne Verdacht eines gewaltsamen Todes, ihren Geist aufgab. – Vgl. zu dieser Erzählung den Abschnitt »Eine Prätendentin« in Brückners klassischem Werk über Katharina die Zweite, Berlin 1883, Seite 208 bis 217; über denselben Gegenstand hat Brückner auch 1891 in mehreren Nummern der Münchener Neuesten Nachrichten interessante neue Enthüllungen gemacht unter dem Titel: »Ein rätselhafter Todesfall im Hause der Romanows.« Brückner steht Helbigs Angaben sehr skeptisch gegenüber und sagt: »Der wahre Tatbestand lehrt, daß Katharina hier nicht ohne persönliche Erregung, aber von dem Bedenken für die Sicherheit ihres Reiches geleitet, energisch, kraftvoll, entschlossen handelte, um einer Gefahr zu begegnen, deren Tragweite in einer Zeit, welche soeben einen Pugatschew hervorgebracht hatte, schwer zu ermessen war.« Er bezeichnet schließlich die Episode mit der Tarakanow als eine »Schauerszene, welche jeder historischen Grundlage entbehrt.« Nach ihm war die Dame, die übrigens gar nicht den Namen Tarakanow führte und die sich, nach ihm, nicht als Tochter Schuwalows, sondern als Tochter Kirill (nicht Alexey) Rasumowskys ausgab, eine bloße Abenteurerin und Gaunerin, welche als Prätendentin auftrat und deshalb beseitigt werden mußte, – Melnikow, Die Fürstin Tarakanow und die Prinzessin von Wladimir, St. Petersburg 1868 (russisch), hat alle Angaben über Elisabeths angebliche Kinder zusammengestellt. Vgl. endlich W. Panin, Schriften der Moskauer Gesellschaft für Geschichte und Altertümer (russisch) 1867. I; diese Arbeit deutsch: Die vorgebliche Tochter der Kaiserin Elisabeth. Berlin 1867. Von G. B. (Brevern). soll dem Verhältnisse Elisabeths mit Schuwalow entstammen. Die letztere starb unter Katharina eines, frühen rätselhaften Todes.

Nicht immer fand die Kaiserin Gehör.

An ihrem Hofe lebte ein Sachse, Kurt von Schönberg, den Friedrich August der Zweite nach Rußland gesandt hatte, um die dortigen Bergwerke zu organisieren.

Er kam an Elisabeths Hof, und die Unsitten an demselben behagten ihm so sehr, daß er hier für immer zu bleiben beschloß.

Er war ein schöner Mann, und der Frauen viele warben um seine Gunst. Auch Elisabeth nahte sich ihm mit den unzweideutigsten Anträgen und wurde ehrerbietig – abgelehnt.

Denn Herr Kurt von Schönberg war bereits vergeben, und zwar an die Gattin des Arztes L'Estocq, dem Elisabeth den Thron verdankte.

Diese Frau L'Estocq, eine niedriggeborene Deutsche namens Miller, war ungemein häßlich, trunksüchtig und schmutzig.

Und dennoch wurde sie von dem »schönen Kurt« einer alles gewährenden, hübschen Kaiserin vorgezogen …

Wer ergründet Männerherzen?

Je älter Elisabeth ward, je mehr wuchsen ihre ungeheure Eitelkeit, ihre Prunksucht und ihre Eifersucht auf andere schöne Frauen.

Sie hatte die Eigenheit, jeden Tag ein anderes Kleid zu tragen.

In ihrem Äußern war sie sehr sorgfältig und reinlich, und in ihrem Anzuge geschmackvoll, prächtig, verschwenderisch. Sie glaubte ihre Schönheit zu erhöhen, wenn sie sich so oft als möglich und jedesmal anders kleidete. Sie tat es täglich ein halbes Dutzend, oft auch ein Dutzend Mal, und trug gewöhnlich ein Kleid nur ein einziges Mal. Ihren kostbarsten Anzug nahm sie nachmittags, wenn sie von ihrem Mittagsschläfchen, bei dem sie sich gewöhnlich von einem ihrer Günstlinge Gesellschaft leisten ließ, aufgestanden war.

In Elisabeths Nachlaß fand man über 15000 durchwegs neue Kleider, zwei große Kisten mit seidenen Strümpfen, zwei andere mit seidenen Bändern, ungezählte Tausende Schuhe und Pantoffeln und Riesenkoffer mit kostbaren Stoffen.

Die meisten der 15000 Kleider waren einfache Umwürfe. Denn da die Kaiserin oft betrunken zu Bett ging, konnte man sie nicht leicht ausziehen; die Kleider waren deshalb rotondenartig, mit nur wenigen Nähten, die man im Notfalle schnell auftrennte …

Nach Elisabeths Tode wurden diese Kleider nicht verschenkt, sondern aufbewahrt. Als in den neunziger Jahren, gelegentlich des Friedensschlusses mit der Türkei, auf dem Petersburger Theater zur Festfeier das Stück »Oleg« von Katharina II. gegeben wurde, bei dem über 700 Personen mitzuwirken hatten, nahm man die Anzüge für die vielen Frauen aus Elisabeths nachgelassener Garderobe, und nie hat man auf einer Bühne so viele und kostbare Kleider auf einmal gesehen.

Mit Elisabeths Eitelkeit hielt ihr Neid gleichen Schritt. Neben ihr durfte keine Frau am Hofe als schön gelten.

Zum Unglück war eine Frau Lopuchin so schön, daß selbst die Kaiserin ihr dies Attribut nicht weigern konnte.

Dadurch lud die arme schöne Frau den wütendsten Haß und Zorn Elisabeths auf sich. Endlich ergab sich für die letztere Gelegenheit zur Rache.

Man hinterbrachte der Kaiserin, daß die Lopuchin ihr angeblich Übels nachgeredet.

Sofort wurde die Beschuldigte verhaftet und zur Knutung verurteilt. Die Strafe wurde im Angesicht der Zarin vollzogen, die von ihrem großen Vater die Wollust an Hinrichtungen geerbt hatte …

Ein Augenzeuge beschreibt die fürchterliche Szene: Voyage en Sibérie. par M. l'Abbé Ohappe d'Auteroche. Amsterdam 1770. II. 868. Dabei befindet sich eine Abbildung dieser Szene.

... Einer der Büttel riß der schönen Lopuchin eine Art von Mäntelchen ab, das ihren Busen verhüllte.

Die Verurteilte wich vor Scham erschrocken einige Schritte zurück, erbleichte und begann zu schluchzen.

Schon wurde sie jedoch von rohen Händen wiederum ergriffen und war in einem Augenblicke ihrer Kleider beraubt und stand nackt bis an den Gürtel da, den gierigen Blicken einer ungeheuren Menge preisgegeben.

Hierauf wurde sie von einem Henkersknecht auf den Rücken eines zweiten gebunden und dann mit einer eigens für diesen Fall zubereiteten Knute solange bearbeitet, bis ihr die Haut vom Halse und Rücken in Fetzen herabhing.

Endlich nahm man die Unglückliche, fast leblos Hängende herunter, schnitt ihr die Zunge aus und schaffte sie in ein elendes Gefährt, in welchem sie nach Sibirien transportiert wurde …

Das war die letzte große Tat der Zarin Elisabeth, welche Rußlands Geschichte »die Gütige« nennt.


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