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4.

»Nun, wie findest du sie?« fragte Gabriele ihren Verlobten, als sie bei seinem nächsten Besuch allein in ihrem Salon waren.

»Meinst du deine Cousine, die Feuerlilie?«

»Feuerlilie? – Wirklich sehr gut gesagt! Wie witzig du bist! Sie sieht in der Tat ganz wie eine der langstieligen Feuerlilien aus. Ihr Haar hat auch immer noch einen rötlichen Schimmer, wenn das Licht darauf fällt. Aber wie findest du sie?«

»Oh, sehr nett, wenn sie uns allein läßt.«

Gabriele lächelte befriedigt.

»Es war doch durchaus notwendig, sie einzuladen. Wie würde die Gesellschaft später skandali[si]eren, wenn sie erführe, daß ich dich hier so oft allein empfangen habe!«

»In was für Verhältnissen lebt eigentlich deine Cousine?«

»Oh, ganz gut. Onkel Ebenschütz hat zwar, glaube ich, viel durchgebracht, aber von dem großen Vermögen muß ihr noch genug geblieben sein.«

»Warum hat sie nicht geheiratet?«

»Das weiß ich nicht – sie ist in diesem Punkt sehr verschlossen. Vermutlich, weil sie rötliche Haare hat oder einen zu großen Mund.«

Markwitz beugte sich eben über seine Braut, die ihm kaum bis an die Schulter reichte, und drückte einen Kuß auf ihren blonden Scheitel, da der Gesprächsstoff wieder einmal ausgegangen war, als Jettka eintrat.

»Wie herrlich, Gabriele, eben entdecke ich, daß du ein Billard im Hause hast; ich vermute, daß du eine ebenso leidenschaftliche Billardspielerin bist wie ich.«

»Nicht besonders. Aber Richard wird froh sein, in dir einen Partner zu finden, und wenn ihr wollt, spiele ich mit. Ich will gleich befehlen, daß man das Billardzimmer heizt.« Den Rest des Abends brachten alle drei am Billard zu.

Bei dieser Gelegenheit bemerkte Richard Markwitz, daß Jettka Temperament und eine unvergleichliche Grazie besaß, wahrend seine Braut Schwäche und Ungeschicklichkeit offenbarte.

Jettka spielte mit Kühnheit und Energie.

Und jede Stellung ihrer schlanken, biegsamen Gestalt, die Haltung der auffallend weißen, feingeformten Hände war wie ein Bild.

Gabriele hingegen zeigte sich am Billard im unvorteilhaftesten Licht. Es trat hier deutlich zutage, daß ihre Üppigkeit die Grenze der Schönheit bereits um ein weniges überschritten hatte.

Sie ahnte jedoch nicht, daß ihre Cousine sie in den Schatten stellte, und wollte für ihr schlechtes Spiel fortwährend bewundert und gelobt sein.

Jettka und Markwitz waren ebenbürtige Partner.

Er ist nicht der Narr, den Gabriele aus ihm macht, er ist ein ganzer Mann, dachte Jettka bei sich, während sie ihn beim Spiel beobachtete.

Ein schneidiges Weib, sagte sich Richard Markwitz von seiner Gegnerin, und unwillkürlich folgten seine Augen der schlanken Gestalt bei jeder Bewegung.

Jettka besaß das bei deutschen Frauen seltene Genie für die Kleidung.

Sie kleidet sich besser als Gabriele, dachte Markwitz weiter.

Er hätte gestaunt, wenn er die Garderobenschränke seiner Braut gesehen und gewußt hätte, daß Jettka nichts als ein schwarzes und ein weißes Kleid besaß.

Aber wie herrlich floß dieser weiche, weiße Stoff um ihre graziöse Gestalt! Und Gabriele hatte recht, der Schein der großen Hängelampe streute rötliche Lichtreflexe in die braune Flechtenkrone über ihrer schmalen, leuchtenden Stirn.

Ihre Augen hatten etwas wie Phosphorglanz, jedesmal, wenn ihr Blick zu ihm hinüberflog oder mit besonderer Spannung dem Rollen einer Kugel folgte.

Sie ist nicht schön, beobachtete Markwitz immer mehr gefesselt – das Gesicht ist ganz unregelmäßig, die Nase zu klein, die Augen zu hell – ich glaube graugrün – der Mund zu groß. Gabriele ist viel schöner. Aber – den Teufel auch – sie ist faszinierend!

An diesem Abend hatte er zum Abschied ein zärtliches tête-à-tête mit seiner Braut in Gabrielens kleinem Boudoir.

Plötzlich aufblickend, entdeckte er in dem großen Kaminspiegel, der die Liebesszene indiskret widerspiegelte, Jettka im anstoßenden Salon, wie sie ihn beobachtete.

Sie stand regungslos wie eine Statue, die eine Hand um die Stuhllehne geklammert, die andere in die Blusenfalten ihres Kleides gekrampft. Die Augen waren unnatürlich groß und glänzend, der Mund halb geöffnet, ein Ausdruck verhaltener Qual und staunender Neugier über der ganzen lebenden Gestalt.

Es war wie ein elektrischer Schlag, als die Augen des Mannes denen des jungen Weibes im Spiegel begegneten, wie ein zündender Funke, der zwischen ihnen hin und wider flog.

Es war nur ein Moment, sie wandten sich beide erschrocken ab, und Gabriele hatte nichts bemerkt.

Aber als Markwitz durch die dunkle Herbstnacht einsam heimwärts ritt, verfolgte ihn das Bild im Spiegel, er konnte es nicht los werden.

Er sah immer das bleiche Gesicht mit dem blutroten, durstigen Mund, die schmerzlichen Augen mit dem Rätsel im Blick.

* * *


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