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Im Schlosshof war ein mächtiger Scheiterturm geschichtet.
Darüber wurde jetzt ein Sarkophag errichtet,
Darin, auf einem Blumenlager sanft und weich,
Rhodope schlief, bestattet einer Fürstin gleich.
«Es sei!» «Es muß!» Und als nun schauerlich und groß
Die Flammen lohten durch den rauchigen Scheiterstoß,
Erbarmungslos Rhodopens zarten Leib verzehrend,
Von Tränen ungerührt, an keinen Schmerz sich kehrend,
Unwiederbringlich raubend, was das Herz verlor,
Erscholl von ächzendem Geschluchz ein Klagechor.
Und trostlos jammert ein verzweifelndes Gewimmer
Aus jedem Mund das giftige Höllenwörtlein «Nimmer».
Doch als das Werk der Trauerfeier nun zu Ende,
Der Tränen Quell versiegt, erschöpft der Klagen Spende,
Löste sich Hera aus der Amazonen Mitte,
Trat vor Rhodopens Asche mit gefaßtem Schritte,
Stieß ihren Dolch daneben heftig bis zum Knauf:
«Den Harm begrab ich, und die Rache pflanz ich auf!»
Sie riefs. Dann zog ins Schlafgemach die Königin,
Warf sich in finsterm Brüten auf den Boden hin,
Die Ellenbogen aufgestemmt, die Finger krallend
Ins faustgestützte Kinn und Zorngewitter ballend,
Und als nun das Gesinde mit ergebnen Mienen
Erschien, mit Trost und Zuspruch schüchtern ihr zu dienen,
Und flehte: «Herrin, unsre treue Meinung sieh!»
Zog sie die Stirn. «Ich bin nicht Herrin», herrschte sie.
«Das bin ich: eine niedrige, verschupfte Magd,
Die jeder Frechling straflos zu beschimpfen wagt.»
Sie fielen auf die Knie: «Ach, wehre solchem Wahn!»
«Hinweg! man kniet vor Hera nicht, man speit sie an.»
Schließlich die Amazonenobersten befahl
Sie auf ihr Zimmer. Sie erschienen allzumal.
«Ihr tapfern Frauen», sprach sie, «schildert mir die Sage,
Wie unlängst unsre Schwerter – Heil dem frohen Tage! –
Den farbigen Olymp von Kronos' Herrschaft räumten,
Die prahlerischen Götter, die umsonst sich bäumten,
Entthronend, in den Abgrund stürzend die Empörer
Und Tod und Schrecken zuckend unter die Verschwörer.»
Sie sprachs. Und alle schauten gegen Promachos,
Die, also aufgemahnt, zur Sage sich entschloß:
«Dem raschen Siege war gefolgt ein Gegenschlag.
Vernichtet unterm Bergesgipfel Seismos lag
Der Amazonen Blüte, die umsonst gestürmt
Die letzte Zuflucht, die die Götter aufgetürmt
Hastig, mit klugen Händen, denn Prometheus lehrte,
Orpheus entzündete den Mut, und Kronos wehrte.
Und wie die Flucht der Unsrigen nun talwärts tollte,
Dem heimatlichen Schloß entgegen, da entrollte
Der Autochthonen trügrisch Volk des Aufruhrs Fahne.
Es sind ja stets dieselben windigen Kumpane:
Ergeht dirs wohl, im Jubeltaumel übermäßig,
Doch, wendet sich das Glück, nach deinem Blut gefräßig.
Du aber standest, noch ein Kind, im Throne neu,
Des Kriegsgetümmels ungewohnt und waffenscheu,
Verborgen hinter einem Gartenpfeiler, zitternd,
Den Schritt des Unheils bang, doch neuheitslüstern witternd.
Da griff ich mit verwegner Faust an deine Brust:
‹Führ uns! Sonst ist dein Thron und Leben in Verlust.›
Und siehe, wie beim frühen Maienmorgenstrahl
Die langverschloßne Knospe sich mit einemmal
Erschließt und weist dir, mit kristallnem Tau verschönt,
Die königliche Blume, dreifach rings gekrönt:
So leuchtete dein Blick. Der Kleinmut sank dahin,
Und aus dem Kind erwuchs die Heldenkönigin.
Schon saßest lächelnd du, ein Siegeshort, zu Pferd,
Und dein Erröten war zehntausend Lanzen wert.
Triumph! Der Glaube war erfrischt, der Mut verjüngt,
Und mit Empörerblute ward das Feld gedüngt.
Doch als wir bergwärts nun entfalteten die Fahnen,
Dem Fremdling zu, Kronos mit sämtlichen Titanen,
Da stand ein andrer, Überlegner, kriegsbereit
Uns bei: Anankes Eisenfaust entschied den Streit.
Vom Barathron, der rauchenden Orakelschluft,
Tönten zwölf Glockenschläge schallend durch die Luft.
Beim ersten Schlage kam ein Wirbelwind gezogen,
Davor die Wälder brausend sich zu Boden bogen.
Beim zweiten änderten die Wasser ihren Lauf,
So daß die Bäche fluteten den Berg hinauf.
Beim dritten Schlage aber losch das Sonnenlicht,
Und schwül und brandig war die Luft und dumpf und dicht.
Doch als vollendet war die grause Glockenschlacht,
Verstummte der Olymp im Bann der Mitternacht.
Und Moira erst, aus strengem Mund Verdammnis hauchend,
Dann Gorgo, blutigrot die finstre Nacht durchtauchend,
Endlich Ananke selbst als dritter stieg empor,
Ein fürchterlicher, dreigefalter Schicksalschor.
Nach den Titanen stach Anankes Blick. Ein Stoß
Von seiner Ferse leichthin auf den Boden bloß:
Da lag gleich sprödem Ton zersplittert und zerspellt
Die Götterfestung, die Prometheus schlau erstellt.
Ein zweiter Tritt: der Berg riß auf den roten Mund,
Und das Titanenvolk verschlang der Schwefelschlund.
Endlich den Finger streckt er zeigend zum Beschluß:
Die Wände stürzten in den Krater Schuß auf Schuß.
Dann ward es Tag. Und als du blicktest rund umher,
War im Olymp kein Feind und kein Verräter mehr.
Dein Machtwort war Gesetz, dein Wille herrschte frei.».
So Promachos. Allein mit einem rauhen Schrei
Sprang Hera auf die Füße. Gleich wie zornerregt
Der Adler ungebärdig mit den Flügeln schlägt
Und krallt den krummen Ast mit ungeduldigem Griff
Und hüpft empor und macht sich Luft mit schrillem Pfiff:
«Hei!» rief sie, «haben wir den alten Wolf bezwungen,
Was fürchten wir? Was droht uns von den schwachen Jungen?
Wölflein in meinem Stall und Böck in meinem Garten!
Weswegen uns enthalten? Sprich! Worauf noch warten?
Ist Aphroditens frecher Hohn, ist Eros' Trug,
Ist euch Rhodopens blutiger Leichnam nicht genug?
Könnt ihr mit Augen länger noch das Schauspiel sehn,
Wie diese Fremden trotzig mir entgegenstehn?
Wie die Behörden, so Geronten als Prytanen,
Behörden nicht, nein, Willensknechte der Titanen,
Das Zepter mir entziehn, mir Hand und Mund verbinden
Und nach Bedünken, ohne mein Geheiß, befinden?
Schon hat des Aufruhrs Gift, mit gierigem Mund geschleckt,
Mein eigen Volk erfaßt: Verschwörung wird geheckt,
Man schweigt, wenn ich erscheine; grüßt nicht, jauchzt mir nicht;
Der murrt, der mault, der glotzt mir dreist ins Angesicht.
Doch dieses Volkes schlaffe Ehrfurcht aufzuwecken,
Will ich die Todesangst durch ihre Adern schrecken.
Sagt an, was meint ihr, redet, wollen morgen wir,
Gebt bündig Antwort: wollet morgen ihr mit mir
Das schnöd entzogne Zepter tätlich an uns reißen?
Die fremde Freierhorde schlagen und zerschmeißen?
Den Ungehorsam der Geronten und Prytanen
Gebührend mit des Schwertes Schneide blutig ahnen?
Und auch vielleicht ein wenig mit den Lanzenstiften
Den allzu üppigen Wankelmut des Volks entgiften?»
Sie riefs, umtobt von Beifallssturm. Und mit den Waffen
Machten die stolzen Jungfern dröhnend sich zu schaffen.
«Ans Werk!» Und Spieß und Lanzen wurden emsig jetzt
Zum Streit geschliffen und die Schwerter all gewetzt.
Und ein geschwänztes, bärtig Riesen-Mannsbild, roh
Aus harzgetränkter Watte und geflochtnem Stroh
Gestoppelt, richteten mit Stangen und mit Leitern
Die Amazonen auf, den Kampfmut zu erheitern.
Und Hohngelächter und Gekicher war im Schwang
Bis spät am Abend. Doch nach Sonnenuntergang
Entzündeten das brünstige Mannesungeheuer
Geschäftige Fackeln zu gewaltigem Siegesfeuer.
Und all die tapfern Jungfern mit Triumphgeschrei
Und Schlachtgesängen standen der Verbrennung bei.
Und als die Lohe losch und der verkohlte Rumpf
Zu Boden fiel, ein lächerlicher schwarzer Schrumpf,
War noch der Haß an seinem Überrest erpicht.
Man stampft nach ihm, man überwirft ihn, haut ihn, sticht.
Und Mädchen, Kinder selber, suchen vorzudringen,
Um einen Fußtritt, einen Schimpf mit anzubringen.
Wie wenn in eines Kehrichts Hadern und Gehudel
Die Nase stößt ein herrenloses Hunderudel
Und einen alten Fuchspelz, schäbig und verlaust,
Stöbern sie auf, und jeder faßt ihn an und zaust
Und beutelt den gemeinen Feind, und Dachs und Spitz
Wetteifern, zu betätigen ihren grimmen Witz,
Bedauernd, nicht dem Fuchse selbst es so zu lohnen:
So mit dem Mannsbild die beherzten Amazonen.
Am nächsten Morgen aber ritt die Königin
Im Waffensturmgewitter nach dem Festplatz hin,
Im Panzer und im Helm, bereit zum Widerparte,
Beschützt vom Amazonenring, der sie umstarrte.
«Was soll uns, heiliges Kind, der kriegerische Saus?
Nach welchem Feind», rief Archelaos, «ziehst du aus?»
«Du!» sprach sie, «deinem Amte widme deinen Fleiß.
Warum ich etwas tu, geschieht, weshalb ichs weiß.»
Erschrocken neigte jener sich, hielt an und schwieg.
Da siehe, eben während sie den Thron bestieg,
Senkte sich langsam zwischen dem entsetzten Volke
Über dem Kampfplatz eine finstre Geisterwolke.
Gespenstige Flammen drin, unstete Fackellichter,
Draus grinsten der Erinnyen fahle Blaßgesichter.
Ein Zähneklappern lief durch die erfrorne Menge.
«Beginnt!» vermochte des Prytanen Atemenge.
Und es begann und sprach mit Zittern und mit Beben
Der Hermeneus: «Der Kampf, der heut sich soll begeben,
Geht um die Traumweissagung. Wer sich dieser Kunst
Vermißt, herbei! Die Probe steht ihm zur Vergunst.»
Die Weibel eilten hin und her. «Vernehmt!» erscholl
Sein Ruf. «Es meldet sich der einzige Apoll.
Wer also, frag ich jeden, wer von allen nun
Will den Geronten huldreich den Gehorsam tun,
Dem Helden vorzuträumen? Also frag ich dich,
Wer es auch sei, er nahe ohne Zagen sich.»
Da flüsterte der Nachbar seinem Nachbarn zu:
«Hörst du die Mahnung, Bruder? Geh doch, träume du!»
«Entschließt euch», bat der Hermeneus, «o wollt nicht säumen.»
Da herrschte rauhen Rufs die Fürstin: «Ich will träumen!»
Mit diesen Worten stieg sie nieder zum Altar,
Und auf den Dreifuß, der davor errichtet war,
Sich setzend: «Gruß, Apoll, und Trotz und Feindschaft dir!
Jetzt sieh dich vor! Heut gilt es zwischen dir und mir.»
«Beliebt dir, Fürstin, dieser Schleier, daß als Binde
Ich ihn um deine allzu muntern Augen winde?»
Fragte der Hermeneus. «Denn ist das Licht entschwunden,
Wird leicht der goldnen Träume Blumenpfad gefunden.»
«Der Traum», hohnlachte Hera, «den ich träumen mag,
Ist goldig nicht und hängt an keinem blumigen Hag.
Von Klarheit will ich träumen und von bündigen Taten.
Des Schleiers kann ich wohl, des Lichtes nicht entraten.»
So sprechend schüttelte den Helm sie aufs Genick,
Die Locken über Stirn und Wangen, stach den Blick
Gleich einem Mörderspieße bohrend nach Apoll,
Darauf begann sie haßerregt und feindschaftsvoll:
«Mir träumt von einer Fürstin, frei und unbeschränkt,
Die dem Olymp gebietet und die Erde lenkt.
Wollt ihr den Namen? Hera heißt sie, daß ihrs wißt.
Und ich bins selber, welche jene Fürstin ist.
Nun aber nehmet meines Traumes Fortschritt wahr:
Im Traum ist mir erschienen eine Wanderschar
Fremder Titanen und vermessener Ambroten,
Die jedes Herzeleid der Königin entboten.
Aufruhr zur Linken, Meutrer und Empörer rechts,
Ruchlose Überhöhung beiderlei Geschlechts.
Bestritten ward ihr Ehr und Ansehn, Macht und Fug.
Doch nicht genug mit alldem, wehe, nicht genug:
Zwei Vöglein, wehe, zwei geliebte Zwillingstauben
Gefiels den unbarmherzgen Mördern ihr zu rauben;
Nicht Tauben, schlankgewachsne Mägdlein zart und fein:
Rhodos, die falsche Schlange, und Rhodopen mein.
Ach weh, Rhodope, Liebling, du so treu und gut,
Ach Jammer, daß ich rinnen sah dein rotes Blut!
Nie hören meine Ohren deine süßen Lieder,
Nie trinkt mein Auge dein beglückend Lächeln wieder!
Versteht mich wohl: ich habe rückwärts erst geträumt.
Nun biet ich euch den Kelch, daraus die Rache schäumt.
Ich schau im Traum die Königin vergeltungsfroh.
‹Ihr Amazonen›, rief sie, ‹auf! Wo sind sie, wo?
Die Knecht und Helfershelfer alle der Titanen,
Die schimpflichen Geronten, kläglichen Prytanen,
Die jede Überhebung gegen mich gebilligt,
Den ungerufnen Fremden Unterkunft bewilligt
Und mich erniedrigten zum feilen Beutetier,
Damit zu sättigen des Siegers schnöde Gier?›
Sie riefs. Und des gerechten Urteils strenge Sprache
Bestätigte der wackern Amazonen Rache.
Sie taten willig, was zu tun geboten war:
Im Blute wälzte sich die ungetreue Schar.
Und wieder rief die Königin: ‹Die Helfersknechte
Sind tot. Was tun wir mit dem mördrischen Geschlechte
Der trotzigen Titanen? Ist das Barathron
Etwa verrammelt? oder liegts zu weit hievon?›
Die Amazonen, Furien der Gerechtigkeit,
Waren zum kräftigen Vollzuge tatbereit.
Gefesselt, krummgeschlossen, ein Gespött den Leuten,
Schleiften die Götter sie hinaus auf Ochsenhäuten.
Umsonst um Gnade bettelte die frevle Brut.
Wo bleibt nun da, Ambroten, euer Übermut?
Erweist euch! Spann doch, Hermes, deines Geistes Sehne!
Lauf jetzt, Apoll! Poseidon, schüttle deine Mähne!
Füllt denn nicht Ichor eure ewigen Götterleiber?
Und ihr ertragts, daß euren Stolz besiegen Weiber?
Man stieß sie reihenweis ins Barathron hinab.
Doch als zuletzt Apoll sie stellten vor das Grab,
Wehrte die Königin mit Wink und Wort: ‹Halt ein!
Den hat das Schicksal mir geschenkt, der Mann ist mein.
Muß ich Rhodopens Stimme seinetwegen meiden,
So soll er selber mit Gesang mein Herze weiden.›
Ein Kohlenbecken heischte sie zur Stelle, blitzte
Den Dolch vom Gürtel, den sie in der Glut erhitzte:
‹Apoll, unsterblich bist du, doch nicht unverletzlich,
Und Leid dir anzutun, ist meinem Haß ergetzlich.
Die schönen Augen will ich dir mit eignen Händen,
Den klaren, überlegnen Siegesblick dir blenden.
Man sagt, der weichste Wohlgesang entströmt dem Mund,
Ist eines Sängers Auge blind, sein Herze wund.
Das also will ich dir, Apoll, gewißlich tun.
Ob dich dein Dämon rette, das erfahre nun.›
Sie riefs, indem sie das umzischte, glutdurchhauchte
Mordeisen grausam in die schönen Augen tauchte.
Und gleich wie bald mit sanfter Stimme, bald erbost,
Man einen Haushund jetzt verstößt und jetzt liebkost,
So zog nunmehr der launischen Herrin Gnad und Groll
Beständig nach sich den geblendeten Apoll:
‹Weich aus! Rück fort! Wo bleibst du, Fauler? Folge mit!›
Versüßt mit Schmeichelwörtlein oder Hieb und Tritt.
Doch abends in der Freude nach genoßnem Mahl,
Beim festlichen Gelag und Reigentanz, befahl
Die Königin: ‹Apoll, du sollst die Laute bringen,
Ein rührsam Lied zum Preis Rhodopens sollst du singen,
Und wie ich ihren unverdienten Tod gerochen
Und der Titanen frechen Übermut gebrochen.›
Ungern vernahms Apoll, mit Tränen gab er Kunde,
Und weinend floß der weiche Wohllaut ihm vom Munde.
‹Recht so!› belobte sie. Worauf sie ihm gebot:
‹Lobpreise mein Gewand, wie Feuer zündigrot.›
Gehorsam tat ers. Aber zornig ins Gesicht
Schlug ihn die Herrin: ‹Ei du arger Lügenwicht!
Was nennst du zündigrot mein veilchenblau Gewand?›
Und schlug ihm auf den Mund die lilienweiße Hand.
So also lautet, herrlicher Apoll, mein Traum.
Hat zur Weissagung dein Gemüt noch Ruh und Raum,
Wohlan, erhebe deine Stimme, red und deute!
Doch fürcht ich, was mein Traum geschaut, erwährt sich heute.»
Also verkündet, auf dem goldnen Dreifuß sitzend,
Hera, Verderben durch den finstern Stirnbusch blitzend.
Und während ihre Zunge nach dem Gegner stach,
Umstellten ihre Truppen heimlich nach und nach
Die zitternden Behörden. Als die Herrin schwieg,
Entblößten sie die Schwerter, schlagbereit zum Krieg.
Da ward ein großes Jammern, kläglich anzuhören,
Unter dem Volk und Gnadeflehn und Bittbeschwören,
Doch mutigen Herzens durch das Wehgewimmer schwang
Themiurg der richterlichen Stimme festen Klang:
«O Königin, Gewalt und Allmacht eingeräumt:
Welch einen bösen Traum hast du uns vorgeträumt!»
Und Archelaos hob die Hände himmelwärts:
«Rühr unsre Herrin, Moira, schmelz ihr steinern Herz!»
Hochragend aber auf die Füße sprang Apoll,
Sein Seherauge starrte und sein Busen schwoll:
«Die Schwerter der Erinnyen hör ich schaurig läuten.
Ruchlosem Wahnmut soll ich Mörderträume deuten.
Wohlan, ich will weissagen, wahrlich ja, ich will!
Du aber, Herrin, halte meiner Geißel still.
Siehst du die geisterhaften, fürchterlichen Frauen,
Die dort im Sand geduckt nach dir herüberschauen?
Wer sind sie? Und was meinst du, lauert ihre Gier
Mit schauerlichen Augen unverwandt nach dir?
Das ist der höllischen Erinnyen Fluchgeschlecht,
Das erst zum Frevel reizt, hernach den Frevel rächt.
Gelockt von deinen Teufelsträumen sind sie hie,
Und die Vollbringung deiner Bosheit hoffen sie.
Des Mörders Jauchzen ist der Rache Morgenrot.
Hast du verwirklicht, was dein Haß uns angedroht,
So werden sie den Fuß aus unserm Blute schwingen,
Und zu Ananke werden sie die Meldung bringen:
‹Wach auf, Ananke, deine Allmacht jetzt bewähre!
Denn deine Würde gilts zu schützen, deine Ehre!
Ein sterblich Jüngferlein in ihrem Torensinn,
Hera mit Namen, speit dir Spottgelächter hin.
Des Zepters unwert, das dein Amt ihr übergab,
Stieß ihre Faust die Freier vom Olymp herab,
Die göttlichen Ambroten, die auf steilen Stufen
Dem Erebos entstiegen, weil von dir gerufen.
Bist du veraltet, bist ohnmächtig du dort oben?
Soll eine Amazonenjungfer dreist sich loben,
Dem Herrn des Weltalls den gewaltgen Arm zu kürzen,
Dir Trotz zu bieten, deinen Ratschluß umzustürzen?›
Ruhig vernimmts Ananke, lächelt leis für sich,
Dann langt er nach dem Schicksalsbuch. Ein Federstrich –
Und alle Völker des Olymp verleugnen dich.
Nun schlägt er in die Esse. Eine Flammensäule
Stößt blutrot himmelan mit Windessturmgeheule;
‹Wen gibt es zu vertilgen?› Seine krumme Kralle
Zeigt zielend nach den Amazonen: ‹Diese alle!›
Was nützt den Tapfern jetzt des Armes Heldenkraft,
Der Waffen Stahl, des kühnen Mutes Leidenschaft?
Des Feuers tausendzüngiger Mörderrachen frißt
Das Fleisch der todgeweihten Schar, die wehrlos ist.
Hienach erlöst Ananke die Erinnyen: ‹Such!›
Und hinter deinen flüchtigen Sohlen happt der Fluch.
Dieselben Frauen dort, die deine Bosheit schüren,
Die wirst du grausend dann auf deinen Fersen spüren,
Durch Berg und Tal gejagt, vom Wutgebell geschreckt,
Die Zunge riechend, die nach deinem Fleische leckt.
Hera, du schöne Jungfrau, der ich bin zu eigen!
O dürft ich, was ich jetzt erblicke, dir verschweigen:
Indes durch Felsenwüsten und durch Wälder wild
In Todesangst du flüchtest, ein gehetztes Wild,
Zieht langen Zuges mit Geleit, Gefolg und Troß
Die neue Königin nach deinem Heimatschloß.
Du kennst sie: Aphrodite, deren Lockengold
Das wankelmütige Volk Anbetung jubelnd zollt.
Im königlichen Wagen fährt sie stolz einher,
Und deine Flucht entdeckt ihr Aug von ungefähr,
Sieht die Erinnyen hetzen hinter deinen Sohlen,
Sieht ihre zähe Jagd bereit, dich einzuholen:
Dein Tod scheint ihrem giftigen Hasse zu gelinde.
Und auf die Kniee fallend, betet sie geschwinde:
‹Erlaub, o Schicksal, nicht›, so betet Aphrodite,
‹Erlaub es nicht, erhöre, Moira, meine Bitte,
Daß jene, aller Missetaten Stifterin,
Sie, der Geronten und Prytanen Mörderin,
Die Bündnis und Vertrag, Gesetz und Recht geschändet,
Die Freierschar verstoßen und Apoll geblendet,
Erlaube nicht, daß ihre blutige Würgerseele
In schnellem Tode ihrer Taten Lohn verfehle.
Gewähre mir das Weib, gewähr es mir, gewähre,
Auf daß sie nicht den Schmack der tiefsten Schmach entbehre!›
Und siehe, kaum gebetet diese grause Bitte,
So hemmen plötzlich die Erinnyen ihre Schritte
Und wenden sich und kehren friedlich heim; indessen,
Von einer neuen, schrecklicheren Angst besessen,
Du hinter den Erinnyen flehend jagst dahin,
Die eben noch Verfolgte jetzt Verfolgerin:
‹Halt! Steht! Zerreißt mich, Gnade! mit den scharfen Krallen!
Laßt mich nicht lebend in die Hand der Feindin fallen!›
Umsonst. Kein Halt. Kein Ausweg. Keine Rettung naht.
Vor Aphroditens Füße zerrt dich der Verrat.
Und gleich wie einer Sklavin, die ein grausam Los
An einen zänkischen Herd verworfen, mitleidlos
Die keifende Gebieterin von früh bis spät
Der Arbeit schwerste Bürden auf die Schultern lädt,
Des Stalles ekle Pflege und den Dienst der Dielen,
Und schont die Kranke nicht und achtet nicht der Schwielen:
So stößt die Feindin, ränkevoll, erbarmungsleer,
Im angestammten Schloß dich Ärmste jetzt umher.
‹Schaff Wasser, Hera! Reg dich! Rühr dich! Scheiter schleppe;
Striegle die Pferde, Nichtsnutz! Reinige die Treppe!›
Nicht Ruh noch Rast. Beständig laufen, keuchen, sputen.
Hernach zum Lohne, statt des schuldigen Dankes, Ruten;
Doch abends in der Freude, nach genoßnem Mahl,
Ruft Aphrodite lachend durch den lauten Saal:
‹Nun, Freunde, soll ein seltnes Lustspiel euch geschehn:
Die Fürstin des Olympos sollt ihr tanzen sehn.›
Sie rufts. Man holt, man zwingt dich. Finster trittst du ein,
Stumm wie die Trauer über einem Grabmalstein.
Doch jene, nach der Peitsche langend, schreit dir zu:
‹Ech, du unzüchtige Magd, du garstige Dirne du!
Mit diesen Lumpen, diesen ungewaschnen Füßen
Wagst du die Gäste Aphroditens zu begrüßen?›
Und wenn nun deine arbeitsmüden Marterglieder
Du peinlich auf und ab bewegst und hin und wieder,
Sieht man im weiten gastgefüllten Saale keinen,
Der nicht sein Angesicht verbirgt, um nicht zu weinen.
Doch Aphrodite peitscht dich: ‹Ech, bei meinem Leben!
Ich will dich lehren deine faulen Beine heben!
Zu keiner Arbeit gut, zum Tanzen selbst nicht nütze:
Aus welchem Stalle stammst du denn und welcher Pfütze?›
Apoll, der Tränen bar, der Trauer nicht zugleich,
Sitzt auf des Hauses Schwelle, blind und schmerzensreich,
Bedacht, ein künstlich Augenlicht im Traum zu kosten.
Zum Blinden taumelt Hera. Und am Treppenpfosten
Zu Boden brechend, schlägt in wildem Reueschmerz
Das edle Haupt sie blutig an dem kalten Erz.
‹Weh mir Verratnen!› jammert sie, ‹wie falsch, wie feig
Ist doch ein Volk! Kein Volk: ein Brei, ein matscher Teig!
Myriaden sah ich meinen Wimpern untertan.
Sie blökten Ehrfurcht, jubelten mich grinsend an,
Und von den Tausenden war keiner doch von allen,
Der mannhaft die betörte Hand mir überfallen,
Die wider Bund und Recht ich freventlich erhob
Und lud mir blutige Schuld und Moiras Bannfluch ob.
Nicht einer! Ach, ein einzig warnend Wörtlein bloß,
Ein tapfrer Mund, wahrheitbeherzt und freimutgroß:
Nicht litt ich heute Mägdedienst und Sklavennöte,
Die Rute schmeckend und die Scham der Wangenröte.
Als Herrin säß ich jetzt in diesem selben Saal,
Geehrt, beschützt von meinem König und Gemahl.
Mit strengen Blicken späht er drohend in die Runde,
Doch Koseworte gönnt er mir aus seinem Munde.›
So jammert Hera, stöhnend vor dem Pfosten liegend.
Da spricht zu ihr Apoll, sein grollend Herz besiegend:
‹Wohl mir, erlauchte Herrin, daß dein Finger jach
Den scharfen Dolch mir in die beiden Augen stach,
Damit sie nicht das schnöde Schauspiel müssen sehn,
Wie deiner hehren Hoheit Schimpf und Schmach geschehn.
Und dünkt dich eine kleine Gunst für mich nicht schade,
Wohlan, fahr fort, erweise mir die zweite Gnade:
Nimm deinen Dolch, zerstöre das Gehör mir auch,
Auf daß ich nicht vernehme deiner Seufzer Hauch,
Hilflos und machtlos lauschend deinen Klagetönen,
Die unnütz mir, dem blinden Mann, zu Herzen stöhnen.›
Das ist des Traumes Deutung, die ich dir weissage.
Das weitre steht bei dir. Hier bin ich. Morde! Schlage!»
Es riefs Apoll. Und Abscheu und Verachtung rollte
Sein strahlend Auge, das die Wahrheit furchtlos zollte.
Und all die Zeit und Weile, da sein Strafgesang
Mit wohlgezieltem Zwick die Geißel rüstig schwang,
Zuckte die Königin und krümmt und wand den Rücken,
Und öfters sah man sie den stolzen Nacken bücken
Und Erde mit der Hand auf ihren Scheitel streuen
Wie solche, die ein fluchbeladen Werk bereuen.
Und kaum daß seiner strengen Rede Sprachgewalt
Und seiner edlen Stimme Zürnen war verhallt,
So stürzte sie, von Stolz und Hochmut jetzt verlassen,
Laut jammernd ihm zu Füßen, seine Knie zu fassen:
«Gnade! Versöhne mich! Den Fluch des Schicksals kette!
Zu dir, dem Reinen, schrei ich: Rette mich! errette!»
Aufatmend weinten alle Völker ringsumher.
Und siehe, die Erinnyenwolke, schwarz und schwer,
Bewegte sich und hob sich, wie von einem Hebel
Gelüftet, langsam aus dem Feld und schwand zu Nebel.
Danach, die schreckdurchwühlte Stimme lösend, brach
Der Hermeneus die Stille, da er also sprach:
«Hört der Geronten Spruch, den ich verkünden soll:
Im Kampf der Traumweissagung Sieger ist Apoll.»
«Heil dir, Apoll!» Ein Wahnsinnstaumel ohne Ende.
Umzingelt ward Apoll, man küßt ihm Fuß und Hände.
Themiurg, des Kampfgerichtes Oberhaupt, hierauf
Erhob sich feierlich und nahm die Rede auf:
«Ihr alle, dieser bangen Stunde Zeitgenossen,
Erfahrt! Der würdige Rat der Richter hat beschlossen:
In Anbetracht und in Erwägung, daß Phantome
Sich regen in der Luft und im Gedankenstrome,
So haben wir, um vorzubeugen fernem Sorgen,
Des Freierkampfes Abschluß anberaumt auf morgen.
Der letzte Wettstreit aber, den der Rat uns nennt,
Betrifft die Herrschertüchtigkeit, das Regiment.
Hernach wird sich entscheiden, wer der König sei.
Doch heut schon, denk ich, waltet Zweifel keinerlei,
Wem wir den Preis erkennen, ich gesteh es frei:
Ich meine: jenem, der die andern all verdüstert,
Ihm, dessen Namen jeder Wunsch dankinnig flüstert.»
Hermes sprang vor: «Ich achte Recht und Billigkeit.
Apollon mich zu fügen, bin ich gern bereit.»
Poseidon rief: «Ich schenk es dir, Apoll, nimm hin!
Auch ohne Kronenzierat weiß man, wer ich bin.»
Und ähnlich redeten, begrüßt vom Beifallsschalle
Des glückberauschten Volkes, die Titanen alle.
Apollon nachzustehen schaffte keinem Leid,
Denn seiner Güte Strahl entwaffnete den Neid.
Zum Schlusse bot jetzt Archelaos der Prytan
Der schweigenden Versammlung diesen Urlaub an:
«Die Königin zu büßen ist nicht Landesbrauch,
Wie sträflich ihre Willkür sich vermessen auch.
Um aber ihre fromme Umkehr auszunützen,
So wollen wir die junge Demut unterstützen.
Anstatt des eitlen Festgeräusches Tanz und Tand
Nehm einmal heute Ernst und Andacht überhand.
Gar schlimme Fährnis zog an uns vorüber sacht:
Ein Dankgebet zum Schicksal scheint mir angebracht.
Wir wollen also zum Gebet beisammenbleiben
Und Hinterlist und Tücke mit Gesang vertreiben.
Fürs erste lege jeder neben den Altar
Zum Friedensunterpfande seine Waffen dar.
Zum zweiten sollen sich Gering und Groß bequemen,
Um den Altar den Umgang zwölfmal vorzunehmen,
Sich beugend vor dem Standbild der Gerechtigkeit.
Auf nun! Wer sich dem Zug entzieht, ist fluchgeweiht.»
So Archelaos. Seinem Worte ward genug,
Und alles reihte sich zum frommen Reuezug.
Und schimpflich hinter Hera, deren Opferschritt
Die Qual verriet, die ihre Hoffart mühsam litt,
Zogen gezwungen, Zorn im Blick, mit finstern Brauen,
Die Amazonen, die besiegten freien Frauen. |