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Folgesatz 1. Hieraus folgt erstens, daß das Dasein Gottes, wie sein Wesen, eine ewige Wahrheit ist.
Folgesatz 2. Es folgt zweitens, daß Gott oder alle Attribute Gottes unveränderlich sind; denn, wenn sie in Rücksicht des Daseins verändert würden, müßten sie auch (nach dem vorigen Lehrsatz) in Rücksicht des Wesens verändert werden, d. h. (wie an sich klar), aus wahren zu falschen werden, was widersinnig ist.
Lehrsatz 21. Alles, was aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs folgt, mußte immer und unendlich da sein, oder ist vermöge dieses Attributes ewig und unendlich.
Beweis. Man nehme (wenn man es leugnen will), möglicherweise an, daß aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs etwas erfolge, was endlich ist und ein begrenztes Dasein oder Dauer hat, z. B. die Idee Gottes im Denken. Nun ist aber das Denken, da es als Attribut Gottes angenommen wird, notwendig (nach Lehrsatz 11) seiner Natur nach unendlich; insofern es aber die Idee Gottes hat, wird es als endlich angenommen. Aber (nach Def. 2) kann es als endlich nur begriffen werden, wenn es durch das Denken selbst begrenzt wird; jedoch nicht durch das Denken selbst, insofern es die Idee Gottes ausmacht; denn insofern wird es eben als endlich angenommen; also durch das Denken, insofern es die Idee Gottes nicht ausmacht, welches dennoch (nach Lehrsatz 11) notwendig da sein muß. Es gibt also ein Denken, welches nicht die Idee Gottes ausmacht, und darum folgt nicht aus seiner Natur, insofern es absolutes Denken ist, notwendig die Idee Gottes. (Denn es wird ein die Idee Gottes ausmachendes und ein sie nicht ausmachendes angenommen.) Dies ist gegen die Voraussetzung. Wenn also die Idee Gottes im Denken, oder sonst etwas (es ist gleich, was man annimmt, denn der Beweis ist allgemein) in einem Attribute Gottes aus der Notwendigkeit der absoluten Natur des Attributs selbst folgt, so muß es notwendig unendlich sein. Dies war das erste. Ferner kann das, was aus der Notwendigkeit der Natur eines Attributes auf diese Weise erfolgt, keine begrenzte Dauer haben. Denn, leugnet man dies, so nehme man an, es wäre ein Ding, welches aus der Notwendigkeit der Natur eines Attributes folgt, in einem Attribute Gottes vorhanden, z. B. die Idee Gottes im Denken und von dieser nehme man an, sie sei einmal nicht dagewesen, oder werde einmal nicht da sein. Da nun aber das Denken als ein Attribut Gottes angenommen wird, muß es auch notwendig und unveränderlich da sein (nach Lehrsatz 11 und Folgesatz 2 zu Lehrsatz 20). Sonach müßte das Denken ohne die Idee Gottes über die Grenzen der Dauer der Idee Gottes hinaus da sein; denn es wird angenommen, sie sei einmal nicht da gewesen oder werde nicht da sein. Dies ist aber gegen die Voraussetzung, denn es wird angenommen, daß aus dem gegebenen Denken die Idee Gottes notwendig erfolge. Also kann die Idee Gottes im Denken, oder sonst etwas, was notwendig aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes folgt, keine begrenzte Dauer haben, sondern ist durch eben dieses Attribut ewig. Dies war das zweite. Zu bemerken ist, daß eben dies auch von jeder anderen Sache behauptet werden muß, die in einem Attribute Gottes aus der absoluten Natur Gottes notwendig erfolgt.
Lehrsatz 22. Alles, was aus einem anderen Attribute Gottes folgt, insofern es durch eine solche Modifikation modifiziert wird, die eben dadurch sowohl notwendig als unendlich da ist, muß ebenfalls sowohl notwendig wie unendlich da sein.
Beweis. Der Beweis dieses Lehrsatzes wird auf dieselbe Art, wie der Beweis des vorigen geführt.
Lehrsatz 23. Jeder Modus, welcher notwendig und unendlich da ist, mußte notwendig folgen, entweder aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes, oder aus einem Attribute, das durch eine notwendig und unendlich daseiende Modifikation modifiziert ist.
Beweis. Denn der Modus ist in einem anderen, durch welches er begriffen werden muß (nach Def. 5), d. h. (nach Lehrsatz 15), er ist in Gott allein und kann aus Gott allein begriffen werden. Wenn also der Modus als notwendig daseiend und unendlich seiend begriffen wird, so muß dies beides notwendig aus einem Attribute Gottes geschlossen oder wahrgenommen werden, insofern dies als Unendlichkeit und Notwendigkeit des Daseins, oder (was nach Def. 8 dasselbe ist) Ewigkeit ausdrückend begriffen wird, d. h. (nach Def. 6 und Lehrsatz 19) sofern es absolut betrachtet wird. Der Modus also, welcher notwendig und unendlich da ist, mußte aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributes folgen; und dies entweder unmittelbar (worüber Lehrsatz 21), oder durch Vermittlung einer Modifikation, welche aus der absoluten Natur des Attributes erfolgt, d. h. (nach dem vorigen Lehrsätze), welche notwendig und unendlich da ist. W. z. b. w.
Lehrsatz 24. Das Wesen der von Gott hervorgebrachten Dinge schließt nicht ihr Dasein in sich.
Beweis. Dieser erhellt aus Def. 1; denn dasjenige, dessen Natur (nämlich an sich betrachtet) das Dasein in sich schließt, ist Ursache seiner selbst und existiert gemäß der bloßen Notwendigkeit seiner Natur.
Folgesatz. Hieraus folgt, daß Gott nicht bloß die Ursache ist, daß die Dinge anfangen, da zu sein, sondern auch, daß sie im Dasein beharren, oder (um einen scholastischen Ausdruck zu gebrauchen): Gott ist die »Seinsursache« der Dinge. Denn, mögen die Dinge da sein oder nicht da sein, so finden wir, wenn wir auf ihr Wesen achten, daß dieses weder Dasein noch Dauer in sich schließt; und so kann ihr Wesen weder Ursache ihres Daseins noch ihrer Dauer sein, sondern nur Gott, zu dessen Natur allein das Dasein gehört (nach Folgesatz 1 zu Lehrsatz 14).
Lehrsatz 25. Gott ist nicht nur die wirkende Ursache des Daseins sondern auch des Wesens der Dinge.
Beweis. Verneinte man dies, so wäre also Gott nicht die Ursache des Wesens der Dinge, und also kann (nach Ax. 4) das Wesen der Dinge ohne Gott begriffen werden; dies ist aber (nach Lehrsatz 15) widersinnig, folglich ist Gott auch die Ursache des Wesens der Dinge. W. z. b. w.
Anmerkung. Dieser Lehrsatz folgt noch deutlicher aus Lehrsatz 16, denn aus diesem folgt, daß aus der vorhandenen göttlichen Natur sowohl das Wesen als das Dasein der Dinge notwendig geschlossen werden muß; und, um es mit einem Worte zu sagen, in eben dem Sinne, wonach Gott Ursache seiner selbst genannt wird, muß er auch Ursache aller Dinge genannt werden, was noch deutlicher aus dem nachstehenden Folgesatz erhellen wird.
Folgesatz. Die einzelnen Dinge sind nichts als Affektionen oder Modi der Attribute Gottes, durch welche die Attribute Gottes auf gewisse und bestimmte Weise ausgedrückt werden. Der Beweis erhellt aus Lehrsatz 15 und Def. 5.
Lehrsatz 26. Ein Ding, das etwas zu wirken bestimmt ist, ist notwendig so von Gott bestimmt worden, und was von Gott nicht bestimmt ist, kann sich nicht selbst zum Wirken bestimmen.
Beweis. Das, wonach man von den Dingen sagt, daß sie etwas zu wirken bestimmt seien, ist notwendig etwas Positives (wie an sich klar), also ist Gott, vermöge der Notwendigkeit seiner Natur, die wirkende Ursache sowohl von dem Wesen als von dem Dasein desselben (nach Lehrsatz 26 und 16). Dies war das erste. Hieraus folgt auch der zweite Teil des Satzes auf das deutlichste. Denn, wenn ein Ding, welches nicht von Gott bestimmt ist, sich selbst bestimmen könnte, so wäre der erste Teil hiervon falsch, was, wie wir gezeigt, widersinnig ist.
Lehrsatz 27. Ein Ding, das von Gott etwas zu wirken bestimmt ist, kann sich selbst nicht zu einem Unbestimmten machen.
Beweis. Dieser Lehrsatz erhellt aus Axiom 3.
Lehrsatz 28. Jedes einzelne, oder jedes Ding, welches endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat, kann nicht da sein und nicht zum Wirken bestimmt werden, ohne zum Dasein und Wirken von einer anderen Ursache bestimmt zu werden, welche ebenfalls endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat. Und wiederum kann diese Ursache auch nicht da sein und nicht zum Wirken bestimmt werden, ohne von einer anderen, welche ebenfalls endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat, zum Dasein und Wirken bestimmt zu werden, und so ins Unendliche.
Beweis. Was zum Dasein und Wirken bestimmt ist, ist von Gott so bestimmt (nach Lehrsatz 26 und Folgesatz zu Lehrsatz 24). Was aber endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat, konnte nicht von der absoluten Natur eines göttlichen Attributs hervorgebracht werden; denn alles, was aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs folgt, ist unendlich und ewig (nach Lehrsatz 21). Es mußte also aus Gott oder einem Attribute desselben folgen, sofern dies als von einem gewissen Modus affiziert betrachtet wird. Denn außer Substanz und Modus gibt es nichts (nach Ax. 1 und Def. 3 und 5), und die Modi sind (nach Folgesatz zu Lehrsatz 25) nichts als Affektionen der Attribute Gottes. Aber aus Gott oder einem Attribute desselben, insofern es durch eine Modifikation bestimmt ist, welche ewig und unendlich ist, konnte es auch nicht folgen (nach Lehrsatz 22). Es mußte also folgen oder zum Dasein und Wirken bestimmt werden von Gott oder einem Attribute desselben, sofern dieses durch eine Modifikation modifiziert ist, welche endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat. Dies war das erste. Ferner mußte wiederum diese Ursache oder dieser Modus (aus demselben Grunde, aus welchem wir den ersten Teil dieses Lehrsatzes eben bewiesen haben) ebenfalls von einer anderen Ursache bestimmt werden, welche auch endlich ist und ein bestimmtes Dasein hat, und wiederum diese letzte (aus demselben Grunde) von einer anderen, und so immerfort (aus demselben Grunde) ins Unendliche. W. z. b. w.
Anmerkung. Da einiges von Gott unmittelbar hervorgebracht werden mußte, nämlich das, was aus seiner absoluten Natur notwendig folgt, indem dies erste alles vermittelte, was doch ohne Gott weder sein noch begriffen werden kann, so folgt hieraus: erstens, daß Gott die absolut nächste Ursache der von ihm unmittelbar hervorgebrachten Dinge ist, nicht aber in ihrer Gattung, wie man sagt. Denn die Wirkungen Gottes können ohne ihre Ursache weder sein noch begriffen werden (nach Lehrsatz 15 und Folgesatz zu Lehrsatz 24). Es folgt zweitens, daß Gott nicht eigentlich die entfernte Ursache der einzelnen Dinge genannt werden kann, es sei denn etwa deshalb, damit wir diese von den Dingen, welche er unmittelbar hervorgebracht hat, oder vielmehr, welche aus seiner absoluten Natur erfolgen, unterscheiden. Denn unter entfernter Ursache verstehen wir eine solche, welche mit der Wirkung auf keine Weise verbunden ist. Alles aber, was ist, ist in Gott und hängt so von Gott ab, daß es ohne ihn weder sein noch begriffen werden kann.
Lehrsatz 29. Es gibt in der Natur nichts Zufälliges, sondern alles ist gemäß der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf gewisse Weise da zu sein und zu wirken.
Beweis. Alles, was ist, ist in Gott (nach Lehrsatz 15), Gott aber kann nicht als ein zufälliges Ding bezeichnet werden. Denn (nach Lehrsatz 11), er existiert notwendig und nicht zufällig. Ferner sind die Modi der göttlichen Natur aus dieser auch notwendig, nicht aber zufällig aus ihr erfolgt (nach Lehrsatz 16), und das, entweder insofern die göttliche Natur absolut (nach Lehrsatz 21), oder sofern sie als auf gewisse Art zur Tätigkeit bestimmt betrachtet wird (nach Lehrsatz 27). Ferner ist Gott die Ursache dieser Modi nicht nur, sofern sie einfach da sind (nach Folgesatz zu Lehrsatz 24), sondern auch (nach Lehrsatz 26) sofern sie als zu einem Wirken bestimmt betrachtet werden. Wenn sie von Gott (nach demselben Lehrsatz) nicht bestimmt sind, ist es unmöglich, nicht aber zufällig, daß sie sich selbst bestimmen, und umgekehrt (nach Lehrsatz 27), wenn sie von Gott bestimmt sind, ist es unmöglich, nicht aber zufällig, daß sie sich selbst unbestimmt machen. Sonach ist alles gemäß der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, nicht nur da zu sein, sondern auch auf eine gewisse Weise da zu sein und zu wirken, und es gibt nichts Zufälliges. W. z. b. w.
Anmerkung. Bevor ich weiter gehe, will ich hier erklären oder vielmehr erinnern, was wir unter wirkender Natur( natura naturans), und was unter gewordener Natur ( natura naturata) verstehen. Denn ich glaube, aus dem Vorigen ergibt sich schon, daß wir unter wirkender Natur das verstehen, was in sich ist und aus sich begriffen wird, oder solche Attribute der Substanz, welche eine ewige und unendliche Wesenheit ausdrücken d. h. (nach Folgesatz 1 zu Lehrsatz 14, und Folgesatz 2 zu Lehrsatz 17), Gott, insofern er als freie Ursache betrachtet wird. Unter gewordener Natur aber verstehe ich alles, was gemäß der Notwendigkeit der Natur Gottes oder jedes göttlichen Attributs folgt, d. h. alle Modi der Attribute Gottes, sofern sie als Dinge betrachtet werden, welche in Gott sind, und welche ohne Gott weder sein noch begriffen werden können.
Lehrsatz 30. Der wirklich endliche oder wirklich unendliche Verstand muß die Attribute und die Affektionen Gottes fassen und nichts anderes.
Beweis. Die wahre Idee muß mit ihrem Gegenstande übereinstimmen (nach Ar. 6), d. h. (wie an sich klar) das, was im Verstande objektiv enthalten ist, muß notwendig in der Natur gegeben sein. Nun gibt es aber in der Natur (nach Folgesatz 1 zu Lehrsatz 14) nur eine Substanz, nämlich Gott, und keine anderen Affektionen (nach Lehrsatz 15) als die, welche in Gott sind und welche (nach demselben Lehrsatz) ohne Gott weder sein noch begriffen werden können. Also muß der wirkliche endliche oder wirklich unendliche Verstand die Attribute Gottes und die Affektionen fassen und nichts anderes. W. z. b. w.
Lehrsatz 31. Der wirkliche Verstand, sei er nun endlich oder unendlich, so wie auch der Wille, die Begierde, die Liebe usw., müssen zur gewordenen Natur, nicht aber zur wirkenden gerechnet werden.
Beweis. Denn unter Verstand verstehen wir (wie an sich klar) nicht das absolute Denken, sondern nur einen gewissen Modus des Denkens, welcher Modus sich von anderen, nämlich der Begierde, der Liebe usw., unterscheidet, und deshalb (nach Def. 5) aus dem absoluten Denken begriffen werden muß, nämlich (nach Lehrsatz 15 und Def. 6) aus einem Attribute Gottes, welches das ewige und unendliche Wesen des Denkens ausdrückt, so begriffen werden muß, daß es ohne dasselbe weder sein noch begriffen werden kann, und folglich (nach Anmerkung zu Lehrsatz 29) zur gewordenen Natur, nicht aber zur wirkenden gerechnet werden muß, wie auch die übrigen Modi des Denkens. W. z. b. w.
Anmerkung. Der Grund, warum ich hier vom wirklichen Verstande spreche, ist nicht, weil ich zugebe, es gäbe einen Verstand der Möglichkeit nach, sondern, weil ich alle Verwirrung zu vermeiden trachte, wollte ich nur von einem von uns ganz deutlich aufgefaßten Dinge sprechen, nämlich vom Verstehen selbst; denn deutlicher als dies können wir nichts auffassen; können wir doch nichts verstehen, was nicht zur vollkommeneren Erkenntnis des Verstehens führte.
Lehrsatz 32. Der Wille kann nicht freie Ursache, sondern nur notwendige heißen.
Beweis. Der Wille ist nur ein gewisser Modus des Denkens, wie der Verstand, folglich kann (nach Lehrsatz 28) jedes Wollen nur da sein und zum Wirken bestimmt werden, wenn es von einer anderen Ursache bestimmt wird, und diese wieder von einer anderen und so fort ins Unendliche. Wenn der Wille als unendlich angenommen würde, müßte er auch zum Dasein und Wirken von Gott bestimmt werden, nicht insofern dieser die absolut unendliche Substanz ist, sondern insofern er ein Attribut hat, welches das unendliche und ewige Wesen des Denkens ausdrückt (nach Lehrsatz 23). Auf welche Weise also er begriffen werden mag, sei es als endlich oder unendlich, so erheischt er eine Ursache, durch welche er zum Dasein und Wirken bestimmt wird, und folglich (nach Def. 7) kann er nicht freie Ursache, sondern nur notwendige oder gezwungene genannt werden. W. z. b. w.
Folgesatz 1. Hieraus folgt erstens, daß Gott nicht aus Freiheit des Willens wirkt.
Folgesatz 2. Es folgt zweitens, daß Wille und Verstand sich so zu Gottes Natur verhalten, wie Bewegung und Ruhe, und überhaupt wie alle Naturdinge, welche (nach Lehrsatz 29), um da zu sein und zu wirken, von Gott auf eine gewisse Weise bestimmt werden müssen. Denn der Wille bedarf, wie alles übrige, einer Ursache, durch welche er, um da zu sein und zu wirken, auf eine gewisse Weise bestimmt wird. Und obgleich aus einem gegebenen Willen oder Verstand Unendliches folgt, kann deshalb dennoch von Gott ebensowenig gesagt werden, daß er aus Freiheit des Willens handle, als wegen dessen, was aus Bewegung und Ruhe folgt (denn auch aus diesen erfolgt Unendliches), gesagt werden kann, daß er aus Freiheit der Bewegung und Ruhe handle; darum gehört der Wille ebensowenig zur Natur Gottes, als die übrigen Naturdinge, sondern er verhält sich auf dieselbe Weise zu ihr, wie Bewegung und Ruhe und alles übrige, was, wie ich gezeigt habe, aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur folgt und auf gewisse Weise da zu sein und zu wirken von ihr bestimmt wird.
Lehrsatz 33. Die Dinge konnten auf keine andere Weise und in keiner andern Ordnung von Gott hervorgebracht werden, als sie hervorgebracht worden sind.
Beweis. Denn alle Dinge sind aus der gegebenen Natur Gottes notwendig erfolgt (nach Lehrsatz 16) und aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf gewisse Weise da zu sein und zu wirken (nach Lehrsatz 29). Wenn also die Dinge von anderer Natur sein, oder auf andere Weise zum Wirken hätten bestimmt werden können, so daß die Ordnung der Natur eine andere wäre, so hätte demnach auch die Natur Gottes eine andere sein können, als sie jetzt ist, und folglich (nach Lehrsatz 11) müßte jene andere auch da sein, und sonach könnte es zwei oder mehrere Götter geben, was (nach Folgesatz 1 zu Lehrsatz 14) widersinnig ist. Deshalb konnten die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung usw. W. z. b. w.
1. Anmerkung. Da ich hierdurch sonnenklar gezeigt habe, daß es durchaus nichts in den Dingen gibt, weshalb sie zufällig genannt werden könnten, will ich kurz erläutern, was nach meiner Auffassung unter zufällig zu verstehen ist, jedoch vorher, was unter notwendig und unmöglich. Ein Ding heißt notwendig entweder in Beziehung auf sein Wesen, ober in Beziehung auf die Ursache. Denn das Dasein eines Dinges erfolgt notwendig entweder aus seinem Wesen und seiner Definition, oder aus einer gegebenen wirkenden Ursache. Sodann wird auch aus eben diesen Gründen ein Ding unmöglich genannt, weil nämlich entweder sein Wesen oder seine Definition einen Widerspruch enthält, oder weil es keine äußere Ursache gibt, welche ein solches Ding hervorzubringen bestimmt wäre. Zufällig aber wird ein Ding nur mit Rücksicht auf einen Mangel unserer Erkenntnis genannt. Denn ein Ding, von dem wir nicht wissen, ob sein Wesen einen Widerspruch enthält, oder von dem wir sehr gut wissen, daß es keinen Widerspruch enthält, aber dennoch von seinem Dasein nichts mit Bestimmtheit behaupten können, weil uns nämlich die Ordnung der Ursachen unbekannt ist, dies kann uns niemals weder als notwendig noch als unmöglich scheinen, und darum nennen wir es entweder zufällig oder möglich.
2. Anmerkung. Aus dem Vorhergehenden folgt deutlich, daß die Dinge in der höchsten Vollkommenheit von Gott hervorgebracht worden sind, da sie ja aus der vorhandenen vollkommensten Natur mit Notwendigkeit erfolgt sind. Und dies zeiht Gott keiner Unvollkommenheit, denn seine Vollkommenheit zwingt uns zu dieser Behauptung. Ja, aus dem Gegenteile würde klar folgen, (wie wir soeben gezeigt), daß Gott nicht höchst vollkommen ist, weil man nämlich, wenn die Dinge auf eine andere Weise hervorgebracht wären, Gott eine andere Natur zuschreiben müßte, verschieden von der, welche wir aus der Betrachtung des vollkommensten Seienden ihm zuzuschreiben gezwungen sind. Ich zweifle aber nicht, daß viele diese Meinung als widersinnig verspotten und sich nicht bemühen werden, sie zu überlegen, und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil sie gewohnt sind, Gott eine andere Freiheit zuzuschreiben, welche von der, welche wir (Def. 7) angenommen haben, nämlich einem absoluten Willen, weit entfernt ist. Ich zweifle aber auch nicht, daß, wenn sie die Sache überlegen und die Reihenfolge unserer Beweise gehörig bei sich überdenken wollen, sie endlich eine solche Freiheit, wie sie jetzt Gott zuschreiben, nicht bloß als töricht, sondern auch als ein großes Hindernis des Wissens gänzlich verwerfen werden. Es ist unnötig, hier das zu wiederholen, was in der Anmerkung zu Lehrsatz 17 gesagt wurde; um ihretwillen will ich aber noch zeigen, daß, wenn man auch einräumt, daß der Wille zum Wesen Gottes gehört, aus seiner Vollkommenheit dennoch folgt, daß die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott erschaffen werden konnten. Dies wird leicht zu zeigen sein, wenn wir zuvörderst das betrachten, was sie selbst zugeben, daß es nämlich von dem Beschlusse und dem Willen Gottes allein abhänge, daß jedes Ding das ist, was es ist. Denn sonst wäre Gott nicht Ursache aller Dinge. Ferner, daß alle Beschlüsse Gottes von Ewigkeit her von Gott selbst gefaßt waren, denn sonst würde er der Unvollkommenheit und Unbeständigkeit geziehen. Da es aber im Ewigen kein Wann, kein Vorher und kein Nachher gibt, so folgt daher aus der bloßen Vollkommenheit Gottes, daß Gott nie etwas anderes beschließen kann, noch je gekonnt hat, oder daß Gott vor seinen Beschlüssen weder gewesen ist, noch ohne sie sein kann. Aber, sagen sie, nähme man auch an, daß Gott eine andere Natur der Dinge gemacht hätte, oder daß er von Ewigkeit etwas anderes über die Natur und ihre Ordnung beschlossen hätte, so würde hieraus doch keine Unvollkommenheit in Gott folgen. Wenn sie dies aber sagen, so räumen sie zugleich ein, daß Gott seine Beschlüsse ändern könne. Denn hätte Gott über die Natur und ihre Ordnung etwas anderes beschlossen, als er beschlossen hat, d. h. hätte er etwas anderes über die Natur gewollt und sich vorgenommen, so hätte er notwendig einen anderen Verstand gehabt, als er jetzt hat, und einen anderen Willen, als er jetzt hat. Und wenn man Gott einen anderen Verstand und einen anderen Willen, ohne eine Veränderung seines Wesens und seiner Vollkommenheit, zuschreiben darf, wo ist ein Grund, warum er nicht jetzt seine Beschlüsse über die geschaffenen Dinge ändern, und dennoch gleich vollkommen bleiben könnte? Denn es ist ja einerlei in Rücksicht seines Wesens und seiner Vollkommenheit, wie man seinen Verstand und Willen, in bezug auf die geschaffenen Dinge und ihre Ordnung, begreift. Ferner geben alle Philosophen, die ich kenne, zu, daß es in Gott keinen bloß potentiellen Verstand gibt, sondern bloß einen aktuellen. Da aber sein Verstand und Wille sich nicht von seinem Wesen unterscheiden, wie auch alle zugeben, so folgt hieraus auch, daß, wenn Gott einen anderen wirklichen Verstand und Willen gehabt hätte, auch sein Wesen notwendig ein anderes wäre, und ferner (wie ich anfangs geschlossen habe), wenn die Dinge anders, als sie jetzt sind, von Gott hervorgebracht worden wären, so müßte Gottes Verstand und sein Wille, d. h. (wie zugegeben wird), sein Wesen, ein anderes sein, was widersinnig ist. Da also die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden konnten und die Wahrheit dieses Satzes aus der höchsten Vollkommenheit Gottes folgt, so kann uns gewiß keine gesunde Vernunft glauben machen, daß Gott nicht alles, was in seinem Verstande ist, mit derselben Vollkommenheit habe schaffen wollen, mit welcher er alles erkennt. Aber, so könnten sie sagen, in den Dingen ist weder Vollkommenheit noch Unvollkommenheit, sondern das, was in ihnen ist, weshalb sie vollkommen oder unvollkommen sind, gut oder schlecht genannt werden, hängt nur vom Willen Gottes ab, und wenn folglich Gott gewollt hätte, hätte er bewirken können, daß das, was jetzt Vollkommenheit ist, die höchste Unvollkommenheit wäre, und umgekehrt. Aber, was wäre dies anders, als offenbar behaupten, daß Gott, welcher das, was er will, notwendig erkennt, durch seinen Willen bewirken könne, daß er die Dinge auf andere Art erkenne, als er sie erkennt? Dies, wie eben gezeigt, ist höchst widersinnig. Darum kann ich den Beweis folgendermaßen gegen sie selbst wenden. Alles hängt von der Macht Gottes ab. Damit sich die Dinge also anders verhalten könnten, müßte notwendig der Wille Gottes sich ebenfalls anders verhalten. Nun kann sich der Wille Gottes nicht anders verhalten (wie wir oben aus Gottes Vollkommenheit aufs deutlichste gezeigt haben), also können sich auch die Dinge nicht anders verhalten. Ich gestehe, daß diese Meinung, welche alles einem gewissen indifferenten Willen Gottes unterwirft und alles von seinem Gutdünken abhängen läßt, weniger vom Wahren entfernt ist als die Meinung derjenigen, welche annehmen, daß Gott alles unter dem Gesichtspunkte des Guten tue. Denn diese scheinen etwas außer Gott zu setzen, was nicht von Gott abhängt und worauf Gott, wie auf ein Muster, im Wirken acht gibt, oder worauf er, wie auf ein bestimmtes Ziel, lossteuert. Dies heißt wahrlich nichts anderes, als Gott dem Schicksal unterwerfen; Widersinnigeres aber kann nicht von Gott behauptet weiden, von ihm, den wir als erste und einzige freie Ursache des Wesens wie des Daseins aller Dinge dargestellt haben. Deshalb ist es nicht nötig, bei der Widerlegung dieser Ungereimtheit die Zeit zu verlieren.
Lehrsatz 34. Die Macht Gottes ist sein Wesen selbst.
Beweis. Denn aus der bloßen Notwendigkeit des göttlichen Wesens folgt, daß Gott die Ursache seiner selbst (nach Lehrsatz 11) und (nach Lehrsatz 16 und dessen Folgesatz) aller Dinge ist. Demnach ist die Macht Gottes, wodurch er selbst und alles ist und handelt, sein Wesen selbst. W. z. b. w.
Lehrsatz 35. Alles, was wir, als in Gottes Macht stehend, begreifen, das ist notwendig.
Beweis. Denn alles, was in Gottes Macht steht, dies muß (nach dem vorigen Lehrsatze) so in seinem Wesen begriffen sein, daß es notwendig daraus folgt, und so ist es notwendig. W. z. b. w.
Lehrsatz 36. Nichts ist da, aus dessen Natur nicht eine Wirkung erfolgte.
Beweis. Alles, was da ist, drückt Gottes Natur oder Wesen auf eine gewisse und bestimmte Weise aus (nach dem Folgesatz zu Lehrsatz 25), d. h. (nach Lehrsatz 34) alles, was da ist, drückt Gottes Macht, welche die Ursache aller Dinge ist, auf gewisse und bestimmte Weise aus, und folglich (nach Lehrsatz 16) muß aus ihm irgendeine Wirkung erfolgen.
Hiermit habe ich die Natur Gottes und seine Eigenschaften erläutert, nämlich, daß er notwendig da ist, daß er einzig ist, daß er gemäß der bloßen Notwendigkeit seiner Natur ist und handelt; daß und wie er die freie Ursache aller Dinge ist; daß alles in Gott ist und so von ihm abhängt, daß es ohne ihn weder sein noch begriffen werden kann, und endlich, daß alles von Gott vorher bestimmt war, nicht zwar aus Freiheit des Willens oder absolutem Gutdünken, aber aus der absoluten Natur oder der unendlichen Macht Gottes. Ferner habe ich überall, wo sich Gelegenheit dazu bot, die Vorurteile wegzuräumen gesucht, die der Auffassung meiner Beweise hinderlich sein konnten. Weil aber noch gar viele Vorurteile übrig sind, welche auch, ja vor allem verhindern könnten und können, daß man den Zusammenhang der Dinge in der Weise, wie ich ihn entwickelt habe, auffassen könne, hielt ich es für der Mühe wert, sie hier der Prüfung der Vernunft zu unterwerfen. Da aber alle Vorurteile, welche ich hier zu bezeichnen unternehme, von dem einen abhängen, daß nämlich die Menschen gemeiniglich voraussetzen, alle Dinge in der Natur handelten, wie sie selbst, um eines Zweckes willen, ja, daß sie als gewiß aufstellen, daß Gott selbst alles zu einem gewissen bestimmten Zwecke lenke (denn sie sagen, Gott habe alles des Menschen wegen gemacht, den Menschen aber, damit dieser ihn verehre), so will ich dies eine zuerst betrachten, indem ich nämlich zuerst die Ursache aufsuche, weshalb die meisten in diesem Vorurteile stecken, und alle von Natur so geneigt sind, es zu hegen. Sodann will ich die Unrichtigkeit desselben nachweisen und schließlich zeigen, wie hieraus die Vorurteile von gut und böse, Verdienst und Sünde, Lob und Tadel, Ordnung und Verwirrung, Schönheit und Häßlichkeit und dergleichen entstanden sind. Dieses jedoch aus der Natur des menschlichen Geistes abzuleiten, dazu ist hier nicht der Ort. Es wird hier genügen, wenn ich als Grundsatz das annehme, was alle zugeben müssen, nämlich dies, daß alle Menschen der Ursachen der Dinge unkundig geboren werden und daß alle das Bestreben haben, das für sie Nützliche zu suchen, dessen sie sich bewußt sind. Hieraus folgt erstens, daß die Menschen sich für frei halten, weil sie sich ihres Wollens und ihres Strebens bewußt sind und an die Ursachen, von welchen sie dazu veranlaßt werden, etwas zu begehren und zu wollen, da sie ihrer unkundig sind, nicht im Traume denken. Es folgt zweitens, daß die Menschen alles um eines Zweckes willen tun, nämlich wegen des Nützlichen, das sie begehren. Daher kommt es, daß sie immer nur die Zweckursachen der geschehenen Dinge zu wissen begehren, und wenn sie sie gehört, zufrieden sind, weil sie nämlich keine Ursache haben, noch in Ungewißheit zu sein. Können sie diese aber von keinem anderen erfahren, so bleibt ihnen nichts übrig, als sich an sich selbst zu wenden und über die Zwecke, von welchen sie selbst zu dergleichen bestimmt zu werden pflegen, nachzusinnen, und so beurteilen sie notwendig die Sinnesweise eines anderen nach ihrer eigenen Sinnesweise. Ferner, da sie in sich und außer sich allerlei Mittel finden, die sehr viel zur Erreichung ihres Nutzens beitragen, wie z. B. die Augen zum Sehen, die Zähne zum Kauen, Pflanzen und Tiere zur Nahrung, die Sonne zum Leuchten, das Meer Fische zu ernähren usw., so kommt es daher, daß sie alles in der Natur als Mittel zu ihrem Nutzen betrachten; und weil sie wissen, daß jene Mittel von ihnen aufgefunden, nicht aber hergestellt sind, so war dies die Ursache zu dem Glauben, irgendein anderer sei es, der jene Mittel zu ihrem Nutzen hergerichtet habe. Denn nachdem sie einmal die Dinge als Mittel betrachteten, konnten sie nicht glauben, daß diese sich selbst gemacht hätten, sondern sie mußten aus den Mitteln, welche sie sich zu bereiten pflegen, schließen, daß es einen oder einige mit menschlicher Freiheit begabte Lenker der Natur gäbe, die alles für sie besorgt, und alles zu ihrem Nutzen gemacht hätten. Auch die Sinnesweise dieser mußten sie, da sie nie etwas darüber gehört hatten, nach der ihrigen beurteilen, und deshalb nahmen sie an, die Götter lenkten alles zum Nutzen der Menschen, um die Menschen sich zu verbinden und auf das höchste von ihnen geehrt zu werden. Daher kam es, daß jeder nach seiner Sinnesweise verschiedene Arten, Gott zu verehren, sich ausdachte, damit Gott ihn mehr als die übrigen liebte, und die ganze Natur zur Befriedigung seiner blinden Begierde und unersättlichen Habsucht lenkte. Und so verwandelte sich dieses Vorurteil in Aberglauben und trieb tiefe Wurzeln in den Gemütern; und dies war der Grund, weshalb jeder mit größter Anstrengung die Zweckursachen aller Dinge zu erkennen und zu erklären suchte. Aber während sie zu zeigen suchten, daß die Natur nichts vergebens (d. h. nichts, was nicht zum Nutzen der Menschen diene) tue, haben sie, wie es scheint, nichts anderes gezeigt, als daß die Natur und die Götter ebenso wahnwitzig sind, wie die Menschen. Man sehe nur, wohin das schließlich hinauslief! Unter so vielem Nützlichen in der Natur mußten sie nicht wenig Schädliches finden, nämlich Stürme, Erdbeben, Krankheiten usw.; diese, meinten sie, kämen daher, weil die Götter über die von den Menschen ihnen zugefügten Beleidigungen oder über Vergehen bei ihrer Verehrung erzürnt wären, und obgleich die Erfahrung sich täglich dagegen auflehnte und durch unzählige Beispiele zeigte, daß Nützliches und Schädliches den Frommen wie den Gottlosen auf gleiche Weise begegne, ließen sie doch nicht von dem eingerosteten Vorurteile ab. Denn es war für sie leichter, dies unter anderes Unbekannte, dessen Nutzen sie nicht kannten, zu rechnen, und so ihren gegenwärtigen und angeborenen Zustand der Unwissenheit zu behaupten, als jenes ganze Gebäude umzustoßen und ein neues auszusinnen; deshalb nahmen sie als gewiß an, daß die Urteile der Götter die menschliche Fassungskraft weit überstiegen, was allein schon hätte verursachen können, daß die Wahrheit dem Menschengeschlechte in Ewigkeit verborgen bliebe, wenn nicht die Mathematik, in der es sich nicht um Zwecke, sondern nur um die Wesen und Eigenschaften der Figuren handelt, den Menschen eine andere Richtschnur der Wahrheit gezeigt hätte. Außer der Mathematik können noch andere Ursachen bezeichnet werden (deren Aufzählung hier überflüssig ist), welche die Menschen auf diese gemeinen Vorurteile aufmerksam machen, und sie zur richtigen Erkenntnis der Dinge führen konnten.
Hiermit habe ich den ersten Punkt dessen, was ich zu zeigen versprochen, hinlänglich erläutert. Um nun aber zu zeigen, daß die Natur sich keinen Zweck vorgesetzt hat, und daß alle Zweckursachen nichts als menschliche Erdichtungen sind, bedarf es nicht viel; denn ich glaube, dieses ergibt sich schon hinlänglich aus den Gründen und Ursachen, aus welchen ich den Ursprung dieses Vorurteiles aufgezeigt habe, so wie auch aus Lehrsatz 16 und dem Folgesatz zu Lehrsatz 32 und außerdem aus allen denen, wodurch ich gezeigt habe, daß alles in der Natur nach einer gewissen ewigen Notwendigkeit und höchsten Vollkommenheit vor sich gehe. Nur dies will ich noch hinzusetzen, daß nämlich diese Lehre vom Zweck die Natur gänzlich umkehrt. Denn das, was eigentlich Ursache ist, betrachtet sie als Wirkung und umgekehrt; ferner macht sie das, was von Natur früher ist, zum Späteren; und endlich macht sie das, was das Höchste und Vollkommenste ist, zum Unvollkommensten. Denn (mit Übergehung der beiden ersten, weil sie an sich klar sind), aus den Lehrsätzen 21, 22 und 23 erhellt, daß diejenige Wirkung die vollkommenste ist, welche von Gott unmittelbar hervorgebracht wird, und daß etwas um so unvollkommener ist, je mehr vermittelnder Ursachen es bedarf, um hervorgebracht zu werden. Wenn aber die Dinge, welche unmittelbar von Gott hervorgebracht sind, deshalb gemacht wären, damit Gott seinen Zweck erreichte, dann wären notwendig die letzten, um derentwillen die ersteren gemacht sind, die vortrefflichsten von allen. Ferner hebt diese Lehre die Vollkommenheit Gottes auf; denn, wenn Gott um eines Zweckes willen handelt, begehrt er notwendig etwas, das ihm fehlt. Obgleich nun die Theologen und Metaphysiker zwischen Zweck des Bedürfnisses und Zweck der Assimilation unterscheiden, so räumen sie doch ein, daß Gott alles seinethalben, nicht aber wegen der zu schaffenden Dinge getan habe, weil sie vor der Schöpfung außer Gott nichts angeben können, wegen dessen Gott handeln sollte, also müssen sie notwendig zugeben, daß Gott das, um derentwillen er die Mittel bereiten wollte, entbehrt hat, und es begehrt, wie an sich klar ist. Hierbei ist nicht zu vergessen, daß die Anhänger dieser Lehre, welche in der Zweckbestimmung der Dinge ihren Scharfsinn zur Schau tragen wollten, eine neue Art der Beweisführung aufgebracht haben, um diese ihre Lehre zu stützen, indem sie sich nämlich nicht auf die Unmöglichkeit, sondern auf die Unwissenheit berufen; dies zeigt, daß es kein anderes Mittel gegeben hat, diese Lehre zu beweisen. Denn, wenn z. B. ein Ziegel von einem Dache jemanden auf den Kopf fällt und ihn tötet, sie werden sie auf diese Art beweisen, daß der Ziegel gefallen sei, um den Menschen zu töten. Denn, wenn er nicht nach dem Willen Gottes zu diesem Zwecke gefallen wäre, wie konnten so viele Umstände (denn oft treffen viele zusammen) durch Zufall zusammenkommen? Antwortet man etwa, es kam daher, weil der Wind wehte und weil der Mensch eben dort vorbeiging, so fragen sie dann wieder, warum wehte der Wind damals? Warum ging der Mensch gerade damals dort? Wenn man hierauf wieder antwortet, der Wind entstand damals, weil das Meer am vorigen Tage bei noch ruhigem Wetter stürmisch zu werden anfing und weil der Mensch von einem Freunde eingeladen war, so werden sie dann wieder, weil das Fragen keine Grenzen hat, entgegnen, warum war aber das Meer stürmisch? Warum wurde der Mensch zu jener Zeit eingeladen? Und so werden sie nicht ablassen, weiter und weiter nach den Ursachen der Ursachen zu fragen, bis man zum Willen Gottes, d. h. zum Asyl der Unwissenheit seine Zuflucht nimmt. So auch, wenn sie den Bau des menschlichen Körpers betrachten, staunen sie, und weil sie die Ursachen eines so hohen Kunstwerkes nicht kennen, schließen sie, daß er nicht durch mechanische, sondern durch göttliche oder übernatürliche Kunst und auf solche Weise zusammengesetzt sei, daß kein Teil den andern verletzt. Daher kommt es, daß, wer die wahren Ursachen der Wunder aufsucht, und wer die Naturdinge als Gelehrter zu verstehen, nicht aber als Tor anzustaunen strebt, überall für einen Ketzer und Gottlosen gehalten, und von denen verschrien wird, die das Volk gleichsam als die Dolmetscher der Natur und der Götter anbetet; denn sie wissen, daß, wenn man die Unwissenheit wegräumt, auch das blöde Staunen wegfällt, das einzige Mittel, welches sie haben, etwas zu erweisen und ihr Ansehen zu behaupten. Doch ich lasse dies und gehe zu dem dritten Punkte über.
Nachdem die Menschen sich einmal eingebildet hatten, daß alles, was geschieht, ihrethalben geschehe, mußten sie das bei jedem Ding für die Hauptsache halten, was ihnen das Nützlichste war, und alles das als das Höchste schätzen, wovon sie am angenehmsten berührt wurden. Daher mußten sie die folgenden Begriffe bilden, womit sie die Beschaffenheiten der Dinge erklärten, nämlich: gut, böse, Ordnung, Verwirrung, warm, kalt, Schönheit und Häßlichkeit, und weil sie sich für frei halten, sind die folgenden Begriffe entstanden: Lob und Tadel, Sünde und Verdienst; diese letzteren will ich unten, wenn ich von der menschlichen Natur gehandelt habe, die ersteren aber will ich hier kurz erläutern. Alles das nämlich, was zum Wohlbefinden und zur Gottesverehrung führt, haben sie gut, was aber diesem entgegen ist, böse genannt. Und weil die, welche die Natur nicht verstehen, nichts von den Dingen behaupten, sondern sich die Dinge nur vorstellen, und sinnliche Vorstellung für Verstehen nehmen, so glauben sie in ihrer Unkenntnis der Dinge und ihrer Natur fest, es sei eine Ordnung in den Dingen, Denn wenn sie so beschaffen sind, daß wir sie, wenn sie uns durch die Sinne dargestellt werden, leicht vorstellen können, und folglich uns ihrer leicht erinnern, nennen wir sie wohlgeordnet; wenn aber im Gegenteil, sagen wir, sie seien schlecht geordnet oder verworren. Und weil uns dasjenige besonders angenehm ist, was wir leicht vorstellen können, ziehen die Menschen die Ordnung der Verwirrung vor, als ob, abgesehen von unserer Vorstellung, die Ordnung etwas in der Natur wäre. Sie sagen, Gott habe alles in Ordnung geschaffen, und legen so, ohne ihr Wissen, Gott Vorstellung bei, wenn sie nicht vielleicht meinen, daß Gott, für die menschliche Vorstellung sorgend, alle Dinge in solcher Weise angeordnet habe, daß sie sich dieselben nur ja recht leicht vorstellen können. Und das wird ihnen vielleicht gar kein Bedenken machen, daß man Unzähliges findet, was unsere Vorstellung weit übersteigt, und sehr vieles, was sie wegen ihrer Schwäche verwirrt. Doch genug hiervon. Auch die übrigen Begriffe sind weiter nichts, als Vorstellungsarten, wodurch die Vorstellung auf verschiedene Weise affiziert wird, und werden doch von Unkundigen als wesentliche Attribute der Dinge betrachtet, weil sie, wie bereits erwähnt, glauben, alle Dinge wären ihrethalben gemacht, und so nennen sie die Natur eines Dinges gut, oder böse, gesund oder faul und verdorben, je nachdem sie von ihm affiziert werden. Wenn z. B. die Bewegung, welche die Nerven von den durch die Augen vorgestellten Gegenständen empfangen, dem Wohlbefinden zusagt, werden die Gegenstände, welche die Ursache sind, schön genannt; die aber, welche die entgegengesetzte Bewegung erregen, häßlich. Das ferner, was durch die Nase den Sinn erregt, nennen sie wohlriechend oder stinkend; was durch die Zunge, süß oder bitter, wohlschmeckend oder übelschmeckend usw. Was aber durch das Tasten, hart oder weich, rauh oder glatt usw. Was endlich das Gehör erregt, bezeichnen sie als Geräusch, Schall oder Harmonie; dieses letztere hat die Menschen so betört, daß sie glaubten, auch Gott ergötze sich an der Harmonie. Es gibt auch Philosophen, welche sich eingebildet haben, die himmlischen Bewegungen bildeten eine Harmonie. Alles dies zeigt deutlich, daß jeder gemäß der Beschaffenheit seines Gehirns über die Dinge geurteilt, oder vielmehr die Regungen seiner Einbildungskraft für die Dinge selbst genommen hat. Deshalb ist es kein Wunder (um auch dies nebenbei zu bemerken), daß unter den Menschen die vielen Streitigkeiten, von denen wir erfahren, entstanden sind, und endlich daraus der Skeptizismus. Denn obgleich die menschlichen Körper in vielem übereinstimmen, weichen sie doch in dem meisten voneinander ab, und deshalb erscheint dem einen gut, was dem anderen böse, dem einen geordnet, was dem anderen verworren, einem angenehm, was dem anderen unangenehm ist, und so im übrigen, worauf ich mich hier nicht einlasse, teils weil hier nicht der Ort ist, genauer davon zu handeln, teils weil jeder dies genugsam erfahren hat. Denn jeder kennt ja die Redensart: so viele Köpfe, so viel Sinne; jeder hat genug an seinem Sinn, es gibt so viel Verschiedenheiten der Köpfe als der Geschmäcke. Diese Sätze zeigen hinlänglich, daß die Menschen je nach der Beschaffenheit ihres Kopfes über die Dinge urteilen und sich die Dinge lieber bloß vorstellen, als sie erkennen. Denn wenn sie die Dinge erkannt hätten, würden diese, wie die Mathematik bezeugt, alle wenn nicht für sich gewinnen, so doch wenigstens überzeugen.
Wir sehen also, daß alle Begriffe, durch welche man gewöhnlich die Natur zu erklären pflegt, nur Vorstellungsarten sind, und nicht die Natur irgendeines Dinges, sondern nur die Verfassung der Vorstellungsweise anzeigen; und weil sie Namen haben, als ob sie außerhalb der Vorstellung daseienden Dingen angehörten, so nenne ich sie nicht Vernunftdinge, sondern Dinge der Einbildungskraft; sonach können alle Gründe, welche gegen uns aus solchen Begriffen hergenommen werden, leicht widerlegt werden. Denn viele pflegen so zu schließen: Wenn alles aus der Notwendigkeit der vollkommensten Natur Gottes ist, woher sind denn so viele Unvollkommenheiten in der Natur, wie die Verderbung der Dinge bis zum Gestank, die ekelerweckende Mißgestalt der Dinge, die Verwirrung, das Übel, die Sünde u. a. m.? Aber, wie ich eben sagte, sie werden leicht widerlegt. Denn die Vollkommenheit der Dinge muß nach ihrer Natur und ihrem Vermögen allein geschätzt werden, und die Dinge sind deshalb nicht mehr oder minder vollkommen, weil sie den Sinn der Menschen ergötzen oder beleidigen, weil sie der menschlichen Natur zusagen oder ihr entgegen sind. Denen aber, welche fragen, warum Gott nicht alle Menschen so geschaffen hat, daß sie bloß durch die Führung der Vernunft geleitet werden, antworte ich nur: weil er Stoff hatte, alles zu schaffen von der höchsten bis zur niedrigsten Stufe der Vollkommenheit; oder eigentlicher zu reden, weil die Gesetze seiner Natur so weit umfassend gewesen sind, daß sie zur Hervorbringung alles dessen, was von einem unendlichen Verstande begriffen werden kann, ausreichten, wie ich Lehrsatz 16 gezeigt habe. Dies sind die Vorurteile, welche ich hier anführen wollte; wenn noch einige dieses Schlages übrig sind, werden sie bei einigem Nachdenken leicht von jedem gehoben werden können.