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Auf Schloß Warnow hatte die Gesellschaft seit einer Stunde abgespeist; Frau von Wallbach, Else und Graf Golm, der zu Mittag geladen gewesen, saßen in dem Salon um den Kamin, in dem nur ein spärliches Feuer brannte. Es war den ganzen Tag, trotzdem heute erst der Februar zu Ende ging, seltsam schwül gewesen – François hatte sogar vorhin die Fenster öffnen müssen – man fand es nur zu begreiflich, daß die Baronin über Tisch von ihrer Migräne befallen wurde und gleich, nachdem die Tafel aufgehoben, gebeten hatte, sich zurückziehen zu dürfen. Carla war gegangen, sich in ihr Kostüm zu werfen; sie wollte die Gelegenheit, einmal wieder in Begleitung von mehreren Herren zu reiten, sich nicht entgehen lassen; Herr von Strummin, der eine nachbarliche Morgenvisite gemacht hatte, zur ländlich frühen Tafel geblieben war und jetzt nach Haus wollte oder mußte, war hinunter, nach den Pferden zu sehen; Graf Golm hatte eigentlich auch den Abend auf Warnow verbringen wollen, meinte aber nun, es sei wohl, in Anbetracht des Unwohlseins der Baronin, besser, wenn er nach der Promenade, ohne abzusteigen, nach Golm zurückreite und sich gleich jetzt den Damen empfehle.
Er hatte gehofft, daß Else, an die er diese Worte richtete, Einspruch tun werde, wenigstens mit einer höflichen Phrase, die er dann für bare Münze nehmen wollte; aber Else schwieg, und Frau von Wallbach verbarg mit Mühe einen Anfall von Gähnen, indem sie sich in ihren Fauteuil zurücklehnte und mit der Hand vor dem Mund die Stuckdecke des Zimmers einer eingehenden Beobachtung zu unterziehen schien. Der Graf biß sich auf die Lippe.
Ich fürchte, wir sind für die Damen gerade keine erheiternde Gesellschaft gewesen, sagte er. – Strummin war wirklich entsetzlich; ich glaube, er hat in aller Stille drei Flaschen getrunken, das heißt genau so viel, als er Worte gesprochen. Ich finde, eine derartige verbissene Schweigsamkeit ist ansteckend, oder ist es die Lust? – wahrhaftig wie im Mai, wenn wir die ersten Frühlingsgewitter haben – schade, daß der Herr Kommandeur der Einladung Ihrer Frau Tante nicht gefolgt ist, gnädiges Fräulein; – er hätte uns vielleicht sagen können, was diese sonderbar schwüle atmosphärische Stimmung zu bedeuten hat. Weshalb mag er nur nicht gekommen sein?
Der Graf ließ selten eine Gelegenheit unbenutzt, in irgend einer Wendung, die er für besonders ironisch und witzig hielt, auf Reinhold anzuspielen. Es konnte nur eine Folge des blinden Hasses sein, mit dem er ihn vom ersten Augenblicke an beehrt. Reinhold war während dieser acht Tage ein einziges Mal, für eine Stunde nur, zum Besuch auf Warnow gewesen. Sie hatten der Gesellschaft gewiß nicht den mindesten Anhalt gegeben, aus dem ein Schluß auf die Natur ihres Verhältnisses gezogen werden konnte; dennoch war Elsen bei der letzten Äußerung des Grafen das Blut in die Wangen geschossen.
Der Herr Kommandeur hat einfach sein Bedauern ausgedrückt, daß es ihm seine Zeit heute nicht erlaube, unserer Einladung zu folgen, sagte sie.
Wenn ich nur wüßte, was so ein Mann zu tun hat, erwiderte der Graf; – er führt doch, soviel ich weiß, die Boote nicht selbst, sondern sieht gemächlich vom Strande aus zu. Die reine Sinekure, scheint mir.
Sollte sich eine genauere Kenntnis der Pflichten und Mühen eines Mannes in dieser Stellung nicht Ihrer Einsicht entziehen, Herr Graf?
Vermutlich, meine Gnädige; – ich kann zum Beispiel gleich nicht einsehen, wieso er die Pflicht hat und weshalb er sich die Mühe gibt, mich bei meinem Hafenbau auf die seltsamste und widerwärtigste Weise zu molestieren. Unter anderem haben wir – ich weiß es bestimmt – auf seinen Antrag, genauer: seine Denunziation –
Verzeihen Sie, daß ich Sie unterbreche, sagte Else: der Herr, von dem Sie sprechen, besitzt die Achtung, ich darf sagen: Liebe meines Vaters; er ist mein – Freund, von meiner Tante auf Warnow willkommen geheißen – ich halte es nicht für schicklich, ihn hier – in seiner Abwesenheit – verunglimpfen zu lassen.
Aber, meine Gnädige, rief der Graf; – Sie mißverstehen mich gänzlich! ich habe dem Herrn durchaus nicht zu nahe treten wollen. Ich nenne es eine Denunziation, weil –
Sie haben sicher die Güte, die Sache gelegentlich in seiner Gegenwart zur Sprache zu bringen; ich bin überzeugt, daß er Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben wird. Für den Augenblick, liebe Luise, bitte ich um die Erlaubnis, mich nach Tante umsehen zu dürfen, die vielleicht meiner bedarf.
Else hatte sich über Frau von Wallbachs Stuhl gebeugt, machte, sich aufrichtend, dem Grafen ein höflich kühle Verbeugung und verließ den Salon.
Das ist aber stark! sagte der Graf, ihr nachblickend, – wie finden Sie das, gnädige Frau? Mir eine solche Szene dieses Menschen wegen, der wirklich ein Schikaneur ist! Denken Sie sich, gnädige Frau, er wird es wahrscheinlich dahin bringen, daß wir die Dünen links von Ahlbeck nicht abtragen dürfen, trotzdem wir die Stelle absolut notwendig als Ablagerungsplatz für unsere Materialien brauchen. Er behauptet, die Dünen seien der Schutz für die ganze Küste! Denken Sie! sechzig Fuß Vorstrand auf der schmalsten Stelle, und dann von Küstenschutz zu reden! lächerlich! Und unser teurer Herr Präsident natürlich –
Lieber Graf, sagte Frau von Wallbach, den Kopf nach dem Grafen wendend, – was geht die ganze Geschichte mich an?
Verzeihen Sie, gnädige Frau, sagte der Graf; – ich dachte –
Und ich langweile mich so schon zum Sterben! rief Frau von Wallbach; – großer Gott, wie ich mich langweile! diese acht Tage – o, diese acht Tage! Wenn ich nur dazu käme, Wallbach zu schreiben, daß er mich wieder holen soll!
Wir würden Sie aufs schmerzlichste vermissen, gnädige Frau, sagte der Graf.
Ich dächte, Ihr würdet recht gut ohne mich fertig, sagte Frau von Wallbach; – überhaupt, lieber Graf, so geht es nicht länger. Entweder Ihr entschließt Euch, oder Ihr gebt es auf. Denkt Ihr denn, Else ist blind?
Pah, sagte der Graf, Fräulein Else hat ja ihren interessanten Lotsenkommandeur.
Ja, sagte Frau von Wallbach; Ihr sprecht alle Augenblicke davon; ich habe die beiden neulich genau beobachtet; es ist Unsinn, sage ich Ihnen.
Ich habe es aus sicherster Quelle, gnädige Frau.
Natürlich von Herrn Giraldi – der weiß alles! Und Herr Giraldi ist es doch auch wieder, der sich anfänglich für Ihre Verbindung mit Elsen interessierte! – ich verstehe es nicht; es ist langweilig, so im Dunkeln zu tappen.
Der Graf, für den es in dieser delikaten Angelegenheit selbst noch verschiedene dunkle Punkte gab, hielt es für die höchste Zeit, die Unterredung abzubrechen.
Ich glaube, die Pferde werden vorgeführt, sagte er, sich erhebend und Frau von Wallbach die Hand küssend, – entschuldigen Sie mich für heute, gnädige Frau! spreche, wenn Sie erlauben, morgen wieder vor; wollte Fräulein Carla die Hafenanlagen endlich einmal zeigen – interessiert sich sehr dafür – hoffe, gnädige Frau werden von der Partie sein – au revoir, gnädige Frau!
Er entfernte sich schnell, ohne die Antwort der Dame abzuwarten.
Als er eilig durch das Vorgemach schritt, von dem Portierentüren nach mehreren Seiten führten, kam Carla, das Reitgewand mit der einen Hand in die Höhe hebend, in der andern Hut und Handschuhe haltend, ihm entgegen. – Ihre Frau Schwägerin ist noch im Salon, sagte er laut.
Danke! erwiderte Carla ebenfalls laut.
Er machte ihr mit Hand und Augen ein Zeichen.
Haben Sie dies entzückende alte Bild schon betrachtet?
Welches?
Dies hier! bitte!
Sie waren so weit seitwärts getreten, daß sie aus dem Salon, zu dem die Portieren offen waren, nicht wohl gesehen werden konnten.
Einen einzigen! flüsterte der Graf.
Du bist toll!
Den ersten – letzten heute!
Sie hob die Lippen zu ihm auf.
Engel!
Wirklich entzückend! sagte Carla laut, und wieder im Flüsterton:
Um Himmels willen, mach', daß du fortkommst!
Sie huschte in den Salon; der Graf stürzte auf den Korridor. Beide hatten, während ihre Aufmerksamkeit nach dem Salon gerichtet war, nicht bemerkt, daß in dem Moment, wo ihre Lippen sich berührten, die Portiere einer zweiten Tür, die zu den innern Gemächern führte, gehoben und ebenso schnell wieder geschlossen wurde.
Ist Else nicht mehr hier? fragte Carla; – ich wollte euch Adieu sagen.
Frau von Wallbach wandte den Kopf so weit, daß sie Carla zur Not sehen konnte: Ich habe mit ihm gesprochen.
Was hast du gesagt? fragte Carla eifrig.
Es ist zu langweilig, – ich halte es hier nicht mehr aus.
Das war alles?
Mir ist es genug; seht zu, wie ihr allein fertig werdet.
Aber Eduard hat doch selbst deine Anwesenheit hier für nötig gehalten!
Dein Bruder kann nicht verlangen, daß ich mich eurethalben zu Tode langweilen soll.
Carla zuckte die Achseln: du wirst morgen bei besserer Laune sein; adieu!
Ich reise morgen ab, verlasse dich darauf!
Einen bestimmten Entschluß von ihrer Schwägerin zu vernehmen, war etwas so Außergewöhnliches – Carla, die bereits an der Tür war, kehrte wieder um: Aber, Luise!
Ach was! sagte Frau von Wallbach; – ich sehe es gar nicht ein: Else ist immer freundlich zu mir, viel freundlicher, als ihr; und die Baronin hat mir heute ordentlich leid getan, welchen Zwang sie sich antat, ohne den geringsten Dank von euch dafür zu haben; und der arme Ottomar tut mir leid; er mag nun sein, wie er will, aber er läßt mich nie merken, daß ich ihm zu dumm bin, wie ihr es tut; und ich finde es nicht anständig, hinter dem Rücken von Ottomars Tante in ihrem eigenen Hause –
Warnow gehört längst dem Grafen, sagte Carla.
Das ist ganz gleich; wir sind hier bei der Baronin, und nicht beim Grafen. Wenn du beim Grafen sein willst, heirate ihn – meinetwegen; aber ich glaube, es wird dir leid tun, Ottomar aufgegeben zu haben; ich sehe auch gar nicht, wie das noch möglich ist. – Übrigens macht, was ihr wollt – ich reise.
Die unerhörte Hartnäckigkeit ihrer Schwägerin fing an Carla ernstlich zu beunruhigen. Sie legte ihre Sachen auf einen Sessel, kniete an Luisens Seite nieder und sagte, deren Hände fassend und streichelnd, mit leiser, bittender Stimme:
Meine liebe Seele wird mir das nicht antun! wird die arme Carla nicht in ihrer Not verlassen! Ottomar ist zu schlecht. Ich weiß es jetzt – von Giraldi – warum er sich mit mir verlobt hat: weil er einen Korb von Ferdinande Schmidt bekommen, und daß er das Mädchen noch immer rasend liebt, und daß er sich hinter seine alten Maitressen steckt, die es ihm in die Arme treiben sollen. Und er hat so viele Schulden, sagte Giraldi, daß seine ganze Erbschaft nicht zur Bezahlung reicht, selbst wenn Else – und Giraldi weiß alles, alles, sage ich dir! – den Menschen heiratet; und eine Frau Lotsenkommandeur zur Schwägerin zu haben, das möchtest du doch selbst wohl nicht; nicht wahr, liebe Seele?
Das ist ja alles dummes Zeug, sagte Frau von Wallbach, mit einem schwachen und vergeblichen Versuche, ihre Hände aus Carlas Händen zu ziehen. Du hast dich früher nie an Ottomars Maitressen gestoßen – ich bin überzeugt, der Graf unterhält auch seine Maitressen – alle Männer tun es; und an seine Schulden ebensowenig – der Graf hat sicher ebensoviel, und vielleicht noch mehr –
Aber nicht so häßliche, sagte Carla rasch; – er soll abscheuliche Schulden haben, sagte Giraldi –
– Die Sache ist, sagte Frau von Wallbach: du bist bis über die Ohren in den Grafen verliebt.
Will meine süße Luise hier bleiben, wenn ich ja sage? flüsterte Carla, plötzlich ihre Schwägerin umschlingend und den Kopf an ihren Busen lehnend.
Du sollst sehen, es nimmt kein gutes Ende!
François blickte in den Salon: Verzeihen die Damen, der Herr Graf läßt anfragen, ob Mademoiselle –
Ich komme! rief Carla, die Hand nach dem Hut ausstreckend – nicht wahr, liebe Seele? – bitte, schling' mir das Gummiband hinten durch! – du bleibst? – danke! adieu, liebe Seele!
Sie hatte ihre Schwägerin noch einmal umarmt; die Handschuh vom Sessel genommen und eilte, das Gewand weit hinter sich schleifend, davon.
Wenn es nur nicht so langweilig wäre! sagte Frau von Wallbach, in ihren Fauteuil zurücksinkend.
Als der Graf hinabkam, wurden die Pferde eben vorgeführt; Herr von Strummin saß auf der runden Bank, die den dicken Stamm einer breitästigen Linde umgab, und schlug mit der Spitze seiner Reitpeitsche in den feinen Kies.
Kommst du endlich? sagte er, ärgerlich aufblickend.
Fräulein von Wallbach will sich von den Damen noch verabschieden, sagte der Graf, an des Freundes Seite Platz nehmend, – dergleichen geht nicht so schnell; wir werden wohl noch einige Minuten warten müssen.
Desto besser; sagte Herr von Strummin; – ich habe ja, sowieso, noch nicht das Vergnügen gehabt, dich eine Minute lang allein zu sprechen. Also, ohne Umschweife: es tut mir leid, aber ich muß meine fünftausend Taler wieder haben.
Das tut mir ebenfalls leid, lieber Strummin, erwiderte der Graf lachend; denn ich kann sie dir nicht wiedergeben.
Nicht wiedergeben! rief Herr von Strummin, während ihm das Blut noch mehr in das rote Gesicht schoß; – du hast mir doch gesagt, daß ich zu jeder Zeit darüber disponieren könne!
Wobei ich natürlich voraussetzte, daß du nicht gerade die unpassendste wählen würdest. Du weißt, daß ich morgen die Hypothek zurückzahlen muß.
Weshalb hast du gekündigt! es war unbesonnen genug! ich habe es dir ja gleich gesagt.
Ich wollte die Zinsen sparen, und wenn man für eine Million zwei wiederbekommt, – indessen – allerdings – wie die Sachen heute liegen –
Kannst du von Glück sagen, daß dir das Kuratorium einen neuen Termin zur Zahlung der zweiten Rate gegeben hat, die ja morgen auch fällig war.
Gewiß, sagte der Graf, es ist sehr liebenswürdig von den Herren; ich wäre in einer verteufelten Lage; aber angenehm ist meine Situation darum noch immer nicht. Die verdammte Hypothek! Mein Gläubiger ist von einer unbequemen Dringlichkeit; er sagt, er müsse das Geld zurückhaben.
Bei der Gelegenheit erfährt man vielleicht, wer dein Gläubiger, mit dem du so geheimnisvoll tust, eigentlich ist.
Ich habe mein Ehrenwort gegeben –
Dann nicht! ist mir übrigens auch ganz gleich, und wenn du morgen eine halbe Million an den betreffenden Herrn zahlen kannst, wirst du meine fünftausend auch wohl aufbringen.
Ich weiß ja noch gar nicht, ob ich werde zahlen können! rief der Graf ungeduldig; – das ist es ja eben! Ich habe meinem Bankier – es ist nicht Lübbener mehr – Haselow & Kompagnie – ich konnte mit Lübbener nicht mehr auskommen – illimitierte Verkaufsorder gegeben. Wenn aber morgen unsere Aktien noch mehr heruntergehen – sie standen vorgestern schon fünfundvierzig –
Unmöglich! rief der Graf.
Ja, Mann, bekümmerst du dich denn um gar nichts?
Ich – ich – ich habe meine Korrespondenz in letzter Zeit – die Anwesenheit der Damen hier – ich bin jetzt so in Anspruch genommen –
Scheint so, erwiderte Herr von Strummin, einen Brief aus der Tasche ziehend; – habe es mir gestern von meinem Bankier schreiben lassen, da ich die Geschichte kommen sah; trage es seit heute morgen mit mir herum, war auch schon vorhin in Golm, es dir zu sagen.
Er hatte den Brief entfaltet: »Sundin-Wissower heute massenhaft zu fünfunddreißig offeriert, ohne Abnehmer zu finden, stiegen dann wieder auf fünfundvierzig, da große Posten verlangt. Als aber bekannt wurde, daß Lübbener selbst der Käufer, um den Kurs zu halten, fielen rapide auf fünfundzwanzig bis Postschluß. Bitte telegraphisch bestimmte Order, ob à tout prix verkaufen soll; überzeugt, daß weiterer Rückgang unaufhaltbar.« – Da hast du die Bescherung!
Das ist allerdings arg, murmelte der Graf.
Und wem verdanken wir das alles! schrie Herr von Strummin; – dir! einzig und allein! Du hast uns erst in die Geschichte hineingesetzt, uns goldene Berge versprochen, uns dann wohlweislich im Dunkeln gelassen, bis ihr euren Gründerprofit in der Tasche hattet. Dann sind wir doch wieder auf den Leim gegangen und haben zeichnen müssen nach Schwierigkeit, und schließlich wirfst du eine halbe Million an die Börse und diskreditierst unsere eigenen Aktien, und ich Esel gebe dir noch mein letztes bares Geld, und anstatt die Nase in deine Geschäfte zu stecken, wie es deine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit wäre, dammelst du hier mit den Frauenzimmern herum, und –
Ich glaube, daß der letzte Punkt nichts mit der Angelegenheit zu tun hat, sagte der Graf, sich erhebend.
So! rief der andere, ebenfalls aufspringend; – nichts zu tun hat! Meinetwegen, meinetwegen! ruinier' dich, wie du willst! aber laß wenigstens andere Leute aus dem Spiel; und ich sage dir, wenn übermorgen, Schlag zwölf Uhr, nicht meine fünftausend Taler, die ich dir auf Ehrenwort geliehen habe, bei Heller und Pfennig auf meinem Tisch in Strummin liegen –
Mein Gott, schrei' doch nur nicht so! sagte der Graf – du sollst dein Geld ja haben, obgleich ich überzeugt bin, daß die famose Ausstattung nur ein Vorwand –
Vorwand? Vorwand? schrie Herr von Strummin, seine grobe Stimme womöglich noch lauter erhebend, – was Vorwand, wenn Mieting heute morgen nach Berlin gefahren ist, um selber die Möbel –
Heute morgen? sagte der Graf mit höhnischem Lächeln; – verzeihe mir die Bemerkung, mon cher: das war nun wieder unvorsichtig von dir! Unsere Aktien können ja wieder steigen; und – der Steinklopfer läuft dir nicht weg!
Aus Herrn von Strummins rotglühendem Gesicht starrten die wasserblauen Augen unheimlich. Die Wut hatte ihn plötzlich heiser gemacht.
Was, was, was? knirschte er; Steinklopfer! Steinklopfer, ein Künstler, ein großer Künstler, der jedes Jahr seine sechs- bis zehntausend hat – ein Steinklopfer!
Ich dachte nur, weil du ihn selber immer so nanntest!
Ich kann meinen Schwiegersohn nennen, wie ich will; aber wenn sich ein anderer das erlaubt, so soll er das Wort fressen, so wahr ich –
Die Herren sind gewiß schon ungeduldig geworden, sagte Carla, die eben zur Tür heraustrat.
Durchaus nicht! rief der Graf, sich auf den Hacken umdrehend und ihr entgegeneilend.
Allerdings! schrie Herr von Strummin, der eben so plötzlich seine Stimme wiedergewonnen – nur gewartet, mich gnädigem Fräulein zu empfehlen; muß in einer halben Stunde in Strummin sein; hoffe, daß ohne mich besser unterhalten werden, habe die Ehre –
Er hatte dem Stallknecht die Zügel seines großen, starkknochigen Rappen aus der Hand gerissen, sich in den Sattel geschwungen und ritt, dem Gaul die Sporen in die Flanken schlagend, in Karriere aus dem Hof.
Mein Gott, flüsterte Carla, was heißt das?
Eine kleine Szene, sagte der Graf, die Erregung, in die ihn der Wortwechsel versetzt hatte, so gut es gehen wollte, hinter einem erzwungenen Lächeln verbergend; – zwischen alten Freunden nichts Ungewöhnliches.
Die Veranlassung?
Ein letzter Versuch, schien mir, einen Grafen zum Schwiegersohn zu bekommen, bevor man einen Bildhauer akzeptiert.
Der Graf hatte Carla in den Sattel geholfen, ihr die Reitpeitsche in die Hand gegeben, und fältete jetzt an ihrem Kleide.
Carla bog sich zu ihm herab: Du böser Mann; ich werde dir unterwegs den Text lesen.
Schade, daß es nicht ohne Zeugen geschehen kann, flüsterte der Graf mit einem Blick nach dem Reitknecht, der die beiden andern Pferde am Zügel hatte.
Du bist wahrlich abscheulich!
Zu Befehl! sagte der Graf laut, indem er zurücktrat und dem Reitknecht winkte.
Er schwang sich auf sein Pferd und sprengte mit Carla davon, hinter ihnen, in ziemlich großer Distanz, der Reitknecht. Er hatte einige Mühe gehabt, in den Sattel zu kommen.