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Kapitel 20.

Schurkenstreiche

»Der Inspektor war ein Mann der Tat,« fuhr Millbank nach einer kleinen Pause fort. »Er machte wenig Worte und war, wie ich bereits sagte, ein unnachsichtiger Gegner jedes ungesetzmäßigen Geschäftes in Diamanten. In einer Sekunde hatte er die Sachlage überschaut oder vielmehr, was er für die Sachlage hielt, und daraus seine engeren Schlüsse gezogen. Wir machten den Versuch, den richtigen Hergang zu erzählen. Er wollte uns aber nicht gestatten zu sprechen, indem er erklärte, daß alles, was wir sagten, später gegen uns verwendet würde und es deshalb das beste wäre, was wir tun könnten, jetzt zu schweigen.

Innerhalb vierundzwanzig Stunden standen Dunton und ich bereits vor einem Richter, angeklagt wegen I. D. B. in Verbindung mit dem Tode einer eingeborenen Frau, deren Leiche unter verdächtigen Umständen in unserem Bureau gefunden worden sei.

Unsere Lage wurde sofort eine sehr gefährliche, weil die Untersuchung des Arztes die wirkliche Ursache des plötzlichen Todes der Frau ergeben hatte. Es stellte sich heraus, daß sie eine Stahlnadel im Haar getragen, die bei dem die Frau betroffenen Anfall in ihren Kopf gedrungen war und ihr das Gehirn durchbohrt hatte. Diese Verletzung konnte ebensogut zufällig wie absichtlich erfolgt sein. Darüber ließ sich nichts nachweisen. Dahingegen befanden sich die Diamanten auf meinem Tisch, und da wir natürlich die Wahrheit aussagten, erfuhren die Behörden, daß sie der Frau gehörten, daß sie zu uns gekommen war, um sie uns zu verkaufen und daß sie sich mit uns gestritten hatte.

Das Beweismaterial genügte mehr als hinreichend, um das Einschreiten des Gerichts gegen uns zu veranlassen und das geschah, nachdem die sonst übliche Kaution wegen der Schwere der gegen uns gerichteten Anklage abgelehnt worden war.

Ich erklärte Ihnen bereits, daß wir die Wahrheit ausgesagt hatten. Wir hatten aber über den großen Diamanten, den Wyvill in die Tasche gesteckt hatte, nichts gesagt. Wir waren feige und wagten es nicht. Wir kannten den Mann, mit dem wir es zu tun hatten. Vor dem Eintreffen des Inspektors waren wir ja schon entschlossen gewesen, West und Wyvill den großen Edelstein auf die einfache Drohung hin zu überlassen, die Sache nach ihrer Weise den Behörden darzustellen. Um unser Leben zu retten, durften wir es nicht wagen, sie uns zu Feinden zu machen, gerade jetzt, wo das Schicksal uns in eine solche Falle gebracht hatte.

Denn wir befanden uns tatsächlich in einer furchtbaren Gefahr und konnten unsere Rettung nur durch, sie erwarten. Wir waren arm, ruiniert und im Gefängnis. Sie waren reich, mächtig und in Freiheit. Die Bestimmungen über Gefängnisse waren zu jener Zeit dort draußen nicht so streng wie im Mutterlande. Es war uns gestattet, Freunde zu empfangen. Und nun machten uns West und Wyvill ein Anerbieten, das uns in unserer Lage sehr großmütig erschien: Wir sollten nur über den großen Diamanten schweigen und dagegen würden sie ihren ganzen Einfluß aufbieten und mit Körper und Seele dafür arbeiten, unsere Freilassung durchzusetzen. Sollten jedoch ihre Bemühungen fehlschlagen und das schlimmste geschehen, so versprachen sie uns für unser Stillschweigen eine Summe, die groß genug war, um uns für den Rest unseres Lebens nach unserer Entlastung reich zu machen und uns wurde außerdem gewährleistet, daß meine Frau und mein Kind behaglich leben konnten, so lange ich mich im Gefängnis befand.

Können Sie sich die Bedeutung vorstellen. Herr Wise, die dieses Anerbieten für uns hatte? Weder Peter noch ich hatten Geld erspart. Meine Frau war schwach und in jedem Falle, mochten wir nun gewinnen oder verlieren, war unsere Lage sehr gefährlich, denn es blieben immer Zweifel und Makel an uns hängen. Dagegen erhielten wir durch das Anerbieten die beste Hilfe für unsere Verteidigung, mein Georg war versorgt und überdies stand uns später ein Vermögen zur Verfügung. Außerdem mußten wir uns sagen, daß es nicht einmal sicher war, ob der große Diamant gestohlen war.

So nahmen wir denn das Anerbieten an. Und schon am folgenden Tage wurde der uns versprochene Betrag den von uns gewählten Vertretern übermittelt, teils in Anteilscheinen auf wertvolle, noch nicht ausgebeutete diamantenreiche Ländereien, die West und Wyvill gehörten. Die beiden Männer handelten in dieser Angelegenheit durchaus ehrlich mit uns. die dann auch sicher und geheim zur Ausführung gebracht wurde, nachdem Peter und ich Leute ausgesucht hatten, auf die wir uns durchaus verlassen konnten, unsere Interessen redlich wahrzunehmen. Peter hatte seinen Bruder gewählt, einen armen, aber überaus ehrlichen Händler in Kaptown, der von dem Grunde der Transaktion nichts verstand, sondern nur das tat, was man von ihm verlangte. Ich hatte einen alten Freund von mir erwählt, dem ich schon manchen Dienst erwiesen und dem ich volles Vertrauen schenken konnte.

Ob West und Wyvill insgeheim gegen uns arbeiteten, während es nach außen hin den Anschein hatte, als ob sie sich mit allen Kräften für uns einsetzten, das werden wir wohl niemals erfahren. Doch was rede ich? In einer Stunde werde ich alles oder nichts erfahren. Ich fühle mich sehr schlecht, Herr Wise. Werde ich noch Kraft genug haben, Ihnen die ganze Geschichte zu erzählen? Ich muß die Kraft haben. Wo war ich stehen geblieben?«

»Sie sagten, daß –«

»O ja, ich erinnere mich. Nun bin ich sicher, West verdient den Vorwurf nicht, aber Wyvill. Ich glaube, daß der Schurke hoffte, daß wir nicht frei kämen. Ich glaube, er hätte es gern gesehen, wenn wir im Gefängnis umkamen, während er im Gold schwamm. Ich habe die Ueberzeugung, daß er während der ganzen Zeit heimlich gegen uns intriguierte.

Aber wie gesagt, nach außen hin deutete nichts darauf. Der beste Anwalt in Süd-Afrika wurde zu unserer Verteidigung engagiert und die Zeugenaussage von West und seinem Partner lautete für uns so günstig, wie nur irgend möglich. Natürlich konnten sie nicht mehr zu unseren Gunsten aussagen, als daß sie in unser Bureau gekommen waren, wie Inspektor Javell nach ihnen, daß wir ihnen dieselbe Geschichte erzählt hatten wie ihm und daß sie nicht den geringsten Grund hatten, zu glauben, daß wir ihnen nicht die reine Wahrheit gesagt hatten. In einer Gemeinschaft, wie solche damals dort bestand, beeinflußt jedoch die öffentliche Meinung die Justiz mehr als anderswo, und es konnte kein Zweifel darüber herrschen, daß sich die öffentliche Meinung gegen uns richtete. Aus welchem Grunde weiß ich nicht.

Die Gerichtsverhandlung, die ich niemals als eine regelrechte anerkennen kann, endete mit unserer Verurteilung in beiden Punkten der Anklage und wir wurden demgemäß mit zwanzig Jahren schweren Kerkers bestraft. Meine Frau starb kurz darauf, mein Junge wurde schwer krank und mußte nach England geschickt werden und ich war ein Zuchthäusler. Büßte ich nicht wegen meines Schweigens über den großen Diamanten und doch, wer in meiner Lage hätte wohl anders gehandelt?! West hielt sehr anständig sein Wort; bis zu ihrem Ableben genoß meine Frau jeglichen Komfort. Als mein Sohn nach England gebracht wurde, nahm eine alte Verwandte sich seiner an, erzählte ihm niemals etwas von meiner traurigen Geschichte und West setzte ihm bis vor kurzem eine sehr anständige Rente aus.

Nach Verlauf einiger Zeit verließen West und Wyvill das Kap und gingen nach England, wo sie andere Namen annahmen. Sie waren sehr reich, ich glaube aber, daß etwas, was sie getan hatten, den Namenswechsel notwendig machte. Auch hier in England trieben sie Geschäfte in großem Umfange. Da sie es jedoch mit einer ganz anderen Sorte Menschen zu tun hatten, als am Kap, so hatten sie nicht immer den gleichen Erfolg, wie ich letzthin gehört habe.

Vor einigen Monaten wurden Dunton und ich entlassen, er etwas vor mir, denn ich habe ein rasches Temperament. Herr Wise, und ich bekam schlechte Noten, die mich rückwärts brachten.

 

Duntons erster Gedanke bei der Freilassung war sein Geld. Mein erster Gedanke mein Sohn. Aber um meinen Sohn zu sehen, mußte ich Geld haben und deshalb begaben wir uns zu unseren Vertrauensleuten. Fast zwanzig Jahre waren verstrichen. Peters Bruder war gestorben, aber der Sohn des ehrlichen Händlers hatte das Geld und die Anteilscheine unberührt gelassen und Dunton gelangte innerhalb weniger Stunden in ihren Besitz.

Ich stellte dies alles erst viel später fest, denn inzwischen war ich fast dem Wahnsinn verfallen. Nur Peter Dunton rettete mich vor Verzweiflung und wenn je ein Mensch einem anderen ein Freund und Erretter gewesen ist, so war es Dunton mir. Er stellte sein Geld und alles was er besaß, vollständig zu meiner Verfügung, und so kamen wir beide nach England. Hier erfuhr ich, daß mein Sohn gut behütet gewesen und gut erzogen war und daß er jetzt ein guter und hübscher, junger Mann sei. Da mein Geld unwiderruflich verloren war, kehrte ich zurück, um es mit dem Land zu versuchen. das nun ein Vermögen wert war. Ich wollte mich in den Stand setzen, zu meinem Sohn gehen und ihm sagen zu können: Hier ist dein Vater, der dich liebt, der einen Gefährten für sein Alter sucht, und hier ist mehr Geld für uns beide als wir uns träumen zu lassen brauchen, aber wo war mein Freund, wo waren meine Anteilscheine?

Erst nach geraumer Zeit und nur durch einen eigentümlichen Zufall erfuhr ich. daß mein unehrlicher Vertrauensmann nicht auf der allerniedrigsten Stufe der Schurkerei angelangt war. Er hatte zwar die Anteilscheine zu West gebracht, aber statt sich ein Vermögen zu verschaffen, wie ihm das leicht möglich gewesen wäre, hatte er sie nur gegen eine beträchtliche Summe verpfändet und war dann aus dem Lande geflohen. Einen kläglichen Brief voll leerer Ausflüchte und Entschuldigungen hatte er mir gesandt.

Für West und Wyvill, den Partnern in vielen Geschäften und die sich in diesem Augenblick mit einer enormen Spekulation befaßten, die zwischen vollständigem Ruin oder ungeheurem Erfolg hin und her schwankte, fielen meine Anteilscheine wie Manna vom Himmel. Niemand kannte bester als sie den Riesenwert unserer Ländereien und den Nutzen, der daraus zu erzielen war. Sie wußten jedoch aber auch, wem der Hauptteil der Ländereien gehörte und sie stellten schnell fest, daß Peter und ich entlassen waren. Mithin wußten sie, daß wir ihnen zu ihrem Reichtum im Wege standen.

Jetzt begann ein Kampf zwischen ihnen. West war der Meinung, es sei das richtigste, ein Syndikat für das Besitztum zu schaffen. Peters Anteilscheine zu kaufen und mit mir zu verhandeln. Wyvill wollte nur mit Dunton verhandeln und mir trotzen. Schließlich waren wir ja nur entlassene Züchtlinge und mein treuloser Freund hatte eine notarielle Erklärung abgegeben, daß meine Anteile sein Eigentum wären, die er von mir rechtlich erworben hätte. Das bewog Wyvill, sich mit Dunton abzufinden, mich aber abfallen zu lassen.

Vielleicht hatte er recht. Er hatte aber ohne Dunton und ohne das Schicksal gerechnet.

Sobald ich erfuhr, daß sich meine Anteilscheine bei West befanden, suchte ich ihn auf. Er war auf mein Kommen so ziemlich vorbereitet, lebte aber, wie ich sehen konnte, in einer gräßlichen Furcht, und da er nicht ein solch durchtriebener Schuft wie Wyvill ist und dieser nicht bei ihm war, um ihm beizustehen, so versuchte er mich zu beruhigen und hinzuhalten. Jedoch wollte er mir meine Papiere nicht herausgeben. Wir hatten einen furchtbaren Streit und ich verließ drohend sein Haus. Auf welche Weise Sie von meinem Besuch und unserem Streit erfuhren, kann ich nicht ahnen.

Inzwischen hatte Wyvill. der gescheitere und größere Schurke, Dunton bearbeitet und ihm das Versprechen gegeben, durch das Syndikat, seine und West einflußreiche Unterstützung, aus seinen Ländereien einen weit größeren Nutzen zu ziehen, als er jemals durch einen anderweitigen Verkauf würde erzielen können.

Aber Dunton war ein Mann, wie man ihn nicht unter Tausenden findet; er blieb mir zur Seite. Wohl gab er zu, daß Wyvills Vorschläge für ihn weit mehr Geld bedeutenden, auch wollte er die Vorschläge annehmen, aber nur unter der Bedingung, daß West mir sofort meine Anteilscheine zurückgab und mir als deren rechtmäßigem Besitzer dieselben Vorschläge machte, wie sie ihm jetzt angeboten waren.

Wyvill lachte darüber, indem er erklärte, daß ich meine Rechte meinem Freunde abgetreten und deshalb mit der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu tun hätte. West, von seinem bösen Genius gedrängt, pflichtete dem bei.

Dunton blieb jedoch beharrlich auf seinem Standpunkt und es schien, als ob Wyvill einsähe, daß sein Plan mißglückt sei.

Inzwischen drängte die Sache zur Entscheidung. Aus Furcht, den einzigen Halt, den wir über die beiden hatten, zu verlieren, konnte Dunton nicht versuchen, seinen Besitz anderweitig zu verkaufen und ebenso konnte ich die Rückgabe meiner Papiere oder eine befriedigende Vereinbarung mit West nicht erzwingen. In diesem Augenblick spielte Dunton ein kühnes Spiel, er schrieb Wyvill, daß, wenn er seine Bedingungen nicht zu einem bestimmten Termin annehme, würde er sein Land dem Meistbietenden verkaufen und dann jeden Pfennig seines Geldes benutzen wollen, um mir Recht zu verschaffen und West zu verderben.

In diesem Augenblick hingen die Geschäfte der Partner an einem seidenen Faden, der geringste Umstand konnte ihren Ruin herbeiführen und das erkannten die beiden Männer sehr gut und zitterten ob der Gefahr. Sie zogen die Verhandlungen in die Länge und baten ihn dringend, nicht zu schnell zu sein. Schließlich wurde eine Vereinbarung getroffen, im Bureau von Wyvill zusammen zu kommen und dort alle Bedingungen festzustellen. Dunton ging auf diesen Vorschlag ein und schrieb an Wyvill und West, indem er ihnen erklärte, sich auf weitere Verschleppung nicht einlassen zu wollen und dieses Zustandekommen ihrerseits als die letzte Gelegenheit zu betrachten, die Sache freundschaftlich zu erledigen.

Dunton stellte sich pünktlich zur Stunde ein, er betrat Wyvills Bureau an jenem Tage, ging dort aber nicht wieder lebend heraus. Er wurde von dem Schurken Wyvill ermordet.

Ob der Elende die Absicht gehabt hat, ihn zu töten, ob es ein wohlüberlegter Mord gewesen ist, weiß nur der Himmel. Tatsache bleibt, daß Peter Dunton durch Wyvills Hand sein Ende fand.«


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