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Ein Geheimbund.

Am nächsten Morgen saß die Breitenbach mit ihrem neuen Freund Hugo Schramm am Frühstückstisch. Hier sah es sehr kärglich aus und die Dirne machte ein brummiges Gesicht, als ihr Bettgenosse der vergangenen Nacht nicht einmal wenige Mark für etwas Milch und Weißbrot zur Verfügung stellen konnte.

»Du bist mir ja 'n scheener Kanake«, sagte die »Schnutengräfin« verächtlich, »nimmst mir for de janze Nacht und bist so ausjemistet, det du mir nich mal 'ne Schrippe spendieren kannst. Nach dem Fuselduft, mit dem du mir ins Bett anjeräuchert hast, scheinst du dein'n janzen Verdienst vasoffen zu haben. Sowat jibt's bei mir nich, Dicker! Wenn ick dir och nich als Kund'n betrachte, wo ick immer nach festem Tarif arbeete, so mußte doch, falls de dir als mein'n Freund ansiehst und mir liebst, ooch mal Jeld jeben, wenn ick nischt habe, nich Dicker?!«

Schramm sah die Sprecherin mit einem so vernichtenden Blick an, daß sie fürchtete, einen Hieb ins Gesicht zu bekommen und mit dem Oberkörper etwas zurückwich. Ihr Tischgast flößte ihr überhaupt ein gewisses Grauen ein, denn sein düsteres Aussehen, die hervorstehenden Backenknochen und das massige Kinn verrieten den Gewaltsmenschen, und die kurz geschnittenen Haare gaben ihm etwas sträflingshaftes.

In der Tat hatte die Dirne keine gute Wahl getroffen, denn von den achtunddreißig Jahren seines Lebens mußte er zwölf Jahre hinter Gefängnismauern verbringen und er wurde erst vor kurzem aus dem Zuchthaus entlassen. Zwar hätte er als gelernter Gerber auch heute noch sein Brot ehrlich und reichlich verdienen können, aber seinen verbrecherischen Anlagen behagte die regelrechte Arbeit nicht. Die lange Gefangenschaft tat das übrige dazu, um aus ihm einen völlig verkommenen Menschen zu machen, der nur vom Verbrechen lebte und auch nur in Verbrecherkreisen, wo er den Spitznamen »Schlidderhujo« führte, zu verkehren pflegte. Dieser sonderbare Beiname war seinem Lieblingswort »schliddern« zu verdanken, er »schlidderte« sowohl in ein »Vajniejen«, wie auch ins »Jefängnis rin«.

Die freimütige Rede der Breitenbach hatte den Zuchthäusler nicht in die geringste Verlegenheit versetzt, im Gegenteil, es schien ihm ein wahres Vergnügen zu sein, das Weib einzuschüchtern, wie dies seine Gewohnheit war, wenn er glaubte, ein Schutzrecht über eine Dirne erworben zu haben. Er reckte seine breiten Schultern in die Höhe, ließ die Arme nachlässig herunterhängen, und den Kopf auf die Seite gelegt, erwiderte er brutal und frech mit verzerrten Lippen:

»Beinahe hätt' ick dir eens in de Fresse jehauen, Meechen, det de mir so anjerempelt hast. Det is des erste Mal, det mir meene Braut Jeld abverlangt. Menschenskind, weeßte denn nich, det de mir dafor, det ick dir schütze, for meine Bedürfnisse Zaster Zaster = Geld abzuladen hast? Mir kannste doch nich vorpeesen, det de noch keen'n Luden jehatt hast. Also verstelle dir man nich und sorje dafor, det ick heute abend 'n juten Happenpappen habe, sonst kann ick eklich wild werd'n und for nischt jarantier'n. Schon manche hab ick de Knoch'n zusammenjeschüttelt, det se sich im Krankenhaus uff neu wieder uffmontier'n lass'n mußte. Feste uff de Arbeet, Meechen, und solange strichen, bis de 'n reichen Freier jeangelt hast! Ick brauche Jeld, vastehste?«

Die sonst so kesse »Schnutengräfln« wagte kein Wort zu erwidern, sie wußte aus Erfahrung nur zu gut, welche Pflichten sie einem »Beschützer« gegenüber zu erfüllen habe, und was ihr bevorstand, wenn sie sich dem Willen des Zuhälters nicht unterwarf. Andererseits aber wußte sie ebenfalls aus Erfahrung, welche Vorteile sich ihr boten, wenn es dem »Beschützer« gelang, ein Ding zu drehen. Und gerade jetzt fehlte es ihr an neuer Winterkleidung, die sie sich bei ihrem Geschäft nicht so leicht anschaffen könnte. Hierfür wäre der »Hujo« der geeignetste Mann, denn der Kerl hätte »Kuraje« im Leibe und schrecke sicher vor nichts zurück.

Da die Tür des Nebenzimmers gerade knarrte – die Schnalzer entließ mit möglichster Geräuschlosigkeit ihren Liebhaber –, ging die Breitenbach hinaus und borgte sich von ihrer Freundin Geld zum Frühstück. – Als die nunmehr ganz gefügige »Schnutengräfin« von ihrem kleinen Einkauf zurückkehrte, fand sie ihren »Bräutigam« mit Rücksicht auf den bevorstehenden Imbiß in besserer Laune vor, so daß sich bald wieder eine Unterhaltung entwickelte. Die Breitenbach tastete vorsichtig: »Kiek mal, so'n Kerl wie du müßte eijentlich in Jeld wühlen ohne zu arbeet'n. Ick weeß zwar nich, wat de jelernt hast, aber et jibt Arbeet jenuch, wo man mit een'm Jriff soville hat, wie andre nich in een'm janzen Jahr. Und die Kuraje, die dazu jehört, sitzt dir in de Knochen!«

Der Verbrecher kaute langsam und mit breitem Munde, leckte sich die Lippen ab und schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Siehste, Meechen«, brüllte er heiser, »det is et ja eben! Arbeet'n will ick und kann ick und habe vor nischt kee'n Bammel nich, aber erst mal wat ausbaldowern, wo man 'n anständijet Ding dreh'n kann! Ick habe Jerber jelernt, aber wo ick Jelegenheit hatte, bloß Menschenfelle jejerbt oder jejerbte Felle jeklaut. Mit Kleenichkeeten habe ick mir nich einjelassen!«

Die Breitenbach dachte einen Augenblick nach. »Ick jloobe, ick kann dir 'n juten Tipp jeben«, sagte sie geheimnisvoll und rückte näher heran. Der Verbrecher spitzte die Ohren und lauschte aufmerksam.

»Kiek mal, Hujo«, fuhr sie fort, »unser Hausdrache, der poln'sche Jude, is 'n reicher Kerl und handelt mit Pelzen, Stoffen und anderem Kram. Als ick neilich de Miete runter trug, hab ick jeseh'n, wie det Hinterzimmer janz voll jepackt war und der Jude im Mittelfach des Schreibtischs eene Kasse hatte, wie kenn Bankjeh nich. Nu is der Kerl ja merschenteels zu Hause, aber manchmal jondelt er los und bleibt 'n paar Tage weg. Seine olle Wirtschafterin is taub wie 'ne Nuß, und wenn der Olle verreist ist, denn kannste mit Holzpantienen rin jehn, die Olle hört nischt!«

»Schlidderhujo« zog seine wulstigen Lippen zusammen und pfiff ein zotiges Lied. »Det Ding is jut«, lachte er vergnügt, »'ne feine Nummer Meechen, det Ding wird jedreht! Machen wir!«

Er erhob sich schwerfällig und schlich mit wiegenden Schritten und gekrümmtem Rücken wie ein Gorilla im Zimmer umher.

»Aber so janz alleene«, brummte er gedehnt vor sich hin, »so ganz alleene werde ick den Klamauk nich schaffen von wejen det sogenannte Volumen von de Ware. Pelze und Stoffe lassen sich nich in een'n Sack bringen, wie Jold und Silber. Wo kriege ich een'n her, der mitmimt, 'n kessen Jungen?! Laß mir mal 'n bisken nachsimelier'n!«

Die Dirne stand nun ebenfalls auf und ging im Zimmer hin und her. »Also 'n kessen Jungen willste noch haben«, sprach sie nach, »'n kessen Jungen! Na, warte mal, den werd' ick dir beschaffen! Von meine juten Freunde is jetzt keener da. Der Willy is uff de Tour nach'm Rhein zu, der Emil liegt in die Charité und de andern schieben Knast Knast schieben = im Gefängnis sitzen, aber da fällt mir eener in, der immer Jeld braucht und ooch 'n doller Kerl is, der jeht vielleicht mit, wenn de mit ihm Kippe machst Kippe machen = teilen. De Schnalzern, wat meene Freundin is, kommt mit ihm de Woche 'n paar Mal zusamm'n und nimmt 'n immer hoch. Aber der hat noch andere Meechens, und wenn er als Metallarbeeter ooch 'ne Menge Jeld verdient, der hat nie nischt und braucht immer noch ville mehr. Laß mir mal nachsimelier'n, wie ick euch beede zusamm'nbringen kann, ick meene den Kunze, meen'n Nachbar drüben. Der Schnalzern will ick nischt sag'n, de weeßt ja, de Weiber könn'n de Schnauzen nich halten und plappern, wenn wat schief jeht, aus de Schule!«

»Det is doch janz eenfach, Meechen«, erwiderte der Verbrecher und tippte mit dem Finger an die Stirn, »janz eenfach, de stellst dir an de Türe, wenn er von de Arbeet kommt und rufst 'n rin. Ick werd' schon mit ihm fertich werd'n. Er kennt mir ooch, wir hab'n schon bei Jabels unten 'n Schnaps jetrunken. Ob de aber ohne de Schnalzern auskommst, scheint mir doch mulmich. Denn wenn er ihr besucht, denn kannste nich verhindern, det se über uns sprechen. Aber de hast recht, Vorsicht muß sind!«

Um das nötige Geld für eine gute Mahlzeit und etwas Alkohol zu beschaffen, zog sich die Dirne jetzt an und ging auf die Straße, nachdem sie das Schlafzimmer etwas in Ordnung gebracht hatte. Ihrem Beschützer wies sie inzwischen die Küche als Aufenthaltsort an. Sie mußte sich beeilen, denn es war schon Mittag geworden und sie wollte noch rechtzeitig zurück sein und den Plan, der ihr sehr einleuchtete, zur Ausführung bringen. Da die Konjunktur um diese Zeit einen Mann zu kapern, sehr ungünstig war, mußte sie sich auf mehrere Stunden des Umherwanderns gefaßt machen.

Diesmal aber winkte ihr das Glück schneller als sie glaubte, denn schon nach einer halben Stunde machte sie in der Alexanderstraße die Bekanntschaft eines Ungarn, der sie nach Hause begleitete und sie reichlich entlohnte.

Der Zuhälter grinste vergnügt, als er die Türe ins Schloß fallen hörte, aus der Küche herauskam und das Geld auf dem Tisch liegen sah. Nun mußte die Breitenbach wieder einkaufen gehen und es wurde bis zur späten Nachmittagsstunde munter getafelt. Das Geld war natürlich bis auf den letzten Pfennig vertan.

Gegen fünf Uhr stellte sich die Dirne hinter der Wohnungstür auf und blickte durch das Beobachtungsloch, denn es war die Zeit, wo Kunze nach Hause zu kommen pflegte.

Sie brauchte auch nicht lange zu warten, denn bald hörte sie an seinen schnellen Schritten, daß er es war. Leise öffnete sie die Tür und gab ihm mit der herausgestreckten Hand ein Zeichen.

Kunze, in der Annahme, daß die Schnalzer Sehnsucht nach ihm habe, trat auch sofort ein und erstaunte hinter der verschlossenen Tür, als er sich der Breitenbach gegenüber sah. Diese fragte ihn gleich, ob er Geld brauche, und als er dies freudig bejahte, schob sie ihn ins Zimmer hinein. Hier erwartete ihn eine neue Überraschung, denn der Mann, der sich ihm mit derbem Gruß näherte, schien ihm zwar vom Ansehen bekannt, aber er konnte vorerst noch keinen Zusammenhang finden, zwischen dem in Aussicht gestellten Geldverdienen, dem geheimnisvollen Gebahren der Dirne und der Gegenwart des wenig vertrauenerweckenden Mannes.

Der Verbrecher ließ dem Kunze keine Zeit zum Überlegen, er drückte ihn auf einen Stuhl und begann sogleich mit seinem Plan, nachdem er durch eine kurze Einleitung in Erfahrung gebracht hatte, daß der Metallarbeiter nicht abgeneigt sei, an einer aussichtsreichen, wenn auch etwas gewagten Sache mitzuwirken.

Kunze hatte von Hause aus keine verbrecherischen Neigungen mit auf den Lebensweg bekommen, denn er war stets ein arbeitsfreudiger Mensch. Erst der Umschwung der sozialen Verhältnisse nach der Revolution und die für ihn ungeheuren Summen, die er verdiente, raubten ihm die Erkenntnis für den Wert des Geldes. Der früher sehr einfach und zufrieden lebende Arbeiter wurde so zum Genußmenschen und vergeudete seinen am Wochenende eingeheimsten Lohn, mit dem er früher einen ganzen Monat ohne Sorgen mit seiner Familie hätte existieren können, seiner sinnlichen Veranlagung entsprechend, mit liederlichen Weibern. Hierzu gesellte sich als Stimulans und Rauschmittel, zum Niederhalten der Reue, die Sucht nach dem Alkohol. Beides sehr kostspielige Leidenschaften. In diesem vernunftslosen Genußtaumel verlor der Metallarbeiter jeden moralischen Halt. Zwar gab er seine Beschäftigung noch nicht auf, aber die Arbeit diente lediglich dazu, seinen Zügellosigkeiten zu frönen. Auch der Sinn für die Pflichten eines Familienvaters war ihm völlig abhanden gekommen. Er empfand Weib und Kinder nur als eine Last.

Unter diesen Umständen war der Grundstein gelegt, auf dem der »Schlidderhujo« sich einen gefügigen Helfer heranbilden konnte und es bedurfte daher, in Erwartung des in Aussicht gestellten hohen Anteils an dem Raubzug, keiner besonderen Überredungsgabe. Kunze stimmte zu, behielt sich aber nur eine gewisse Art von Arbeit vor, die seinen Fähigkeiten entsprach. So übernahm er es, von dem Schloß zur Chill'schen Wohnung einen Abdruck zu formen und einen gut schließenden Nachschlüssel anzufertigen und zum Durchkneifen der Sicherheitskette, falls eine solche vorhanden wäre, wollte er aus der Fabrik eine haarscharfe Hebelzange mitbringen. Zum Einsteigen in die Wohnung und zum Aufbrechen des Schreibtischs aber hielt er sich für zu unbeholfen und tölpelhaft, weil er nicht die Übung hätte geräuschlos zu arbeiten. Vor allem aber wollte er vor der Wohnungstür bleiben und die Stoffe und Pelze schnell in seine eigene Wohnung schaffen. Eine solche Mitwirkung genügte dem »Schlidderhujo« völlig und man begoß den soeben geschlossenen Geheimbund reichlich mit Bier und Schnaps. Die Getränke holte die Breitenbach je nach Bedarf mit dem Gelde des freigiebigen Kunze aus der Gabel'schen Kneipe.

Als die Drei in bester Stimmung an dem mit Flaschen angefüllten Tisch saßen und über den Tag der Ausführung berieten, wobei der »Schnutengräfin« die Aufgabe des Schmierestehens und die Auskundschaft einer etwaigen Reise des Chili zufiel, erschien die Schnalzer im Türrahmen.

Kaum hatte sie die lustige Tischgesellschaft erblickt und sich über die Anwesenheit des Kunze im stillen gewundert, kam ihr der Gedanke, daß hier etwas besonderes vor sich gehen müsse und ihre Gegenwart nicht erwünscht sei. Sie wandte sich daher sofort um und wollte wieder hinausgehen.

Der Metallarbeiter hatte ihr Erscheinen aber bereits wahrgenommen. Angetrunken, wie er schon war, sprang er auf, riß das Mädchen an sich und zog sie auf seinen Schoß.

Mit den weiteren Beratungen war es jetzt natürlich zu Ende und man ging dazu über, sich die Zeit mit unflätigen Zoten zu vertreiben.

Bald hatte die Schnalzer ihren Liebhaber auch so weit, daß er mit ihr in der Nebenstube verschwand. Inzwischen sorgte die Breitenbach für neuen Stoff aus der Kneipe und brachte auch gleich eine Anzahl Schmalzstullen und einen halben Gänsebraten mit, denn die Geldtasche Kunzes war noch reichlich mit Kassenscheinen gefüllt.

Bei dem letzten Gang zu Gabel kehrte die Dirne auffallend schnell zurück und erzählte mit Kichern und Lachen und voller Schadenfreude, daß die Frau Kunze auf dem Treppenabsatz laut jammernd herumlaufe und vor sich hinspreche, es sei nun schon bald sieben, ihr Mann sei immer noch nicht da und in einer halben Stunde seien die Geschäfte geschlossen, sie habe kein Brot und keine Margarine im Hause und überhaupt nichts zum Abendessen.

»Det die Olle vor Wut und Ärger platzt, is mir schnuppe«, rief die Breitenbach aus, »aber wie kriejen wir jetzt den Kunze aus der Wohnung, ohne det die Olle wat merkt?«

In diesem Augenblick kam der Metallarbeiter mit der Schnalzer aus deren Zimmer wieder zurück, er war noch etwas benommen und hatte nicht recht zugehört, während die Dirne nur mit dem Geld beschäftigt war, das ihr der Liebhaber soeben geschenkt hatte.

»Habt ihr denn jarnich jehört, wat ick euch for' 'ne interessante Neuichkeit erzählt habe?« fragte die Breitenbach ironisch.

Kunze und die Schnalzer drehten sich gelangweilt um, als ob sie das nichts anginge.

»Na, Kunze«, platzte die Breitenbach jetzt heraus, »deine Olle steht draußen und lauert uff dir, ick jloobe, se hat 'n Schrubber bei sich, um dir zu verpolken. Und Jeld hat se ooch keens, um euch 'n Abendbrot zu machen! Mensch, wie krieje ick dir bloß heil wieder aus meine Wohnung!«

Der Metallarbeiter erhob sich und taumelte im Zimmer umher. »Da hau ick ihr eens in de Fresse«, murmelte er vor sich hin, »det Aas soll mir in den Weg laufen, die mach ich nochmal kalt, so wahr ick hier stehe!«

»Damit is woll deiner Ollen jeholfen«, warf der »Schlidderhujo« jetzt dazwischen, »denn dann is se dir jedenfalls dauernd los, aber det jeht doch nich, det se dir von hier rauskommen sieht. Ick werd' euch mal 'n Tipp jeben, wie wir die Olle rinschliddern lassen könn'n. Also jebt mal Obacht! Die Schnalzern jeht jetzt raus, hört ihr Jesabber mit an und pumpt ihr Jeld, se hat ja jrade von dir 'n Päckchen jekriejt, von dem zwee Familien Abendbrot kochen könn'n. Und wenn se det Jeld ooch nich wiederkriejt, schadt's ja ooch nich, 's bleibt ja in der Familie! Und schlimmstenfalls jiebste et deiner Braut, der Schnalzern, wieder. Also, wenn die Olle nu losrennt und Einkäufe macht, denn schiebt Kunze ab und rinn is er, eh die Olle wat merkt!«

Die Weiber lachten hell auf und klatschten vor Freude in die Hände. Und die »Dollarrieke« zog sich auch gleich ausgehfertig an und ging hinaus. Alles klappte vorzüglich.

Als die Breitenbach aber zur Türe schritt, um nachzusehen, ob die Luft endlich rein sei, erblickte sie voll Verwunderung Kunzes ältesten Sohn vor der offenen Türe Wache haltend und zur Treppe hinuntersehend, ob das Familienhaupt nicht endlich komme.

Fast berstend vor Lachen eilte sie wieder zurück, und indem sie sich vor Vergnügen und Kichern krümmte, erzählte sie mit Mühe und Not, wie sich die Lage jetzt noch komischer gestaltet habe, denn nun sei auch das Geld der Schnalzer umsonst vertan.

»Sonne Frechheit!« brummte der »Schlidderhujo« und erhob sich, »jebt mal Obacht, wie ick den Bengel wegjraule!« Dann nahm er seine Mütze, zog sich den Mantel an und ging hinaus.

Der Junge stand immer noch mit besorgter Miene da und blickte zum Treppenaufgang hinunter. Der Verbrecher näherte sich ihm und drohte unter Schimpfen und Fluchen in die Wohnung einzudringen. Kaum ahnte der aufgeweckte Knabe die Absicht des fremden Mannes, als er laut schreiend in die Wohnung hineinlief und die Türe schnell zuschlug.

Die Breitenbach hatte durch das Beobachtungsloch den Vorgang mit angesehen, drückte dem Kunze schnell seinen Hut ins Gesicht und schob ihn selbst hinaus.

Der Metallarbeiter hielt es für richtiger, nicht gleich in seine Wohnung zu gehen, sondern so zu tun, als ob er von der Straße käme. Er lief daher, so schnell seine schwankenden Beine ihn tragen konnten, die Treppe hinunter.

Hier prallte er entsetzt zurück, denn vor der Haustüre stand seine Frau, die den Kopf nach links und rechts drehte, um ihren Mann zu erspähen, denn das von der Schnalzer geborgte Geld reichte doch nicht aus, die notwendigsten Lebensmittel einzukaufen.

Als die unglückliche Frau ihren liebenswerten Gatten aus dem Haus stürmen sah, schlug sie die Hände über den Kopf zusammen und überschüttete ihn mit einer Flut von Vorwürfen, weil sie ahnte, wo er sich aufgehalten hatte.

Kunze war so verblüfft, daß er nicht sogleich die richtigen Worte finden konnte, dann aber, als er die Lage überschaute, sagte er mit der größten Seelenruhe: »Ick wollte beim Hauswirt Jeld wechseln, er hat aber nischt passendet jehabt, nu will ick mal zu Jabeln jehn!«

Frau Kunze glaubte natürlich kein Wort, sie murmelte einen Fluch vor sich hin und runzelte die Stirn. »Na, dann jieb mir mal erst etwas damit ick einkaufen kann«, erwiderte sie ebenso trocken, »aber recht ville, denn et is nischt mehr oben. Und denn kannste meinetwejen zu Jabeln jehn und den Zacken, den de schon hast, durch Suff wieder vertreiben. Aber die Kinder hab'n Hunger, die hab'n den janzen Tag noch nischt jejessen!«

Der Metallarbeiter war innerlich froh, so leichten Kaufes davon gekommen zu sein, er griff in seinen Rock und holte die Geldtasche hervor. Sein rötlich angehauchtes Gesicht wurde plötzlich ganz blaß, er ging an das erleuchtete Fenster der Kneipe, um besser sehen zu können, aber es war nichts daran zu ändern. Mit Ausnahme geringen Kleingeldes war die Tasche leer.

Kunze stand ratlos da und sann und sann und konnte doch keinen Ausweg finden. Es überlief ihn heiß und kalt, und die Wut stieg ihm ins Gesicht dermaßen, daß er seine Frau am liebsten auf offener Straße erwürgt hätte. Frau Kunze, die sofort erkannte, was das Schweigen und Suchen ihres Mannes zu bedeuten habe, denn dieses trostlose Ergebnis seines Bummellebens war ihr nicht ungewohnt, näherte sich ihm allmählich und vor Erregung, Hunger und Enttäuschung fast irrsinnig, hielt sie ihm zitternd das von der Schnalzer geborgte Geld vor die Nase und indem sie ihm ins Gesicht spie, kreischte sie grell auf: »Du Lump, du elender, dies Jeld hier hat mir deine Hure jepumpt, damit ick deine Kinder füttre …!«

Weiter kam sie nicht, denn ihr pflichtvergessener Mann wollte sich auf sie stürzen und hatte schon die Hand zum Schlage erhoben.

Die Frau sprang schnell zurück und lief davon.

Kunze überlegte einen Augenblick, ob er zur Schnalzer zurückkehren oder in seine Stammdestille gehen sollte, wo man ihm bereitwilligst Geld borgen würde.

Er entschloß sich zu letzterem.


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