Henryk Sienkiewicz
Auf dem Felde der Ehre
Henryk Sienkiewicz

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Einleitung

Der Roman »Auf dem Felde der Ehre« spielt im Jahre 1683 zur glorreichen Regierungszeit Johanns III. Sobieski, in der höchsten Blüte des polnischen Reichs. Gleich nach dem Tode dieses heldenhaften Königs begann die Zeit der Niederlagen, der innern Zerrüttung, des Verfalls, und keine hundert Jahre mehr währte es, da war die Unordnung aller Verhältnisse bis zu einem solchen Grade gestiegen, daß die drei Mächte Preußen, Rußland und Oesterreich, nach einem letzten Widerstand des zusammenbrechenden Volkes unter Kosziusko, Polen aus der Reihe der selbständigen Staaten streichen und sich in der sogenannten dritten Teilung den Rest des Landes annektieren konnten, nachdem sie sich in zwei vorhergegangenen Teilungen schon wenige Jahre zuvor weite Gebiete angeeignet hatten. Das große Reich, das große Volk war gewesen, und was es gewesen, weshalb es bei aller Größe fallen mußte, das hat wohl von allen Dichtern dieses Volkes keiner so tief empfunden, so scharf erkannt, so lebenswahr der Gegenwart wieder vor Augen gestellt, wie Henryk Sienkiewicz, der größte historische Schriftsteller unserer Zeit. In seinem Roman »Die Kreuzritter« schildert er die gewaltige Zeit der Jagellonen und den siegreichen Krieg gegen die Deutschritter. »Mit Feuer und Schwert« beschreibt den blutigen Kampf gegen die Tataren und Kosaken unter Chmelnizki. »Sturmflut« hat den furchtbaren Krieg gegen die Schweden zum Hintergrunde, und »Der kleine Ritter« beschreibt die Anstrengungen, die Polen machen mußte, um seine Südostgrenze gegen die stetigen Uebergriffe der Tataren zu schützen. »Auf dem Felde der Ehre« schließt mit dem Ausmarsch des polnischen Heers gegen die Türken, die Wien belagerten, mit der Prophezeiung eines ruhmvollen Sieges, der dann ja auch wirklich erfochten wurde. Kriege also beschreibt Sienkiewicz, in denen Polen, wenn auch nicht immer mit Glück, so doch stets mit beispielloser Tapferkeit, mit nationaler Einigkeit auf dem Plane stand, seine Macht vergrößernd oder behauptend. Ein einziges großes Heldengedicht sind diese Romane, eine Ilias in Prosa, und bis zu »Der kleine Ritter« mag das gestürzte Volk sich an den Bildern einstiger Größe mit ungetrübtem Jubel berauscht haben.

»Auf dem Felde der Ehre« ist das erste Werk, bei dem sich in die stolzen Klänge der Siegeszuversicht dumpfe Kassandrarufe mischen, schwere Anklagen gegen den zuchtlosen Adel, düstre Vorahnungen des nahen Zusammenbruchs. Und so zeigt Sienkiewicz, nachdem er Polen auf der Höhe seiner Macht und seines Glanzes geschildert hat, in diesem Roman sein Volk am Rande des Abgrunds, am Rande des Grabes, das es sich selbst grub. Es würde danach nicht wundernehmen, wenn dieser Chronist seiner Nation nun auch die Periode des Sturzes zum Vorwurf von historischen Romanen erwählte, wenn er zum Helden eines solchen den letzten Verfechter der polnischen Freiheit, Kosziusko, erwählte.

Das Bild, das Sienkiewicz in dem Roman »Auf dem Felde der Ehre« seinen Landsleuten vorhält, schmeichelt ihnen wenig, und wer unter ihnen ehrlich über den Nationalcharakter nachgedacht hat, wird ihm nicht zürnen können, wird ihm recht geben müssen. Laufen doch noch heute genug Polen vom Schlage der Bukojemski, der Pongowski, der Krepecki herum, während die einsichtsvollen Charaktere von der Art des ältern Cypryanowicz und des Abts Wonowski seltener sind.

Der Roman ist keine Kriegsschilderung wie die bisherigen Heimatsromane Sienkiewicz'; mit dem Ausmarsch zum Kriege schließt das Buch. Die Parade, die der König über seine Truppen abhält, ehe sie gen Wien und wider die Türken ziehen, ist wie ein letzter Hymnus auf die Größe Polens, das hier noch einmal alle Kräfte aufbot zu einem Heldenkampfe für Christum. Mit dieser imposanten Heerschau klingt der Roman eindrucksvoll aus, dessen Stärke im übrigen mehr nach der humoristischen Seite hin liegt, denn das Liebespaar, das im Mittelpunkt steht, imponiert wenig. Taczewski ist ein blasser Abklatsch früherer Figuren des Dichters, eine matte Mischung von Kmicic und Wolodyjowski, während die Nebenfiguren, namentlich die famosen vier Brüder Bukojemski, Meisterleistungen der Charakteristik sind. Auch die Handlung an sich ist namentlich für den deutschen Leser dieses Werkes überaus interessant durch die Aufrichtigkeit, mit der Sienkiewicz die tief im Nationalcharakter der Polen begründeten Ursachen ihres Untergangs aufdeckt.

M. v. B.



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