Walther Siegfried
Tino Moralt
Walther Siegfried

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Der Einfluß der großen Natur auf Moralts Gemüt war so wohltätig, daß er nach Ablauf einer Woche noch länger zu verweilen wünschte.

Den Freunden die plötzliche Abreise ohne Lebewohl zu erklären, hatte er ein paar Worte an Rolmers gerichtet und seinen Aufenthalt als Ausflug bezeichnet, den er vorläufig unternommen habe, um zu sehen, wo er sich zu seiner Erholung niederlassen wolle.

Doch Rolmers wußte Alles. Er wußte das Eine durch einen Zufall, und das Übrige durch jenes Wissen, welches nur die Freundschaft und die Liebe besitzen.

Als Tino und Irene an jenem verhängnisvollen Nachmittag von der Nymphenburgerstraße verstört, bleich und achtlos für Alles um sie her nach der Stadt zurückgelaufen waren, hatte er sie bei den Propyläen getroffen, und der erste Blick hatte ihm geoffenbart, daß etwas ganz Außerordentliches zwischen diesen Beiden geschehen sein mußte; denn so hatte er seinen Freund nie gesehen.

Wer das Mädchen war, erriet er leicht, da Moralt ja seit acht Tagen den Besuch der befreundeten Familie hatte. Irene trug überdies an jenem Tag ein Kleid von 88 derselben mattgrünen Farbe und dem gleichen Schnitt im Stil des Directoire, wie er es zwei Tage zuvor an Fräulein Gertrud von Hauser bemerkt hatte. Ungesehen war er dem Paar aus dem Wege gegangen.

Was er zu wissen brauchte, wußte er heute. Und wenn Moralt ihm später auch nie etwas von diesem Leid verriet, das er fortan als heiliges Geheimnis in sich verschloß, so war es dem geschärften Empfinden der Freundschaft doch nur zu offenbar, daß es dies Geschehnis sei, was still an seinem Leben nagte. Zu feinfühlig und zu stolz, nur von ferne an etwas zu rühren, was ihm nicht gesagt wurde, verdoppelte der große Norweger von da ab in ihrem Verkehr seine Wärme und behandelte den Freund wie einen stützebedürftigen Kranken, von dessen Leiden nicht gesprochen wird, dessen Pflege keine Pflege scheinen darf. Und das so zartfühlend, mit solchem Geschick, daß Moralt an ihm in jeder Stimmung einen beruhigenden Umgang fand, ohne je auf die Idee zu kommen, diesem feinen, alles Forschen vermeidenden Eingehen auf sein jetziges Wesen müsse doch mindestens etwelches Ahnen und Erraten zugrunde liegen. 89

 


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