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Ich wiederhole darum, daß es zu einer endgültigen Verständigung darüber kommen sollte, daß, was immer im entfernteren Osten geschehen mag, England, Frankreich und Deutschland sich feierlich verpflichten, den inneren Frieden von Westeuropa aufrecht zu erhalten und unbedingt auf alle Bündnisse und Abmachungen zu verzichten, die sie zur militärischen Beihilfe offensiver oder defensiver Natur an irgendeine Außenmacht gegen eine der genannten Mächte binden. Wir müssen über die gräßliche Lage, die der gegenwärtige Krieg hervorgebracht hat, hinauskommen. Frankreich schloß mit Rußland ein Bündnis zur Verteidigung gegen Deutschland. Deutschland schloß mit Österreich ein Bündnis zur Abwehr gegen Rußland. England trat der franko-russischen Allianz bei zu ihrem Schutz gegen Deutschland und Österreich. Die Folge war, daß Deutschland in einen Streit zwischen Österreich und Rußland hineingeriet. Ohne eine Differenz mit Frankreich und nur aus zweiter Hand mit Rußland im Streit, sah sich Deutschland gleichwohl gezwungen, Frankreich anzugreifen, um es zu schwächen, ehe es Deutschland von hinten her überfallen konnte, wenn Deutschland das Frankreich verbündete Rußland bekämpfte. Und dieser Angriff auf Frankreich zwang England, dem ihm verbündeten Frankreich zu Hilfe zu kommen. Nicht eine dieser drei Nationen (abgesehen von ihren winzigen junker-militaristischen Cliques) wollte den Krieg. Denn England hatte nichts dabei zu gewinnen und Deutschland alles dabei zu verlieren, während Frankreich seine Hoffnung einer Revanche für Elsaß-Lothringen aufgegeben hatte und gewiß keinen Krieg dafür gewagt hätte. Als jedoch Rußland, das durch einen Krieg sehr viel gewinnen konnte und durch eine Niederlage, außer dem militärischen Prestige, nichts zu verlieren hatte, mit Österreich über Serbien in Streit geriet, kam es in die Lage, alle drei Freunde und Nachbarn des Westens einander an die Gurgel zu jagen und Ströme von Blut zu vergießen. Ein schauerlicher Widersinn. Vor fünfzig Jahren wäre die Idee, daß England, Rußland und Japan bei der Zerstörung Deutschlands helfen sollten, ebenso selbstmörderisch erschienen, als wenn Kanada den Apachen helfen sollte, die Vereinigten Staaten von Nordamerika zu vernichten. Und wenn wir auch heute von den Japanern weit besser denken als damals (nebenbei auch von den Apachen), so macht uns das nicht nachsichtiger gegen den Mann, der seine eigene Straße niederbrennt, weil er die einheimische Architektur von Yokohama bewundert. Besonders jetzt, wenn der Brand auf die Kathedrale von Reims übergreift. Es ist schlimm genug, daß wir das östliche Persien dem östlichen Rußland ausgeliefert haben (und für unsere Mühen nichts erhielten, was uns recht geschah). Wenn es aber dazu kommt, ihm auch noch das westliche Deutschland zu opfern, schleifen wir ein Messer für unsere eigene westliche Kehle. Die russische Regierung ist der ausgesprochene Feind jeglicher Freiheit, auf die wir stolz sind. Karls des Ersten erfolgloser Versuch, fünf Mitglieder des Unterhauses wegen Meinungsverschiedenheit einzusperren, ist bei uns ein Stück alter Geschichtschreibung. Ein Ereignis von vor 272 Jahren. Doch des Zaren geglückter Versuch, dreißig Mitglieder der Duma einzusperren und sie wie gefährliche Verbrecher zu bestrafen, ist eine Tatsache von heute. Leute, deren schlimmstes Vergehen es ist, die Daily News als geistesverwandte Zeitung zu empfinden, werden unter der russischen Regierung als eine Sache täglicher Gepflogenheit gehängt, ausgepeitscht oder nach Sibirien verschickt. So, daß vor 1906 sogar die Artikel der Times über Ereignisse wie die Ermordung Bobrikoffs und des Großfürsten höfliche Paraphrasen über die Ansicht waren: »es geschieht ihm recht«. Man könnte sich fragen, warum unsere Zeitungen seither aufgehört haben, Beispiele von Rußlands Verachtung der politischen Grundsätze zu reportieren, für die wir angeblich einstehen. Die Antwort ist einfach. Im Jahre 1906 fingen wir an, Rußland Geld zu borgen und Rußland begann, in den Times zu inserieren. Seit damals darf es seine H. G. Wells' und Lloyd Georges zu Dutzenden peitschen und hängen, ohne ein Wort des Vorwurfs von unserer plutokratischen Presse, solange nur die Zinsen pünktlich bezahlt werden. Rußland wurde von der weiten Nächstenliebe kosmopolitischen Kapitals in die Arme geschlossen, die einzige Nächstenliebe, die nicht zu Hause beginnt.