William Shakespeare
Leben und Tod Königs Richard des zweyten.
William Shakespeare

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Zehnte Scene.

Verwandelt sich in das Gefängniß zu Pomfret-Castle.

König Richard tritt auf.

König Richard. Ich studiere schon lange, wie ich dieses Gefängniß, worinn ich lebe, mit der Welt vergleichen wolle; und weil die Welt volkreich ist, und hier kein anders Geschöpf als ich selbst, so kan ich nicht damit zurecht kommen. Und doch will ich's versuchen – – Mein Gehirn soll das Weib meiner Seele werden, und meine Seele, der Vater; und diese zwey sollen ein Geschlecht von Gedanken mit einander zeugen, und diese Gedanken sollen diese kleine Welt bevölkern, humorisirt, wie die Einwohner der grossen Welt, denn kein Gedank' ist zufrieden. Sogar die besten (die Gedanken von göttlichen Dingen) sind mit Zweifeln untermischt, und sezen das Wort selbst dem Wort entgegen; zum Exempel: Kommt, ihr Kleinen; und dann wieder: Es ist so schwer zu kommen, als einem Cameel durch ein Nadelöhr zu gehen. – – Gedanken, die nach Unabhänglichkeit streben, brüten unmögliche Wunder aus, – – wie diese schwachen Nägel mir eine Oeffnung durch die steinernen Rippen dieser Kerker-Mauren krazen könnten, und weil sie es nicht können, so zerplazen sie an ihrem eignen schwellenden Stolz. Gedanken, die nach Vergnügen streben, schmeicheln sich selbst, »sie seyen nicht die ersten Sclaven des Glüks, und werden nicht die lezten seyn,« (wie schelmisches Bettelvolk, wenn sie im Stok sizen, sich damit trösten, daß schon viele da gesessen sind, und noch viele sizen werden.) Und in diesem Gedanken finden sie eine Art von Erleichterung, indem sie ihr eignes Elend auf dem Rüken derer tragen, die ehmals das nemliche ausgestanden haben. So spiel ich, in einem Gefängniß, mancherley Personen, wovon keine mit sich selbst zufrieden ist. Zuweilen bin ich ein Fürst; dann macht Verrätherey, daß ich mich zu einem Bettler wünsche, und das bin ich. Alsdann überredet mich die Dürftigkeit, es sey mir besser gewesen, da ich ein Fürst war, und dann werd' ich wieder gefürstet; und unvermerkt besinn' ich mich, daß mich Bolingbroke entfürstet hat, und da bin ich wieder nichts – – Was ich aber seyn mag, so ist doch dieses gewiß, weder ich noch irgend ein andrer, wer er seyn mag, wird eher nicht zur Ruhe kommen, bis er nicht mehr ist – – Hör' ich nicht Musik? (Eine Musik.) Ha, ha! Haltet den Tact; wie widrig die anmuthigste Musik ist, wenn das Zeitmaaß gebrochen, und die Proportion nicht gehalten wird! So ist es auch mit der Musik des menschlichen Lebens – – Wie kommt es, daß ich ein so feines Ohr habe, von dem kleinsten Mißklang einer verstimmten Sayte, oder eines verspäteten Tons beleidigt zu werden; und daß ich kein Ohr hatte, die schlechte Zusammenstimmung in meinem Staat, das gebrochne Zeitmaaß in meiner Regierung zu bemerken? Ich verderbte die Zeit; nun verderbt die Zeit mich. Die Zeit hat nun ihre Stunden-Uhr aus mir gemacht; meine Gedanken sind die Minuten, und meine jammernden Seufzer die Töne, die an mein Herz anschlagen, und so die Stunden anzeigen – – Diese Musik macht mich närrisch – – laßt sie schweigen; wenn sie gleich schon öfters närrischen Leuten wieder zu ihrem Verstand geholfen hat, so scheint es doch an mir, daß sie kluge Leute närrisch mache. Und doch gesegnet sey der, so sie mir giebt; es ist immer ein Zeichen seiner Liebe, und Liebe zu Richard ist ein seltnes Kleinod in einer Welt, wo der Haß allezeit den Fall begleitet.


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