William Shakespeare
Leben und Tod Königs Richard des zweyten.
William Shakespeare

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Siebende Scene.

Ein Garten im Hofe der Königin.

Die Königin tritt mit zwoen Damen auf.

Königin. Was für eine Kurzweil wollen wir uns in diesem Garten machen, um unsre kummervolle Gedanken zu vertreiben?

Lady. Gnädigste Frau, wir wollen mit Kugeln spielen.

Königin. Das würde mich denken machen, daß die Welt voller Rauhigkeit und Zaken ist, und daß mein Glük, wie eine Kugel, die ihre Kraft verlohren hat, seitwärts rennt.

Lady. Madam, so wollen wir tanzen.

Königin. Meine Füsse können kein MaaßWortspiel mit dem Wort measure, welches Cadenz, und Maaß heißt. im Vergnügen halten, wenn mein armes Herz kein Maaß in seinem Kummer hält. Also nichts vom Tanzen, Mädchen; irgend ein andres Spiel.

Lady. So wollen wir Mährchen erzählen, Gnädigste Frau.

Königin. Traurige oder lustige?

Lady. Von beyderley Gattung, Madam.

Königin. Von keiner von beyden, Mädchen. Die Frölichen würden nur die Erinnerung meiner Schmerzen desto lebhafter machen, weil sie mir die Freude zeigten, die mir fehlt; und die Traurigen würden noch mehr Bekümmerniß zu derjenigen hinzuthun, die ich schon habe.

Lady. So wollen wir singen, Gnädigste Frau.

Königin. Es ist gut, wenn du Ursache dazu hast; aber du würdest mir besser gefallen, wenn du weinen würdest.

Lady. Ich könnte wol weinen, Gnädigste Frau, wenn es euch besser machte.

Königin. Und ich könnte weinen, wenn mir weinen besser machte, ohne daß ich eine Thräne von dir entlehnen müßte. Aber warte, hier kommen die Gärtner. Wir wollen uns in den Schatten dieser Bäume verbergen – – Sie werden vom Staat reden, wie alle Welt, wenn eine Veränderung im Werk ist.

Ein Gärtner mit zween Garten-Jungen tritt auf;
die Königin und ihre Damen treten bey Seite.

Gärtner. Geh, binde du jene hängenden Apricosen auf, die, wie ungerathene Kinder, ihren Vater durch ihr verschwendrisches Gewicht zu Boden ziehen; unterstüze ein wenig die neigenden Zweige. Geh du, und haue, gleich einem Nachrichter, die Köpfe der zu hochaufschiessenden Stauden-Gewächse ab, die zu übermüthig in unserm gemeinen Wesen aussehen. In unsrer Regierung muß alles eben seyn. Unterdessen daß ihr so beschäftigst seyd, will ich gehen, und das unnüze Unkraut ausjäten, das den gesunden Pflanzen die Nahrung entzieht.

Junge. Wie verlangt ihr von uns, daß wir in dem Bezirk eines Zauns, Geseze, Form, und gehöriges Ebenmaaß beobachten, und wie in einem Model einen wolgeordneten Staat zeigen? Indeß daß unser vom Meer eingeschloßner Garten, das ganze Land voller Unkraut ist, seine schönsten Blumen zerknikt, seine fruchtbaren Bäume alle ungepuzt, seine Zäune eingerissen, seine Knoten alle verwirrt sind, und seine heilsamen Gewächse von Raupen wimmeln?

Gärtner. Schweige du; derjenige, dessen Frühling so wild und zügellos war, hat nun den Fall seiner Blätter erfahren. Der Epheu, der unter dem Schirm seiner weitverbreiteten Zweige emporwuchs, und ihn zu unterstüzen schien, indem er ihn aussog, ist aller bis auf die Wurzeln, von Bolingbroke ausgereutet worden; ich meyne den Grafen von Wiltschire, Buschy, und Green.

Junge. Was, sind sie todt?

Gärtner. Das sind sie, und Bolingbroke hat sich des verunglükten Königs bemächtiget. Wie beklagenswerth ist es, daß er sein Land nicht so gehalten hat, wie wir unsern Garten. Wir verwunden die Rinde unsrer Frucht-Bäume, weil der zu grosse Ueberfluß von Saft sie geil und üppig machen, und durch zuviel Reichthum zu grund richten würde. Hätte er es mit den Menschen so gemacht, die zu groß und üppig wuchsen, sie möchten die Zeit erlebt haben daß sie ihm nüzliche Früchte getragen, und er, daß er sie gekostet hätte. Wir schneiden alle überflüßigen Aeste weg, damit die tragenden Zweige leben mögen; hätt' er's auch so gemacht, so würd' er selbst die Crone getragen haben, die ihm Verschwendung und Müßiggang so bald vom Haupte gerissen.

Junge. Was? denkt ihr dann, der König werde abgesezt werden?

Gärtner. Unterdrükt ist er schon, und abgesezt wird er ohne Zweifel werden. Es sind in verwichner Nacht Briefe von einem Freund des Herzogs von York angekommen, welche schlimme Zeitungen erzählen.

Königin. O, ich werde zu todt gepreßt, wenn ich länger schweige – – Du Ebenbild Adams, in diesen Garten gesezt, seiner zu pflegen, wie untersteht sich deine Zunge so leidige Zeitungen anzukündigen. Was für eine Eva, was für eine Schlange hat dir eingegeben, einen zweyten Fall des verfluchten Menschen zu machen? Wie, sagst du, König Richard ist entsezt? Darfst du, kaum ein bessers Ding als die Erde die du gräbst, seinen Fall weissagen? Sprich, wo, wenn und wie kamst du zu dieser bösen Zeitung? Sprich, du Unglükseliger!

Gärtner. Verzeihet mir, Madam. Ich habe wenig Freude davon, diese Neuigkeiten zu sagen, aber man versichert, daß sie wahr seyen. König Richard ist in Bolingbroks mächtiger Gewalt. Ihr Glük wird gegen einander abgewogen. In euers Herrn Waagschale ist nichts als er selbst, und etliche wenige Eitelkeiten, die ihn leicht machen; aber in der Schaale des grossen Bolingbroks ligen, ausser ihm selbst, alle Pairs von England, und mit diesen wiegt er den König Richard zu Boden. Eilet nur nach London, und ihr werdet es so finden; ich sage nichts, als was jedermann weiß.

Königin. Du behendes Unglük, das so leicht auf den Füssen ist, geht deine Gesandtschaft nicht mich an? Warum bin ich dann die lezte, die sie erfährt? O du denkst mich auf die Lezte zu sparen, damit ich deine Schmerzen desto länger fühle. [Was in [ ] eingeschlossen ist, sind Reime im Original. Kommt, Lädies, wir wollen gehen, um in London Londons König im Jammer aufzusuchen. Wie, ward ich hiezu gebohren, daß mein gedemüthigter Blik den Triumph des stolzen Bolingbroks vermehren soll? Gärtner, für diese Zeitung, die du mir erzählt hast, wünsch' ich, daß die Pflanzen, die du pflanzest, nimmer wachsen mögen.

(Sie geht ab.)

Gärtner. Arme Königin, möchte, wenn es dir helfen könnte, dein Fluch an meinem Fleisse wahr werden! – – Hier ließ sie eine Thräne fallen; – – hier, an diesem Ort will ich einen Rautenstok sezen, zum Andenken, daß eine Königin hier geweint hat.]

(Geht ab.)


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