William Shakespeare
Leben und Tod Königs Richard des zweyten.
William Shakespeare

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Dritte Scene.

König Richard und York zu den Vorigen.

König Richard. Himmel, warum werde ich vor einen König vorgefordert, eh ich die königlichen Gedanken abgeschüttelt habe, womit ich regierte? Ich habe noch nicht lernen können, mich einzuschwazen, zu schmeicheln, zu büken und die Knie zu beugen. Lasset meinem Kummer noch Zeit mich zu dieser Unterwürfigkeit anzugewöhnen. Und doch will ich mich der Zeit erinnern, da mir diese Männer günstiger waren. Waren sie nicht einmal mein? Rieffen sie mir nicht einmal lauter Heil und Leben zu? Das that Judas auch gegen Christum: Aber Christus fand unter zwölfen Treue bey allen bis auf einen, ich unter zwölftausend gar keine. Gott erhalte den König! – – Will niemand sagen, Amen? Bin ich Priester und Küster zugleich? Wol dann, Amen! Gott erhalte den König, ob ich's gleich nicht bin, und auch Amen! Wenn der Himmel mich dafür erkennt. Was für Dienste fordert man von mir, daß man nach mir geschikt hat?

York. Eine Handlung deines eignen freyen Willens, wozu du, der Majestät überdrüßig, dich selbst erboten hast, die Uebergabe deines Staats und deiner Crone.

König Richard. Gebt mir die Crone – – hier, Vetter, nimm die Crone, hier auf dieser Seite, meine Hand; und auf dieser deine. Izt ist diese goldne Crone wie ein tiefer Brunnen mit zween Kübeln, wovon einer den andern füllt; der leere tanzt immer in der Luft, indem der andre in der Tiefe, ungesehn und voll Wassers ist; dieser erniedrigte und mit Thränen angefüllte Kübel bin ich, der nun seinen Kummer wie Wasser in sich schluken muß, indeß daß ihr in die Höhe steigt.

Bolingbroke. Ich dachte, ihr wäret willig, die Crone niederzulegen?

König Richard. Die Crone, ja; aber doch bleibt mein Schmerz mein, ihr könnt mich meiner Majestät und meines Staats entsezen, aber nicht meiner Schmerzen; darüber bleib ich immer König.

Bolingbroke. Seyd ihr's zufrieden, die Crone zu übergeben?

König Richard. Ja, nein – – Nein, ja, – – Denn ich muß nichts seyn – – also nein, nein; denn ich übergebe sie dir. Nun, gebt acht wie ich mich selbst vernichte; ich gebe diese schwere Bürde von meinem Haupte weg, diesen unbehülflichen Scepter aus meiner Hand, und den Stolz der Königs-Würde aus meinem Herzen; mit meinen eignen Thränen wasch ich meine Salbung weg; mit meinen eignen Händen geb ich meine Crone von mir; mit meiner eignen Zunge verläugne ich meinen geheiligten Stand, und mit meinem eignen Athem entlasse ich alle ihrer mir geschwornen Pflichten. Ich verschwöre alle Majestät und Hoheit, ich vergesse alle meine Domainen, Renten und Einkünfte, ich vernichte alle meine Handlungen, Edicte und Verordnungen. Gott verzeihe alle die Eidschwüre, die an mir gebrochen werden! Gott erhalte alle diejenigen ungebrochen, die dir gethan werden. Mögest du lange leben, um auf Richards Stuhl zu sizen, und Richard bald im Grabe Ruhe finden. Gott erhalte den König Heinrich, sagt der entkönigte Richard, und sende ihm viele Jahre von glüklichen Tagen! – – Was ist noch mehr zu thun?

Northumberland. Nichts mehr, als daß ihr diese Anklagen und dieses Verzeichniß von abscheulichen Verbrechen leset, die von euch selbst und euern Anhängern gegen den Staat und das Beste dieses Landes begangen worden; damit durch euer Geständniß alle Welt überzeugt werde, daß ihr mit Recht entsezt worden seyd.

König Richard. Muß ich das thun? muß ich das Gewebe meiner Thorheiten Faden vor Faden ausfäseln? Lieber Northumberland, wenn deine Sünden alle aufgeschrieben wären, würdest du nicht beschämt seyn, sie in einer so schönen Gesellschaft abzulesen? Thätest du es, du würdest einen scheuslichen Artikel, die Absezung eines Königs, darinn finden, den gewaltthätigen Bruch eines geheiligten Eides, mit einem Strich der Verdammniß im Buch des Himmels bezeichnet. O, ihr alle die ihr hier steht und mich anseht, wie mein Unglük mich nöthigt, mich selbst aufzureiben, wenn gleich einige von euch wie Pilatus ihre Hände mit heuchlerischen Thränen waschen; so seyd ihr's dennoch, ihr Pilatusse, die mich hier zu meinem bittern Creuz ausliefern, und Wasser kan eure Sünde nicht abwaschen.

Northumberland. Milord, beschleunigst euch, überleset diese Artikel.

König Richard. Meine Augen sind voll Thränen; ich kan nicht sehen, und doch blendet ihr Salz-Wasser sie nicht so sehr daß ich nicht einen Pak Verräther hier beysammen sehe. Doch was sag ich? ich bin selbst ein Verräther wie die übrigen; denn ich habe die Einwilligung meiner Seele zur Entsezung eines Königs gegeben; ich habe die Majestät entweiht, und einen Monarchen zu einem Sclaven gemacht; ich bin ein Verräther!

Northumberland. Milord – –

König Richard. Kein Lord von dir, du hohnsprechender Mann, niemands Lord; ich habe keinen Namen, keinen Titel mehr; nein, sogar der Name der mir über dem Taufstein gegeben wurde, ist usurpirt. O! des unglüklichen Tags! daß ich so manche Winter überlebt haben, und meinen eignen Namen nicht mehr wissen soll! O! daß ich ein zum Scherz aus Schnee zusammengeballter König wäre, und hier, vor Bolingbroks Sonne stehend, in Wassertropfen wegschmelzen möchte! – – Guter König, – – Grosser König – – wenn anders mein Wort noch gangbare Münze in England ist, so laßt es diesen Augenblik einen Spiegel hieher befehlen, damit ich sehe, wie mein Gesicht aussieht, seitdem es seine Majestät verlohren hat.

Bolingbroke. Gehe jemand, und hole einen Spiegel.

Northumberland. Ueberleset indessen dieses Papier, bis der Spiegel kommt.

König Richard. Teufel, du peinigst mich, eh ich noch in der Hölle bin.

Bolingbroke. Sezt ihm nicht weiter zu, Milord von Northumberland.

Northumberland. Die Gemeinen werden so nicht zufrieden seyn.

König Richard. Sie sollen es werden; ich will genug lesen, wenn ich das Buch sehe, worinn, in der That, alle meine Sünden geschrieben sind, und das bin ich selbst. (Man bringt einen Spiegel.) Gieb mir den Spiegel, hierinn will ich lesen – – Noch keine tiefere Runzeln! Hat der Kummer so manche Streiche auf dieses mein Gesicht geführt, und keine tiefere Wunden gemacht? O! schmeichelndes Glas! Du betrügst mich wie die Freunde meines glüklichen Zustands – – War dieses das Gesicht, das täglich zehntausend Menschen unter seinem Haus-Dach hielt? War diß das Gesicht, das gleich der Sonne, diejenigen die es ansahen, blinzen machte? und nun von Bolingbrok überglänzt wird? Eine zerbrechliche Majestät leuchtet in diesem Gesicht, (er schmeißt den Spiegel auf den Boden,) und so zerbrechlich wie die Majestät, ist auch das Gesicht; denn hier ligt es, in hundert Scherben zerbrochen. Gieb Acht, stillschweigender König, auf die Moral dieses Kinderspiels; wie schnell mein Kummer mein Gesicht zerstört hat.

Bolingbroke. Der Schatten euers Kummers hat den Schatten euers Gesichts zerstört.

König Richard. Sagt das noch einmal. Der Schatten meines Kummers! Ha, laßt einmal sehen – – es ist in der That so, mein Schmerz ligt ganz in meinem Innern, und alle diese äusserlichen Zeichen von Jammer sind blosse Schatten des unsichtbaren Grams, der in geheim in der gepeinigten Seele schwellt. Ich danke dir, König, daß du mir nicht nur Ursache zum Wehklagen giebst, sondern mich auch noch lehrst, wie ich die Ursache bejammern soll. Ich will nur noch um eine einzige Gefälligkeit gebeten haben, und dann gehen und euch nicht mehr beunruhigen. Werd' ich sie erhalten?

Bolingbroke. Nennet sie, geliebter Vetter.

König Richard. Geliebter Vetter! Ah! ich bin grösser als ein König; denn wie ich ein König war, waren meine Schmeichler meine Unterthanen; nun da ich ein Unterthan bin, hab ich einen König zum Schmeichler. Da ich ein so grosser Mann bin, so hab ich nicht nöthig zu bitten.

Bolingbroke. So fordert.

König Richard. Und soll ich's haben?

Bolingbroke. Ihr sollt.

König Richard. So erlaubt mir wegzugehen.

Bolingbroke. Wohin?

König Richard. Wohin ihr wollt, wenn es nur aus euerm Gesicht ist.

Bolingbroke. Einige von euch sollen ihn nach dem Tower begleiten – – Auf nächsten Mitwoch sezen wir unsre Krönung fest: Milords, haltet euch dazu gefaßt.

(Alle gehen ab, bis auf den Abbt von Westmünster, den Bischoff und Aumerle.)


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