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Das Interesse für die Kunst ist wieder in den Vordergrund gerückt, und es ist am Ende wohl an der Zeit, darüber Einiges zu sagen, denn dem Verfasser dieser Zeilen scheint es, als ob eine kurzgefasste Uebersicht für diesen Gegenstand noththäte. Dickleibige Bücher über Kunst besitzen wir genug, aber kann man vom Laien verlangen, dass er sie durchliest, während die Freunde auf der Kegelbahn oder am Skattisch auf ihn warten ? Und gerade das Verhältniss des Laien zur Kunst soll in diesen Zeilen erörtert werden, und zwar des gebildeten Laien, der es für seine Pflicht erachtet, alles das zu besehen, davon in den Zeitungen so viel geschrieben wird, und der die Hauptvertreter der Malerei, wie zum Beispiel Apelles, Rafael, Dürer, Murillo und Edvard Munch, an den Fingern herzählen kann. Es soll in diesen Blättern nur von der Malerei und Plastik die Rede sein, da die Architektur zu weit auf dem Erdboden herum vertheilt ist und auch aus demjenigen Grunde für gewöhnlich nicht in ein Museum gesetzt werden kann, weil sie zu gross und zu schwer transportabel ist. So schreiten wir denn zunächst dazu, uns über die Eintheilung der Kunst Klarheit zu verschaffen.
Man theilt die Kunst ein in alte und neue, sowie die Künstler in todte und lebendige. In diesen Blättern soll nur von der alten Kunst und den todten Künstlern die Rede sein, weil es viel gebildeter ist, diese zu kennen als die neue und die lebendigen.
Die alte Kunst wird nach den Völkern unterschieden, die sie ausgeübt haben, z. B. indische, assyrische, ägyptische, griechische, römische, italienische und lippe-detmoldische Kunst etc. Indem wir die beiden zuerst genannten bei Seite lassen, wenden wir uns zunächst zur
Was nun zuerst die ägyptische Malerei betrifft, so ging sie an dem Bestreben zu Grunde, den Menschen zugleich im Profil und in der Vorderansicht darzustellen, ein Problem, das auf die Dauer nicht zu lösen ist.
Dies macht zugleich das sicherste Kennzeichen der ägyptischen Malerei aus, und wo man also auf Bildern Figuren begegnet, die in Frontstellung, Brust heraus, Bauch herein, den Kopf im Profil zeigen und zugleich nach der entgegengesetzten Richtung scharf seitwärts marschiren, darf man versichert sein, dass man Aegyptisches vor sich hat.
Die Bildhauer dieses Landes machten sich die Sache insofern sehr bequem, als sie fast alle ihre Statuen sitzen liessen, die Hände auf den Knieen liegend und die Augen auf den Horizont gerichtet. Im neuen Museum zu Berlin sieht man in der ägyptischen Abtheilung sehr schöne Beispiele dieser Kunst, auch sind dort verschiedene eingepökelte und recht gut erhaltene Künstler dieses Landes vorhanden, einige noch in der Originalverpackung. Sie gehören zu der Klasse der sehr todten, und zu den ältesten Conserven der Welt, weil sie schon vor über 3000 Jahren eingemacht wurden. Sie bieten den grossen Vortheil dar, dass ihre Namen verloren gegangen sind, und sie deshalb nicht auswendig gelernt zu werden brauchen.
Die griechische Malerei ist für den Laien von hervorragender Annehmlichkeit, denn sie hat die Eigenschaft, zu Grunde gegangen zu sein und kann deshalb nicht besehen werden, ein Umstand, der dem Museums-Besucher viele kostbare Zeit erspart. Wir besitzen von diesen Bildern nur überschwengliche Nachrichten von alten griechischen Professoren der Kunstgeschichte, z. B. von Pausanias, zu dessen Ehren noch heute die jungen Leute auf technischen Bureaus, die die Pausen anfertigen, Pausaniasse genannt werden.
Von der römischen Malerei liesse sich dasselbe sagen, wenn nicht in Herkulanum und Pompeji das Unglück geschehen wäre. Da aber diese Gemälde auf Wänden und Mauern festsitzen und schwer zu transportiren sind, so muss schon der Kunstfreund, der es nicht lassen kann, derenwegen nach Neapel reisen, während der hiesige harmlose Museums-Besucher darum hinwegkommt und seinen Bildungsdrang unbefriedigt lassen darf.
Die griechischen und römischen Bildhauerarbeiten waren dagegen aus dem so widerstandsfähigen Marmor angefertigt und sind, insofern sie nicht zu nützlichem Mauerkalk gebrannt worden sind, in so grosser Menge erhalten worden, dass alle Museen der Welt damit in reichlicher Weise versorgt werden konnten. Zwar sind sie alle mehr oder weniger entzwei gegangen, jedoch thut dies ihrem Kunstwerthe nicht den geringsten Abbruch, sondern im Gegentheil: je weniger Glieder diese Marmorpuppen besitzen, desto berühmter sind sie oft. Dies hat schon oft moderne italienische Künstler, die ihre schönen, heilen und ganz neuen Statuen nicht verkaufen konnten, veranlasst, ihnen die Nase, einen Arm und sonstige Kleinigkeiten abzuklopfen und sie eine Weile einzugraben. Wenn sie dann wie zufällig wieder in ihrem Versteck aufgefunden wurden, konnte man sie an reiche Engländer für ungeheure Preise verkaufen.
Den Kunsthistorikern gewährt es einen höchst angenehmen Sport, bei einer Statue ohne Arme nachzuweisen, was sie wohl in der Hand getragen hat, einen Spiegel, eine Vase, eine Weintraube oder eine antike Knackwurst. Sie ziehen aus diesen fehlenden Gliedern ihre kümmerliche Nahrung, indem sie dicke Schriften darüber veröffentlichen, und gewinnen grossen Ruhm, denn obwohl das Räthsel- und Rösselsprünge-Rathen sonst im Allgemeinen als eine Beschäftigung für Weiber, Kinder und Müssiggänger erachtet wird, so gilt es doch unter diesen Umständen für etwas ganz Hohes, und wenn die Lösung besonders gelungen erscheint, nennt man dies eine wissenschaftliche That. Ist von einer antiken Bildsäule alles ab, Arme, Beine und Kopf, und was sonst noch an Kleinigkeiten fehlen kann, so heisst sie Torso, und es werden ganz besonders dicke Bücher darüber geschrieben. Es ist dann nicht mehr als natürlich, dass in jedem dieser Bücher eine andere Meinung über das ramponirte Kunstwerk entwickelt wird, und da die Verfasser in diesen Dingen etwas heissblütig zu sein pflegen, so kommt es vor, dass sie sich gegenseitig Ochsen und Idioten tituliren. Es darf dann aber auch nicht geleugnet werden, dass es schlechte Menschen gibt, die der Anschauung fröhnen, dass die Herren Verfasser in diesem letzten Punkte gegenseitig Recht haben. Jedoch strafen wir solche stumpfsinnigen Verächter der Wissenschaft mit Verachtung.
Die plastische Kunst der alten Griechen und Römer ist demnach für den Laien sehr schwierig zu besehen, denn es kann sich ereignen, dass Dinge, die ihm recht abscheulich und eklich vorkommen, als Wunderwerke ohne Gleichen angeschaut werden müssen, während, wenn ihm mal etwas recht ausnehmend gefällt, ihm mit verächtlicher Miene die Mittheilung gemacht wird, dies sei eine höchst faule Sache aus der tiefsten Verfallzeit. Er thut darum gut, die Nase in den Katalog oder in das Reisehandbuch zu stecken, und wird dort schon verzeichnet finden, wo er den Quell seiner Begeisterung sprudeln lassen darf, ohne befürchten zu müssen, dass seine Bildung und sein Kunstverständniss in Zweifel gezogen werden.
Diese ist für den Laien von der allergrössten Wichtigkeit, denn sie bildet den Hauptinhalt der Bildergallerien, muss unbedingt besehen werden, und es gehört durchaus zur Bildung, sie zu kennen, eventuell schön zu finden. Besonders die Italiener und Holländer haben ungemein viele Quadratmeter Kunst hinterlassen, und dass gerade auch Holland so viel geleistet hat, erklärt sich aus dem Umstände, dass die Kunst von jeher am besten in den zipfeligen Ländern gediehen ist. Indien, Griechenland, Kleinasien, Italien und Holland sprechen für die Thatsache; nur für Aegypten scheint dies im ersten Augenblick nicht zu stimmen. Aber bedenkt man, dass dieses Land an dem Nil entlang sich zipfelförmig in die Wüste hinein erstreckt, so wird Niemand gegen diese Zipfeltheorie etwas einwenden können.
Bei der italienischen Malerei wird es zunächst auffallen, eine wie grosse Menge von Heiligen die Künstler angefertigt haben, und man thut wohl, die Leitmotive dieser Heiligen auswendig zu lernen. Denn da sie alle todtgemartert wurden, so hat jeder als äusseres Kennzeichen das Instrument bei sich, mit dem man ihn erfolgreich zu Tode gequält hat, ein Rad, eine Säge, einige Zangen oder sonstige geeignete Gegenstände. Dies sich zu merken, erfordert wenig Arbeit, und man wird grosses Vergnügen daran haben. Wie nett ist es nicht, gleich zu wissen, dass ein schöner junger Mann, der stets gespickt und nie gebraten wird, den heiligen Sebastian, dagegen ein anderer ebenfalls sehr wohlgewachsener Mann, der nie gespickt aber stets gebraten wird, den heiligen Laurentius vorstellt.
Eine junge Dame, die sehr wenig an hat, in einer angenehmen Gegend höchst comfortable im Grase liegt und in einem Buche liest, ist eine büssende Magdalena; hat diese junge Dame aber gar nichts an und liegt auf einem Lager oder besieht sich in einem Spiegel, oder sonst dergleichen, so ist es sicher eine Venus und meist recht angenehm zu besehen.
Alle solche alten Bilder, wenn sie von einem Maler herrühren, der den amtlichen Stempel hat, sind sehr werthvoll und Kunstschätze, sie mögen sonst sein, wie sie wollen. Man thut deshalb sehr gut, sich nach dem Preise zu erkundigen, wenn man einen berühmten Bilde auf keine andere Weise beikommen kann, und wird dann sicher einige Achtung gewinnen vor der Gewalt der Kunst, die dieser alten verräucherten Waare einen so hohen Werth verlieh. Denn wie geräuchertes Fleisch immer mehr kostet als frisches, so sind solche alten Bilderkonserven immer unendlich viel werthvoller als die besten neuen, wenn diese auch mit den theuersten Farben von gelernten Malern angefertigt sind. Unsere Museumsverwaltungen scheuen darum auch kein Geld, solche alten Bilder zu erwerben, und dafür sollten die Laien ihnen danken, anstatt, wie es oftmals geschieht, auf der Bierbank darüber zu raisonniren und zu wünschen, dass für das viele Geld die Bilder lebender Künstler gekauft würden. Aber diese guten Leute wissen nicht, was sie thun, und wie weise die Museumsverwaltung für ihr Wohl besorgt ist. Wenn diese nämlich einen zweifelhaften Rubens und einen verzweifelten Rembrandt für je 200 000 Mark erwirbt, so hätten allerdings für dasselbe Geld 400 sehr nette Bilder von lebenden Malern, à Stück tausend Mark, angekauft werden können. Aber welche fürchterliche Masse mehr hätte dann der unglückliche Laie zu besehen bekommen, und wie glatt und nett geht es jetzt für ihn ab. Er wandert durch's Museum, sagt einmal: »Hm, hm«, und einmal »Na, na«, und fertig ist er mit den 400 000 Mark.