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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Gegen Mittag standen die beiden Freunde auf der Höhe des Passes von Bally-Brough.

»Hier muß ich scheiden,« sagte Fergus, der sich während des ganzen Rittes redlich bemüht hatte, Waverley bei guter Laune zu erhalten. »Wenn meine Schwester mit schuld daran ist, daß Ihr so bedrückter Stimmung seid, dann setzt es mit auf Rechnung der wirklich sehr hohen Meinung, die sie von Euch hat. Vertraut mir Eure Sache, und vorausgesetzt, daß Ihr diese abscheuliche Kokarde nicht mehr ansteckt, verspreche ich Euch, bei meiner Schwester für Euch einzutreten.«

»Wie könnt Ihr solches denken, nachdem man sie mir solcherweise genommen hat!... Lebt wohl, Fergus, und laßt nicht zu, daß Eure Schwester meiner vergesse!«

»Lebt gleichfalls wohl, Waverley! Ihr werdet meine Schwester bald mit anderm Titel nennen hören. Eilt jetzt nach Hause, laßt bald von Euch hören, und schafft Euch Freunde an, soviel wie möglich und so rasch Ihr nur könnt. Bald werden unvermutete Gäste an Suffalks Küste landen, oder die Briefe, die ich aus Frankreich erhielt, haben mich betrogen.«

So schieden die Freunde. Fergus kehrte in seinen Edelhof zurück, und Edward mit Callum-Beg, der aus einem Hochschotten sich in den urechten, unterländischen Reitknecht umgewandelt hatte, ritt auf den kleinen Flecken ... zu, unter schmerzlichen, doch nicht bittern Empfindungen, wie sie in das Herz eines verliebten Jünglings einziehen, wenn er unter dem Banne der Ungewißheit hat scheiden müssen.

Die dem Hochschotten angeborne Gefühlstiefe und Höflichkeit im Umgange hatte Callum-Beg verhindert, unsern Helden in seinen Träumereien zu stören. Aber als er jetzt sah, daß sie sich dem Flecken näherten, da ritt er zu ihm heran und meinte, »wenn sie ins Wirtshaus gingen, dann möchte der Herr von Vich-Ian-Vohr ja kein Wort sprechen, die Leute im Dorfe   der Teufel solle sie holen!   seien die grimmigsten Whigs!«

Waverley gab dem klugen Pagen die Versicherung, daß er sich vorsichtig verhalten werde. Ein seltsames Glockengeläut, ähnlich dem Geräusch, das ein frei hängender kupferner Topf von sich gibt, wenn mit einem Hammer dagegen geschlagen wird, veranlaßte Waverley zu der Frage, ob etwa heute Sonntag sei.

»Kanns nicht sagen,« erwiderte Callum-Beg, »wir in den Bergen hören wohl kaum was vom unterländischen Sonntag,«

Aber als sie im Dorfe eine Menge Weiber mit Tartantüchern und roten Mänteln erblickten, da meinte er, »es müsse doch entweder großer Sonntag sein oder kleiner Königssonntag, wie sie im Unterlande den Fasttag nennten.«

Sie hielten im Wirtshause zum »Siebenarmigen Leuchter« Einkehr und wurden dort von dem Wirt, einer langen, magern Puritanerfigur, empfangen, der aber noch unklar mit sich zu sein schien, ob er an solchem Festtag Gästen Unterkunft geben dürfe oder nicht. Als ihm aber eingefallen war, daß er sich ja, wenn er in Buße dafür genommen würde, an den Reisenden schadlos halten könnte, entschloß er sich, ihnen Aufnahme zu gewähren.

Edward fragte Ebenezer Cruikshanks, denn so hieß der Wirt, ob er ihm einen berittnen Führer besorgen könne, der ihm sein Gepäck nach Edinburg schaffen könne.

»Und wo seid Ihr denn her?« fragte der Wirt.

»Ihr wißt, wohin ich will,« beschied ihn Edward, »weiter braucht wohl weder Pferd noch Führer was zu wissen.« »Hm, heut ist Fasttag. Ich weiß nicht, ob es recht ist, sich auf solch fleischliche Handlung einzulassen an solchem Tage, Wo die Menschen demütig und die Abtrünnigen umkehren sollen.«

»Mein Lieber, wenn Ihr nicht Lust habt, mir Pferd und Boten zu besorgen, dann werde ich meinen Diener danach schicken müssen.«

»So? Euren Diener? ... Und warum reitet er denn nicht weiter mit Euch?«

»Ich habe nicht Lust, mit Euch lange herumzuschwatzen,« fuhr ihn Edward an. »Entweder Ihr besorgt mir, was ich haben will oder Ihr tuts nicht. Aber Bescheid will ich haben, denn weiter reisen muß ich heute.«

Ebenezer Cruikshanks verließ mit einem unverständlichen Gemurmel die Gaststube. Darauf erschien die Wirtsfrau, eine höfliche, bescheidene Frau, um zu fragen, was der gnädige Herr zu Mittag befehle. Dann begab sich Callum-Beg in den Hof, um die Pferde zu striegeln.

Der Gastwirt trat zu ihm, und Waverley konnte das folgende Gespräch belauschen, das nun zwischen dem pfiffigen Diener Vich-Ian-Vohrs und dem argwöhnischen Gastwirte stattfand.

»Ihr kommt doch vom Norden, Bursche?« begann der letztere.

»Kann wohl sein,« gab Callum zur Antwort.

»Seid wohl schon ein Stück heut unterwegs?«

»Kann auch sein! so weit wenigstens, daß ich einen derben Schluck ganz gut vertragen kann!«

»Mutter! bring mal die Flasche her!« Der Wirt gab ihm ein Glas voll und fragte dann weiter: »Bessern Branntwein habt Ihr oben in Euern Bergen doch ganz gewiß nicht?«

»Ich bin ja nicht überm Passe zu Hause.«

»Aber Hochländer seid Ihr doch, Eurer Sprache nach!«

»Nein, ich komm direkt von Aberdeen.«

»Und Euer Herr auch?«

»Freilich, von dort bin ich mit ihm ausgeritten,« versetzte kalt der undurchdringliche Callum-Beg.

»Was ists denn für ein Herr?« fragte Ebenezer Cruikshanks wieder.

»Einer von König Georgs hohen Offizieren, glaub ich. Wenigstens will er nach Süden, und tüchtig Geld hat er auch, und räsonniert auch nicht gleich, wenn nicht alles klappt, wie er will.« »So? Boten und Pferd braucht er bis Edinburg?«

»Ja, und Ihr sollts besorgen.«

»Wird aber eine Stange Gold kosten!«

»Danach fragt der viel!«

»Na, gut, Duncan oder Donald ... so war doch wohl Euer Name?«

»Nicht doch, Wirt! Jakob heiß ich ... Jakob Stenson ... habs ja doch schon gesagt!«

Infolge dieser letzten Aeußerung Callum-Begs sah sich der Wirt völlig kalt gestellt. Er befaßte sich nun mit der Berechnung der Kosten, die für Boten und Pferd erwachsen würden, wobei natürlich die Uebertaxe für den Feiertag nicht vergessen wurde. Dann erklärte er Callum-Beg, wenn sein Herr zahlen wolle, was seine Forderung ausmache, wolle er ihn selbst nach Edinburg begleiten.

Mit diesem Bescheide begab sich nun der Hochschotte zu Edward.

Bald darauf erschien die Wirtin mit dem Mittagsgericht und einem guten Trunke. Dann verabschiedete Waverley den klugen Pagen, dessen Falkenauge freudig blitzte, als ihm Edward eine goldne Guinee in die Hand für die geleisteten Dienste drückte; dann trat der lange Patron von Gastwirt mit dem wenig einnehmenden Gesicht herein, in einen weiten Oberrock gehüllt, der die ganze Unterkleidung bedeckte, und mit einer großen Kappe über Kopf und Ohren versehen, während die dünnen Beine in ein paar lange Gamaschen gehüllt waren. In der Hand hielt er die lange, mit Kupfer beschlagene Reitpeitsche.

Mit den Worten: »Eure Pferde stehen fix und fertig!« trat er zu dem Junker und legte ihm die Rechnung für Zeche und Begleitung vor. Waverley staunte über den hohen Betrag, den dieser Dorfwirt aufgesetzt hatte. Da aber alle Aussicht für ihn vorhanden war, bald seiner Gesellschaft ledig zu werden, ersparte er sich jedes Wort und bezahlte die Rechnung auf Heller und Pfennig, bestieg sofort seinen Braunen und brach in Begleitung der wunderlichen Puritanerfigur auf, freilich nichts weniger als bei froher Launen aber doch über den Anblick solches »Sancho Pansa« nicht wenig geneigt, hell aufzulachen. Auch Callum-Beg, der noch unterm Tore stand, schien sich darüber zu amüsieren, denn er zeigte ein Gesicht, aus dem der Hohn aus jedem Winkel blitzte; aber als Waverley an ihm vorbeiritt, lüftete er respektvoll den Hut, trat an den Steigbügel Waverleys heran und sagte:

»Seid auf der Hut, Herr, daß Euch der alte Whigteufel keinen Possen spielt.«

Waverley dankte ihm noch einmal, flüsterte ihm zu, er solle die besten Grüße an Fergus Mac-Ivor und alle andern in Glennaquoich bestellen, dann gings im schnellen Trabe fort, denn er war froh, das Gebrüll der Gassenjugend hinter sich zu bekommen, die sich über Ebenezers lange Beine, die in den Steigbügeln keine Unterkunft finden konnten, lustig machten; und bald war das Dorf mehrere Meilen hinter ihnen.


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