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Der König stellt zu seiner Wehr,
Er kennt Lenorens Hang,
Zu Woodstock ein Gebäude her,
Wie keines noch gelang.
Gar wunderbar ließ er es baun,
Von starkem Holz und Stein.
An Thüren führen, wie zu schaun.
Wohl hundertfunfzig 'nein.
Gewundne Gäng so künstlich sind,
Schlau angelegt mit List,
Daß nur den Ausgang der gewinnt,
Der nicht den Knäul vergißt.
Ballade von Schön-Rosamunde.
Die Sage des Landes, so wie auch einige historische Beweise, bestätigten die Meinung, daß innerhalb des alten königlichen Jagdschlosses zu Woodstock ein Labyrinth oder eine zusammenhängende Folge unterirdischer Gänge gewesen, die vornehmlich Heinrich II. gebauet, um seine Geliebte Rosamunde Clifford gegen die Eifersucht seiner Gemahlin, der berühmten Eleonore, sicher zu stellen. Doktor Rochecliffe war freilich in einem von jenen Anfällen des Widerspruchs-Geistes, der zuweilen Alterthumsforscher ergreift, kühn genug den angeblichen Zweck des verwickelten Labyrinths von Zimmern und Gängen zu bestreiten, womit die Mauern des alten Palastes durchlöchert waren, aber das Factum ließ sich nicht leugnen, daß bei Errichtung des Gebäudes irgend ein normännischer Baukünstler das Aeußerste der verwickelten Kunst angewandt hatte, die diese oft auch anderswo gezeigt haben, geheime Gänge und verborgene Schlupfwinkel anzulegen. Es waren Treppen da, die man, wie es schien, nur hinaufstieg um wieder hinunterzusteigen – Gänge, die nachdem sie sich lange umhergewunden hatten, wieder an den Ort zurückführten, von wo sie ausgegangen waren – Fallthüren, verdeckte Gänge, Schiebfelder und Fallgatter. Ob nun wohl Oliver durch eine Art von Plan unterstützt wurde, den Joseph Tomkins verfertige und ihm überliefert hatte, weil derselbe früher in Doktor Rochecliffe's Dienst genau mit dem Orte bekannt geworden war, so fand sich's doch, daß dieser unzulänglich war, und überdies waren die bedeutendsten Hindernisse bei ihren Fortschritten feste Thüren, Scheidewände und eiserne Gitter, so daß sie im Dunkeln forttappten, ungewiß, ob sie sich nicht mehr von dem Ende des Labyrinths entfernten, als sie demselben nahten. Sie mußten nach Handwerkern mit Schmiedehämmern und andern Werkzeugen schicken, um eine oder zwei Thüren zu erbrechen, die allen andern Mitteln widerstanden, sie zu öffnen. Indem sie sich durch diese dunkeln Gänge durcharbeiteten, wo sie von Zeit zu Zeit fast in dem Staube erstickten, den ihre Gewaltstreiche aufregten, mußten die Soldaten mehr als einmal abgelöst werden, und der breitschultrige Korporal keuchte und ächzte wie ein Delphin, der in seichtes Wasser gerathen ist. Cromwell allein fuhr mit ungemindertem Eifer in seinen Nachforschungen fort – er ermunterte die Soldaten durch die Ermahnungen, die sie am besten verstanden, um sie gegen das Ermatten aus Mangel an Glauben zu schützen – und sicherte durch Schildwachen an gehörigen Orten sich den Besitz des schon erforschten Bodens. Sein scharfes, beobachtendes Auge entdeckte mit einem spottenden Lächeln die Seile und Maschinerie, wodurch das Bett des armen Desborough umgekehrt worden war, so wie auch einige Ueberbleibsel der verschiedenen Kleidungen und heimlichen Ausgänge, durch welche Desborough, Harrison und Bletson früher betrogen worden waren. Er zeigte sie Pearson ohne andern Commentar, als den Ausruf: »die einfältigen Narren!«
Aber seine Gehülfen fingen an, den Muth zu verlieren, und es bedurfte seines ganzen Feuereifers, um ihn rege zu erhalten. Er machte sie aufmerksam auf Stimmen, die sie vor sich zu hören glaubten, und führte dies als Beweis an, daß sie der Spur eines Feindes der Republik, folgten, der zur Ausführung seiner übelwollenden Pläne sich in diese außerordentliche Festung zurückgezogen hätte.
Der Muth der Leute sank endlich ganz, ungeachtet aller dieser Aufmunterungen. Sie flüsterten einander von den Teufeln zu Woodstock zu, die sie in ein Zimmer locken könnten, das in dem Palaste seyn sollte, dessen Fußboden sich um eine Axe drehte, und Alle diejenigen, die hineinträten, in einen bodenlosen Abgrund stürzte. Humgudgeon gab zu verstehen, er habe den Morgen die heilige Schrift aufgeschlagen, und er sey zufällig auf den Spruch gestoßen: »Eutichus fiel vom dritten Stock herab.« Cromwell's Nachdruck und Ansehen jedoch, nebst Erfrischungen an Nahrung und Branntwein, söhnten sie mit einer Fortsetzung ihres Geschäfts wieder aus.
Ungeachtet ihrer unermüdeten Anstrengungen dämmerte schon der Morgen, ehe sie nur Doktor Rochecliffe's Wohnzimmer erreichten, wohin sie auf einem viel beschwerlicheren Wege gelangten, als der, dessen sich der Doktor selbst bediente. Aber hier wollte ihr Scharfsinn ihnen lange nichts helfen. Aus den mannichfachen Artikeln, die umher lagen, und den dort getroffenen Vorkehrungen zu Nahrung und Wohnung, schien es, als hätten sie die Citadelle des Labyrinths erreicht; denn obwohl verschiedene Gänge von da ausgingen, so führten sie doch Alle an Orte, die ihnen schon bekannt waren, oder standen mit andern Theilen des Hauses in Verbindung, wo ihre Schildwachen versicherten, daß nichts durchgegangen sey. Cromwell blieb lange in großer Ungewißheit. Unterdes befahl er Pearson, sich der Ziffern und wichtigern Papiere zu bemächtigen, die auf dem Tische lagen. »Es ist indeß wenig darunter, sagte er, »das ich nicht schon durch den getreuen Tomkins gekannt hätte. – Der ehrliche Joseph – ein geschickterer und vollkommnerer Geschäftsführer war doch in ganz England nicht zu finden.«
Nach einer beträchtlichen Pause, in der er mit seinem Degengriff fast jeden Stein im Gebäude und jedes Bret im Fußboden untersuchte, gab der General Befehl, den alten Ritter und Doktor Rochecliffe hinzubringen, indem er hoffte, einige Erklärung über die Geheimnisse des Zimmers herauszupressen.
»Geruhen Ew. Excellenz, wenn Sie mich wollten mit ihnen umspringen lassen,« sagte Pearson, der ein abgehärteter Kriegsmann und Freibeuter in Westindien gewesen war; »ich denke, wenn ich ihnen einen Strick um die Stirn binden, und mit einem Pistolengriffe festdrehen ließe, da sollte ihnen schon die Wahrheit von den Lippen, oder die Augen aus dem Kopfe fahren.«
»Je pfui, Pearson,« sagte Cromwell mit Abscheu, »zu einer solchen Grausamkeit sind wir weder als Engländer noch als Christen berechtigt. Wir können die Uebelwollenden erschlagen, so wie wir schädliche Thiere zertreten; aber sie zu quälen, ist eine Todsünde; denn es steht geschrieben: »er schuf sie, um das Erbarmen derer zu erregen, die sie gefangen wegführten.« Ja ich, nehme sogar den Befehl zu ihrem Verhör zurück, indem ich darauf baue, es wird uns Weisheit gewährt werden, ihre geheimsten Listen zu entdecken. «
Es folgte demnach eine Pause, während welcher sich ein Gedanke Cromwell's Phantasie bemächtigte. – »Bringt mir,« sagte er, »den Stuhl dorther;« und indem er ihn unter einen der Fenster stellte, von denen ihrer zwei so hoch in der Mauer waren, daß man vom Fußboden aus nicht dazu konnte, kletterte er auf die Fenstermauer hinauf, die sechs oder sieben Fuß tief war, ganz wie die Dicke der Mauer selbst. »Komm hier herauf, Pearson, sagte der General, »aber ehe Du kommst, verdoppele die Wache am Fuß des Thurmes, der den Namen der Liebesleiter führt, und laß die andere Petarde heraufbringen. – So, nun komm hierher.«
Der Offizier war, wie tapfer er auch immer im Felde seyn mochte, einer von denen, die auf einer großen Höhe leicht schwindlich werden. Er schauderte beim Anblick des Abgrundes zurück, auf dessen Rande Cromwell mit völliger Gleichgültigkeit stand, bis der General die Hand seines Anhängers ergreifend, ihn so weit zog, als er ihn haben wollte. »Ich glaube,« sagte er, »ich habe den Faden gefunden, aber bei diesem Lichte, es ist kein leichter! Siehst Du, wir stehen in dem Portal, nahe an der Spitze von Rosamundens Thurm, und jener Thurm, der sich unsern Füßen gegenüber erhebt, ist der, der den Namen Liebesleiter führt, von wo die Zugbrücke herüber reichte, die den ausschweifenden normannischen Tyrannen in das Gemach seiner Geliebten hinüberführte.«
»Wohl wahr, Mylord, aber die Zugbrücke ist fort,« sagte Pearson.
»Ja, Pearson,« erwiederte der General; »aber ein kräftiger Mann kann von der Stelle, wo wir stehen, auf die Zinnen jenes Thurms hinüberspringen.«
»Das glaube ich nicht, Mylord,« sagte Pearson.
»Was!« sagte Cromwell; »auch nicht wenn der Nachrichter hinter Dir her stände, mit seiner Mordwaffe in der Hand?«
»Todesfurcht vermag viel,« antwortete Pearson, »aber wenn ich auf die jähe Tiefe auf beiden Seiten hinunter sehe, und den leeren Abgrund zwischen uns und jenem Thurm, der doch, da wollt ich darauf wetten, zwölf Fuß entfernt ist, ich gestehe Ihnen offenherzig, nichts als die größte Lebensgefahr sollte mich zu den Versuch bringen. – Hu! – der bloße Gedanke macht mich schwindlicht. – Ich zittere, wenn ich Ew. Hoheit so da stehen sehe, und sich bewegen, als wollten Sie eben einen Sprung in die leere Luft thun. Ich wiederhole es Ihnen, ich möchte kaum, und wenn ich mein Leben dadurch erretten könnte, so nahe am Rande stehen, wie Ew. Hoheit.«
»Ha! niedriger, entarteter Geist!« sagte der General, »Seele aus Schlamm und Thon gebildet, wolltest Du es nicht und mehr als dies, um den Besitz der Herrschaft – das heißt,« fuhr er fort, indem er auf einmal den Ton veränderte, wie einer der zuviel gesagt hat, »wenn Du berufen wärest das zu thun, damit Du dadurch ein großer Mann in Israel würdest, und Jerusalem aus der Gefangenschaft befreien könntest – ja, und vielleicht irgend ein großes Werk für das betrübte Volk dieses Landes zu Stande bringen?«
»Ew. Hoheit mag vielleicht einen solchen Beruf fühlen,« sagte der Offizier, »aber für den armen Gilbert Pearson, Ihren treuen Anhänger, ist das nichts. Sie verspotteten mich gestern, als ich Ihre Sprache zu sprechen versuchte, und ich bin so wenig fähig. Ihre Absichten auszuführen, als Ihre Art zu sprechen mir anzueignen.«
»Aber Pearson,« sagte Cromwell, »Du hast mich ja drei oder viermal Ew. Hoheit genannt.«
»That ich das, Mylord? das wußte ich nicht. Ich bitte um Verzeihung,« sagte der Offizier.
»Ei,« sagte Oliver, »das war keine Beleidigung. Ich stehe freilich hoch, und kann vielleicht noch höher steigen – obwohl es für eine einfältige Seele wie ich, passender wäre, zu meinem Pfluge und meiner Landwirthschaft zurückzukehren. Demungeachtet will ich nicht ankämpfen gegen den höchsten Willen, wenn ich berufen seyn sollte, noch mehr in dieser würdigen Sache zu thun. Denn ganz gewiß der, welcher dem brittischen Israel ein helfender Schild und ein vortreffliches Schwert gewesen ist, und seine Feinde ringsumher zu Lügnern machte, wird nicht die Heerde jenen thörigten Schäfern von Westminster übergeben, welche die Schafe scheeren und nicht füttern, und wahrhafte Miethlinge, nicht aber Hirten sind.«
»Ich hoffe zu sehen, wie Ew. Gnaden sie Alle die Treppen hinunterwerfen werden,« sagte Pearson. »Aber darf ich fragen, warum wir eben jetzt dieses Gespräch halten, ehe wir uns des gemeinsamen Feindes bemächtigt haben?«
»Ich will nicht einen Augenblick mehr zögern« – sagte der General. »Umstelle die Communication der Liebesleiter, wie sie genannt wird, unten; denn ich halte es für fast gewiß, daß der, den wir während der Nacht von Festung zu Festung getrieben haben, endlich auf die Spitze jener Zinne hinaufgesprungen ist, von da, wo wir jetzt stehen. Da er aber den Thurm unten besetzt findet, so ist der Ort, den er zu seiner Sicherheit gewählt hat, eine Mäusefalle, aus der keine Rückkehr möglich ist.«
»In diesem Schranke steht ein Faß Schießpulver,« sagte Pearson, »wäre es nicht besser, Mylord, wir unterminirten den Thurm, wenn er sich nicht ergeben will, und schickten das ganze Gebäude mit dem, was es enthält, ein hundert Fuß in die Luft?«
»Ei, Du närrischer Mensch,« sagte Cromwell, ihn vertraulich auf die Schulter klopfend, »hättest Du das gethan, ohne mir's zu sagen, es wäre ein guter Dienst gewesen. Aber wir wollen ihn erst auffordern und dann sehen, ob die Petarde uns durchhilft – es ist am Ende auch unterminirt. – Blaßt einmal zur Aufforderung, Ihr da unten! «
Die Trompeten ertönten auf sein Geheiß, so daß die alten Mauern aus jedem Winkel und gewölbten Bogen wiederhallten. Cromwell zog sich zurück, als wenn ihm eben nichts daran läge, den zu Gesicht zu bekommen, den er erwartete, wie ein Geisterbeschwörer sich vor dem Gespenste fürchtet, das er aufgerufen hat.
»Er ist auf die Zinne gekommen,« rief Pearson seinem Generale zu.
»In welcher Kleidung?« fragte Cromwell aus der Mitte des Zimmers.
»Ein graues Reisekleid, mit Silber besetzt, bräunliche Stiefeln, einen ausgeschnittenen Kragen, einen grauen Hut mit einem Federbusch und schwarzes Haar.«
»Er ist's,« sagte Cromwell, »und eine abermalige krönende Gnade ist uns gewährt.«
Unterdeß wechselten Pearson und der junge Lee Reden auf ihren Posten.
»Ergebt Euch,« sagte der Erste, »oder wir sprengen Euch mit Eurer Festung in die Luft!«
»Ich stamme von einem zu hohen Geschlechte, um mich Rebellen zu ergeben,« sagte Albert, wobei er das Wesen annahm, womit in einer solchen Lage ein König gesprochen haben möchte.
»Ich nehme Euch zu Zeugen,« rief Cromwell frohlockend, »daß er Quartier verweigert hat. Sein Blut komme denn über sein Haupt. – Bringe Einer das Faß Schießpulver hinunter. Da er gern hoch schwebt, wollen wir das hinzufügen, was die Patrontaschen der Soldaten dazu liefern können, – Komm mit mir, Pearson, Du verstehst diese Sache. – Korporal Humgudgeon, stehe Du fest auf der Plattform der Fenstermauer, wo Kapitain Pearson und ich eben jetzt standen, und halte Deine Partisane jedem entgegen, der es versucht, durchzukommen. Du bist so stark wie ein Stier, und ich will Dich unterstützen, um selbst der Verzweiflung die Spitze zu bieten.«
»Aber,« sagte der Korporal, der ungern hinaufstieg, »die Stelle ist wie die Zinne des Tempels, und es steht geschrieben, daß Eutichus vom dritten Stock herabfiel und todt aufgehoben wurde.«
»Weil er auf seinem Posten schlief,« antwortete Cromwell sogleich. »Hüte Du Dich nur vor Sorglosigkeit, so werden auch Deine Füße vor dem Stolpern sicher seyn. – Ihr vier Soldaten bleibt hier, um den Korporal zu unterstützen, wenn es nöthig ist, und zieht Euch nebst dem Korporal, so wie die Trompete zum Rückzug bläst, in den gewölbten Gang zurück. Der ist so stark wie eine Casematte, und Ihr könnt dort ganz sicher vor den Wirkungen der Mine liegen. Du, Zerobabel Robins, das weiß ich, wirst ihr Gefreiter seyn.«
Robins verneigte sich, und der General ging zu denen, die draußen waren.
Als er die Thür der Halle erreichte, hörte man die Petarde losgehen, und er sah, daß es gelungen war; denn die Soldaten stürzten, Schwerter und Pistolen schwingend, zum Pförtchen des Thurmes hinein, das glücklich gesprengt worden war. Eine frohlockende Empfindung, doch mit einigem Entsetzen vermischt, durchzitterte die Adern des ehrgeizigen Kriegers.
»Jetzt,« rief er, »jetzt sind sie mit ihm im Handgemenge.«
Seine Erwartungen wurden getäuscht. Pearson und die Andern kehrten mit fehlgeschlagener Hoffnung zurück, und berichteten, sie wären durch eine starke Fallthür von eisernen Stäben über der engen Treppe gehindert worden, und hätten gesehen, daß noch etwa zehn Fuß höher ein ähnliches Hinderniß sey. Diese mit Gewalt zu sprengen, indeß ein verzweifelter und wohlbewaffneter Mann den Vortheil hatte, höher als sie zu stehen, konnte manches Leben kosten und, »es ist,« sagte der General, »unsere Pflicht sparsam mit diesem umzugehen. Was räthst Du mir, Gilbert Pearson? «
»Wir müssen das Pulver anwenden, Mylord,« antwortete Pearson, der wohl sah, daß sein Herr das ganze Verdienst des Verfahrens ihm überlassen wollte. –
»Es kann leicht eine Kammer unter der Treppe angelegt werden. Wie haben zum Glück auch eine Pulverwurst, um den Gang zu bilden – und so –«
»Ja, ja,« sagte Cromwell, »ich weiß, Gilbert, Du verstehst mit so etwas umzugehen. – Aber, Gilbert, ich gehe, die Posten zu visitiren, und ihnen Befehl zu geben, sich in Sicherheit zu setzen, sobald zum Rückzug geblasen wird. Du mußt ihnen fünf Minuten dazu gestatten.«
»Drei sind genug für Alle die Schelme,« sagte Pearson. »Sie müßten ja wahrhaftig lahm seyn, wenn sie mehr zu diesem Geschäft brauchten – ich verlange nur Eine, ob ich gleich selber anzünde.«
»Gieb Acht,« sagte Cromwell, »daß Du auf die arme Seele hörst, wenn er Quartier verlangt. Es kann seyn, daß ihn seine Hartherzigkeit noch reut, und daß er um Erbarmen bittet.«
»Und Erbarmen soll er haben« – antwortete Pearson, »wenn er nämlich laut genug ruft, daß ich ihn hören kann. Denn der Knall der verdammten Petarde hat mich so taub gemacht, wie des Teufels Großmutter.»
»Still, Gilbert, still,« sagte Cromwell, »Du beleidigst mit Deiner Sprache.«
»Sapperment, Herr! ich muß entweder auf Ihre Weise sprechen oder auf meine eigne, wenn ich nicht eben so gut stumm seyn soll als taub. – Fort mit Ihnen, Mylord, daß Sie die Posten visitiren; Sie werden mich bald etwas Geräusch in der Welt machen hören.«
Cromwell lächelte freundlich über den Ungestüm seines Adjutanten, klopfte ihm auf die Schulter, nannte ihn einen ungestümen Burschen, ging dann noch einige Schritte und kehrte wieder um, um ihm zuzuflüstern: »was Du thust, thue schnell;« dann wandte er sich zum äußeren Kreis der Wache, und sah sich von Zeit zu Zeit wieder um, als wollte er sich überzeugen, daß der Korporal, dem er diesen Auftrag gegeben hatte, mit seiner vorgehaltenen Waffe über dem furchtbaren Abgrund zwischen Rosamundens Thurme und dem daneben stehenden Wache hielt. Als der General ihn auf seinem Posten stehen sah, murmelte er zwischen seinen Knebelbart: »Der Kerl ist so stark und muthig wie ein Bär, und das ist ein Posten, wo Einer mehr zurückhalten kann, als ihrer Hundert Bahn machen könnten.«
Er warf einen letzten Blick auf die Riesengestalt, die auf jenen hohen Posten, wie eine gothische Bildsäule, die Waffe halb gegen den gegenüberliegenden Thurm gerichtet, da stand, indeß das Ende sich auf den rechten Fuß stützte, und seine Blechhaube und sein blanker Panzer in der aufgehenden Sonne schimmerten.
Nun ging Cromwell weiter, um die nöthigen Befehle zu geben, damit diejenigen Schildwachen, die auf ihrem gegenwärtigen Posten durch die Wirkung der Mine in Gefahr gerathen könnten, sich auf den Ton der Trompete an die Orte hinbegeben möchten, die er ihnen anwies. Bei keiner Gelegenheit seines Lebens zeigte er mehr Ruhe und Geistesgegenwart. Er war freundlich, ja sogar spaßhaft mit den Soldaten, die ihn anbeteten, und doch glich er einem Vulkan, ehe der Ausbruch beginnt, von außen Alles ruhig und friedlich, indeß hundert widersprechende Leidenschaften seinen Busen durchtobten.
Während dem blieb Korporal Humgudgeon auf seinem Posten stehen; indeß, ob er gleich ein so entschlossener Soldat war, wie nur je einer unter dem gefürchteten Regiment der Eisenseiten kämpfte, und nicht wenig von dem hohen Fanatismus besaß, der den natürlichen Muth jener ernsten Religionsschwärmer noch mehr anreizte, so fühlte doch der Veteran, daß seine jetzige Lage sehr unbequem sey. Dicht vor ihm erhob sich ein Thurm, der in Trümmern in die Luft gesprengt werden sollte, und er baute nicht sehr auf die Zeit, die ihm gestattet werden dürfte, aus einer so gefährlichen Nähe zu entkommen. Die Pflicht einer beständigen Wachsamkeit auf seinem Posten, wurde durch dies natürliche Gefühl getheilt, das ihn vermochte, seine Blicke von Zeit zu Zeit auf die Minirer hinunterzurichten, statt sie auf den entgegengesetzten Thurm zu heften.
Endlich stieg das Interesse der Scene auf's Aeußerste. Nachdem Pearson in dem Thurme aus- und eingegangen, und in Zeit von zwanzig Minuten mehr als einmal wieder herausgekommen war, trat er abermals, und, wie man vermuthen konnte, zum Letztenmal heraus, denn er hatte die Pulverwurst oder den leinenen Beutel in der Hand und wickelte ihn los, der stark zusammengenäht und mit Schießpulver angefüllt, als ein Leiter zwischen der zu sprengenden Mine und dem Punkte dienen sollte, von wo aus der Ingenieur sie anzündete. Er war eben damit beschäftigt es völlig einzurichten, als die Aufmerksamkeit des Korporals auf dem Thurme unwiderstehlich und ausschließlich auf die Vorbereitungen zum Anzünden gefesselt wurde. Aber während er auf den Adjutanten Acht gab, der sein Pistol zog um Feuer zu geben, und auf den Trompeter, der sein Instrument bereit hielt, als warte er auf den Befehl, um zum Rückzug zu blasen, erreichte das Schicksal die unglückliche Schildwache auf eine Weise, wie er es am wenigsten erwartete.
Der junge, kühne und kräftige Albert Lee, der seine völlige Geistesgegenwart besaß, und von den Wachtlöchern aus ein aufmerksamer Beobachter aller Maaßregeln gewesen war, die seine Belagerer ergriffen, beschloß eine verzweifelte Anstrengung zu seiner Selbsterhaltung zu wagen. Während der Kopf der Schildwache auf der gegenüberliegenden Plattform von ihm weg und unterwärts gekehrt war, sprang er plötzlich über den Abgrund, obwohl der Raum, auf den er hinsprang, kaum breit genug für zwei Menschen war, warf den überraschten Soldaten von seinem unsicheren Standorte, und sprang selbst hinab in das Zimmer. Der riesenhafte Reiter fiel zwanzig Fuß gerade hinunter, stieß dann gegen eine vorragende Zinne, von der er zurückprallte, und fiel nun mit so furchtbarer Gewalt auf die Erde, daß der Kopf, der zuerst den Boden berührte, ein sechs Zoll tiefes Loch in die Erde schlug, und wie eine Eierschale zerschmettert wurde. Kaum wissend, was geschehen war, und doch erschreckt und verwirrt über den Fall dieses schweren Körpers, der nicht weit von ihm herabstürzte, feuerte Pearson seine Pistole ab, ehe der Trompeter zum Rückzug blies. Das Pulver fing Feuer und die Mine ging los. Wäre sie stark mit Pulver geladen gewesen, so hätten viele von den Draußenstehenden darunter leiden müssen, aber der Knall war nur stark genug, um in einer Seitenrichtung einen Theil der Mauer gerade über dem Fundament hinauszusprengen, was jedoch hinreichend war, um das Gleichgewicht des Gebäudes zu zerstören. Dann sahe man mitten unter einer Dampfwolke, die nach und nach begann, den Thurm wie ein Leichentuch zu umhüllen, und sich langsam von der Basis bis zu seinem Gipfel erhob, wie er schwankte und erschüttert wurde, wer nämlich Muth hatte, einen so fürchterlichen Anblick mit festem Auge zu betrachten. Langsam neigte sich Anfangs das Gebäude auswärts, dann stürzte es rasch zur Basis hinab, und fiel in ungeheuren Trümmern zu Boden, indem die Gewalt, mit der es widerstand, die feste Mauerarbeit anzeigte. Der Ingenieur war, sobald er die Mine angezündet hatte, in solcher Unruhe davon gelaufen, daß er fast an den General anstieß, der auf ihn zukam, indeß ein ungeheurer Stein vom Gipfel des Gebäudes, der weiter als die übrigen flog, nur einen Schritt von ihnen niederfiel.
»Du hast Dich übereilt, Pearson,« sagte Cromwell, mit der größtmöglichsten Fassung. – »Ist Niemand von dem Thurme von Siloe gefallen?«
»Jemand fiel,« sagte Pearson, noch immer in großer Bewegung, »und dort liegt sein Körper halb begraben im Schutt.«
Mit schnellem und entschlossenem Schritt nahte Cromwell der Stelle; »Pearson, Du hast mich zu Grunde gerichtet! – Der junge Mann ist entkommen. – Das ist unsere eigene Schildwacht. – Fluch über den Tölpel! Mag er unter den Trümmern verwesen, die ihn zerschmetterten.«
Ein Geschrei ertönte nun von der Plattform aus Rosamundens Thurm, der jetzt noch höher schien als zuvor, weil der daranstoßende Thurm fehlte, der mit ihm wetteiferte, ob er gleich seine Höhe nicht erreichte. –
»Ein Gefangener, edler General – ein Gefangener – der Fuchs, den wir die ganze Nacht gejagt haben, ist jetzt in der Schlinge. – Der Herr hat ihn in die Hand seiner Diener gegeben.«
»Seht zu, daß Ihr ihn in sicherem Gewahrsam behaltet,« rief Cromwell, »und bringt ihn gleich hinunter in das Zimmer, wo die geheimen Wege ihren Haupteingang haben.«
»Ew. Excellenz Befehl soll befolgt werden.« –
Albert Lee, auf den diese Ausrufungen Bezug hatten, war unglücklich in seinen Bemühungen gewesen. Er hatte, wie wir erzählt haben, den ihm entgegengestellten riesenstarken Soldaten von der Plattform hinuntergeworfen, und war in Rochecliffe's Zimmer gesprungen. Aber die dort stehenden Soldaten stürzten über ihn her, und nach einem Kampfe, der gegen eine so überlegene Zahl ohne Hoffnung fortgesetzt wurde, hatten sie den jungen Cavalier zu Boden geworfen, wobei zwei, die er im fürchterlichen Ringen mit hinunterriß, über ihn fielen. In demselben Augenblick hörte man einen heftigen Knall, der wie ein Donnerschlag in unmittelbarer Nähe Alle umher erschütterte, bis der starke, feste Thurm, wie der Mast eines stattlichen Schiffes schwankte, wenn es eben vom Stapel läuft. Wenige Sekunden später folgte hierauf ein anderer, düsterer Ton, erst tief und hohl, dann wachsend wie das Brüllen eines Wasserfalls, wenn er wirbelnd und rauschend hinabstürzt, als wollte er Himmel und Erde erschrecken. So furchtbar klang in der That der benachbarte Thurm, als er fiel, daß sowohl der Gefangene als die, die mit ihm rangen, sich eine oder zwei Minuten ganz still verhielten.
Albert war der Erste, der Bewußtseyn und Thätigkeit wieder erlangte; er schüttelte die ab, die über ihm lagen, und machte einen verzweifelten Versuch sich wieder aufzurichten, was ihm zum Theil gelang. Da er aber mit Männern zu thun hatte, die an jede Art der Gefahren gewöhnt waren, und deren Kraft fast eben so schnell wiederkehrte als seine eigene, so wurde er völlig überwältigt und seine Arme festgehalten. Der Rolle treu, die er übernommen, und entschlossen sie bis aufs Aeußerste zu behaupten, rief er aus, als er endlich überwältigt war: »Rebellische Buben wollt Ihr Euren König erschlagen?«
»Ha, hört Ihr das!« rief einer der Soldaten dem Gefreiten zu, der die Parthei kommandirte. »Soll ich nicht diesen Sohn eines gottlosen Vaters unter der fünften Ribbe durchstechen, wie der Tyrann Moabs von Ehud mit einem ellenlangen Dolche getroffen wurde?«
Aber Robins antwortete: »Fern sey es von uns, Merciful Strickalthrow, bei kaltem Blute den Gefangenen unseres Bogens und unsers Speers zu erschlagen. Mich dünkt, wir haben seit der Erstürmung von Tredagh Tredagh oder Droghedah wurde 1649 von Cromwell durch Sturm eingenommen, und der Gouverneur und die ganze Garnison mußten über die Klinge springen. Blut genug vergossen. – Daher, wenn Euch Euer Leben lieb ist, so thut ihm nichts zu leide, sondern nehmt ihm seine Waffen ab, und laßt uns ihn vor das erwählte Werkzeug, unsern General, bringen, damit der mit ihm verfahre, wie es vor seinen Augen als recht erscheint.«
Unterdeß kehrte der Soldat, der zuerst frohlockend hingegangen war, Cromwell'n die Nachricht von den Zinnen aus zu geben, zurück, und brachte Befehle, die mit denen ihres jetzigen Befehlshabers übereinstimmten, und Albert Lee wurde entwaffnet und gebunden, als ein Gefangener in das Zimmer geführt, das seinen Namen von den Siegen seines Ahnherrn hatte, und dort vor General Cromwell gestellt.
Indem er die Zeit überdachte, die seit Karls Abreise verflossen war, bis die Belagerung, wenn wir sie so nennen wollen, mit seiner eignen Gefangennehmung ein Ende erreicht hatte, konnte Albert auf jede Weise hoffen, daß sein königlicher Herr Zeit gehabt haben müßte, zu entkommen. Doch beschloß er einen Betrug, der des Königs Sicherheit noch auf längere Zeit verbürgte, bis auf's Aeußerste beizubehalten. Der Unterschied zwischen ihnen könne, meinte er, nicht sogleich entdeckt werden, da er von Staub und Rauch besudelt war, so wie auch von dem Blute, das einigen Schmarren entfloß, die er beim Ringen erhalten hatte.
In diesem schlimmen Zustande, doch mit einer Würde sich benehmend, wie sie der Fürstenrolle gebührte, wurde Albert in Viktor Lee's Zimmer geführt, wo in seines Vaters eigenem Lehnstuhl der triumphirende Feind der Sache saß, der das Haus Lee von Alters her treu gewesen war.