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Cassio.
Feindselig war fürwahr der Stoß gemeint,
doch schützt der Rock mich besser, als Du glaubst.
Othello.
In der dunkeln Oktobernacht, die auf den Tag folgte in welchem Tomkins erschlagen wurde, hatte Oberst Everard, außer seinem beständigen Begleiter, Roger Wildrake, Herrn Nehemias Holdenough als Gast bei sich zum Abendessen. Als der Abendsegen nach der Weise der Presbyterianer gesprochen war, wurde ein kleines Abendbrod und eine doppelte Quartflasche Sekt um neun Uhr, einer ungewöhnlich späten Stunde, seinen Freunden vorgesetzt. Herr Holdenough ließ sich bald in ein polemisches Gespräch gegen Sektirer und Independenten ein, ohne zu merken, daß seine Beredtsamkeit nicht sehr anziehend für seinen Hauptzuhörer war, dessen Gedanken sich indeß nach Woodstock und Allem, was es enthielt, immer wieder hinwandten – nach dem dort verborgenen Prinzen – seinem Oheim – vor Allem Alexia Lee. Was Wildrake betrifft, nachdem er sowohl über Sektirer als Presbyterianer im Geist einen Fluch ausgesprochen, indem sie seiner Meinung nach, wie zwei Fässer Heringe, eins nicht besser als das andere wären, so streckte er sich aus, und würde sich wahrscheinlich zur Ruhe angeschickt haben, wenn nicht bei ihm sowohl, als seinem Patrone die Gedanken den Schlaf verscheucht hätten.
Der Gesellschaft wartete ein kleiner Junge auf, der einem Zigeuner glich, in einem sehr verblichenen gelb und braunen Wams, mit blauen Tressen besetzt. Der Bursch sah aus, als sey er im Wuchse etwas zurückgeblieben, war aber dabei gewandt, sowohl an Geist als Körper, wie es seine lebhaften schwarzen Augen zu versprechen schienen. Es war ein Aufwärter von Wildrake's Wahl, der ihm den Kriegsnamen Sprühfeuer ertheilt, und ihm Beförderung versprochen hatte, sobald sein junger Schützling Breakfast groß genug sey, ihm in seinem jetzigen Amte zu folgen. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß die Wirthschaft ganz auf Kosten Oberst Everard's erhalten wurde, der Wildrake'n gestattete, die Haushaltung so ziemlich nach seinem Belieben einzurichten. Der Page unterließ nicht, indem er der Gesellschaft von Zeit zu Zeit Wein einschenkte, Wildrake'n wenigstens zweimal so oft Gelegenheit zu geben, sich zu erquicken, als er es bei dem Obersten und seinem verehrten Gaste für nöthig hielt.
Während sie so beschäftigt waren, der gute Geistliche in seinen eigenen Argumenten, die Hörer in ihren Privatgedanken verloren, wurde ungefähr um halb zehn Uhr ihre Aufmerksamkeit durch ein Pochen an der Hausthür erregt. Einem ängstlichen Herzen kann auch eine Kleinigkeit Ursach zur Besorgnis geben.
Selbst etwas so Einfaches, wie ein Pochen an der Thür, kann einen Charakter haben, der Besorgniß erregt. Es war kein ruhiges leises Pochen, das einen bescheidenen Besuch andeutete, kein verdoppeltes Rasseln, wie die prunkende Anmeldung eines eiteln Menschen, noch glich es der förmlichen Aufforderung zu förmlichem Geschäft, noch auch dem frohen Besuche eines willkommenen Freundes. Es war ein einziger Schlag, der feierlich und ernst, wo nicht gar drohend klang. Die Thür wurde von Einem im Hause geöffnet, ein schwerer Fuß schritt die Treppe herauf – ein kräftiger Mann trat ins Zimmer, zog den Mantel von seinem Gesicht und sagte: »Markham Everard, ich grüße Dich im Namen Gottes!«
Es war General Cromwell.
Everard, unversehens überrascht, versuchte umsonst Worte zu finden, sein Erstaunen auszudrücken. Es entstand einige Bewegung, während er dem General half, den Mantel abzulegen, und ihn, obwohl ohne Worte, höflich willkommen zu heißen. Der General sah mit scharfem Blick im Zimmer umher, wandte ihn dann auf den Geistlichen und sagte zu Everarden:
»Ein ehrwürdiger Mann ist bei Dir, sehe ich. Du bist Keiner von denen, guter Markham, welche die Zeit unbemerkt und unbenutzt vorüberlassen. – Die Dinge dieser Welt abstreifend – vorwärts eilend zu denen der künftigen – können wir, indem wir so unsre Zeit in diesem armen Wohnsitze irdischer Sünde und Sorge benutzen, gewissermaßen – Aber was ist das?« – fuhr er fort, indem er auf einmal den Ton veränderte, und kurz, scharf und ängstlich sprach – »Einer hat das Zimmer verlassen, seit ich eingetreten bin.«
Wildrake war allerdings eine oder ein Paar Minuten abwesend gewesen, war indes jetzt zurückgekehrt und trat aus einer Fenstervertiefung vor, als wäre er nur abseits, nicht aber aus dem Zimmer gegangen. »Nicht doch, Herr, ich stand nur aus Ehrfurcht im Hintergrunde. Ich hoffe doch, edler General, es steht Alles wohl im Staate, da Ew. Excellenz uns einen so späten Besucher erweisen? – Befehlen Ew. Excellenz nicht etwas« –
»Aha!« sagte Olivier ernst und ihn starr ins Auge fassend – »unser zuverlässiger Zwischenträger – unser treuer Vertrauter – nein, Herr; für jetzt wünsche ich nichts als einen freundlichen Empfang, mit dem sie, wie mich dünkt, mein Freund Markham Everard nicht eben übereilt.«
»Sie können des Willkommens gewiß seyn, Mylord,« sagte Everard, sich zum Sprechen zwingend. – »Ich hoffe jedoch, es wird keine schlimme Nachricht seyn, die Ew. Excellenz so spät noch in Bewegung setzte, und frage, wie mein Sekretär, was ich für Erfrischungen bestellen soll.«
»Mit dem Staate steht es wohl, Oberst Everard,« sagte der General; »obwohl es besser mit ihm stehen würde, wenn manche seiner Glieder, die bisher gemeinsam wirkten und Mittheiler guten Rathes und -Beförderer des öffentlichen Wohles waren, nicht jetzt kalt in ihrer Liebe und Neigung für die gute Sache geworden wären, für die wir, in unsern verschiedenen Verhältnissen, stets bereit seyn sollten, zu wirken und, sobald wir aufgefordert werden, unserm Berufe gemäß zu handeln, und zwar weder übereilt noch überträge, weder lauwarm noch überheftig, sondern in solcher Gemüthsverfassung und Stimmung, in welcher Eifer und christliche Liebe sich gewissermaßen auf unsern Straßen begegnen und küssen könnten. Jedoch weil wir rückwärts schauen, nachdem wir unsre Hand an den Pflug gelegt haben, darum ist unsre Kraft erlahmt.«
»Verzeihen Sie, Herr,« sagte Nehemias Holdenough, der mit einiger Ungeduld zuhörend, zu begreifen anfing, in wessen Gegenwart er sich befände. – »Verzeihen Sie, denn hierüber habe ich ein Recht zu sprechen.«
»Ja, ja!« sagte Cromwell. »Allerdings, würdigster Herr, wir betrüben den Geist, wenn wir diese Ergießungen hindern, welche gleich Wasser aus einem Felsen « –
»Nein, hierin weiche ich von Ihnen ab, Herr,« sagte Holdenough; »denn so wie der Mund da ist, um die Nahrung weiter zu befördern, und der Magen um zu verdauen, – was der Himmel gesandt hat; so ist der Prediger angewiesen zu lehren, und das Volk zu hören – der Schäfer, um die Heerde in die Hürde zu sammeln, die Schafe, um von der Pflege des Hirten Vortheil zu ziehen.«
»Ei! mein würdiger Herr,« sagte Cromwell mit vieler Salbung – »mich dünkt, Sie kommen da so ziemlich dem großen Irrthume nahe, der voraussetzt, daß Kirchen große Häuser, von Maurern erbaut, sind, und die Zuhörer Menschen – reiche Menschen, welche Zehenten bezahlen, die Größeren sowohl als die Kleineren; und daß die Priester, Leute in schwarzen Röcken oder grauen Mänteln, die dasselbe empfangen, zum Lohne die einzigen Vertheiler der christlichen Segnungen wären. – Dahingegen, meiner Meinung nach, mehr christliche Freiheit darin liegt, es der Wahl der hungrigen Seelen zu überlassen, ihre Erbauung da zu suchen, wo sie dieselbe finden können, es mag nun aus dem Munde eines Laienpriesters seyn, der sein Recht vom Himmel allein hat, oder von denen ertheilt werden, die in Synoden, und Universitäten, was höchstens nur Verbindungen armer, sündiger Menschen, wie sie selbst sind, ordinirt und graduirt wurden.«
»Sie wissen nicht, was Sie sprechen, Herr,« erwiederte Holdenough ungeduldig. »Kann Licht aus Dunkelheit kommen, Verstand aus Unwissenheit, oder Kenntniß von den Geheimnissen der Religion von solchen unwissenden Aerzten, welche Gift statt gesunder Arzneimittel geben, und die Magen derer, welche Nahrung suchen, mit Unreinigkeit anfüllen?«
Auf diese Worte, die der presbyterianische Geistliche in fast hitzigem Tone ausstieß, antwortete der General mit der größten Milde:
»Ei! ei! ein gelehrter-Mann und so ohne Maaß; der übergroße Eifer verzehrt ihn. – Nun ja, Herr, von Ihrer regelmäßigen Speise des Evangeliums mögen Sie sprechen; aber ein Wort zu rechter Zeit von einem, dessen Herz bei Ihrem Herzen ist, wenn Sie vielleicht eben ausreiten, um einem Feinde zu begegnen, oder im Begriff sind, die Bresche zu besteigen, ist dem armen Geiste wie Speck auf Kohlen gebraten, den der Hungrige einem großen Schmause vorziehen wird, in solchen Zeiten, wo der gesättigten Seele die Honigscheibe anekelt. Demohngeachtet, obwohl ich so meine geringe Meinung äußere, so möchte ich doch dem Gewissen keines Menschen Zwang anthun, sondern es den Gelehrten überlassen, den Gelehrten zu folgen, und den Weisen, sich von den Weisen belehren zu lassen, indeß armen, einfältigen, elenden Seelen ein Trunk aus dem Strome nicht versagt wird, der am Wege fließt. – Ja, wahrlich, es wird ein erfreulicher Anblick in England seyn, wenn die Menschen wie in einer bessern Welt wandeln werden, einer des andern Gebrechen tragend, sich zum Troste Einer des Andern vereinend. – Ja, wahrlich, die Reichen trinken aus silbernen Flaschen und silbernen Bechern – und so sey es denn auch.«
Hier öffnete ein Offizier die Thür und sah hinein, worauf Cromwell sogleich den singenden, gedehnten Ton, in dem er, wie es schien, ohne Ende hätte fortfahren können, sogleich gegen den kurzen, bestimmten Geschäftston vertauschte, und ausrief: »Pearson, ist er gekommen?«
»Nein, Herr,« erwiederte Pearson; »wir haben uns an dem Orte, den Sie uns angaben, und auch an den andern Orten in der Stadt, die er zu besuchen pflegt, nach ihm erkundigt.«
»Der Schuft!« sagte Cromwell mit bitterem Nachdruck; sollte er sich als falsch erwiesen haben? – Nein, nein, sein Vortheil ist zu tief darin verflochten. Wir werden ihn schon noch finden. – Höre, komm her! «
Der Leser denke sich Everard's Angst während dieses Gesprächs. Er war überzeugt, daß Cromwell's Besuch eine sehr wichtige Veranlassung haben müsse, und er konnte nicht umhin, stark zu vermuthen, der General habe einige Nachricht von Karl's Versteckwinkel. Wurde er gefangen, so ließ sich eine Erneuerung des Trauerspiels vom 30sten Januar erwarten, und das Verderben der ganzen Familie Lee, ihn selbst wahrscheinlich mit inbegriffen, mußte die nothwendige Folge davon seyn.
Er sah sich nach Trost um in Wildrake's Gesicht, welches viel Besorgniß ausdrückte, der dies jedoch unter seiner gewöhnlichen, zuversichtlichen Miene zu verbergen suchte. Aber die Last in ihm war zu groß; er scharrte mit den Füßen, verdrehte die Augen, ballte die Hände, wie einer, der sich nicht sicher weiß.
Oliver ließ unterdeß seiner Gesellschaft nicht eine Minute Zeit, sich mit einander zu berathen. Selbst während seine verwickelte Beredtsamkeit in einem so gewundenen Strome hinfloß, daß Niemand entdecken konnte, wohin er abzweckte, machte sein scharfes, wachsames Auge alle Versuche Everards, nur durch Zeichen sich Wildraken mitzutheilen, ganz vergeblich. Everard sah freilich auf einen Augenblick auf das Fenster, dann auf Wildrake, gleichsam um ihm zu verstehen zu geben, es sey noch möglich, auf diesem Wege zu entkommen. Aber der Cavalier antwortete mit einem muthlosen Kopfschütteln, doch so leise, daß es kaum bemerklich war. Everard verlor daher alle Hoffnung, und das melancholische Gefühl des herannahenden unvermeidlichen Unglücks, wechselte nur noch mit Angst hinsichtlich der Gestalt und Weise, in der es sich nahen könnte.
Aber Wildrake hatte noch einen Funken Hoffnung. In dem Augenblick, wo Cromwell ins Zimmer trat, war er hinaus zur Hausthür gegangen. Das »Zurück! Zurück!« von zwei bewaffneten Schildwachen wiederholt, überzeugte ihn, daß, wie er es befürchtet, der General weder unbegleitet noch unvorbereitet gekommen sey. Er wandte schnell wieder um, lief die Treppe hinauf, und da ihm oben der kleine Aufwärter begegnete, den er Sprühfeuer nannte, zog er ihn schnell in das kleine Zimmer, das er bewohnte. Wildrake war den Morgen auf der Jagd gewesen, und es lag Wild auf dem Tische. Er zog einer Schnepfe eine Feder aus dem Flügel und sagte eilig: »Wenn Dir Dein Leben lieb ist, Sprühfeuer, so merke was ich Dir befehle! – Ich will Dich ganz sicher aus dem Fenster in den Hof lassen – die Hofmauer ist nicht hoch – und dort wird keine Schildwache seyn – Eile ins Jagdschloß, wie wenn Du den Himmel damit gewinnen wolltest, und gieb diese Feder Fräulein Alexia Lee, wo möglich – wo nicht, Josselin Joliff – sag, ich hätte die Wette von der jungen Dame gewonnen. Hörst Du, Junge?«
Der pfiffige Junge gab seinem Herrn die Hand und erwiederte blos »gut, gut.«
Wildrake öffnete das Fenster, und ohngeachtet die Höhe beträchtlich war, wußte er ihn doch sicher hinunter zu bringen, indem er ihn am Mantel festhielt. Ein Haufen Stroh, auf den Sprühfeuer sprang, erleichterte noch die Sache, und Wildrake sah ihn über die Hofmauer klettern an einer Ecke, die auf ein kleines Hintergäßchen führte. Dies Alles war so schnell zu Stande gebracht, daß der Cavalier eben wieder ins Zimmer getreten war, als die Bewegung beim Eintritt des Generals sich gelegt hatte, und seine Abwesenheit bemerkt worden war.
Während Cromwells Vorlesung über die Eitelkeit der verschiedenen Arten des Glaubens, quälte er sich mit dem Gedanken, ob er nicht besser gethan hätte, eine deutliche mündliche Botschaft zu senden, da zum Schreiben keine Zeit war. Aber bei der Möglichkeit, daß der Knabe angehalten werden, oder das Gefühl, der Ueberbringer einer wichtigen und eiligen Nachricht zu seyn, ihn bestürzt machen könnte, war es ihm im Ganzen doch lieb, daß er eine räthselhaftere Weise gewählt hatte, die Nachricht zu überbringen. Er hatte daher einen Vortheil vor seinem Patron voraus, denn er war sich noch eines Funkens von Hoffnung bewußt.
Pearson hatte kaum die Thür wieder zugemacht, als Holdenough, so bereit und gerüstet gegen den künftigen Diktator, als er es gewesen war, den vermeintlichen Gespenstern und höllischen Feinden in Woodstock zu begegnen, seinen Angriff gegen die Schismatiker wieder begann, und zu beweisen versuchte, daß sie allzumal Seelentödter, falsche Brüder und falsche Boten wären; und wollte eben biblische Sprüche zum Beweis seiner Behauptung anführen, als Cromwell, der offenbar des Streites müde war, und gern ein Gespräch anknüpfen wollte, das mehr mit seinen wahren Empfindungen übereinstimmte, ihn, obwohl sehr höflich unterbrach, und das Gespräch selbst auffaßte.
»Ach! leider,« sagte er, »spricht der gute Mann Wahrheit, seinen Kenntnissen und Einsichten gemäß – ja, bittre Wahrheiten, die hart zu verdauen sind, so lange wir wie Menschen sehen, und nicht mit Augen der Engel. – Falsche Boten, sagte der ehrwürdige Mann? – Ja, wahrlich, die Welt ist voll von diesen. – Man sieht ihrer, die Eure geheime Botschaft in das Haus Eures Todfeindes tragen, und zu ihm sagen: Seht! Wein Herr geht aus mit einem kleinen Gefolge, an den und den öden Ort; seyd daher bereit, daß Ihr aufstehen und ihn erschlagen mögt. Und ein Andrer, der da weiß, wo der Feind Eures Hauses und Eurer Person verborgen liegt, wird, anstatt seinem Herrn davon zu sagen, dem Feinde, da wo er im Verborgnen lauert, Nachrichten bringen, und sagen: Siehe! mein Herr kennt Deinen geheimen Aufenthalt – auf nun und fliehe, damit er nicht über Dich komme, wie ein Löwe über seine Beute. – Aber soll dies ohne Strafe hingehen?« wobei er einen vernichtenden Blick auf Wildrake warf. »Nun, so wahr meine Seele lebt, und so wahr Er lebt, der mich zum Herrscher in Israel gemacht hat, solche falsche Boten sollen an Galgen an der Landstraße aufgeknüpft werden, und ihre rechte Hand soll ausgestreckt werden, um Andern den Weg zu zeigen, von dem sie abgewichen sind.«
»Allerdings,« sagte Herr Holbenough, »ist es recht, solche Uebelthäter aus dem Wege zu räumen.«
»Dank Dir, Pfaff,« murmelte Wildrake; »wann ermangelte der Presbyterianer je, dem Teufel fortzuhelfen?«
»Aber,« fuhr Holdenough fort, »ich sage, die Sache ist von unserm jetzigen Zwecke abgekommen; denn die falschen Brüder, von denen ich spreche, sind« –
»Richtig, vortrefflicher Herr, es sind die von unserm eignen Hause,« antwortete Cromwell; »der gute Mann hat wieder Recht. – Ja, von wem können wir jetzt sagen, daß er ein treuer Bruder ist, und hätte er mit uns in einem und demselben Schooße gelegen! – Wenn wir gleich für eine und dieselbe Sache gekämpft, an demselben Tische gegessen, in derselben Schlacht gefochten, vor demselben Throne gekniet haben, es ist doch eine Treue in ihm. – O, Markham Everard, Markham Everard!«
Bei diesem Ausruf hielt er inne, und Everard, der zu wissen wünschte, in wiefern er verwickelt sey erwiederte: »Ew. Exzellenz scheinen etwas auf dem Herzen zu haben, worin ich verflochten bin. Darf ich Sie ersuchen, es herauszusagen, damit ich wisse, wessen ich angeklagt werde?«
»Ach, Mark, Mark,« erwiederte der General, »kein Ankläger braucht zu sprechen, wenn die leise, schwache Stimme in uns spricht. Ist deine Stirn nicht feucht, Mark Everard? – Liegt nicht Unruhe in Deinem Auge? – Wankt nicht Deine Gestalt? – Und wer sah je so etwas in dem edlen und kräftigen Markham Everard, dessen Stirn nur feucht war, wenn er einem Sommertage den Helm getragen – dessen Hand nur zitterte, wenn er Stundenlang das gewichtige Schwert geführt? – Aber, nur ruhig, Du fürchtest viel zu viel! Bist Du mir nicht wie ein Bruder gewesen, und soll ich Dir nicht auch zum Sieben und siebenzigstenmal vergeben? Der Schurke weilt irgendwo, der mir um diese Zeit eine wichtige Nachricht hätte bringen sollen. Benutze seine Abwesenheit, Mark, es ist eine Gnade, die Gott Dir wider alles Erwarten giebt. Ich sage nicht, falle zu meinen Füßen, sondern sprich zu mir wie ein Freund zu seinem Freunde.«
»Ich habe Ew. Excellenz nie etwas gesagt, das den Titel den Sie mir ertheilt, nicht verdiente,« sagte Oberst Everard stolz.
»Ei nicht doch, Markham,« antwortete Cromwell; »ich sage nicht, daß Du das gesagt hast. – Aber – aber Du hättest Dich doch der Botschaft erinnern sollen, die ich Dir durch jenen Mann (auf Wildraken zeigend) überschickte; und wie willst Du es mit Deinem Gewissen vereinigen, daß nach einer solchen Botschaft, von solchen Gründen unterstützt, Du Dich berechtigt glaubtest, meine Freunde aus Woodstock zu vertreiben, da Du doch entschlossen warst, meine Erwartung zu täuschen, indem Du die Gunst benutztest, auf deren Bedingung meine Vollmacht ausgestellt war.«
Everard wollte eben antworten, als zu seinem Erstaunen Wildrake vortrat; und mit einer Stimme und einem Blick, der ganz von seinem gewöhnlichen verschieden war, und sehr der wahren Würde nahe kam, kühn und ruhig sagte: »Sie irren sich, Herr Cromwell, und wenden sich da an den Unrechten.«
Die Rede war so plötzlich und unerschrocken, daß Cromwell einen Schritt zurücktrat, und eine Bewegung mit der rechten Hand nach dem Degen machte, als ob er erwartete, daß auf eine so ungewöhnlich kühne Anrede irgend eine Handlung der Gewalt folgen würde. Er nahm indes sogleich wieder feine gleichgültige Stellung an, und, aufgebracht über ein Lächeln, das er in Wildrakes Gesicht bemerkte, sagte er mit der Würde eines Mannes, der längst gewohnt ist, Alles vor sich zittern zu sehen: »Mir das, Bursche! Weißt Du, mit wem Du sprichst?«
»Bursch!« erwiederte Wildrake, dessen sorgloses Wesen nun ganz hervortrat – »Ihr Bursche nicht, Herr Oliver. Ich habe die Zeit gekannt, wo Roger Wildrake von Squattlesea-mere aus Lincoln, ein hübscher junger Mensch, mit einem ansehnlichen Gute, nicht hätte ein Freund des banquerotten Brauers aus Huntingdon seyn mögen.«
»Still!« sagte Everard; »still, Wildrake, wenn Dir Dein Leben lieb ist.«
»Ich mache mir nicht einen Pfifferling aus dem Leben,« sagte Wildrake. – »Sapperment, wenn ihm das nicht gefällt, was ich sage, so mag er zu seinen Werkzeugen greifen! Ich weiß, er hat bei dem Allen etwas gutes Blut in den Adern, und ich will mir einen Gang mit ihm dort im Hofe gefallen lassen, und wäre er zehnmal ein Brauer gewesen.«
»Solch armseliges Geschwätz, Freund,« sagte Oliver, »behandle ich mit der Verachtung, die es verdient. Wenn Du aber etwas über die bewußte Sache zu sagen hast, so sprich es heraus wie ein Mann, obwohl Du mehr einem Vieh gleichst.«
»Alles, was ich zu sagen habe,« erwiederte Wildrake, »ist, daß, ob Sie gleich Everarden tadeln, daß er nach Ihrer Vollmacht verfuhr, wie Sie es nennen, so kann ich Ihnen sagen, daß er nicht ein Wort von den bübischen Bedingungen weiß, von denen Sie sprechen. Dafür habe ich gesorgt; und Sie mögen, wenn es Ihnen beliebt, Ihre Rache an mir nehmen.«
»Sklave! das wagst Du mir zu sagen!« rief Cromwell, der noch immer sorgfältig seine Leidenschaft zurückhielt, weil er fühlte, daß sie im Begriff war, sich an einem unwürdigen Gegenstand zu entladen.
»Ja, Ihr möchtet jeden Engländer zum Sklaven machen, wenn es von Euch abhinge,« sagte Wildrake, keineswegs eingeschüchtert; denn das Grauen, das ihn früher überwältigt hatte, als er sich mit dem merkwürdigen Mann allein befand, war verschwunden, jetzt da sie vor Zeugen in einem Streite verwickelt waren. – »Aber thun Sie das schlimmste, was Sie thun können, Herr Oliver; ich sage es Ihnen voraus, der Vogel ist entwischt.«
»Wagt das nicht zu sagen! – Entwischt! – So? Pearson, laß die Soldaten gleich aufsitzen. – Du bist ein lügenhafter Narr! – Entflohen? Wohin, von wo aus?«
»Ja, das ist eben die Frage,« sagte Wildrake; »denn, sehen Sie, Herr – daß Menschen von hier gehen, ist gewiß – aber wie und wohin« –
Cromwell horchte aufmerksam, indem er einen nützlichen Wink von dem sorglosen Ungestüm des Cavaliers über den Weg erwartete, den der König eingeschlagen haben möchte.
»Oder wohin, wie ich zuvor sagte, je nun, das mag Ew, Excellenz, Herr Oliver, selber ausfindig machen.«
Indem er diese letzten Worte sagte, zog er den Degen, und that einen Ausfall auf den General. Wäre sein Degen auf kein andres Hinderniß gestoßen als den Büffelkoller, so hätte es mit Cromwell's Laufbahn auf der Stelle ein Ende gehabt. Aber, einen solchen Versuch fürchtend, trug der General unter seiner Uniform ein feines Panzerhemd aus Ringen vom besten Stahl, und so leicht und biegsam, daß es die Bewegungen des Trägers wenig oder gar nicht hinderte. Dies erwies sich bei dieser Gelegenheit als sein Schutz, denn der Degen sprang in Stücken; indeß der Eigenthümer desselben, von Everard und Holdenough jetzt zurückgehalten, das Heft ungestüm zu Boden warf und ausrief: »Verflucht sey die Hand, die Dich schmiedete! – Mir so lange zu dienen, und mich nun zu verlassen, da Dein treuer Dienst uns Beiden für immer Ehre gebracht hätte! Aber nichts Gutes konnte von Dir kommen, seitdem Du, wenn auch nur im Scherz, gegen einen gelehrten Geistlichen der englischen Kirche gerichtet wurdest.«
In dem ersten Augenblicke des Lärmens, wo er vielleicht meinte, Wildrake möchte von Andern unterstützt werden, zog Cromwell eine verborgene Pistole halb aus dem Busen hervor, steckte sie aber schnell wieder zurück, als er sah, daß Everard und der Geistliche beide den Cavalier von einem zweiten Versuche abhielten.
Pearson und ein oder zwei Soldaten stürzten herein; – »Haltet den Burschen fest,« sagte der General, in dem gleichgültigen Tone eines Menschen, dem dringende Gefahr etwas zu Bekanntes ist, um ihn aufzuregen – »Bindet ihn – aber nicht so fest, Pearson; – denn die Leute zogen, um ihren Eifer zu zeigen, ihren Degengurt, den sie aus Mangel an Stricken dazu anwandten, roher Weise so fest als möglich um seine Glieder. »Er wollte mich ermorden; aber ich möchte ihn zur gebührenden Strafe aufsparen.«
»Ermorden! – ich spotte Eurer Worte, Herr Oliver,« sagte Wildrake; »ich bot Euch einen ehrlichen Zweikampf an.«
»Sollen wir ihn, des Beispiels halber, auf der Straße erschießen?« sagte Pearson zu Cromwell, indeß Everard sich bemühte, Wildraken daran zu verhindern, noch weitere Beleidigungen auszustoßen.
»Bei Eurem Leben thut ihm nichts zu Leide, aber bringt ihn in sichere Haft, und bewacht ihn wohl,« sagte Cromwell, indeß der Gefangne Everarden zurief: »Ich bitte Dich, laß mich gehen – Ich bin jetzt weder Dein Diener, noch der irgend eines Menschen, und bin eben so bereit zu sterben, als ich es je war, einen Becher mit Getränk zu mir zu nehmen. – Und hört, Herr Oliver, da wir eben davon sprechen, Ihr waret ja sonst ein lustiger Bursch, laßt einen von Euren Seekrebsen da mir den Pokal an die Lippen halten, so soll. Ew. Excellenz eine Gesundheit, ein Lied, und – ein Geheimniß hören.«
»Bindet ihn los und gebet dem liederlichen Thiere den Pokal,« sagte Oliver; »so lange er noch lebt, wäre es ja eine Schande, ihm das Element zu versagen, worin er lebt.«
»Segen über Euch wenigstens einmal,« sagte Wildrake, dessen Zweck bei Fortsetzung dieses tollen Gesprächs kein anderer war, als wo möglich, ein wenig Aufschub zu gewinnen, wo jeder Augenblick kostbar war. »Du hast gutes Bier gebrauet, und das verdient einen Segenswunsch. Meine Gesundheit und mein Lied hast Du hier miteinander: –
Du, einer Hexe Sohn,
Lägst in dem Grab' du schon
Und dein Gesindel daneben;
Mögt Ihr zu Grunde gehn,
Es wird's die Welt noch sehn,
Karl's Rückkehr wird sie erleben.
und was nun mein Geheimniß anbetrifft, damit Ihr nicht sagt, ich hätte Euern Trank umsonst bekommen – mein Lied, denke ich, wird wohl nicht eben für viel gelten – Mein Geheimnis ist, Herr Cromwell – daß der Vogel entflohen ist – und Eure rothe Nase wird so weiß seyn wie Euer Leichentuch, ehe Ihr ausspüren könnt, wohin.«
»Pah, Schuft,« antwortete Cromwell verächtlich, »spare Deine Späße auf, bis Du am Fuße des Galgens stehst,«
»Ich werde kühner auf den Galgen blicken,« erwiederte Wildrake, »als ich Euch des königlichen Märtyrers Bild anblicken sah.«
Dieser Vorwurf traf Cromwell'n auf der empfindlichsten Stelle. – »Bube!« rief er, »schleppt ihn fort, gehen einige mit hinaus und – doch halt, nicht jetzt – ins Gefängniß mit ihm – bewacht ihn genau und knebelt ihn, wenn er mit der Schildwache reden will. – Nein, halt – steckt eine Flasche Branntwein – in seine Zelle, mein ich, so wird er sich schon auf seine eigne Weise knebeln, dafür stehe ich Euch. – Wenn es Tag wird, daß die Leute das Beispiel sehen können, soll er auf meine Weise geknebelt werden.«
Während der verschiedenen Unterbrechungen seiner Befehle, suchte der General offenbar Herrschaft über seine Leidenschaft zu gewinnen, und ob er gleich wüthend anfing, so endete er doch mit dem verachtenden Spotte; eines Mannes, der die Schimpfreden eines Untergeordneten übersieht. Indeß blieb ihm etwas auf dem Herzen, denn er stand fortwährend an derselben Stelle im Zimmer gebannt, die Augen zu Boden gesenkt, die geschlossene Hand an die Lippe gedrückt, wie Einer, der im tiefen Nachsinnen verloren ist. Pearson, der im Begriff war mit ihm zu sprechen, zog sich zurück und gab den im Zimmer Befindlichen ein Zeichen, still zu seyn.
Herr Holdenough merkte nicht darauf, oder gehorchte wenigstens nicht. Denn General sich nahend, sagte er im ehrerbietigen, aber festen Tone: »Habe ich Ew. Excellenz Absicht recht verstanden, daß der arme Mann den nächsten Morgen sterben soll?«
»Ha!« rief Cromwell, wie aus dem Traume auffahrend, »was sagst Du?«
»Ich bat um Erlaubniß zu fragen, ob es Ihr Wille sey, daß dieser unglückliche Mann morgen sterben soll?«
»Wer, sagst Du?« fragte Cromwell, »Markham Everard – er soll sterben, sagst Du?«
»Gott verhüte es!« sagte Holdenough, zurückprallend – »ich fragte, ob dies verblendete Geschöpf, Wildrake, so schnell hingerichtet werden soll?«
»Ja wohl soll er das,« sagte Cromwell, »und, wenn die ganze Generalversammlung der Geistlichen zu Westminster – der ganze Sanhedrin der Presbyterianer – Bürgschaft für ihn leistete.«
»Wenn Sie sich nicht noch anders bedenken,« sagte Holdenough, »so geben Sie wenigstens dem armen Manne keine Mittel, sich um den Verstand zu bringen. – Lassen Sie mich als Geistlicher zu ihm gehen, um mit ihm zu wachen, im Fall er zur spätesten Stunde noch in den Weingarten zugelassen, oder in den Schaafstall gebracht werden könnte, obwohl er den Ruf des Hirten so lange vernachlässigt hat, bis seine Zeit fast abgelaufen ist.«
»Um Gotteswillen,« sagte Everard, »der bis jetzt still geblieben war, weil er Cromwell's Laune bei solchen Gelegenheiten kannte, »bedenken Sie wohl, was Sie thun.«
Kommt es Dir zu, mich zu belehren?« erwiederte Cromwell; »bedenke Du Deine eigenen Angelegenheiten, und glaube mir, Du wirst Deinen ganzen Witz dazu gebrauchen. – und was Sie betrifft, ehrwürdiger Herr, so will ich keine Beichtväter – keine Geschichten aus der Schule bei meinen Gefangenen. Wenn es den Burschen nach geistlichem Troste dürstet, obwohl er mehr darnach aussieht, als dürfte es ihn nach einer Flasche Branntwein, so kann der Korporal Humgudgeon, der die Wache kommandirt, eben so gut predigen und beten, als der Beste unter Euch. – Aber diese Zögerung ist nicht auszustehen. – Kommt der Bursch noch nicht?«
»Nein, Herr,« erwiederte Pearson. »Thäten wir nicht besser, hinunter ins Jagdschloß zu gehen? Die Nachricht, daß wir hierher gekommen sind, könnte sich sonst dort verbreiten, ehe wir hinkommen.«
»Wohl wahr,« sagte Cromwell, bei Seite zu seinem Offizier, »aber Ihr wißt, Tomkins warnte Uns dagegen, und führte an, es wären so viele Hinterthüren, Ausfallpforten und verborgene Ausgänge in dem alten Hause, daß es einem Kaninchenbaue gliche, und daß sie sich vor der Nase davon machen könnten, wenn er nicht dabei wäre, um uns die Posten anzugeben, die bewacht werden müßten. Er meinte auch, er könne leicht nach der bestimmten Zeit einige Minuten aufgehalten werden, aber wir haben jetzt eine halbe Stunde gewartet. «
»Glauben Ew. Excellenz sich ganz gewiß auf Tomkins verlassen zu können?« sagte Pearson.
»Soweit sein Interesse dabei im Spiel ist,« erwiederte der General, »unstreitig. Er ist immer die Pumpe gewesen, mit der ich das Mark aus manchem Pläne gezogen, besonders aus denen des verrückten Narren Rochecliffe, der dumm genug ist, sich einzubilden, daß so ein Bursch, wie Tomkins, etwas anders höher schätzen würde, als die Anerbietung des Meistbietenden. Und doch, es wird spät – ich fürchte, wir müssen ohne ihn ins Jagdschloß – doch nein, Alles wohl überlegt, will ich lieber bis Mitternacht hier bleiben. – Ach! Everard, Du könntest das Alles ins Geleise bringen, wenn Du wolltest. Soll irgend ein thörichter Grund wegen eines phantastischen Ehrenpunktes mehr Gewicht bei Dir haben, als der Friede und das Wohl Englands, als die Treue gegen Deinen Freund und Wohlthäter, der es noch mehr werden will, als das Glück und die Sicherheit Deiner Verwandten? Sind diese, sage ich, leichter in der Waage, als die Sache eines werthlosen Knaben, der mit seinem Vater und seines Vaters Hause, Israel seit funfzig Jahren beunruhigt hat?«
»Ich verstehe Ew. Excellenz nicht, noch auf welchen Dienst Sie anspielen, den ich ehrlicherweise leisten kann,« erwiederte Everard. »Daß Sie einen entehrenden vorschlagen sollten, würde mir leid thun.«
»Dies wenigstens möchte doch wohl Deinem Ehrgefühl oder Deiner gewissenhaften Laune, nenn es wie Du willst, zusagen,« entgegnete Cromwell. »Du kennst gewiß alle Ausgänge in dem Jesabels Palaste dort – laß mich wissen, wie sie so bewacht werden können, daß Niemand aus dem Innern entkommen kann.«
»Hierin kann ich Ihnen nicht beistehen,« sagte Everard, »ich kenne nicht alle Eingänge und Hinterthüren in Woodstock, und wenn ich sie auch kennte, so würde mein Gewissen mir nicht erlauben, sie Ihnen jetzt anzugeben.«
»Wir wollen schon ohne Sie fertig werden, Herr,« erwiederte Cromwell hochmüthig, »und wenn irgend etwas zur Anklage gegen Sie gefunden wird, so erinnern Sie sich, daß Sie das Recht auf meinen Schutz verloren haben.«
»Es sollte mir leid thun,« sagte Everard, »wenn ich Ihre Freundschaft verloren hätte, General, aber mein Rang als Engländer entbindet mich der Nothwendigkeit eines Schutzes von irgend einem Menschen. Ich kenne kein Gesetz, das mich nöthigt, Kundschafter oder Angeber zu seyn, selbst wenn ich Gelegenheit hätte, in einem von beiden ehrenvollen Aemtern Dienste zu leisten.«
»Schon gut, Herr,« sagte Cromwell, »ungeachtet aller Ihrer Privilegien und Eigenschaften will ich mir doch die Freiheit herausnehmen, Sie diese Nacht mit hinunter ins Woodstocker Jagdschloß zu führen, um Dinge zu untersuchen, die den Staat betreffen. – Komm her, Pearson.« Er zog ein Papier aus der Tasche, das eine rohe Skizze oder Plan des Woodstocker Jagdschlosses enthielt, nebst den Wegen, die darauf hinführten. – »Sieh hier, wir müssen in zwei Haufen zu Fuß so still als möglich hinmarschieren – geh Du mit zwanzig Mann am Hintertheil des alten gottlosen Hauses hin, und vertheile sie, so gescheut du kannst. Nimm da den ehrwürdigen Mann mit Dir. Wir müssen uns seiner in jedem Falle versichern, und er kann Dir als Führer dienen. Ich will die Vorderseite des Schlosses besetzen, und wenn Du alle Löcher verstopft hast, magst Du weitere Befehle bei mir einholen – Stille und Eile ist alles, was nöthig ist. – Aber der Hund Tomkins, der sein Wort nicht gehalten hat, muß mir eine gültige Entschuldigung dafür angeben, oder wehe seines Vaters Sohn! – Ehrwürdiger Herr, seyn Sie so gefällig, den Offizier zu begleiten. – Oberst Everard, Sie folgen mir, doch zuvor geben Sie Ihren Degen dem Kapitain Pearson und betrachten sich als Arrestant.«
Everard gab, ohne ein Wort zu sagen, Pearson seinen Degen und folgte dem republikanischen General mit den ängstlichsten Ahndungen, Befehlen gehorchend, bei denen es nutzlos gewesen wäre, sich denselben zu widersetzen.