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Stallknecht.
Heil Dir, mein edler Fürst!
König Richard.
Ich danke, edler Pair.
Der Billigste von uns ist um zehn Grot zu theu'r.
Richard. II.
lbert und sein Page wurden von Josselin in das sogenannte spanische Zimmer geführt, ein gewaltiges, altes, hohes, etwas verfallnes Schlafzimmer, mit einem großen, stehenden Bett für den Herrn und einem Rollbett für den Bedienten, wie es auch in viel späterer Zeit noch in alten englischen Häusern gewöhnlich war, wo der Herr oft den Beistand eines Kammerdieners brauchte, um ihm ins Bett zu helfen, wenn die Gastfreiheit zu weit getrieben worden war. Die Wände waren mit goldgedrucktem Korduan tapezirt, auf dem Kämpfe zwischen den Spaniern und Mohren, Stiergefechte und andre, der Halbinsel eigenthümliche Freuden vorgestellt waren, wovon es den Namen des spanischen Zimmers hatte. Diese Tapeten waren an manchen Stellen ganz heruntergerissen, an andern waren sie verunstaltet und hingen in Lumpen herunter. Aber Albert verweilte nicht, um Bemerkungen zu machen, und schien nur darauf bedacht, Josselin aus dem Zimmer zu schaffen; was er dadurch zu bewirken suchte, daß er sein Anerbieten, ihm noch Brennholz und Getränk zu bringen, verneinend beantwortete, und des Försters gute Nacht eben so kurz erwiederte. Endlich ging dieser, etwas unwillig, fort, gleich als ob er meinte, sein junger Herr hätte wohl nach so langer Abwesenheit einem alten treuen Diener ein Paar Worte mehr schenken können.
Kaum war Joliff gegangen, so ging Albert Lee, ehe er noch ein Wort mit seinem Pagen gewechselt hatte, zur Thür, untersuchte Schloß, Riegel und Klinke, und befestigte sie mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit. Zu dieser Vorsicht fügte er noch einen langen Riegel mit Schrauben, den er aus der Tasche zog, und den er so dicht am Schloßhaken befestigte, daß es unmöglich war, ihn heraus zu bringen, oder die Thür zu öffnen, ohne sie zu zerbrechen. Während dieser Operation, die er sehr sorgsam und mit vieler Geschicklichkeit verrichtete, hielt ihm der Page ein Licht. Aber als Albert sich erhob, denn er hatte während dieses Geschäfts auf den Knien gelegen, war auf einmal das Benehmen der beiden Gefährten gegen einander völlig verändert. Der ehrsame Herr Kerneguy schien aus dem ungeleckten Sohne eines rohen Schotten auf einmal alle zierliche Leichtigkeit in der Bewegung und dem Wesen erlangt zu haben, die nur die frühste und vertrauteste Bekanntschaft mit der besten Gesellschaft hatte ertheilen können.
Er gab das Licht, das er in der Hand hielt, Alberten, mit der leichten Gleichgültigkeit eines Höheren, der einen Untergeordneten dadurch, daß er ihm einen kleinen Dienst zu verrichten giebt, nicht sowohl belästigt, als vielmehr ehrt. Albert machte nun seinerseits mit der möglichsten Ehrerbietung den Fackelträger, und leuchtete seinem Pagen durch das Zimmer, ohne ihm dabei den Rücken zuzuwenden. Dann setzte er das Licht auf einen Tisch neben dem Bette, und indem er sich dem jungen Manne mit einer tiefen Verbeugung nahte, empfing er von ihm die schmutzige grüne Jacke mit derselben tiefen Ehrfurcht, als wäre er sein erster Kammerherr gewesen, oder sonst ein andrer Beamter des Hofstaats vom höchsten Range, der seinem Fürsten den Mantel des Hosenbandordens abnimmt. Der junge Mann ertrug diese Zeremonie eine oder zwei Minuten, lang mit großem Ernst, dann aber brach er in ein Gelächter aus und rief Alberten zu: »Was zum Teufel bedeutet alle diese Förmlichkeit? – Komplimentirst Du doch mit diesen armseligen Lumpen, als wäre es Seide und Zobel, und mit dem armen Louis Kerneguy, als wär er der König von Großbritannien.«
»Und wenn ich den Befehlen Ew. Majestät, und den Zeitumständen gemäß, einen Augenblick zu vergessen schien, daß Sie mein Beherrscher sind, so wird es mir doch gewiß erlaubt seyn, Ihnen meine Huldigung darzubringen, da Sie sich in Ihrem eigenen königlichen Palaste zu Woodstock befinden.«
»Wahrhaftig,« erwiederte der verkleidete Monarch, »der König und der Palast passen gar nicht übel zusammen – diese zerrissenen Tapeten und meine zerlumpte Jacke schicken sich ganz herrlich zu einander. – Dies also Woodstock – dies der Aufenthalt, wo der königliche Normanne mit der schönen Rosamunde Clifford schwelgte? – Was das ist ja ein Aufenthalt für Eulen!« Dann sich plötzlich besinnend, fügte er mit seiner natürlichen Höflichkeit hinzu, als fürchtete er Alberts Empfindungen zu verletzen: – »Aber je dunkler und zurückgezogener, je besser paßt es zu unserm Zweck, Lee, und wenn es ein Eulennest zu seyn scheint, wie sich denn das nicht leugnen läßt, je nun, so wissen wir, daß es demungeachtet Adler hat geboren werden sehen.«
Während er so sprach, warf er sich auf einen Stuhl und empfing nachlässig, aber gefällig Alberts freundliche Dienste, der ihm die ledernen Kamaschen von den Beinen knöpfte, und sagte während dessen: »Was Ihr Vater, Sir Heinrich, für ein schönes Muster aus alter Zeit ist! Es ist doch seltsam, daß ich ihn nicht früher gesehen habe, aber ich habe meinen Vater oft von ihm sprechen hören, als gehöre er zur Blüthe unsers wahren altenglischen Adels. Nach der Art, wie er mich zu schulmeistern anfing, denke ich mir, Sie müssen einen scharfen Zuchtmeister an ihm gehabt haben, Albert – ich wollte wohl dafür stehen, daß Sie nie in seiner Gegenwart eine Hut aufgesetzt haben.«
»Wenigstens habe ich ihn nie in seiner Gegenwart trotzig aufgesetzt, wie ichs wohl von manchen jungen Herrn gesehen habe,« antwortete Albert, »und hätte ich es gethan, so hätt' es allerdings ein tüchtiger Biber seyn müssen, wenn er mich hätte vor einem zerschlagenen Kopfe bewahren sollen.«
»O daran zweifle ich nicht,« erwiederte der König, »ein schöner alter Herr – aber mich dünkt, es ist so etwas in seinem Gesicht, das einem das Gefühl giebt, er würde das Kind nicht hassen und die Ruthe schonen. Höre Albert – denke Dir, wenn die herrliche Wiedereinsetzung zu Stande käme – welches, wenn das Trinken auf ihr Gedeihen es beschleunigen kann, nicht fern seyn müßte; denn hierin versäumen unsre Anhänger nie ihre Pflicht – denke Dir also, sie käme zu Stande, und Dein Vater, wie sich das versteht, würde ein Graf und Mitglied des geheimen Raths, Potz Fischchen, Mensch, so würde ich mich eben so sehr vor ihm fürchten, als nur je mein Großvater Heinrich IV. vor dem alten Sully. – Denke Dir, wenn jetzt am Hofe so ein Spielding, wie die schöne Rosamunde oder die schöne Gabriele wäre, wie würden da die Pagen und Kammerherrn geschäftig seyn, den artigen Schelm heimlich, wie eine verbotene Waare, auf der Hintertreppe hinaus zu schaffen, wenn der Tritt des Grafen von Woodstock im Vorzimmer vernommen würde!«
»Es freut mich, Ew. Majestät so lustig nach einer so beschwerlichen Reise zu sehn.«
»Die Beschwerde war nichts,« sagte Karl, »ein freundliches Willkommen und ein gutes Mahl machen das Alles wieder gut. Aber sie müssen auf den Gedanken gekommen seyn, daß Du einen Wolf aus den Haiden von Badenoch mitgebracht hast, statt eines zweibeinigten Wesens, der nur einen, und zwar einen menschlichen, Magen hat. Ich schämte mich wahrhaftig meines Appetits, aber Du weißt, ich hatte seit 24 Stunden nichts gegessen, das rohe Ei ausgenommen, das Du aus dem Hühnerstalle des alten Weibes für mich stahlst – ich sage Dir, ich erröthete, so gefräßig vor dem feinerzogenen und achtbaren alten Herrn, Deinem Vater, und dem sehr hübschen Mädchen, Deiner Schwester, zu erscheinen – oder Base – was ist sie denn eigentlich?«
»Sie ist meine Schwester,« sagte Albert Lee trocken, und fügte, ohne nur Athem zu holen, hinzu: »Der Appetit Ew. Majestät paßte recht gut zu der Rolle eines jungen, unerzogenen Nordländers. – Beliebt es Ew. Majestät, sich nun zur Ruhe zu begeben?«
»Nicht unter einer oder ein Paar Minuten,« sagte der König, indem er sitzen blieb. »Ist doch kaum meine Zunge heut fesselfrei geworden, und diese scharfe, nordische Aussprache, und dabei die Mühe, mit keinem Worte aus der Rolle zu fallen – das heißt ja wahrhaftig wie ein Galeerensclave auf dem festen Lande mit einer Kugel von vier und zwanzig Pfund an den Beinen einhergehen – mit fortschleppen können sie diese wohl, aber sich damit bequem bewegen, das können sie nicht. Und beiläufig gesagt, Du läßt mich lange warten, ehe Du mir meinen verdienten Tribut an Complimenten über mein Spiel zollst. – Habe ich nicht den Louis Kerneguy recht unvergleichlich gespielt?«
»Wenn Ew. Majestät mich ernstlich nach meiner Meinung fragen, so werden Sie mir vielleicht verzeihen, wenn ich Ihnen sage, daß Ihr Dialekt etwas zu gemein für einen jungen Schotten vom Stande war, und Ihr Betragen vielleicht ein wenig zu bäuerisch. Auch will es mir bedünken – obwohl ich mir nicht anmaße, dies zu verstehen, als klänge Ihr Schottisch hier und da etwas fremdartig.«
»Fremdartig – nun Dich kann man nicht zufrieden stellen, Albert! – Wer soll denn sonst wahrhaft Schottisch sprechen, als ich? – War ich nicht ganzer zehn Monate lang König von Schottland, und wenn ich ihre Sprache nicht gelernt habe, so möchte ich nur wissen, was ich sonst davon gehabt hätte. Krächzte und kreischte nicht das Ost- und Süd- und Westland und die Hochlande um mich her, je nachdem nun der tiefe Kehlton oder der breite gedehnte, oder der hohe, scharfe, bellende Ton vorherrschte? – Potz Fischchen, Mensch! Haben mich nicht ihre Senatoren angeredet, ihre Kirchendiener ermahnt, habe ich nicht auf dem armen Sünderstuhle gesessen (wobei er wieder den nordischen Dialekt annahm) und es für eine Gnade des ehrsamen Herrn John Gillespie gehalten, daß es mir erlaubt wurde, Buße zu thun in meinem Zimmer, statt im Angesicht der ganzen Gemeine, und jetzt willst Du mir sagen, ich verstände nicht Schottisch genug, um einen Ritter aus Oxfordshire und seine Familie zu täuschen? «
»Verzeihen Ew. Majestät – ich sagte gleich Anfangs, ich verstände die schottische Sprache nicht genug.«
»Pah – es ist bloßer Neid; gerade so sagtest Du auch bei Norton's, ich wäre, zu höflich und artig für einen jungen Pagen – nun hältst Du mich wieder für zu roh.«
»Es giebt ja doch eine Mittelstraße, wenn man sie nur finden könnte,« sagte Albert, indem er seine Meinung in demselben Tone vertheidigte, wie der König ihn angriff; »so z. B. heute Morgen, als Sie Frauenkleider anhalten, hoben Sie Ihren Rock ganz ungebührlich hoch in die Höh, wie Sie durch das erste kleine Wasser gingen, und als ich es Ihnen sagte, ließen Sie ihn, um die Sache wieder gut zu machen, bei dem nächsten ganz und gar herabhängen, ohne ihn im Mindesten aufzunehmen.«
»Ei! hol der Henker die Frauenkleidung!« sagte Karl, –»ich hoffe, ich werde nicht wieder zu einer solchen Verkleidung gezwungen werden. Mein häßliches Gesicht wäre ja hinreichend, Kleider, Mützen und Mieder für immer aus der Mode zu bringen – selbst die Hunde rissen vor mir aus – und wär ich vor einem Weiler vorbeigekommen, wenn er auch nur fünf Hütten gehabt hätte, ich hätte dem Kielholen gar nicht entgehen können. Ich war ja ein wahres Pasquill auf die Weiber. Diese ledernen. Bequemlichkeiten sind, nicht eben gar zu schön, aber sie sind doch propria quae maribus, und ich bin recht froh, daß ich sie wieder anhabe. Ich muß Dir auch sagen, lieber Freund, daß ich mit meiner eigenthümlichen Kleidung auch meine männlichen Privilegien wieder annehmen werde, und da Du sagst, daß ich heute zu grob gewesen bin, so will ich mich morgen wie ein Hofmann gegen Fräulein Alexia betragen. Ich habe schon eine Art von Bekanntschaft mit ihr gemacht, als ich zu demselben Geschlecht, wie sie, zu gehören schien, und dabei ausgefunden, daß es noch andere Obersten in der Welt giebt, außer Dir, Oberst Albert Lee.«
»Geruhen Ew. Majestät,« sagte Albert, und hielt dann inne, weil es ihm schwer wurde, Worte zu finden, um seine unangenehmen Empfindungen auszudrücken. Karln konnten diese nicht entgehen, doch fuhr er ohne Umstände fort: »Ich bilde mir etwas darauf ein, eben so tief in die Herzen junger Damen sehen zu können, als die meisten Leute, obwohl sie, Gott weiß, manchmal auch den Weisesten von uns zu tief sind. Aber ich erwähnte gegen Ihre Schwester in meiner Rolle als Wahrsagerin – indem ich armer einfältiger Mensch mir einbildete, ein Landmädchen könnte nur von ihrem Bruder träumen – sie wäre besorgt wegen eines gewissen Obersten. Das Thema hatte ich getroffen, aber nicht die Person; denn ich spielte auf Sie an, Albert, und ich meine doch, das Erröthen war zu tief, als daß es je einem Bruder gelten konnte. Alsbald sprang sie auf, und hüpfte davon wie ein Kiebitz. Ich entschuldige sie – denn ich bespiegelte mich in dem Brunnen, und ich glaube, wäre mir so ein Geschöpf begegnet, wie ich schien, ich hätte Feuer und Flamme geschrien. – Nun, was meinen Sie, Albert – wer kann dieser Oberst seyn, der etwas mehr als Ihr Nebenbuhler in dem Herzen Ihrer Schwester ist? «
Albert, der wohl wußte, daß des Königs Denkweise hinsichtlich auf das schöne Geschlecht mehr sinnlich als zartfühlend war, bemühte sich durch eine ernste Antwort das gegenwärtige Gespräch abzubrechen.
»Seine Schwester,« sagte er, »wäre gewissermaßen mit dem Sohne ihres mütterlichen Oheims, Markham Everard auferzogen worden; da aber sein Vater und er selbst die Parthei der Rundköpfe ergriffen hätten, so wären demzufolge ihre Familien entzweit, und was man auch früher für Pläne gehegt haben möchte, so wären diese natürlich längst von beiden Seiten aufgegeben.«
»Falsch, Albert, falsch,« sagte der König, der seinen Scherz ohne Erbarmen fortsetzte. »Ihr Herrn Obersten, Ihr möget nun blaue oder orangenfarbige Schärpen tragen, seyd zu hübsche Bursche, als daß man Euch so leicht aufgeben könnte, wenn Ihr Euch einmal eingenistet habt. Aber das schöne Fräulein Alexia, das die Wiedereinsetzung des Königs mit einem Blick und einem Tone wünscht, als wäre sie ein Engel, dessen Gebet sie nothwendig herbeiführen müßte, diese darf nicht länger an einen winselnden Rundkopf denken – was meinen Sie – wollen Sie mir Erlaubniß geben, sie deshalb in die Schule zu nehmen – noch dazu ist mein Vortheil am meisten dabei im Spiele, daß die Treue unter meinen Unterthanen erhalten werde, und wenn ich die Wünsche der hübschen Mädchen gewinne, so werden die der Anbeter bald nachfolgen. Dies war die Weise des muntern Königs Eduard – Eduard IV., wie Sie wissen. Der Königschaffende Graf von Warwick – der Cromwell seiner Zeit – entthronte ihn mehr als einmal, aber er hatte die Herzen der munteren Londner Weiber auf seiner Seite, und so bluteten die Beutel und Adern der Londner Spießbürger, bis sie ihn wieder zurückbrachten. Was meinen Sie, soll ich meinen nordischen Balg abwerfen, in meiner eigenen Rolle mit Alexia sprechen und zeigen, was Erziehung und Hofsitte für mich gethan haben, um ein häßliches Gesicht, so gut es gehen will, vergessen zu machen?«
»Geruhn Ew. Majestät,« sagte Albert in einem veränderten und verlegenen Tone, »ich erwartete nicht« –
Hier hielt er inne, da er nicht Worte finden konnte, die zugleich seine Empfindungen aussprächen, und ehrerbietig genug gegen den König wären, so lange sich dieser in seines Vaters Hause und unter seinem eigenen Schutze befand.
»Und was erwartet Herr Lee nicht?«, sagte Karl mit auffallendem Ernst.
Albert versuchte abermals eine Antwort, kam aber nicht weiter als: »Ich hoffe, wenn Ew. Majestät geruhn« – worauf er wieder inne hielt, indem seine tiefe angeerbte Ehrfurcht für seinen Fürsten und das Gefühl der seinem Unglücke gebührenden Gastfreiheit ihn hinderte, seine Empfindungen unumwunden auszusprechen.
»Und was hofft Oberst Albert Lee?« sagte Karl in demselben trocknen und kalten Tone, in dem er vorher gesprochen hatte. – »Keine Antwort? – Nun, ich hoffe, Oberst Lee wird in einem albernen Spaße nichts Beleidigendes für die Ehre seiner Familie sehen; denn mich dünkt, das wär ein schlechtes Compliment für seine Schwester, seinen Vater und ihn selbst, Karl Stuarts, den er seinen König nennt, noch gar nicht zu gedenken, und ich erwarte nicht so sehr verkannt zu werden, um mich für fähig zu halten, daß ich je vergessen könnte, daß Fräulein Alexia Lee die Tochter meines treuen Unterthans und Hauswirths ist, und die Schwester meines Führers und Beschützers. – Kommen Sie, Albert,« fügte er hinzu, indem er auf einmal wieder sein von Natur freies und ungezwungenes Wesen annahm, »Sie vergessen, wie lange ich in einem Lande war, wo Männer, Weiber und Kinder, Morgens, Mittags und Abends von galanten Dingen sprechen, ohne mehr dabei zu denken, als daß sie sich eben damit die Zeit vertreiben, und ich vergesse auch, daß Sie aus der altmodischen englischen Schule sind, ein Sohn, ganz nach Sir Heinrichs Herzen, und daß Sie in solchen Dingen keinen Spaß verstehn. – Aber ich bitte Sie aufrichtig um Verzeihung, Albert, wenn ich Ihnen weh gethan habe.«
Hiermit reichte er seine Hand dem Obersten Lee, der in dem Gefühle, daß er sich wirklich übereilt habe, den Scherz des Königs übel zu deuten, sie ehrerbietig küßte und eine Entschuldigung vorzubringen versuchte.
»Nicht ein Wort – nicht ein Wort,« sagte der gutmüthige Prinz, indem er seinen reuigen Anhänger aufhob, wie er eben niederknien wollte, »wir verstehen einander. Sie fürchten sich ein wenig vor dem leichtfertigen Rufe, den ich mir in Schottland erwarb, aber ich betheure Ihnen, ich will in Gegenwart von Fräulein Alexia Lee so zurückhaltend seyn, wie Sie oder der Oberst, Ihr Vetter, es nur immer wünschen können, und meine Galanterie, wenn ich deren zu vertheilen habe, höchstens bei dem hübschen kleinen Dienstmädchen anbringen, das beim Abendbrode aufwartete. – Sie müßten denn ihr Ohr als Monopol allein für sich behalten wollen, Oberst Albert.«
»Verzeihen Ew. Majestät, ein Monopol ist es ganz gewiß, obwohl nicht für mich, sondern für Josselin Joliff, den Unterförster, den wir nicht bös machen müssen, da wir ihm schon zu weit unser Vertrauen bezeigten, und sich vielleicht Veranlassung finden könnte, ihm dasselbe ganz zu schenken. Ich glaube beinah, er vermuthet, wer Louis Kerneguy in der Wirklichkeit seyn mag.«
»Ihr wollt aber auch Alles allein haben, Ihr Liebhaber in Woodstock,« sagte der König lachend. »Nun, wenn es mir einfiele, wie das bei einem Franzosen in solchem Falle nicht unterbleiben würde, dem tauben alten Weibe, das ich in der Küche sah, weil ich nun eben nichts besseres fände, schöne Dinge vorzusagen, so würde es ganz gewißheißen, Doktor Rochecliffe habe sie schon ebenfalls in Beschlag genommen.«
»Ich wundere mich über die gute Laune Ew. Majestät,« sagte Albert, »daß nach einem Tage voll Gefahren, Beschwerden und Unfällen Sie sich noch stark genug fühlen, sich auf diese Weise zu unterhalten.«
»Das heißt, der Kammerherr wünscht, Se. Majestät möchte schlafen gehen? – Nun wohl, noch ein Paar Worte über ernstere Angelegenheiten, und ich bin fertig. – Ich habe mich ganz durch Sie und Rochecliffe leiten lassen – habe die weibliche Verkleidung in einem Nu gegen die männliche vertauscht, habe, statt wie es erst bestimmt war, nach Hampshire zu gehen, hier Zuflucht gesucht – halten Sie es noch immer für das Klügste?«
»Ich habe großes Vertrauen in Doktor Rochecliffe,« erwiederte Albert, »da seine Bekanntschaft mit den zerstreuten königlich Gesinnten ihn in Stand setzt, die genauesten Nachrichten einzuziehen. Sein Stolz auf seine weitläufige Correspondenz und seine verwickelten Pläne für den Dienst Ew. Majestät sind allerdings die Nahrung, von der er lebt, aber sein Scharfsinn ist seiner Eitelkeit gleich. Ich setze überdies das höchste Vertrauen in Joliff. Von meinem Vater und meiner Schwester sage ich nichts; doch möchte ich nicht ohne Grund die Kenntniß von der Person Ew. Majestät noch weiter ausgedehnt wissen, als unerläßlich nöthig ist.«
»Ist es aber redlich von mir,« sagte Karl nach einer Pause, »Sir Heinrich Lee mein volles Vertrauen vorzuenthalten?«
»Ew. Majestät hörten, wie er diesen Abend eine fast tödtliche Ohnmacht bekam. – Was ihn aufs tiefste bewegen würde, darf ihm nicht übereilt mitgetheilt werden.«
»Wohl wahr, aber sind wir sicher vor einem Besuche von Seiten der Rothröcke – es stehen ihrer in Woodstock sowohl als in Oxford.«
»Doktor Rochecliffe,« antwortete Lee, »sagt sehr richtig, es säße sich am besten nahe am Feuer, wenn der Kamin raucht, und Woodstock, das so kürzlich noch im Besitz der Sequestratoren war, und in der Nähe der Soldaten liegt, werde weniger Verdacht erregen, und weniger sorgfältig durchsucht werden, als entferntere Winkel, die mehr Sicherheit zu versprechen scheinen. Ueberdies,« fügte er hinzu, »hat Rochecliffe merkwürdige und wichtige Nachrichten über den Zustand der Angelegenheiten in Woodstock, die es Ew. Majestät sehr erleichtern, zwei oder drei Tage im Schloß verborgen zu bleiben, bis für ein Schiff gesorgt ist. Das Parlament oder der usurpirende Staatsrath hat Sequestratoren hergeschickt, die ihr eignes böses Gewissen, vielleicht auch die List einiger kühnen Cavaliere aus dem Jagdschlosse vertrieben haben, so daß es ihnen wohl nicht darnach verlangen wird, zurückzukommen. Ferner hat auch der noch furchtbarere Usurpator Cromwell dem Obersten Everard eine Vollmacht gewährt, und dieser hat sie blos dazu benutzt, seinen Oheim wieder in Besitz des Schlosses zu setzen, und hält in Person in dem kleinen Flecken Wache, um darauf zu sehen, daß Sir Heinrich nicht gestört wird.«
»Was! Fräulein Alexias Oberst? – Das klingt beunruhigend – denn wenn wir auch annehmen, daß er die andern Bursche fern hält, meinen Sie nicht, daß er des Tags hundertmal Vorwand finden wird, um selbst herzukommen?«
»Doktor Rochecliffe sagt,« antwortete Lee, »der Vertrag zwischen Heinrich und seinem Neffen verbindet den letztern, nicht anders, als eingeladen dem Schlosse zu nahen. – Wirklich war es nicht ohne große Schwierigkeit, und nur dadurch, daß man ihm die guten Folgen vorstellte, die es für die Sache Ew. Majestät haben könnte, daß mein Vater überhaupt vermocht werden konnte, Woodstock wieder zu beziehen; aber seyn Sie überzeugt, er wird sich nicht übereilen dem Obersten eine Einladung zu schicken.«
»Und sind Sie überzeugt, daß der Oberst ohne eine solche nicht kommen wird?« sagte Karl. »Wo es die Schwestern betrifft, können die Leute nicht so ganz richtig urtheilen – sie sind zu vertraut mit dem Magnet, um seine Anziehungskraft gehörig zu beurtheilen. – Everard wird hier seyn, wie von Wagen-Seilen herbeigezogen – Fesseln werden ihn nicht halten, wie viel weniger Versprechungen – und dann dünkt mich doch, sind wir in einiger Gefahr.«
»Das fürchte ich nicht,« sagte Albert. »Erstens kenne ich Markham als einen Sklaven seines Worts, und sollte auch irgend ein Zufall ihn herbringen, so könnte ich, glaube ich, ohne Schwierigkeit Ew. Majestät bei ihm für Louis Kerneguy gelten lassen. Ueberdies, wenn gleich mein Vetter und ich seit mehren Jahren nicht einig waren, so halte ich ihn doch für unfähig, Ev. Majestät zu verrathen, und endlich, wenn ich nur die geringste Gefahr sähe, so stieße ich ihm, und wär er zehnmal der Neffe meiner Mutter, den Degen durch den Leib, ehe er Zeit hätte, seinen Plan auszuführen.«
»Ich habe nur noch eine Frage,« sagte Karl, »dann will ich Sie loslassen, Albert. Sie scheinen sich vor einer Untersuchung sicher zu glauben, das kann wohl so seyn, aber in jedem andern Lande würden diese Gespenstergeschichten, die im Umlauf sind, Priester und Diener der Justiz herbeiziehen, um die Wahrheit der Sache zu untersuchen, und müßigen Pöbels genug, um die Neugier zu befriedigen.«
»Was das erste betrifft, so hoffen und hören wir, daß Oberst Everards Einfluß jede unmittelbare Nachsuchung verhindern wird, um den Frieden in seines Oheims Familie ungestört zu erhalten, und daß einer ohne irgend eine Art von Vollmacht kommen sollte, dazu lieben und fürchten alle Nachbarn meinen Vater zu sehr, und sind noch dazu über die Gespenster in Woodstock so entsetzlich erschrocken, daß Furcht die Neugier zum Schweigen bringen wird.«
»Im Ganzen also,« sagte Karl, »scheint der Plan, den wir angenommen haben, der sicherste zu seyn. Daß ist Alles, was ich in einer Lage hoffen kann, wo völlige Sicherheit nicht zu erwarten ist. Der Bischoff empfahl mir Doktor Rochecliffe als einen der sinnreichsten, kühnsten und treuesten Söhne der Englischen Kirche. Sie, Albert Lee, haben Ihre Treue auf hundertfache Weise bewährt. Ihnen und Ihrer Localkenntniß überlasse ich mich. – Und nun legen Sie unsre Waffen zurecht – lebendig will ich mich nicht fangen lassen – doch will ich auch nicht glauben, daß ein Sohn des Königs von England, und Erbe seines Throns in seinem eigenen Palaste, und unter der Obhut der treuen Lee's Gefahr zu erwarten haben sollte.«
Albert Lee legte Pistolen und Degen neben des Königs Bette und seinem eigenen bereit, und Karl nahm nach einer kurzen Entschuldigung das größere und bessere Bett mit einem frohen Seufzer ein, wie Einer, der lange nicht eine solche Bequemlichkeit genossen hat. Er sagte seinem treuen Begleiter, der sich in sein Rollbett legte, gute Nacht, und Beide, Monarch und Unterthan, lagen bald im tiefen Schlafe.