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Neuntes Kapitel.


Dies ist der Platz, des Haines Mittelpunkt;
Hier stand die Eich', ein König in dem Wald.

John Home.

Die Sonne war über den höheren Zweigen des Waldes aufgegangen, aber ohne Macht in die Tiefen desselben zu dringen, die mit schweren Thautropfen reich behangen waren, und auf einigen Bäumen die mannichfachen Farben des Herbstes entwickelten; denn es war die Jahreszeit, wo die Natur gleich einem Verschwender, mit dem es beinah aus ist, durch überschwengliche Pracht und Mannichfaltigkeit der Farben, die kurze Zeit scheint ersetzen zu wollen, wo ihr Glanz noch dauert. Die Vögel waren still – selbst das Rothkehlchen, dessen zirpender Gesang unter den Büschen in der Nähe des Schlosses vernommen wurde, kühner gemacht durch die Freigebigkeit, womit der gute alte Ritter seine Vertraulichkeit ermunterte, wagte sich nicht in die Tiefen des Waldes, beunruhigt durch die Nähe des Vogelfalken und andrer Feinde ähnlicher Art, sondern zog die Nähe der Menschenwohnungen vor, von dem es fast allein unter dem geflügelten Geschlecht, uneigennützigen Schutz zu erfahren scheint.

Die Scene war zugleich lieblich und still, als der gute Doktor Rochecliffe in einem scharlachrothen Mantel, der schon manchen Tag gedient hatte, und sich das Gesicht mehr aus Gewohnheit als aus Noth verhüllend, mit Alexia am Arme, die auch durch einen Mantel gegen den feuchten kalten Herbstmorgen geschützt war, durch das verwickelte lange Gras der dunkeln Gänge fast bis an die Knöchel im Thau, auf den zum Zweikampf bestimmten Ort zuschritt. Beide waren so eifrig in der Berathung, die sie angefangen hatten, daß eins den unbequemen Weg so wenig merkte als das andere, obwohl sie sich oft durch Gebüsch und Unterholz durchzwängen mußten, das alle flüssige Perlen, womit es beladen war, auf sie herabgoß, bis die Mäntel, in die sie sich gehüllt hatten, schlaff herabhingen, und ihnen ganz durchnäßt auf den Schultern klebten. Sie blieben stehen, als sie einen Standort im dichten Gebüsch erreicht hatten, von welchem geschützt, sie Alles sehen konnten, was auf dem kleinen Platze vor der Königseiche vorging, deren breite und wüste Gestalt, knotige und zertrümmerte Zweige, und drohender Wipfel ihr das Ansehen eines alten krieggeübten Kämpfers gaben, der zum Schiedsrichter eines Zweikampfs wohl gewählt war.

Der Erste, der auf dem Sammelplatze erschien, war der lustige Cavalier, Roger Wildrake. Er war ebenfalls in seinen Mantel gehüllt, hatte aber seinen puritanischen Biber abgedankt, und trug an dessen Stelle einen spanischen Hut mit einer Feder und einem goldenen Hutbande, welches Alles aber schon schlechtes Wetter und schweren Dienst erlebt hatte. Um aber das Aermliche, was hierin lag, einigermaßen zu vergüten, war der Biber gerade so aufgesetzt, wie es unter den verwegensten Cavalieren der Fall zu seyn pflegte, und was man uns heiligerweise, die »Gott verdamm mich« Mode nannte.

Er kam sehr eilig und rief laut: – »Am Ende doch der Erste im Felde, beim Jovis, ob ich gleich Everarden prellte, um meinen Morgentrank erst einzunehmen. – Es ist mir doch sehr gut bekommen,« fügte er mit den Lippen schmatzend hinzu. – »Gut, ich dächte, ich untersuchte den Boden, ehe mein Prinzipal herbeikommt, dessen presbyterianische Uhr so langsam geht, wie sein presbyterianischer Schritt.«

Er zog seinen Degen unter dem Mantel hervor, und schien im Begriff, das Dickicht zu durchsuchen.

»Das will ich verhindern,« flüsterte der Doktor Alexian zu. »Ich halte Ihnen Wort – Sie sollen nicht erscheinen – nisi dignus vindice nodus – ich will Ihnen das ein Andermal erklären – vindex ist weiblich und männlich zugleich, die Angabe läßt sich also rechtfertigen – bleiben Sie hier.«

Hiermit schritt er auf den Platz hinaus, und verneigte sich vor Wildrake.

»Herr Louis Kerneguy,« sagte Wildrake, den Hut ziehend, aber sogleich entdeckte er seinen Irrthum und fügte hinzu: »Doch nein, ich bitte um Verzeihung, Herr – wohlbeleibter, kürzer, älter – Herrn Kerneguy's Freund vermuthlich, mit dem ich hoffe, gelegenheitlich einen Gang zu machen. – Und warum nicht jetzt, Herr? ehe unsre Prinzipals herbeikommen. So ein Anbiß, um die Mündung des Magens zuzuhalten, bis das Mittagsmahl aufgetragen ist, was meinen Sie dazu?«

»Die Mündung des Magens zu öffnen wohl eher, oder ihm gar eine neue zu geben,« sagte der Doktor.

»Richtig, Herr,« sagte Roger, der jetzt ganz in seinem Elemente schien, »Sie sagen ganz richtig – das kann nachher auch wohl geschehen. Aber kommen Sie, Herr, Sie tragen ja Ihr Gesicht ganz eingehüllt, ich gebe Ihnen zu, daß es ehrlicher Leute Weise ist in dieser unglücklichen Zeit; desto schlimmer. Wir aber werfen Alles über Bord – wir haben keine Verräther hier. Ich will mich zuerst in Positur setzen, um Sie zu ermuntern, und Ihnen zeigen, daß Sie es mit einem Manne zu thun haben, der den König ehrt, und mit Jedem, der ihm folgt, zu fechten im Stande ist, wie Sie es ohne Zweifel auch thun, da Sie der Freund des Herrn Louis Kerneguy sind.«

Unterdeß war Wildrake geschäftig, die Heftel seines viereckigen Mantelkragens aufzumachen.

»Fort – fort! ihr geliehenen Hüllen,« sagte er, »geborgte, sollte ich euch vielmehr nennen –

»Der Vorhang weg, der Borgia bedeckt.«

Hiermit warf er seinen Mantel von sich, und erschien ganz und gar in einem höchst cavaliermäßigen Wamms von beschmutztem carmoisinrothen Atlas, ausgezackt und mit Puffen von einem Zeuge besetzt, das einmal weißer Flor gewesen war, dem ähnliche Beinkleider und Strümpfe, die an vielen Stellen gestopft und wie die von Poins (in Heinrich IV. von Shakespeare) einmal pfirsichblüthfarben gewesen waren. Ein Paar leichte Tanzschuh, die zu einem Gange durch den Thau nicht eben geschickt waren, und ein breites Wehrgehenk von verblichener Stickerei vollendeten den Anzug.

»Kommen Sie, Herr,« rief er aus, »eilen Sie, fort mit Ihrer Haut – hier steh ich schlecht und recht – ein so treuer Bursch, wie nur je einer einen Rundkopf mit dem Degen durchbohrte. – Kommen Sie, Herr, greifen Sie zu den Waffen,« fuhr er fort, »wir können schon ein halb Dutzend Gänge gemacht haben, ehe sie kommen, und sie wegen ihres Zögerns beschämen. – Pah!« rief er in sehr verdrießlichem Tone, als der Doktor seinen Mantel aufthat, und seine geistliche Kleidung zeigte, »es ist am Ende Niemand als der Pfarrer.«

Wildrakes Ehrfurcht für die Kirche jedoch und sein Wunsch, einen fortzuschaffen, der vermuthlich eine Scene unterbrechen würde, der er mit besonderem Vergnügen entgegen sah, vermochte ihn sogleich, einen andern Ton anzunehmen.

»Ich bitte um Verzeihung,« sagte er, »mein lieber Doktor – ich küsse den Saum Ihres Rocks – das thue ich beim donnernden Jupiter – ich bitte nochmals um Verzeihung. Aber es freut mich sehr, daß ich Sie getroffen habe – man verlangt ganz rasend nach Ihnen im Jagdschlosse, um dort zu copuliren, zu taufen, zu begraben oder Beichte anzuhören, oder sonst etwas sehr Dringendes. – Ums Himmels willen, eilen Sie. «

»Im Jagdschlosse?« sagte der Doktor; »ei ich komme ja eben von da her. Ich war ganz gewiß später dort, als Sie es seyn konnten, da Sie von der Woodstocker Straße herkommen.«

»Wohl,« erwiederte Wildrake, »in Woodstock wird eben nach Ihnen verlangt. – Hols der Henker, sagt' ich das Jagdschloß? – Nein, nein – Woodstock – mein Wirth kann nicht gehangen – seine Tochter nicht getrauet – sein Balg nicht getauft oder seine Frau nicht begraben werden – ohne den Beistand eines wahren Geistlichen. – So ein Holdenough ist ihnen nicht genug – es ist ein aufrichtiger Mann, mein Wirth, wenn Ihnen also Ihr Amt lieb ist, so eilen Sie.«

»Verzeihen Sie, Herr Wildrake,« sagte der Doktor – »ich warte auf Herrn Louis Kerneguy.«

»Den Teufel auch!« rief Wildrake. »Je, ich habe wohl immer gewußt, daß die Schotten nichts ohne ihren Pfarrer thun könnten; aber hols der Henker! das hätt' ich nimmermehr gedacht, daß sie diese auch dazu brauchten. Aber ich habe lustige Kunden im Priesterrocke gekannt, die eben so gut mit dem Schwerte als mit dem Gebetbuche umzugehen wußten. Sie kennen den Zweck unsrer Zusammenkunft, Doktor. Kommen Sie blos als geistlicher Tröster – oder vielleicht als Wundarzt – oder nehmen Sie auch zuweilen die Klinge zur Hand?« –

Hier machte er eine fechtende Bewegung mit dem Degen, ohne ihn aus der Scheide zu ziehen.

»Ich habe es wohl bei nöthigen Gelegenheiten auch gethan,« sagte der Doktor Rochecliffe.

»Guter Herr, lassen Sie dies für eine nöthige gelten,« sagte Wildrake. »Sie kennen meine Ergebenheit für die Kirche. Wenn ein so geschickter Geistlicher, wie Sie, mir die Ehre erzeigen wollte, nur drei Gänge mit mir zu machen, so würde ich mich für immer glücklich dünken.«

»Herr!« sagte Rochecliffe lächelnd, »hätte ich auch sonst keine Einwendung gegen das, was Sie vorschlagen, so fehlt es mir an Mitteln – ich habe keine Waffe.«

»Was! es fehlt Ihnen an dem de quoi? Das ist in der That unglücklich. Aber Sie haben ja einen derben Stock in der Hand – was hindert uns, einen Gang zu versuchen, bis unsre Prinzipale kommen? – Mein Degen müßte natürlich dabei in der Scheide bleiben. – Meine Tanzschuh sind schon voll von dem kalten Thau, und ich werde mir ein oder zwei Zehen erfrieren, wenn ich unterdeß still stehen soll, während jene fechten; denn ich denke mir, Doktor, und Sie werden meiner Meinung seyn, die Sache wird etwas mehr werden, als ein bloßer Sperlingskampf.«

»Mein Geschäft hier ist, wo möglich alles Kämpfen zu verhindern,« sagte der Geistliche.

»Nun, hols der Henker, Doktor, das ist doch zu verdrießlich,« sagte Wildrake, »ohne meine Ehrfurcht für die Kirche, könnte ich ein Presbyterianer werden, um mich zu rächen.«

»Halten Sie sich gefälligst ein wenig zurück, Herr,« sagte der Doktor, »und drängen Sie sich nicht in dieser Richtung vorwärts« – denn Wildrake kam in der heftigen Bewegung, in die ihn sein Verdruß versetzte, dem Orte nah, wo Alexia noch verborgen war.

»Und warum nicht? ich bitte Sie, Doktor,« sagte der Cavalier.

Aber als er einen Schritt weiter kam, hielt er plötzlich inne, und murmelte bei sich selbst, mit einem derben Fluche des Erstaunens: »Ein Weiberrock in dem Gebüsche, bei Allem was ehrwürdig ist, und zu dieser Stunde des Morgens! Ei, ei! – Er machte seinem Erstaunen Luft in einem langen pfeifenden Ausruf, dann wandte er sich an den Doktor, mit dem Finger an der Nase: »Sie sind schlau, Doktor, verdammt schlau. Aber warum geben Sie mir nicht einen Wink von Ihrer Bequemlichkeit dort – ihrer Contrebande? Potz tausend, Herr, ich bin nicht ein Mann, der die Abschweifungen der Kirche offenbart.«

»Herr!« sagte Doktor Rochecliffe, »Sie werden unverschämt, und wenn es Zeit dazu wäre, und es verlohnte sich der Mühe, so würde ich Sie züchtigen.«

Und der Doktor, der lange genug im Kriege gedient hatte, um einige von den Eigenschaften eines Capitains von der Cavallerie zu denen des Geistlichen hinzuzufügen, erhob wirklich seinen Stock, zur großen Ergötzlichkeit des Wüstlings, dessen Ehrfurcht für die Kirche keineswegs im Stande war, seine Schadenfreude zu unterdrücken.

»Ei, Doktor,« sagte er, »wenn Sie Ihre Waffe auf diese Weise wie einen Hieber handhaben, und Sie bis an den Kopf in die Höh heben, so habe ich Sie in einem Nu durchbohrt.« Hiermit that er einen Ausfall mit dem Degen in der Scheide, nicht gerade auf den Doktor zu, aber doch in der Richtung, worauf Rochecliffe augenblicklich seinen Stock nicht mehr als Hieber, sondern als Stoßdegen brauchte, und dem Cavalier den Degen aus der Hand schlug, und zwar mit aller Geschicklichkeit meines Freundes Francalanza, so daß er zehn Schritte weit von ihm flog. In diesem Augenblicke erschienen die beiden Hauptpersonen auf dem Platze.

Everard rief Wildraken ärgerlich zu: »Ist das Deine Freundschaft! Was ums Himmelswillen machst Du da in der Narrenjacke, und treibst Hanswurstspäße?« indeß sein würdiger Secundant etwas gedemüthigt, wie ein Knabe, der über einer Schelmerei ertappt ist, zu Boden sah und hinging, um seinen Degen aufzuheben, wobei er jedoch im Vorübergehen den Kopf ins Gebüsch steckte, um wo möglich den verborgenen Gegenstand seiner Neugier noch einmal zu Gesicht zu bekommen.

Karl, unterdes noch mehr erstaunt über das, was er sah, rief seinerseits: »Was! Doktor Rochecliffe ist im buchstäblichsten Sinne ein Streiter der Kirche geworden, und hauet sich mit meinem Freunde, Cavalier Wildrake, herum? Darf ich so frei seyn, und ihn bitten, sich zu entfernen, da Oberst Everard und ich ein Privatgeschäft abzumachen haben?«

Doktor Rochecliffe hatte bei dieser wichtigen Gelegenheit sich verabredeter Maßen mit allem Ansehen seines heiligen Amtes waffnen, und mit einem Tone einmischen sollen, der selbst einem Monarchen hätte Ehrfurcht gebieten und ihn fühlen lassen können, daß sein Ermahner auf höheren Befehl spreche, als den Seinigen. Die unbesonnene Weise aber, in der er seiner Leidenschaft die Zügel hatte schießen lassen, und der Leichtsinn, über dem man ihn ertappt hatte, begünstigten nicht eben jene überlegene Sprache, der ein so unbändiger Geist, wie Karl, der eigenwillig wie ein Prinz, und eigensinnig wie ein Witzling war, sich wahrscheinlich nicht unterwerfen würde. Der Doktor bemühte sich jedoch, seine Würde zusammen zu nehmen, und erwiederte mit dem ernsthaftesten und zugleich ehrerbietigsten Tone, den er nur annehmen konnte, auch er habe Geschäfte von äußerster Wichtigkeit, die ihn hinderten, sich in Herrn Kerneguy's Wünsche zu fügen und den Ort zu verlassen.

»Entschuldigen Sie diese unzeitige Unterbrechung,« sagte Karl, seinen Hut abnehmend und sich vor Oberst Everard verneigend, »ich will ihr gleich ein Ende machen.«

Everard erwiederte ernst seine Verbeugung und schwieg.

»Sind Sie toll, Doktor Rochecliffe?« sagte Karl – »oder sind Sie taub – oder haben Sie Ihre Muttersprache vergessen? ich ersuchte. Sie, den Ort zu verlassen.«

»Ich bin nicht toll,« sagte der Geistliche mit mehr Entschlossenheit, und indem er seine natürlich feste Stimme wieder gewann – »ich möchte Andere verhindern es zu seyn; ich bin nicht taub – ich möchte Andere bitten, die Stimme der Vernunft und Religion zu hören; meine Muttersprache habe ich nicht vergessen – aber ich bin hergekommen, die Sprache des Herrn der Könige und der Fürsten zu sprechen.«

»Um mit Besenstielen zu fechten, sollte ich eher meinen,« sagte der König – »lassen Sie's gut seyn, Doktor Rochecliffe; dieser plötzliche Anfall einer angemaßten Wichtigkeit steht Ihnen so schlecht, als Ihr voriges Späßchen. Sie sind doch hoffentlich weder ein katholischer Priester noch ein schottischer Pfaffe, daß Sie frommen Gehorsam von Ihren Zuhörern fordern, sondern ein Priester der englischen Kirche, der den Regeln dieser Gemeinde – und ihrem Oberhaupte unterworfen ist.« Diese letzten Worte sagte der König leise, aber nachdrücklich. Als Everard dies bemerkte, zog er sich zurück, indem seine angeborne Großmuth ihn vermochte, ein Privatgespräch zu vermeiden, was die Sicherheit der Sprecher betreffen könnte. Sie beobachteten jedoch fortwährend große Vorsicht in der Art, wie sie sich ausdrückten.

»Herr Kerneguy,« sagte der Geistliche, »nicht ich maße mir Gewalt über Ihre Wünsche an – Gott verhüte es, ich sage Ihnen nur, was die Vernunft, die Schrift, die Religion und Sittlichkeit Ihnen gleich sehr als Regel Ihres Betragens vorschreiben.«

»Und ich, Doktor,« sagte der König lächelnd und auf den unglücklichen Stock zeigend, »will mich lieber nach Ihrem Beispiel als Ihren Vorschriften richten. Wenn ein ehrwürdiger Geistlicher selbst einen Tanz auf Stöcke versucht, was kann er da für ein Recht haben, sich in Männerstreit zu mischen – gehen Sie nur fort, und machen Sie nicht, daß Ihre jetzige Hartnäckigkeit frühere Verpflichtungen verwischt.«

»Bedenken Sie es wohl,« sagte der Geistliche, »ich kann ein Wort sagen, das Alles dies verhindert.«

»Thun Sie das,« erwiederte der König, »und verleugnen Sie so den ganzen Inhalt und die Thaten eines ehrenvollen Lebens – verlassen Sie die Grundsätze Ihrer Kirche und werden ein treuloser Verräther und Abtrünniger, um einen Andern zu verhindern, seine Pflicht als Edelmann zu erfüllen. Dies hieße in der That Ihren Freund todtschlagen, um ihm daran zu hindern, sich in Gefahr zu begeben. Lassen Sie den leidenden Gehorsam, der so oft in Ihrem Munde und ohne Zweifel auch in Ihrem Kopfe ist, Ihre Füße auch einmal in Bewegung setzen, und auf zehn Minuten bei Seite treten. Nach Verlauf dieser Zeit wird vielleicht Ihr Beistand nöthig seyn, entweder als Körper- oder als Seelenarzt.«

»Nun dann,« sagte der Doktor Rochecliffe, »ist mir nur Eins noch übrig.«

Während dies Gespräch gehalten wurde, hatte Everard fast mit Gewalt seinen Begleiter Wildrake an seiner Seite gehalten, dessen größere Neugier und geringeres Zartgefühl ihn sonst vorwärts getrieben hätte, um wo möglich das Geheimniß zu erspähen. Als er aber den Doktor ins Gebüsch zurückgehen sah, flüsterte er Everarden eifrig zu – »ich verwette einen Goldkarolin gegen einen republikanischen Pfennig, der Doktor ist nicht blos gekommen, Frieden zu predigen, er hat auch die Hauptbedingungen mit sich gebracht.«

Everard antwortete nichts, er hatte schon den Degen gezogen, und Karl sah kaum, daß Rochecliffe den Rücken gewandt hatte, so verlor er keine Zeit, seinem Beispiel zu folgen. Aber ehe sie noch mehr gethan hatten, als einander mit dem gewöhnlichen Schwenken ihrer Waffen zu begrüßen, stand Doktor Rochecliffe schon wieder zwischen Ihnen, Alexia Lee an der Hand, deren Kleider feucht vom Thau waren, und deren langes durchnäßtes Haar ganz ungekräuselt herabhing. Ihr Gesicht war sehr bleich, aber es war die Blässe verzweifelter Entschlossenheit, nicht der Furcht. Es gab eine tiefe Pause des Erstaunens, die Kämpfer senkten ihre Schwerter – und selbst Wildrakes vorlautes Wesen äußerte sich nur in halbunterdrückten Ausrufungen, als »Wohlgethan, Doktor – das übertrifft noch den Pfarrer in den Schoten – Niemand geringeres als die Tochter deines Gönners – und Fräulein Alexia, die ich für ein wahres Schneeglöckchen hielt, ist am Ende weiter nichts, als ein Hundsveilchen – eine Lindabrides beim Himmel, und ganz wie unsres Gleichen.«

Dies Gemurmel abgerechnet, worauf Niemand hörte, war Alexia die Erste, die sprach.

»Herr Everard,« sagte sie – »Herr Kerneguy, Sie sind erstaunt, mich hier zu sehen – und doch, warum sollte ich Ihnen nicht den Grund auf einmal sagen? Ueberzeugt, daß ich, wenn auch schuldlos, die unglückliche Ursache Ihres Mißverständnisses bin, habe ich zu viel Interesse dabei, unglückliche Folgen zu verhindern, die es auf diese oder jene Weise haben könnte. – Herr Kerneguy, haben meine Wünsche, meine Bitten – haben Ihre edeln Gedanken – die Erinnerung Ihrer eigenen hohen Pflichten, kein Gewicht bei Ihnen in dieser Sache, so lassen Sie mich Sie ersuchen, Vernunft, Religion und gesunden Verstand zu Rathe zu ziehen, und Ihre Waffe einzustecken.«

»Ich bin so gehorsam wie ein morgenländischer Sklav, mein Fräulein,« antwortete Karl, seinen Degen in die Scheide steckend, »aber die Sache, um die Sie sich bekümmern, ist wahrlich eine bloße Kleinigkeit, die zwischen Oberst Everard und mir in fünf Minuten viel besser ausgemacht seyn würde, als mit Hülfe einer ganzen Kirchenversammlung, auch wenn ein weibliches Parlament ihre ehrwürdigen Berathungen unterstützte – Herr Everard wollen Sie wohl die Güte haben, ein wenig weiter mit mir zu gehen? – es scheint, wir müssen uns einen andern Kampfplatz suchen.«

»Ich bin bereit, Sie zu begleiten, Herr,« sagte Everard, der seinen Degen eingesteckt hatte, sobald er seinen Gegner eben dieses thun sah.

»Ueber Sie vermag ich also nichts, « sagte Alexia, indem sie fortfuhr, sich an den König zu wenden – »fürchten Sie nicht, daß ich das mir anvertraute Geheimniß gebrauchen könnte, um zu verhindern, daß diese Sache aufs äußerste komme. Glauben Sie, daß dieser Mann, der seine Hand gegen Sie erhebt, wenn er wüßte –«

»Wenn er wüßte, daß ich Lord Wilmot wäre, Fräulein, wollten Sie sagen, der Zufall hat ihm schon einen Beweis davon gegeben, mit dem er zufrieden ist, und ich denke, Sie möchten es schwer finden, ihn zu einer andern Meinung zu vermögen.«

Alexia hielt inne, und sah den König mit großer Entrüstung an, indem folgende Worte ihr einzeln entfuhren, wie wenn sie den Empfindungen zum Trotz, die sie hätten zurückhalten mögen, hervorbrächen – »kalt – selbstsüchtig – undankbar – lieblos – wehe dem Lande, das« – hier hielt sie mit großem Nachdruck inne, und fügte dann hinzu – »das dich, oder solche, die dir gleichen, unter seine Edeln und Beherrscher zählt.«

»Ei! schöne Alexia,« sagte Karl, dessen Gutmüthigkeit nicht umhin konnte, diesen strengen Vorwurf zu fühlen, der jedoch zu schwach war, um den gewünschten Eindruck zu machen, »Sie sind zu ungerecht gegen mich – zu partheiisch gegen einen glücklicheren Mann. Nennen Sie mich nicht lieblos; ich bin nur hier auf Herrn Everards Aufforderung, ich konnte mich weder weigern, zu erscheinen, noch jetzt, da ich hier bin, mich ohne Verlust meiner Ehre zurückziehen, und der Verlust meiner Ehre würde eine Schande seyn, die sich auf Viele erstrecken müßte. – Ich kann vor Herrn Everard nicht fliehen, das wäre zu schimpflich. Wenn er auf seiner Ausforderung beharrt, so muß diese entschieden werden, wie es bei solchen Dingen gewöhnlich ist. Wenn er sie zurücknimmt, oder sie aufgiebt, so will ich es um Ihrentwillen gut seyn lassen. Ich will nicht einmal eine Entschuldigung verlangen, wegen der Mühe die es mir verursacht hat, sondern dies alles hingehen lassen, als wäre es die Folge irgend eines unglücklichen Mißverständnisses, dessen Grund ich meinerseits nicht untersuchen werde. – Das will ich um Ihrentwillen thun, und es ist viel für einen Mann von Ehre, so viel nachzugeben – Sie wissen, daß es von mir insbesondere in der That viel ist, Nennen Sie mich also nicht unedel, oder undankbar, oder lieblos, da ich bereit bin, als Mann. Alles zu thun, was ich vermag, und mehr vielleicht, als ich als Mann von Ehre sollte. «

»Hören Sie dies, Markham Everard,« rief Alexia, »hören Sie dies – die fürchterliche Wahl hängt ganz von Ihnen ab – Sie pflegten sonst mäßig in Ihren Leidenschaften, fromm und versöhnlich zu seyn – wollen Sie, um eines bloßen Ehrenpunktes willen, diesen unchristlichen Privatstreit zu einem Morde ausdehnen? Glauben Sie mir, wenn Sie jetzt, gegen alle bessere Grundsätze Ihres Lebens, Ihren Leidenschaften den Zügel schießen lassen, so werden die Folgen von der Art seyn, daß Sie dieselben Ihr ganzes Leben hindurch bereuen, und sogar, wenn der Himmel kein Erbarmen hat, noch nach Ihrem Tode.«

Markham Everard blieb eine Weile in düsterem Schweigen, die Augen zu Boden gesenkt. Endlich sah er auf und antwortete – »Alexia, Sie sind eines Kriegers Tochter – eines Kriegers Schwester, alle Ihre Verwandten, selbst einen mit inbegriffen, für den Sie damals einige Theilnahme empfanden, sind durch diese unglückliche Zwietracht zu Kriegern geworden. Doch haben Sie dieselben ins Feld ziehen sehen – bei einigen Gelegenheiten sogar nach entgegengesetzten Seiten, um ihre Pflicht da zu thun, wo ihre Grundsätze sie hinriefen, ohne diesen hohen Grad von Theilnahme zu äußern. Antworten Sie mir – und Ihre Antwort soll mein Betragen bestimmen – ist dieser junge Mann, den Sie seit so kurzem erst kennen, Ihnen schon mehr werth, als jene theuern Verwandten, Vater, Bruder und Vetter, deren Auszug in die Schlacht Sie verhältnißmäßig gleichgültig ansahen? – Sagen Sie dieses, und es soll mir genug seyn – ich entferne mich, um Sie oder dies Land nie wieder zu sehen.«

»Bleiben Sie, Markham! bleiben Sie! und glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, daß wenn ich Ihre Frage bejahend beantworte, so geschieht es, weil Herrn Kerneguy's Sicherheit mehr, weit mehr erfordert, als die von irgend einem derer, die Sie erwähnten.«

»Wirklich! ich wußte nicht, daß eine Grafenkrone das Wappen eines bloßen Edelmannes so weit überträfe, « sagte Everard, »doch habe ich gehört, daß manche Frauen so denken.«

»Sie verstehen mich falsch,« sagte Alexia, bedrängt durch die Schwierigkeit, sich so auszudrücken, daß sie Schaden verhinderte, und doch zugleich ängstlich, um die Eifersucht zu bekämpfen und die Empfindlichkeit zu entwaffnen, die sie in dem Busen ihres Geliebten entstehen sah. Aber sie fand keine Worte, die fein genug waren, um den Unterschied zu machen, ohne zu einer Entdeckung von des Königs wirklichem Stande zu führen, und vielleicht in Folge dessen zu seinem Verderben. – »Markham,« sagte sie, »haben Sie Mitleid mit mir. Dringen Sie nicht in mich in diesem Augenblicke – glauben Sie mir, die Ehre und das Glück meines Vaters, meines Bruders, meiner ganzen Familie hängen an Herrn Kerneguy's Sicherheit – beruhen unwiederbringlich darauf, daß diese Sache so bleibt, wie sie jetzt ist. «

»O daran zweifle ich nicht,« sagte Everard, »das Haus Lee hielt sich immer zu dem Adel, und schätzte in seinen Verbindungen die phantastische Unterthanstreue des Hofmanns höher, als die ächte und redliche Vaterlandsliebe eines einfachen Landedelmannes. Bei ihnen ist die Sache natürlich. Aber Sie, Alexia, Sie – die ich so zärtlich geliebt habe – die mir den Glauben gestatteten, daß meine Liebe nicht unerwiedert sey – können die Lockungen eines leeren Titels, die eiteln, höfischen Artigkeiten eines Mannes von Stande, Sie nach einigen Stunden dahin bringen, einen leichtsinnigen Lord einem solchen Herzen, wie das meine, vorzuziehen?«

»Nein! nein! – glauben Sie mir, nein,« sagte Alexia mit der größten Angst.

»Fassen Sie Ihre Antwort, die Ihnen so drückend scheint, in Ein Wort zusammen, und sagen Sie mir, für wessen Sicherheit Sie so besorgt sind?«

»Für Beide – für Beide,« sagte Alexia.

»Diese Antwort ist nicht hinreichend, Alexia,« entgegnete Everard – »hier ist keine Gleichheit möglich. Ich will und muß wissen, worauf ich bauen kann. Das unredliche Hinhalten, was ein Mädchen zwischen zwei Bewerbern schwankend erhält, verstehe ich nicht, und Ihnen möcht ich nicht gern die Eitelkeit zur Last legen, die sich nicht mit einem Liebhaber auf einmal begnügen kann.«

Everards ungestümer Verdruß, als er seine lange und aufrichtige Treue leichtsinnig über den Bewerbungen eines ausschweifenden Hofmanns vergessen wähnte, erweckte Alexia Lee's lebhaften Unwillen, denn auch sie hatte, wie schon anderswo gesagt worden, ihren Antheil an dem Löwentemperament, das ihrer Familie eigenthümlich war.

»Wenn ich so falsch gedeutet werden soll,« sagte sie – »wenn Sie mich nicht des geringsten Vertrauens oder einer reinen Auslegung für werth halten, so hören Sie meine Erklärung und meine Zusicherung, und so seltsam auch meine Worte scheinen mögen, sind sie doch, gehörig ausgelegt, von der Art, daß sie Ihnen nicht Unrecht thun. – Ich sage Ihnen – ich sage Allen hier gegenwärtigen – und diesem Herrn selbst, der den Sinn, in dem ich spreche, recht wohl versteht, daß sein Leben und seine Sicherheit mir werther sind oder seyn müssen, als das irgend eines Menschen im Königreich – ja sogar in der Welt, der Andre mag seyn wer er will.«

Diese Worte sprach sie in einem so festen und entschiedenen Tone, daß kein weiterer Streit möglich war. Karl verneigte sich tief und ernst, blieb aber still. Everard, dessen Züge von einer Bewegung zitterten, welche sein Stolz ihn nur eben fähig machte, zu unterdrücken, trat auf seinen Gegner zu, und sagte in einem Tone, den er sich umsonst bemühte, zu einem festen zu machen:

»Herr, Sie haben die Erklärung des Fräuleins ohnstreitig mit den dankbaren Empfindungen angehört, die dieser Fall in hohem Grade verlangt. – Als ihr armer Verwandter und ein unwürdiger Bewerber, unterstehe ich mich, meinen Antheil an ihr, Ihnen zu überlassen; und da ich nicht die Veranlassung seyn will, ihr Schmerz zu verursachen, so hoffe ich auch, Sie werden nicht meinen, daß ich unwürdig handle, indem ich den Brief zurücknehme, der Ihnen die Mühe verursachte, zu dieser Stunde hieher zu kommen. – Alexia,« sagte er, sich zu ihr wendend, »leb wohl, Alexia, für jetzt und ewig!«

Das arme junge Fräulein, deren kühne Lebensgeister sie fast verlassen hatten, versuchte das Wort Lebewohl zu wiederholen, aber die Stimme versagte ihr, es kam nur ein gebrochener und unvollkommener Ton heraus, und sie wäre zu Boden gesunken, ohne Doktor Rochecliffe, der sie im Fallen auffing. Auch Roger Wildrake, der zwei oder dreimal die Trümmer eines Schnupftuchs an die Augen hielt, voll Theilnahme für die sichtbare Angst des Fräuleins, obwohl unfähig, die geheimnißvolle Ursache derselben zu begreifen, eilte dem Geistlichen beizustehen, eine so schöne Last zu unterstützen.

Unterdeß hatte der verkleidete Prinz das Ganze schweigend mit angesehen, aber mit einer Bewegung, die er nicht gewohnt war, und die seine dunkeln Züge, und mehr noch seine Bewegungen zu verrathen anfingen. Anfangs stand er ganz still, mit verschränkten Armen, wie Einer, der sich von den Ereignissen will leiten lassen; gleich darauf änderte er seine Stellung, trat bald mit dem, bald mit jenem Fuße vor, ballte und öffnete die Hand, und gab andre Zeichen, daß er durch widerstreitende Gefühle heftig bewegt, dem Augenblick nahe, einen schnellen Entschluß zu fassen, und doch noch ungewiß sey, welchen Weg er einschlagen solle.

Als er aber Markham Everard, nach einem Blick der unaussprechlichsten Angst auf Alexia, sich umwenden sah, um fortzugehen, brach er in seinen gewohnten Ausruf aus: »Potz Fischchen! das darf nicht seyn.« In drei Schritten hatte er den langsam fortgehenden Everard eingeholt, legte ihm rasch die Hand auf die Schulter und sagte, als jener sich umwandte, mit gebietendem Tone, den er recht gut, wo es ihm beliebte, anzunehmen wußte: »Ein Wort mit Ihnen, Herr!«

»Wie es Ihnen beliebt,« erwiederte Everard, und da er natürlich vermuthete, die Absicht seines Gegners sey eine feindliche, ergriff er den Degen mit der linken Hand und legte die rechte an den Griff, nicht unzufrieden über die vermeintliche Aufforderung, denn der Aerger ist wenigstens eben so nah mit getäuschter Hoffnung verwandt, als Mitleid es mit der Liebe seyn soll.

»Pah!« antwortete der König, »das kann jetzt nicht seyn – Oberst Everard, ich bin Karl Stuart

Everard prallte höchst erstaunt zurück, und rief alsdann: »unmöglich – das kann nicht seyn! – Der König der Schotten ist aus Bristol entkommen. – Lord Wilmot, Ihre Talente zur Intrigue sind wohlbekannt – aber damit kommen Sie bei mir nicht durch.«

»Der König der Schotten, Herr Everard,« erwiederte Karl – »da es Ihnen so beliebt, seine Herrschaft zu beschränken – in jedem Falle der älteste Sohn des letzten Beherrschers von Großbritannien – steht jetzt vor Ihnen; daher ist es unmöglich, daß er aus Bristol entkommen seyn kann. Doktor Rochecliffe wird mein Gewährsmann seyn, und Ihnen überdieß sagen, daß Wilmot eine helle Gesichtsfarbe und blondes Haar hat – meins, wie Sie sehen können, ist rabenschwarz.«

Als Rochecliffe sah, was vorging, überließ er Alexia der Sorge Wildrakes, dessen außerordentliche Zartheit in seinen Bemühungen, sie ins Leben zurückzubringen, einen liebenswürdigen Contrast mit seiner gewöhnlichen Wildheit bildete, und ihn so sehr beschäftigte, daß ihm für den Augenblick die Entdeckung unbekannt blieb, die ihn so sehr angezogen hatte. Was Doktor Rochecliffe betraf, so kam er herbei, die Hände ringend mit allen Zeichen der höchsten Angst, und mit den bei einem solchen Zustande gewöhnlichen Ausrufungen.

»Still, Doktor Rochecliffe!« sagte der König, so völlig besonnen, wie sichs in der That für einen Fürsten ziemte – »wir sind, davon bin ich überzeugt, in den Händen eines Mannes von Ehre. Herr Everard muß sich freuen, nur einen flüchtigen Prinzen in dem Manne zu finden, in dem er geglaubt hatte, einen glücklichen Nebenbuhler zu entdecken. Er muß nothwendig einsehen, welch ein Gefühl mich hinderte, den Deckmantel zu benutzen, den die hingebende Treue dieser jungen Dame mir auf Kosten ihres eigenen Glücks gewährte. Er ist derjenige, der durch meine Aufrichtigkeit gewinnt, und ich habe ganz gewiß ein Recht zu erwarten, daß meine schon ziemlich schlimme Lage nicht dadurch, daß er unter solchen Umständen mit mir bekannt wird, noch schlimmer werde. In jedem Falle ist das Geständniß nun heraus, es ist Oberst Everard's Sache zu bedenken, wie er sich dabei benehmen will.«

»O, Ew. Majestät! – mein Lehnsherr! – mein König! – mein königlicher Prinz!« rief Wildrake, der, als er endlich entdeckte, was vorging, auf den Knien herbeigekrochen war, des Königs Hand ergriff und sie küßte, doch mehr wie ein Kind, das Pfefferkuchen schmaust, oder wie ein Liebender, der die willige Hand seiner Geliebten fast verschlingt, als auf eine Weise, wie dergleichen Begrüßungen bei Hofe vorgehen. –

»Wenn mein theurer Freund, Mark Everard, sich bei dieser Gelegenheit als ein Hund erweisen sollte, verlassen Sie sich auf mich, da schneide ich ihm die Kehle auf der Stelle ab, und sollte ich auch den Augenblick darauf, das Nämliche an mir thun!«

»Still! still! mein guter Freund und treuer Unterthan,« sagte der König, »und fassen Sie sich; denn ob ich gleich auf einen Augenblick genöthigt bin, die Prinzenrolle anzunehmen, so sind wir doch hier nicht verborgen oder sicher genug, um unsre Unterthanen auf König Cambyses Weise zu empfangen.«

Everard, der eine Zeitlang ganz verwirrt dagestanden hatte, erwachte endlich wie aus einem Traume.

»Sire!« sagte er, sich tief verneigend und mit großer Ehrerbietung, »wenn ich Ihnen nicht als Unterthan durch Knie und Schwert huldige, so geschieht dies, weil Gott, durch den die Könige herrschen, Ihnen für jetzt die Macht versagt hat, Ihren Thron zu besteigen, ohne wieder Bürgerkrieg zu erneuern. Daß aber Ihre Sicherheit durch mich gefährdet werden sollte, ein solcher Gedanke komme Ihnen nie in den Sinn. Hätte ich auch nicht Ihre Person geehrt, wäre ich Ihnen auch nicht für die Aufrichtigkeit verbunden, mit der Ihr edles Geständniß dem Elende meines künftigen Lebens zuvorgekommen ist, so würde schon Ihr Unglück, Ihre Person, so weit ich dieselbe beschützen kann, so heilig machen, als sie es nur dem treuesten Royalisten im Königreiche seyn kann. Sind ihre Pläne gehörig erwogen und sicher angelegt, so halten Sie alles Vorgefallene für einen Traum, Sind diese aber von der Art, daß ich dabei helfen kann, so können Ew. Majestät über meine Dienste gebieten, meine Pflichten gegen die Republik ausgenommen, die mir nicht erlauben, einen gewaltsamen Plan zu unterstützen.«

»Es kann wohl seyn, daß ich Sie belästige; denn meine Angelegenheiten stehen nicht so, daß sie mir erlauben, auch die geringsten Hülfsanerbietungen zu verwerfen. Wenn ich es aber umgehen kann, werde ich mich nicht an Sie wenden. Ich möchte nicht gern, daß das Mitleid eines Mannes meinetwegen mit seinem Pflichtgefühl im Streit geriethe. – Doktor, ich glaube es wird heute wohl nichts mehr hier zu fechten geben, weder mit dem Schwerte noch mit dem Stock, wir könnten also wohl ins Jagdschloß zurückkehren, und diese hier – mit einem Blick auf Alexia und Everard – verlassen, denn sie möchten sich leicht noch manches zu erklären haben.«

»Nein, nein!« rief Alexia, die ganz wieder zur Besinnung gekommen war, und theils aus eigener Beobachtung, theils von Doktor Rochecliffe belehrt, merkte, was vorgefallen war. – »Mein Vetter Everard und ich haben einander nichts zu erklären; er wird mir verzeihen, daß ich ihm Räthsel sagte, wo ich nicht deutlich sprechen durfte, und ich verzeihe ihm, daß er mein Räthsel falsch gedeutet hat. Aber ich habe meinem Vater versprochen, daß wir für jetzt weder Briefe wechseln, noch mit einander sprechen wollen. – Ich kehre also gleich ins Jagdschloß und er nach Woodstock zurück, Ew. Majestät« sich gegen den König verneigend, »müßten denn anders über ihn gebieten, – Fort also zur Stadt, Vetter Markham, und wenn Gefahr nahet, so warnen Sie uns.«

Everard hätte sie gern zurückgehalten, sich gern wegen seines ungerechten Verdachts entschuldigt gern noch tausenderlei gesagt, aber sie wollte nicht darauf hören und erwiederte blos: »Leben Sie wohl, Markham, bis Gott bessere Tage sendet.«

»Sie ist ein Engel an Wahrheit und Schönheit« sagt Roger Wildrake, »und ich, wie ein lästernder Ketzer, nannte sie eine Lindabrides Eine berühmte Heldin aus einem alten Romane, der Spiegel der Ritterschaft betitelt.. – Aber – verzeihen Ew. Majestät – haben Höchstdieselben keine Befehle für den armen Roger Wildrake, der gar zu gern Ew. Majestät zu Liebe, sich oder andern Menschen den Schädel einschlüge?«

»Wir ersuchen, unsern guten Freund Wildrake, nichts übereilt zu thun,« sagte Karl lächelnd. »Solche Schädel, wie der seine, sind selten, und dürfen nicht unbesonnener Weise zerschlagen werden, da sie nicht so leicht wieder zusammenzubringen wären. Wir empfehlen ihm still und vorsichtig zu seyn, nicht mehr mit treuen Geistlichen der englischen Kirche zu fechten, und sich sobald wie möglich einen neuen Anzug anzuschaffen, wozu wir ihn als König ersuchen, mit beitragen zu dürfen. Sobald die rechte Zeit kommt, hoffen wir ihn anderweitig beschäftigen zu können.«

Indem er das sagte, steckte er dem armen Wildrake zehn Goldstücke in die Hand, und dieser, ganz verwirrt durch das Uebermaaß seiner Dankbarkeit, schluchzte wie ein Kind, und würde dem Könige gefolgt seyn, wenn nicht Doktor Rochecliffe mit wenigen, aber bestimmten Worten darauf bestanden hätte, daß er mit seinem Patron zurückkehren sollte, wobei er ihm versprach, er sollte ganz gewiß bei des Königs Entkommen gebraucht werden, wenn sich eine Gelegenheit fände, sich seiner zu bedienen.

»Seyn Sie so großmüthig, verehrter Herr, und Sie verbinden mich für immer,« sagte der Cavalier, »ich beschwöre Sie auch, keinen Groll gegen mich zu hegen, wegen der bewußten Narrheit.«

»Dazu habe ich keine Veranlassung, Kapitain Wildrake,« sagte der Doktor, »mich dünkt, ich kam am beßten davon.«

»Nun wohl denn, Doktor, ich meinerseits verzeihe Ihnen, und ich bitte Sie, lassen Sie mich aus christlicher Liebe nur einen Finger zu diesem Dienste mit anlegen. Da ich in dieser Hoffnung lebe, so würde ich ganz gewiß an der getäuschten Hoffnung sterben.«

Während der Geistliche und der Kriegsmann so miteinander sprachen, nahm Karl Abschied von Everard, der mit unbedecktem Haupte stehen blieb, während jener mit seiner gewöhnlichen Artigkeit zu ihm sprach: »Ich brauche Ihnen nicht erst zu sagen, daß Sie nicht länger eifersüchtig auf mich seyn sollen,« sagte der König; »denn Sie werden doch wohl schwerlich sich eine Verbindung zwischen Alexia und mir vorstellen, bei der sie zu viel verlieren würde. Anderen Gedanken aber könnte auch der ausgelassenste Lüstling bei einem so hochsinnigen Wesen nicht Raum geben, und glauben Sie mir, mein Gefühl ihres Werthes bedurfte nicht erst dieses letzten ausgezeichneten Beweises ihrer Treue, ich sah schon genug aus ihren Antworten, auf einige unbedeutende Anfälle von Galanterie, um zu erkennen, mit welcher hohen Seele sie begabt ist. Herr Everard, ihr Glück hängt, wie ich sehe, von Ihnen ab, und ich rechne darauf, Sie werden ein sorgfältiger Bewahrer desselben seyn. Wenn wir ein Hinderniß zu Ihrem vereinten Glücke aus dem Wege räumen können, so seyn Sie überzeugt, daß wir unsern Einfluß gebrauchen werden. – Leben Sie wohl, Herr, und wenn wir nicht nähere Freunde, seyn können, so lassen Sie uns wenigstens nicht härter oder schlimmer von einander denken, als jetzt.«

Es lag in Karls Wesen etwas höchst Rührendes, etwas, das besonders in seiner Lage als Flüchtling, in dem Königreiche, das durch Erbrecht sein war, zu Everards Herzen sprach – ungeachtet dieses im Widerspruch mit den Vorschriften der Politik stand, welche er in der bedrängten Lage seines Vaterlandes für seine Pflicht hielt, zu verfolgen. Er blieb, wie wir schon gesagt, unbedeckt, und zeigte in seinem Wesen den höchsten Ausdruck von Ehrerbietung, so daß es fast einem Zeichen der Huldigung nahe kam. Er verneigte sich so tief, daß seine Lippen fast Karls Hand berührten – doch küßte er sie nicht – »Ich möchte Sie,« sagte er, »mit Gefahr meines eignen Lebens erretten. Mehr« – hier hielt er inne, und der König faßte den Satz auf »Mehr können Sie nicht thun,« sagte er, »um eine ehrenvolle Consequenz zu behaupten; doch ist das, was Sie gesagt haben, schon genug. Sie können mir nicht als Ihrem Fürsten huldigen, doch werden Sie mich nicht verhindern, Ihre Hand als Freund zu ergreifen, wenn Sie mir erlauben wollen, Sie so zu nennen – oder doch wenigstens als einer, der Ihnen wohl will.«

Everards großmüthige Seele war gerührt – er ergriff des Königs Hand und drückte sie an seine Lippen.

»O,« sagte er, »kämen bessere Zeiten –

»Verbinden Sie sich zu nichts, lieber Everard,« sagte der gutmüthige Prinz, der seine Bewegung theilte – »unsre Vernunft ist befangen, so lange unsre Empfindungen aufgeregt sind. Ich will Niemanden zu seinem eignen Schaden anwerben, noch. Andere in mein Unglück verflechten, weil sie menschlich genug sind, meine jetzige Lage zu bedauern. Kommen bessere Zeiten, je nun, so werden wir uns wiedersehen, und ich hoffe, zu unsrer beiderseitigen Zufriedenheit. Wo nicht, so war, wie Ihr künftiger Schwiegervater sagen würde (ein wohlwollendes Lächeln kam in sein Gesicht, und stimmte recht gut zu seinen feuchten Augen) dies ein guter Scheidegruß.«

Everard entfernte sich mit einer tiefen Verbeugung, fast erliegend unter widerstreitenden Gefühlen, unter denen das Vorherrschende doch das der Großmuth war, womit Karl auf seine eigene Gefahr die Nacht verscheucht hatte, die im Begriff schien, die Aussichten seines Lebensglücks zu umziehen – vereint mit einem tiefen Gefühl der Gefahr, die ihn noch umringte. Er kehrte in die kleine Stadt zurück, von Wildrake begleitet, der sich so oft mit thränenden Augen und flehend gen Himmel gerichteten Händen umwandte, daß Everard ihn erinnern mußte, seine Gebehrden könnten von Jemand bemerkt werden und Verdacht erregen.

Das edle Benehmen des Königs am Schluß dieser merkwürdigen Scene war Alexia's Aufmerksamkeit nicht entgangen, und indem es auf einmal alle Empfindlichkeit über Karls früheres Benehmen, und allen Verdacht, den dieses mit Recht erzeugte, aus ihrer Seele verwischte, erwachte in ihrem Busen ein Gefühl seiner angebornen Güte, die ihr erlaubte, Achtung für seine Person mit jener Ehrfurcht für seinen Stand zu verbinden, welche ihr als ein Theil ihres Glaubens mit anerzogen war. Sie war überzeugt, und freute sich dieser Ueberzeugung, daß seine Tugenden sein eigen wären, seine Ausgelassenheit aber die Schuld der Erziehung oder vielmehr des Mangels an Erziehung und des verderblichen Raths von Schmarotzern und Schmeichlern. Sie konnte nicht wissen, oder bedachte vielleicht in jenem Augenblicke nicht, daß in einem Boden, in dem man nicht Sorge trägt, das Unkraut auszurotten, es überhand nimmt und den gesunden Saamen erstickt, selbst in dem Falle, daß letzterer dem Boden mehr zusagt. Denn, wie Doktor Rochecliffe sie nachher zu ihrer Erbauung belehrte – wobei er ihr, wie es seine Weise war, versprach, ihr die Worte künftig einmal zu erklären, wenn sie ihn daran erinnern wollte – Virtus rectorem ducemque desiderat; vitia sine magistro discuntur Die Citaten des gelehrten Doktors und Antiquars blieben sehr oft unerklärt, obwohl sie meist mitgetheilt wurden, wegen seiner Verachtung für diejenigen, welche die gelehrten Sprachen nicht verstanden, und seiner Abneigung gegen die Mühe des Uebersetzens. Damit die schönen Leserinnen nicht bei dieser Gelegenheit in Unwissenheit bleiben mögen, fügen wir die Bedeutung der Worte hinzu: Tugend erfordert die Hülfe eines Leiters und Führers, Laster lernt man ohne Lehrer..

Zu solchen Betrachtungen war jetzt kein Raum. Im Bewußtseyn gegenseitiger Aufrichtigkeit und durch eine Art von geistiger Mittheilung, durch welche man dahin gebracht wird, einander in einer kitzligen Lage besser zu verstehn als durch Worte, schien Zurückhaltung und Verstellung jetzt aus dem Verkehr zwischen dem Könige und Alexia verbannt. Mit männlicher Freimüthigkeit und zugleich fürstlicher Herablassung ersuchte er sie, erschöpft wie sie war, auf dem Heimwege sich auf seinen Arm statt auf den des Doktor Rochecliffe zu stützen, und Alexia nahm seine Hülfe mit bescheidener Demuth an, ohne einen Schatten von Mißtrauen oder Furcht. Es war, als ob die letzte halbe Stunde sie ganz mit dem Charakter. Eines des Andern bekannt gemacht habe, und jeder von der Reinheit und Aufrichtigkeit der Absichten des Andern völlig überzeugt sey.

Doktor Rochecliffe war indeß vier oder fünf Schritte zurückgeblieben; denn weniger leicht und hurtig als Alexia (die überdies noch des Königs Beistand hatte) war es ihm unmöglich mit Karln Schritt zu halten, der damals, wie wir schon anderswo bemerkt haben, einer der beßten Fußgänger in England war, und zuweilen (wie das bei Großen wohl der Fall ist) zu vergessen pflegte, daß Andere ihm an Behendigkeit nicht gleich kämen.

»Liebe Alexia,« sagte der König, aber so, als wäre der Beiname ganz brüderlich, »Ihr Everard gefällt mir sehr – wollte Gott, er gehörte zu unsrer Parthei. – Da das aber nicht seyn kann, so wird er sich wenigstens gewiß als ein großmüthiger Feind erweisen.«

»Geruhen Ew. Majestät,« sagte Alexia bescheiden, aber mit festem Tone, »mein Vetter wird nie Ew. Majestät persönlicher Feind seyn – und er ist Einer von den Wenigen, auf deren geringstes Wort Sie sich mehr verlassen können, als auf den Eid derer, die stärker und förmlicher betheuern. Er ist ganz unfähig, Ew. Majestät großmüthiges und freiwilliges Vertrauen zu mißbrauchen.«

»Auf meine Ehre, das glaub ich auch, Alexia,« erwiederte der König, »aber Potz Fischchen, liebes Mädchen, lassen Sie die Majestät jetzt ruhen – es betrifft ja meine Sicherheit, wie ich neulich schon Ihrem Bruder sagte. – Nennen Sie mich doch Herr, das paßt ja für König, Pair, Ritter und jeden anständigen Mann, oder lassen Sie mich lieber wieder der ausgelassene Louis Kerneguy seyn.«

Alexia sah nieder und schüttelte den Kopf. »Geruhen Ew. Majestät, das kann nicht seyn.«

»Was! Louis war ein naseweiser Geselle – ein garstiger vorlauter Bursche, und den können Sie nicht leiden? Nun, Sie haben vielleicht ganz recht – aber wir wollen doch auf den Doktor Rochecliffe warten« – sagte er, indem er mit gutmüthigem Zartgefühl Alexia 'n zeigen wollte, daß es seine Absicht nicht sey, sie in ein Gespräch zu verwickeln, das drückende Vorstellungen zurückrufen konnte. Sie standen daher still, und sie fühlte sich wieder erleichtert und dankbar.

»Doktor,« sagte der König, »ich kann unsre schöne Freundin, Fräulein Alexia, nicht überreden, daß sie aus Vorsicht unterlassen muß, mir ehrerbietige Titel zu geben, so lange noch so geringe Mittel vorhanden sind, diese zu behaupten.«

»Es ist ein Vorwurf für die Welt und das Glück,« sagte der Geistliche, so schnell als Mangel an Athem ihm erlauben wollte, »daß Ew. geheiligten Majestät jetzige Lage es nicht gestattet, Ihnen diese Ehre zu erweisen, die Ihnen durch Ihre Geburt zukommt, und die ich, wenn Gott seinen Segen zu den Bemühungen Ihrer treuen Unterthanen giebt, Ihnen als Ihr Erbrecht durch die vereinte Stimme der drei Königreiche erwiesen zu sehn hoffe.«

»Wahr, Doktor,« erwiederte der König, »aber können Sie nicht unterdeß Fräulein Alexia Lee zwei Zeilen vom Horaz erklären, die ich mehrere Jahre lang in meinem dicken Kopfe herumgetragen habe, und die mir jetzt gerade gelegen kommen? Wie meine lieben schottischen Unterthanen sagen würden, wenn man auch eine Sache sieben Jahre aufhebt, so findet sich endlich doch noch eine Gelegenheit sie zu benutzen – Telephus – ja richtig so fängts an,

Telephus et Peleus, cum pauper et exul uterque,
Projecit ampullas et sesquipedalia verba.

»Ich will, die Stelle Fräulein Alexia Lee erklären, wenn sie mich einmal daran erinnert – oder vielmehr« (fügte er hinzu, indem ihm einfiel, daß er seine gewöhnliche ausweichende Antwort nicht geben dürfte, wenn der Befehl zum Erklären von seinem Fürsten ausginge) »will ich ein Paar schlechte Verse aus meiner eignen Uebersetzung jenes Gedichts hersagen.

»Helden und Kön'ge gezwungen, durch fremde Länder zu wandern,
Brauchen hochtrabende Red' und siebenmeilige Worte.«

»Eine ganz herrliche Uebersetzung, Doktor,« sagte Karl, »ich fühle ihre ganze Kraft, und besonders das schöne sesquipedalia verba, durch Siebenmeilenstiefel – Worte wollte ich sagen – das erinnert mich, wie überhaupt wohl die Hälfte von den Dingen, die mir in der Welt vorkommen, an die Erzählungen in den Mährchen meiner Mutter Gans.«

So plaudernd erreichten sie das Jagdschloß, und da der König in sein Zimmer ging, um sich zum Frühstück anzukleiden, kam ihm der Gedanke in den Sinn, »Wilmot und Villiers und Killigrew würden mich auslachen, wenn sie von einem Feldzuge hörten, wobei weder Mann noch Frau besiegt wurde – aber Potz Fischchen, sie mögen lachen, so viel sie wollen, etwas in meinem Herzen sagt mir, daß ich wenigstens diesmal in meinem Leben recht gehandelt habe.«

Dieser Tag und der nächste vergingen ruhig, indem der König sehr ungeduldig auf die Nachricht wartete, die ihm melden sollte, daß ein Schiff irgendwo an der Küste bereit sey. Noch war keins da; doch erfuhr er, daß der unermüdliche Albert Lee mit großer persönlicher Gefahr die Seeküste von Stadt zu Dorf durchwandere, um unter den Freunden der königlichen Sache und den Korrespondenten Doktor Rochecliffes, wo möglich, Mittel zur Einschiffung zu finden.


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