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Der Knab' ist – hörst Du, he! – Wie ist Dein Name?
Auch Jakob – jetzt entsinn ich mich – das wird er seyn.
Crabbe.
Die liebenden Verwandten waren vereint, wie Leute, die in großem Unglücke zusammenkommend, noch das Glück empfinden, es gemeinschaftlich zu theilen. Sie umarmten sich zu wiederholten Malen, und überließen sich den Ergießungen ihres Herzens, die ihr bewegtes Gemüth zugleich andeuteten und erleichterten. Endlich legte sich der Sturm der aufgeregten Empfindung; und Sir Heinrich, der noch immer seinen wiedergefundenen Sohn bei der Hand hielt, erlangte wieder die gewohnte Herrschaft über seine Gefühle.
»So hast Du denn also unsre letzte Schlacht erlebt, Albert,« sagte er, »und des Königs Fahnen sind auf immer vor den Rebellen gefallen?«
»So ist es freilich,« sagte der junge Mann – »der letzte Wurf geschah bei Worcester, und wurde leider! verloren; und Cromwells Glück behielt da die Oberhand, wie überall, wo er sich zeigte.«
»Wohl – es kann nur auf eine Zeit seyn – es kann nur auf eine Zeit seyn,« antwortete sein Vater; »der Teufel ist mächtig, heißt es, Lieblinge zu erheben und ihnen ihre Wünsche zu gewähren, aber er kann nur kurze Fristen gewähren. Und der König – der König, Albert – der König – mir ins Ohr – dichter heran! «
»Unsre letzten Nachrichten versicherten, daß er von Bristol entkommen sey.«
»Nun, Gott sey Dank! – Gott sey Dank!« sagte der Ritter, »Wo verließest Du ihn?«
»Unsre Leute wurden fast alle bei der Brücke niedergehauen,« erwiederte Albert, »aber ich folgte Sr. Majestät mit etwa fünfhundert Offizieren und Edelleuten, die entschlossen waren, mit ihm zu sterben, bis, da unsre Anzahl und unser Aeußeres Alles hinter uns her zog, es Sr. Majestät beliebte, uns mit Danksagungen und allgemeinen Trostworten zu entlassen, wobei er noch den Meisten von uns etwas Gütiges sagte. Ihnen namentlich, sandte er seinen königlichen Gruß, und sagte mehr, als es sich für mich schickt, zu wiederholen.«
»Ei, Junge, ich will jedes Wort hören,« sagte Sir Heinrich; »ist denn nicht die Gewißheit, daß Du Deine Pflicht gethan hast, und daß König Karl es anerkennt, hinreichend, um mich wegen alles dessen zu trösten, was wir verloren und gelitten haben; und wolltest Du mich, aus übelangebrachter Verschämtheit, darum bringen? – Du mußt es von Dir geben, und sollte ich es Dir mit Stricken entreißen.«
»Solches Zwanges braucht es nicht,« sagte der junge Mann. – »Es beliebte Sr. Majestät mir in seinem Namen an Sir Heinrich Lee aufzutragen, daß wenn sein Sohn nicht im Punkte der Unterthanstreue seinen Vater überträfe, er ihm wenigstens auf dem Fuße nachfolge, und ihm bald gleichkommen würde.«
»Sagte er das?« antwortete der Ritter. – »Der alte Victor Lee wird stolz auf Dich herabsehen, Albert! – Aber ich vergesse, daß Du müde und hungrig seyn wirst!«
»Das bin ich, Vater,« sagte Albert; »aber diese Dinge habe ich mich seit Kurzem gewöhnt, aus Liebe zur Sicherheit zu ertragen.«
»Josselin! – he! Josselin!«
Der Unterförster trat ein, und erhielt Befehl, sogleich das Abendessen bereiten zu lassen.
»Mein Sohn und Doktor Rochecliffe sind halb verhungert,« sagte der Ritter.
»Und unten ist noch ein Bursch,« sagte Josselin, »ein Page vom Oberst Albert, wie er sagt, dem auch der Magen knurrt, und das nicht etwa nur ein Bischen; ich glaube, der könnte, wie die Leute in Workshire sagen, ein Pferd hinter dem Sattel aufessen. Es wäre wohl am Beßten, wenn er am Katzentische äße; denn er hat ein ganzes Laib Brod mit Butter aufgegessen, so schnell als nur Phöbe streichen konnte, und das war ihm wie nichts – und wahrhaftig, es wäre auch wohl besser, wenn Sie ihn selbst im Auge behielten; denn der Sekretair unten möchte ihm wohl Queerfragen thun, wenn er hinunter ginge. – Und dann ist er auch ungeduldig, wie alle adliche Knappen, und ist naseweis mit den Weihern. «
»Von wem spricht er denn? – Was hast Du Dir denn für einen Pagen angeschafft, Albert, der sich so schlecht aufführt?« sagte Sir Heinrich.
»Es ist der Sohn eines theuern Freundes, eines angesehenen schottischen Edelmanns, der dem Banner des großen Montrose folgte – nachher zum König in Schottland stieß, und mit ihm bis nach Worcester kam. Er wurde den Tag vor der Schlacht verwundet, und beschwor mich, den jungen Menschen unter meine Obhut zu nehmen, was ich denn that, obwohl nicht gar zu gern; aber ich konnte doch einem Vater, der vielleicht auf dem Todbette für die Sicherheit seines einzigen Sohnes bat, dies nicht abschlagen.«
»Du hättest einen Strick verdient, wenn Du da nur zögertest,« sagte Sir Heinrich; »der kleinste Baum kann immer etwas Schatten geben – und es freut mich, wenn ich bedenke, daß der alte Stamm der Lee's noch nicht so ganz zu Boden liegt, daß er nicht dem Bedrängten einen Zufluchtsort gewähren könnte. Hole den jungen Menschen herein; – er ist von edler Geburt, und dies sind keine Zeiten, wo man auf Ceremonien halten muß – er soll mit an unserm Tische sitzen, ob er gleich Page ist; und wenn Du ihn noch nicht gehörig unterrichtet hast, so werden ihm, einige Lektionen von mir recht gut bekommen.«
»Sie werden seine gedehnte Mundart wohl verzeihen,« sagte Albert, »obwohl ich weiß, daß Sie diese nicht gern haben.«
»Ich habe auch nicht viel Ursach dazu, Albert,« antwortete der Ritter – »nicht viel Ursach. – Wer war's, der diese Uneinigkeit aufregte? – Die Schotten. Wer stärkte die Hand des Parlaments, als es beinahe schon zu Grunde gerichtet war? – Wieder die Schotten. Wer überlieferte den König, ihren Landsmann, der sich ihrem Schutze anvertraut hatte? – Die Schotten abermals. Aber dieses jungen Menschen Vater hat, wie Du sagst, mit der Parthei des edlen Montrose gefochten, und ein solcher Mann, wie der große Marquis, ist Ersatz für die Entartung einer ganzen Nation.«
»Ja wohl, Vater,« sagte Albert, »und ich muß noch hinzufügen, daß obwohl der junge Mensch etwas täppisch und wunderlich ist, und wie Sie sehen werden, auch etwas eigenwillig, so hat doch der König keinen eifrigern Freund in England; auch hat er bei Gelegenheit tapfer für ihn gefochten, – Mich wundert nur, daß er nicht kommt. «
»Er ist im Bade,« sagte Josselin, »und wir konnten ihn nicht anders zufrieden stellen, als daß wir's ihm gleich schafften. – Das Abendbrod könnte unterdessen aufgetragen werden, meinte er, und befiehlt um sich her, als wär er in seines Vaters altem Schlosse, wo er wohl lange genug hätte rufen können, ohne daß ihn Jemand gehört hätte.«
»Wirklich?« sagte Sir Heinrich, »das muß ja ein naseweises Küchelchen seyn, daß es so früh kräht – wie heißt er denn?«
»Wie er heißt? – Sein Name entfällt mir immer wieder, er ist so schwer zu merken,« sagte Albert. – »Kerneguy heißt er – Louis Kerneguy; sein Vater war Lord Killstewers von Kincardineshire. «
»Kerneguy und Killstewers und Kin – wie wars weiter? – Nun, wahrhaftig, diesen Namen und Titeln der Leute aus dem Norden merkt man an, woher sie kommen – sie klingen wie ein Nordwestwind, der zwischen Haiden und Felsen braust und heult.«
»Es sind blos die Härten der celtischen und sächsischen Dialekte,« sagte Doktor Rochecliffe, »die nach Verstegan's Meinung noch immer in diesen nordischen Theilen der Insel – aber still – da kommt das Abendessen und mit ihm Herr Louis Kerneguy.«
Wirklich kam auch das Abendessen herein, von Josselin und Phöbe getragen, und hinter ihnen auf einen gewaltigen Knotenstock gestützt, die Nase in der Luft, wie ein Spürhund – denn seine Aufmerksamkeit war offenbar mehr auf die guten Speisen, die vor ihm hergingen, als auf etwas Anders gerichtet – kam Herr Kerneguy und setzte sich ohne viele Umstände am unterm Ende des Tisches hin.
Es war ein langer dürrer Mensch mit buschigen, brandrothen Haaren, wie viele seiner Landsleute, wodurch seine rauhen Nationalzüge durch den Contrast seiner Gesichtsfarbe noch mehr auffielen; denn diese war bei der herumschweifenden Lebensart, welche die flüchtigen Königlichen damals führen mußten, und wobei sie natürlich jedem Unwetter ausgesetzt waren, fast schwarz geworden. Sein Wesen war nicht im Geringsten einnehmend; denn es lag darin ein Gemisch von Ungeschicklichkeit und Dreistigkeit, das auf eine auffallende Weise zeigte, wie Mangel an Geschick sich gar wohl mit einer großen Portion Zuversicht verträgt. Sein Gesicht zeigte Spuren von kürzlich erhaltenen Verletzungen, und Doktor Rochecliffe's Sorgfalt hatte es sogar mit einigen Pflästerchen verziert, wodurch es noch auffallender wurde. Doch waren die Augen hell und ausdrucksvoll, und bei all seiner Häßlichkeit – denn so konnte man es wirklich nennen – fehlte es dem Gesicht nicht an einigen Zügen, die Klugheit und Entschlossenheit ausdrückten.
Alberts Kleidung selbst war weit unter seinem Stande, als Sohn Sir Heinrich Lees und Befehlshaber eines Regiments im königlichen Dienst; aber die Kleidung seines Pagen war noch zerlumpter. Ein armseliger grüner Wams, dem Sonne und Regen hunderterlei Farben gegeben hatten, so daß die ursprüngliche kaum noch herauszufinden war, ungeheure plumpe Schuhe, lederne Beinkleider – wie Tagelöhner sie tragen – grobe grauwollene Strümpfe machten die Kleidung des ehrsamen Jünglings aus, dessen hinkender Gang, indem er zugleich noch das Linkische seines Wesens erhöhte, auch zeigte, wie viel er gelitten haben müsse. Sein Aeußeres kam dem so nahe, was man im gemeinen Leben einen Lulei nennt, daß es selbst Alexian einigermaßen zum Lachen gebracht haben würde, hätte nicht das Mitleid die Oberhand behalten.
Das Tischgebet wurde gesagt, und sowohl der junge Herr von Ditchley, als Doktor Rochecliffe stellten ihren Mann bei einem Mahle, das ihnen an Güte und Menge lange nicht so zu Theil geworden schien. Aber ihre Thaten waren Kinderspiele gegen die des schottischen Jünglings. Weit entfernt, im Geringsten etwas von dem Butterbrode zu verrathen, womit er versucht hatte, die Oeffnung seines Magens zu schließen, schien sein Appetit durch ein neuntägiges Fasten erregt zu seyn, und der Ritter fing an zu glauben, daß der Genius der Hungersnoth selbst aus seiner heimischen Region im Norden gekommen wäre, um ihn mit einem Besuch zu beehren, indeß Herr Kerneguy, wie wenn er fürchtete, einen Augenblick zu verlieren, sich weder links noch rechts umsah, noch ein einziges Wort bei Tische sprach.
»Es freut mich, daß Sie einen guten Appetit zu unserer Landkost mitgebracht haben, junger Herr,« sagte Sir Heinrich.
»Gut Brod, Herr,« sagte der Page, »und wenn Sie nur Fleisch dazu haben, an Appetit soll mir's das ganze Jahr nicht fehlen. Aber die Wahrheit ist, daß der Appetit schon seit drei oder vier Tagen gekommen ist, und das Fleisch war im Südlande selten oder schwer zu haben, so hol ich also die verlorne Zeit wieder ein, wie der Pfeifer von Sligo sagte, als er einen halben Schöps aufaß.«
»Sie sind auf dem Lande erzogen worden, junger Mann,« sagte der Ritter, der gleich andern seiner Zeit das aufwachsende Geschlecht ein wenig in Zucht hielt, »wenigstens nach den jungen Schotten zu urtheilen, die ich früher am Hofe Sr. Majestät gesehen habe – die hatten weniger Appetit und mehr – mehr« – Während er nach einem Worte suchte, das die Stelle von »gute Sitten« ersetzen möchte, schloß sein Gast den Satz auf seine eigne Weise – »und vielleicht mehr zu essen, desto besser für sie.«
Sir Heinrich fuhr zurück und schwieg. Seinem Sohne schien es nun Zeit, sich dazwischen zu legen. – »Lieber Vater,« sagte er, »bedenken Sie doch, wie viele Jahre seit 1638 verflossen sind, wo die schottischen Unruhen zuerst begannen, und ich bin überzeugt, Sie werden sich nicht wundern, daß, während die schottischen Barone um einer oder der andern Ursach willen, beständig im Felde waren, die Erziehung ihrer Kinder zu Hause vernachlässigt werden mußte, und daß junge Leute von dem Alter meines Freundes ein Schwert oder eine Lanze besser zu handhaben wissen, als gesellschaftliches Ceremoniell.«
»Der Grund läßt sich hören,« sagte der Ritter, »und da Du sagst, daß Dein Begleiter Kerneguy fechten kann, so soll es ihm auch in Gottes Namen nicht an Nahrung fehlen. – Sieh, er sieht noch immer ärgerlich nach jenem kalten Schöpsenbraten hin, leg ihm doch ums Himmelswillen Alles auf den Teller!«
»Ich werde mit Gebiß und Faustschlag fertig,« sagte der ehrsame Herr Kerneguy – »ein hungriger Hund achtet der Klinge nicht bei einem rohen Knochen.«
»Nun Gott stehe uns bei, Albert, wenn das der Sohn eines schottischen Pairs ist,« sagte Sir Heinrich mit leiser Stimme zu seinem Sohne, »so möchte ich nicht der englische Ackersmann seyn, der seine Sitten mit ihm vertauschte gegen sein altes Blut, und seinen Adel und seine Güter noch obendrein, wenn er deren hat – der hat ja, so wahr ich ein Christ bin, allein vier Pfund Schöpsenfleisch gegessen, und das so gierig, wie ein Wolf, der an einem todten Pferde nagt. – O jetzt endlich trinkt er – so! – Er wischt sich ja doch auch den Mund – und taucht die Finger ins Waschbecken – und trocknet sie, wahrhaftig, an der Serviette – nun, er hat ja doch am Ende noch einige gute Lebensart.«
»Wohl bekomm's Ihnen Allen!« sagte der adliche Jüngling, und that einen Zug, der zu der vorausgeschickten, festen Speise im richtigen Verhältniß stand; dann warf er ungeschickt Messer und Gabel auf den Teller, stieß ihn in die Mitte des Tisches, streckte die Beine ganz der Länge nach unter demselben aus, legte die Arme über seinen wohlgefüllten Magen zusammen, lehnte sich in seinen Stuhl zurück, und sah ganz so aus, als wollte er sich in den Schlaf pfeifen.
»So,« sagte der Ritter – »der ehrsame Herr Kerneguy hat ja die Waffen niedergelegt. – Schafft das Tischgeräth hinaus, und gebt uns Gläser her. – Gieß rund herum ein, Josselin; und wenn uns auch der Teufel oder das ganze Parlament hörten, so mögen sie es vernehmen, daß Heinrich Lee von Ditchley auf die Gesundheit König Karls, und das Verderben seiner Feinde trinkt.«
»Amen!« sagte eine Stimme hinter der Thür.
Die ganze Gesellschaft sah einander bei einer so unerwarteten Antwort erstaunt an. Hierauf folgte ein feierliches, ganz eigenes Pochen, wie eine Art Freimaurer es unter den Königlichen eingeführt hatte, und wodurch sie sich und ihre Grundsätze einander zu erkennen gaben, wenn sie sich zufällig begegneten.
»Es hat keine Gefahr,« sagte Albert, der das Zeichen kannte – »es ist ein Freund; – doch wollte ich, er wäre grade jetzt weiter von uns.«
»Und warum, mein Sohn, sollte Dir ein gutgesinnter Mensch nicht gelegen seyn, der vielleicht wünscht, bei einer von den seltnen Gelegenheiten, wo wir etwas mitzutheilen haben, unsern Ueberfluß zu theilen? – Geh, Josselin, sieh zu, wer pocht – und ist es ein zuverlässiger Mensch, so laß ihn herein.«
»Und wenn er es nicht ist,« sagte Josselin, »so bin ich wohl Manns genug, um ihn zu verhindern, die Gesellschaft zu stören.«
»Keine Gewalt, wenn Dir Dein Leben lieb ist;« sagte Albert Lee; und Alexia wiederholte: »um Gotteswillen, keine Gewalt! «
»Keine unnütze Gewalt wenigstens,« sagte der gute Ritter; »denn wenn die Zeit es erfordert, so will ich es auch zeigen, daß ich Herr in meinem Hause bin.« Josselin Joliff winkte Allen beifällig zu, und ging auf den Zehen, um erst einige geheimnißvolle Zeichen mit dem Pochenden auszutauschen, ehe er die Thür öffnete. Ich muß hier bemerken, daß diese Art von geheimer Verbindung mit ihren Zeichen, unter der lockersten und verzweifeltsten Klasse von Cavalieren herrschte, unter Menschen, die sich an das ungebundene Leben gewöhnt hatten, was sie bei einer undisciplinirten Armee geführt, wo Alles, was der Ordnung und Regelmäßigkeit glich, nur zu leicht als ein Zeichen von Puritanismus betrachtet wurde. Dies waren die »brüllenden Bursche,« die in Winkel-Bierhäusern zusammenkamen, und wenn sie zufällig etwas Geld oder Credit bekommen hatten, beschlossen, eine Gegenrevolution zu bilden, indem sie ihre Sitzungen für dauernd erklärten, und mit den Worten eines ihrer beliebtesten Lieder ausriefen –
Trinkt und singet frohe Lieder,
Kehrt doch einst der König wieder.
Die Häupter und der höhere Adel, der regelmäßigere Sitten hatte, theilte allerdings solche Ausschweifungen nicht, doch behielten sie immer eine Klasse von Menschen in den Augen, die aus Muth und Verzweiflung im Stande waren, bei einer vortheilhaften Gelegenheit der gefallenen königlichen Sache zu dienen; und sie merkten sich die Häuser und Schenken, wo sie zu finden waren, wie Großhändler die Versammlungshäuser der Handwerker kennen, die sie bei Gelegenheit brauchen, und um sagen zu können, wo sie zu finden sind, wenn die Noth es erfordert. Es ist kaum nöthig zu bemerken, daß unter der niedern Klasse, und zuweilen auch unter der höheren, Menschen gefunden wurden, die fähig waren, die Pläne und Verschwörungen ihrer Verbündeten, sie mochten nun gut oder schlecht ausgedacht seyn, den Beherrschern des Staats zu verrathen. Cromwell besonders hatte einige Correspondenten der Art vom höchsten Range, und dem unzweideutigsten Rufe, unter den Königlichen, die, wenn sie sich auch ein Gewissen daraus machten, Einzelne, die ihnen vertrauten, anzugeben und zu verrathen, doch nicht zögerten, der Regierung so viel im Allgemeinen mitzutheilen, um sie in Stand zu setzen, Pläne oder Verschwörungen zu Schanden zu machen.
Doch wir kehren zu unsrer Geschichte zurück. In viel kürzerer Zeit, als gebraucht haben, dem Leser diese historischen Umstände mitzuteilen, hatte Joliff seine geheimnißvollen Kennzeichen ausgetauscht; und da ihm gehörig, wie von einem Eingeweihten, geantwortet wurde, öffnete er die Thür, und hinein trat unser alter Freund, Roger Wildrake, seiner Kleidung nach ein Rundkopf, wozu seine Sicherheit und Abhängigkeit vom Obersten Everard ihn nöthigten, diese Kleidung aber auf eine höchst cavaliermäßige Weise angethan, so daß sie noch einen stärkeren Contrast, als gewöhnlich, mit dem Benehmen und der Sprache des Trägers bildete, dem sie nie so recht zuzusagen schien.
Sein puritanischer Hut, ein Sinnbild des Ralphoschen in den Kupferstichen zum Hudibras, oder, wie er ihn nannte, sein Filzsonnenschirm, saß recht pfiffig auf einem Ohre, als wäre es ein spanischer Hut mit einer Feder; sein enger, dunkelfarbiger Mantel mit viereckigem Kragen war lustig über eine Schulter geworfen, wie wenn er von seidnem Sammet gewesen wäre, mit karmosinfarbener Seide verbrämt; und mit seinen ungeheuern kalbsledernen Stiefeln prunkte er, als wären es seidene Kamaschen und Saffian-Schuhe mit Rosen auf dem Vorderleder. Kurz, das Ansehen eines vollständigen Wildfangs und Cavaliers, das er sich gab, verbunden mit einem selbstzufriednen Schimmer im Auge, und einem unnachahmlichen Schwanken im Gange, das ganz seinen gedankenlosen, eingebildeten und sorglosen Charakter ausdrückte, bildete einen höchst lächerlichen Contrast mit seinem ernsten Anzuge,
Andrerseits war es nicht zu läugnen, daß trotz des lächerlichen Anstrichs, den sein Charakter bekommen, und der lockern Sitten, die er in den Zerstreuungen der Hauptstadt, und später in dem ungeregelten Kriegsleben angenommen, Wildrake doch Seiten an sich hatte, die ihm Furcht und Achtung zugleich erwarben. Er war hübsch, seinen zügellos unverschämten Mienen zum Trotz; ein Mann vom entschiedensten Muthe, obwohl sein Prahlen diesen zuweilen zweifelhaft machte; er hatte ein aufrichtiges Gefühl seiner politischen Grundsätze, so wie sie nun eben waren, obwohl er so unbesonnen war, sie zu behaupten und sich ihrer zu rühmen, was denn, verbunden mit seiner Abhängigkeit vom Obersten Everard, vorsichtige Leute vermochte, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln.
So wie er nun war, trat er in Victor Lee's Zimmer, wo sein Eintreten den Gegenwärtigen nichts weniger als angenehm war, mit munterm Schritt und dem Bewußtseyn, als verdiene er den bestmöglichsten Empfang. Diese Zuversicht wurde sehr durch Umstände unterstützt, die es augenscheinlich machten, daß wenn der lustige Cavalier, seinem Gelübde der Mäßigkeit zufolge, sich den Abend an einem Trunke hatte genügen lassen, dies wenigstens ein reicher und tiefer hatte seyn müssen.
»Guten Abend, Ihr Herren, guten Abend. – Guten Abend, guter Sir Heinrich Lee, obwohl ich kaum die Ehre habe, Ihnen bekannt zu seyn. – Guten Abend, würdiger Doktor, und schnelles Auferstehen der gefallnen englischen Kirche.«
»Willkommen, Herr,« sagte Sir Heinrich Lee, dessen Gefühl der Gastfreiheit und des brüderlichen Empfangs, die einem leidenden Royalisten gebührten, ihm diese Zudringlichkeit erträglicher machte, als es sonst der Fall gewesen seyn möchte. »Wenn Sie für den König gefochten oder gelitten haben, Herr, so ist das eine Entschuldigung für Ihr Eintreten, und Sie können von uns erwarten, was in unsrer Macht steht – ohngeachtet wir jetzt unter uns sind. – Aber mich dünkt, ich habe Sie als Begleiter des Herrn Markham Everard gesehen, der sich Oberst Everard nennt. – Wenn Sie etwas von ihm zu sagen haben, so wünschen Sie vielleicht, mich allein zu sprechen?«
»Ganz und gar nicht, Sir Heinrich, ganz und gar nicht. –– Es ist wahr, mein Unglück hat es so mit sich gebracht, daß, da ich auf der Wetterseite des Zauns stehe – wie alle ehrlichen Leute – Sie verstehen mich, Sir Heinrich – ich gewissermaßen froh seyn muß, etwas durch die Unterstützung meines alten Freundes und Cameraden zu erwerben – nicht durch Fuchsschwänzen oder Verläugnen meiner Grundsätze, Herr – solche Dinge verschmähe ich; – sondern, mit kurzen Worten, indem ich ihm so viel Dienste erweise, als ich vermag, wenn es ihm beliebt, mich dazu aufzufordern. So kam ich also her mit einer Botschaft von ihm an den alten rundköpfigen H – sohn (ich bitte die junge Dame um Verzeihung, vom Wirbel herab bis auf die Fußzehe) – und so, da sichs traf, als ich so im Dunkeln hinauspolterte, daß ich Sie eine Gesundheit ausbringen hörte, die mir das Herz erwärmte und es mir immer erwärmen wird, bis der Tod es kalt macht – so unterstand ich mich, Ihnen mitzutheilen, daß ein ehrlicher Mann in der Nähe wäre. «
Auf diese Weise stellte Herr Wildrake sich selbst vor, und der Ritter ersuchte ihn darauf, Platz zu nehmen und ein Glas Sekt auf die glorreiche Wiedereinsetzung Sr. Majestät zu leeren. Wildrake drängte sich auf diese Einladung ohne Umstände neben dem jungen Schotten mit ein, und that nicht nur auf die von seinem Wirthe ausgebrachte Gesundheit Bescheid, sondern unterstützte sie noch durch einen oder zwei Verse aus seinem Lieblingsliede: »Der König zieht wieder in sein Reich.« Der Nachdruck, mit dem er dies Lied anstimmte, öffnete mehr und mehr das Herz des alten Ritters, obwohl Albert und Alexia einander ansahen, mit Blicken, die ihren Verdruß über diese Störung verriethen, und derselben ein Ende zu machen wünschten. Der ehrsame Herr Kerneguy besaß entweder jene glückliche Gleichgültigkeit, die sich nicht herabläßt auf dergleichen Dinge zu achten, oder er konnte sich wenigstens den Anschein davon bis zur höchsten Vollkommenheit geben, denn er saß da und schlürfte Sekt und knackte welsche Nüsse, als wenn er es gar nicht merkte, daß die Gesellschaft vermehrt worden sey. Wildrake, dem der Wein und die Gesellschaft behagte, zeigte sich nicht abgeneigt, die Gastfreiheit seines Wirthes dadurch zu vergelten, daß er die Unterhaltung allein machte.
»Sie sprechen vom Fechten und Leiden, Sir Heinrich Lee – Gott stehe uns bei, wir haben Alle das Unsrige dazu beigetragen. Alle Welt weiß, was Sir Heinrich Lee vom Edgesielder Schlachtfelde an gethan hat, wo nur immer ein treues Schwert gezogen wurde, oder eine treue Fahne wehte. Ach! Gott helf uns! Ich habe auch etwas gethan. – Mein Name ist Roger Wildrake von Squattlesea-mere aus Lincoln – gehört werden Sie wohl nichts von mir haben, aber ich war Capitän bei Lunsford's leichter Cavallerie, und nachher bei Goring. Ich war ein Kinderfresser, Herr – ein Kinderfänger.
»Ich habe von den Thaten Ihres Regiments gehört, und vielleicht, wenn wir erst zehn Minuten zusammen sind, werden Sie finden, daß ich auch welche gesehn habe – und mir ist's auch, als hätte ich Ihren Namen gehört. – Ihre Gesundheit, Capitän Wildrake von Squattlesea-mere in Lincolnshire.«
»Sir Heinrich, ich trinke die Ihrige in diesem vollen Becher und auf den Knien; und ich möchte es auch für den jungen Herrn thun – wobei er auf Albert sah – und für den Herrn im grünen Wams ebenfalls, denn ich halte es für grün, da die Farben mir nicht recht hell und deutlich sind.«
Es war etwas Merkwürdiges an dem, was Schauspieler das Nebenspiel der Scene nennen, daß Albert allein mit dem Doktor Rochecliffe flüsterte, selbst mehr als der Geistliche Lust dazu zu haben schien; – dennoch, worauf auch immer ihre Privatunterredung sich beziehen mochte, raubte sie dem jungen Obersten nicht die Fähigkeit, auf das zu hören, was in der Gesellschaft im Allgemeinen gesprochen wurde, und sich von Zeit zu Zeit hineinzumischen, wie ein Hofhund, der auch den geringsten Lärmen unterscheidet, selbst wenn er damit beschäftigt ist, seine Nahrung zu sich zu nehmen.
»Capitän Wildrake,« sagte Albert, »wir haben gar nichts dagegen – mein Freund und ich nämlich – uns bei passenden Gelegenheiten mitzutheilen; aber Sie, Herr, die Sie schon so lange gelitten haben, sollten doch wissen, daß bei so zufälligem Zusammentreffen, wie dieses hier, die Menschen ihre Namen nicht anders erwähnen, als wenn es durchaus seyn muß. Es ist ein Gewissenspunkt für Sie, im Stande zu seyn, im Fall Ihr Prinzipal, Capitän Everard oder Oberst Everard, wenn er ein Oberst ist, Sie darauf schwören ließe, sagen zu können, Sie hätten die Leute nicht gekannt, mit denen Sie diese oder jene Gesundheit getrunken.«
»Mein Seel, das weiß ich noch besser zu machen, mein würdiger Herr,« antwortete Wildrake; »ich kann mich niemals, und wenn es mir das Leben kosten sollte, erinnern, daß diese oder jene Gesundheit getrunken worden ist – ich habe darinne gar eine seltsame Gabe der Vergeßlichkeit.«
»Schon gut, Herr,« erwiederte der junge Lee, »wir aber, die wir unglücklicherweise ein treueres Gedächtniß haben, möchten gern bei der allgemeinern Regel bleiben.«
»O von ganzem Herzen!« antwortete Wildrake. »Ich dränge mich in keines Menschen Vertrauen ein, hol' mich der Teufel – ich sagte das blos aus Höflichkeit, weil ich gern Ihre Gesundheit auf eine artige Weise trinken wollte.« – Hierauf trällerte er die Melodie:
Es schall' im Kreise rund, rund, rund,
Es schalle Jubel rund!
Ist auch Dein Strumpf von Seide,
Beug doch Dein Knie zum Grund, Grund, Grund,
Zum Boden und zum Grund.
»Laß es gut seyn,« sagte Sir Heinrich zu seinem Sohne. »Herr Wildrake ist einer aus der alten Schule – einer von den Burschen, die mit verhängtem Zügel reiten, und wir müssen uns schon ein wenig gefallen lassen; denn wenn sie auch arge Trinker sind, so waren sie doch auch gute Kämpfer. Ich werde es nimmermehr vergessen, wie ein Streifcorps derselben uns Schreiber von Oxford, wie sie das Regiment nannten, zu dem ich gehörte, während des Angriffs auf Brentford, aus einer verwünschten Klemme rettete. Ich sage Euch, die Lanzen der Stubenhocker umringten uns von allen Seiten, und wir wären gar schlimm davongekommen, hätte nicht Lunsford's leichte Reiterei, die Kinderfresser, wie sie genannt wurden, mit eingelegter Lanze angegriffen und uns gerettet. «
»Es freut mich, daß Ihnen das einfiel, Sir Heinrich,« sagte Wildrake, »und erinnern Sie sich noch, was der Lunsforder Offizier sagte?«
»Ich glaube ja,« sagte Sir Heinrich lächelnd.
»Nun wohl denn, rief er nicht, als die Weiber herunterkamen, und wie die Sirenen heulten: – »Hat Keine von Euch ein derbes Kind, das Ihr uns geben könntet, um uns nach unsern Fasten daran zu erholen?«
»Richtig,« sagte der Ritter, »und ein großes fettes Weib trat vor mit einem Kinde und hielt es dem vermeintlichen Kannibalen hin.«
Alle am Tische, Herr Kerneguy ausgenommen, der zu meinen schien, daß eine gute Speise, wie sie auch seyn möchte, keiner Entschuldigung bedürfe, hoben die Hände vor Erstaunen auf.
»Ja,« sagte Wildrake, »das – hm! – Ich bitte die Dame nochmals um Verzeihung, von der obersten Haarschleife an, bis auf den Saum ihres Reifrocks – aber das verwünschte Geschöpf zeigte sich als eine, der das Kirchspiel das Kind übergeben, und das Kostgeld für das Kind schon ein halb Jahr voraus bezahlt hatte. Ich nahm das Kind dem Wehrwolfe ab, und habe, obwohl Gott weiß, daß ich mich selber recht elend behelfen mußte, es doch so einzurichten gewußt, das derbe Frühstück, wie ich es seitdem immer genannt habe, aufzuziehen. – Den Spaß habe ich also theuer genug bezahlen müssen.«
»Herr, ich ehre Sie um Ihrer Menschlichkeit willen – ich danke Ihnen für Ihren Muth – Herr, es freut mich, Sie hier zu sehn,« sagte der alte Ritter, indem ihm die Augen fast übergingen. »Sie waren also der ausgelassene Offizier, der uns aus der Schlinge half? – Ach Herr, hätten Sie nur angehalten, als ich Sie rief, und uns gestattet, mit unsern Musketieren die Straßen von Brentford zu säubern, wir wären noch an demselben Tage in London gewesen. Aber Ihre gute Absicht war dieselbe.«
»Ja wahrlich, das war sie,« sagte Wildrake, der nun triumphirend in seinem Lehnstuhl saß, »hier, Herr, stoßen Sie an auf alle braven Herzen, die bei dem Brentforder Sturme kämpften und fielen. Wir trieben Alles vor uns her wie Spreu, bis die Laden, wo sie Branntwein und andere Versuchungen verkauften, uns herunterbrachten. – Sapperment, Herr, wir, die Kinderfresser, hatten zu viele Bekannte in Brentford, und unser kräftiger Prinz Ruprecht war immer besser zum Bahnmachen als Zurückziehen. Mein Sir, Herr, ich für mein Theil, ich ging nur in das Haus einer armen verwittweten Dame, die die Aufsicht über ein Paar Töchter hatte, und die ich früher kannte, um mein Pferd füttern zu lassen, und selber einen Bissen Fleisch und dergleichen zu genießen, als diese Stubenhocker-Lanzen von der Artillerie, wie Sie dieselben sehr richtig nennen, sich wieder sammelten und mit ihren gehörnten Köpfen wieder hereinzogen, so kühnlich, wie Cotswolder Widder. Ich sprang die Treppe hinunter – auf mein Pferd hinauf – aber Sapperment, ich glaube, meine ganze Schaar hatte so gut als ich Wittwen und verwaiste Mädchen zu trösten, denn nur fünfe von uns kamen zusammen. Dennoch hieben wir uns glücklich durch – und mein Seel, Ihr Herrn, ich nahm mein kleines Frühstück vor mir auf dem Sattel mit, und es war ein solches Heulen und Kreischen, als ob die ganze Stadt dächte, ich würde das arme Kind schlachten, braten und fressen, sobald ich ins Quartier käme; aber kein Teufel von Stubenhocker kam bis zu mir heran, um den armen kleinen Burschen zu retten, sie spuckten nur aus und schrien Pfui über mich.«
»Ach leider,« sagte der Ritter, »gaben wir uns für schlimmer aus, als wir waren, und wir waren auch zu schlimm, um Gottes Segen selbst in einer guten Sache zu verdienen. Ach! es nutzt zu nichts, rückwärts zu schauen – wir verdienten keine Siege, wenn Gott sie gab, denn wir benutzten sie nie wie gute Soldaten oder christliche Menschen, und so gaben wir den winselnden Schurken Vortheile über uns in die Hände; denn sie zeigten nun aus bloßer Heuchelei die Mannszucht und das geregelte Benehmen, das wir, die wir unsere Schwerter für eine bessere Sache zogen, blos aus Grundsatz hätten üben sollen. Aber hier ist meine Hand, Capitän. Ich habe oft gewünscht, jenen ehrlichen Burschen zu sehn, der so munter für uns angriff, und ich ehre Sie, um der Sorge willen, die Sie auf das arme Kind wandten. Es freut mich, daß dieser verfallne Ort Sie doch noch gastlich aufnehmen kann, obwohl wir Sie nicht mit gebratenen Kindern oder gedämpften Säuglingen bewirthen können – was meinen Sie, Capitän?«
»Wahrhaftig, Sir Heinrich, um dieser Sache willen sind die Lästerzungen schlimm über uns hergefahren. Ich erinnere mich noch, daß Lacy, ein alter Schauspieler, der Lieutenant unter uns war, die Sache spaßhafterweise in einem Lustspiel vorbrachte, das zuweilen in Oxford aufgeführt wurde, wenn wir wieder ein wenig obenauf waren. Es hieß, glaub ich, das alte Kriegscorps
Dieses merkwürdige alte Lustspiel mögen die dramatischen Antiquare selber zu Rathe ziehn. Eine oder zwei Scenen desselben handeln von der seltsamen Meinung, die dem Landvolke eingegeben war, daß die Cavaliere wirklich Kinder fräßen. Geschrieben wurde es von dem Schauspieler Lacy, der in demselben alten Corps gedient hatte, das in so schlechtem Rufe stand. Miß Edgeworth hat eine Stanze aus einem Volksgedichte angeführt, die sich auf dasselbe Vorurtheil bezieht:
Der Postillon von Coventry –
Er ritt in rother Jacke,
Bracht' neue Mähr, wie Lunsford fiel,
Ne Kindeshand im Sacke..«
Es war auch keine geringe Veranlassung zu den heftigen Vorurtheilen der Londoner Bürger gegen König Karl, daß er versucht hatte, denselben Lunsford, den man eines so rohen Benehmens fähig hielt, zum Gouverneur des Tower in London zu erheben.
Wie er das sagte, und sich nun, da seine Verdienste bekannt waren, etwas vertrauter fühlte, rückte er seinen Stuhl näher an den des jungen Schotten, der ihm zunächst saß, und der, indem er ebenfalls fortrückte, täppisch genug war, Alexia Lee, die ihm gegenüber saß, zu stoßen, worauf diese ein wenig beleidigt, oder doch wenigstens verlegen, mit ihrem Stuhl vom Tische wegrückte.
»Ich bitte um Verzeihung,« sagte der ehrsame Herr Kerneguy, »aber Herr,« sich zu Wildraken wendend, »Sie sind Schuld, daß ich der jungen Dame ans Bein gestoßen habe.«
»Ich bitte Sie, und wie sichs gebührt, noch viel mehr die schöne Dame um Verzeihung, aber ich will verdammt seyn, Herr, wenn ich es war, der Ihren Stuhl dorthin schob. Potz tausend Herr, ich habe weder Seuche noch Pestilenz, noch sonst eine ansteckende Krankheit mitgebracht, daß Sie zurückprallen mußten, wie wenn ich ein Aussätziger wäre, und die Dame vertreiben, was ich mit meinem Leben hätte hindern mögen. Herr, wenn Sie aus dem Norden her sind, wie es Ihrer Aussprache nach scheint, so war ich es, der sich in Gefahr begab, als ich Ihnen nahe kam, Sie hatten eben keine große Ursache, aufzuspringen.«
»Herr Wildrake,« fiel Albert ein, »dieser junge Herr ist so gut als Sie ein Fremder, und durch Sir Heinrichs Gastfreundschaft geschützt, und es kann meinem Vater nicht angenehm seyn, Streit unter seinen Gästen entstehen zu sehen. Nach dem jetzigen Aeußern des jungen Mannes irren Sie sich vielleicht in seinem Range, Herr – es ist der verehrte Herr Louis Kerneguy, Sohn des Lord Kilstewers von Kincardineshire, der für den König gefochten hat, so jung er auch ist.«
»Durch mich soll kein Streit entstehen, Herr – durch mich nicht,« sagte Wildrake, »Ihre Erklärung ist hinreichend. – Herr Louis Girnigo, Sohn des Lord Kilstir in Grengardenshire, ich bin Ihr unterthäniger Knecht und trinke Ihre Gesundheit, zum Zeichen, daß ich Sie und alle treue Schotten, die ihre Haudegen auf der rechten Seite tragen, verehre.«
»Sehr verbunden, Herr,« sagte der junge Mann mit einem Hochmuth, der nicht recht zu seinem bäurischen Wesen paßte, »auch ich wünsche Ihnen höflichst Gesundheit.«
Die meisten verständigen Leute würden hier das Gespräch haben fallen lassen; aber es war eine von den besondern Eigenheiten Wildrakes, daß er nie die Sachen ruhen lassen konnte, wenn sie gut standen. Er fuhr fort, den schüchternen, stolzen und täppischen jungen Menschen mit seinen Bemerkungen zu hudeln. »Sie sprechen Ihrem Nationaldialekt hübsch kräftig aus,« sagte er, »Herr Girnigo; aber es scheint mir doch nicht ganz die Sprache der tapfern Herrn, die ich unter den schottischen Cavalieren gekannt habe. – So z. B. kannte ich einige von den Gordons und andere von gutem Namen, die setzten allemal ein f statt des w, und sagten Faß statt was, und Fi statt wie.«
Albert Lee fiel hier ein und sagte, die schottischen Provinzen hätten jede ihre besondere Aussprache, wie die englischen.
»Da haben Sie sehr recht, Herr,« sagte Wildrake. »Ich selbst glaube Ihr verwünschtes Kauderwelsch – mit Verlaub, junger Herr – recht gut zu sprechen, und doch als ich einmal mit Montroses Leuten einen Ausflug in die südlichen Hochlande machte, wie sie ihre verdammten Wüsteneien nennen (nochmals mit Verlaub), war ich einmal ganz allein und verirrte mich, und rief einem Schäfer mit so breitem Maule und so gurgelnder Stimme, als ich nur immer konnte, zu, wohin der Weg ginge – ich will verdammt seyn, wenn der Kerl mir antworten konnte, es müßte denn etwa aus Halsstarrigkeit gewesen seyn, wie die Bauerlümmel es manchmal gegen die Herren vom Schwerte zu thun pflegen. «
Dies wurde ganz zutraulich gesprochen, und obwohl zum Theil an Albert gerichtet, galt es doch noch mehr seinem nächsten Nachbar, dem jungen Schotten, der aus Schüchternheit oder aus einem andern Grunde von seiner Vertraulichkeit nichts wissen zu wollen schien. Auf einen oder zwei Stöße von Wildrake's Ellenbogen, die dieser während der letzten Worte als eine Art von praktischer Anrede an ihn insbesondere anbrachte, erwiederte er blos: »Mißverständnisse wären immer zu erwarten, wenn die Menschen sich in ihrem Nationaldialekte mit einander unterhielten.«
Wildrake, jetzt viel betrunkener, als er in anständiger Gesellschaft hätte seyn sollen, faßte den Satz auf und wiederholte ihn – »Mißverständnisse, Herr – Mißverständnisse! – Ich weiß nicht, wie ich das nehmen soll; aber nach den Schmarren auf Ihrem ehrenwerthen Gesichte zu urtheilen, sollte ich vermuthen, daß Sie Mißverständnisse mit der Katze gehabt haben.«
»Sie irren sich, Freund, es war mit dem Hunde,« antwortete der Schotte trocken, und blickte auf Albert.
»Wir hatten einige Noth mit den Hofhunden, weil wir so spät am Abend hereinkamen, und der junge Mensch fiel über einen Haufen Schutt und zerkratzte sich dabei das Gesicht.« –
»Und nun, mein lieber Sir Heinrich,« sagte Dr. Rochecliffe, »erlauben Sie mir, Sie an Ihr Podagra und an unsere lange Reise zu erinnern. Ich thue es um so eher, da mein guter Freund, Ihr Sohn, während des Abendessens beständig heimliche Fragen an mich gethan hat, die viel besser bis morgen hätten aufgespart werden können. – Dürfen wir daher wohl um Erlaubniß bitten, uns zur Ruhe zu begeben?«
»Diese Privatzusammenkünfte in einer lustigen Gesellschaft,« sagte Wildrake, »sind ein Soldcismus in der Lebensart. Sie erinnern mich immer an die verwünschten Zusammenkünfte in Westminster. – Aber sollen wir zu Neste gehen, ehe wir die Nachteule mit einem Rundgesange geweckt haben?«
»Aha, kannst Du Shakespeare anführen?« sagte Sir Heinrich, der sich freute, eine neue gute Eigenschaft an seinem Freunde zu entdecken, dessen Dienste im Kriege nur eben hinreichend waren, seinem zudringlich freien Gespräch die Wage zu halten. »Im Namen des lustigen Wilhelm,« fuhr er fort – »den ich nie gesehen habe, obwohl mir einige seiner Cameraden vorgekommen sind, als Alleyn, Hemming's und einige Andere, wollen wir einen einzigen Rundgesang singen, und dann zu Bett. «
Nach dem gewöhnlichen Streite über die Wahl des Liedes und das, was Jeder dabei zu singen haben sollte, vereinten sie ihre Stimmen in einem Liede, das damals unter den Königlichen sehr beliebt war, und von dem man in der That glaubte, Niemand Geringeres als Dr. Rochecliffe selbst habe es gedichtet.
Bringt die vielgepries'ne Schaale,
Füllt sie bis zum Rande voll!
Alle, die in diesem Saale,
Trinken liebend auf sein Wohl!
Stehet auf, nach alter Weise,
Weg mit dem, der Ihn betrog!
Froh erschall in unsern Kreise
Unserm Karl ein Lebehoch!
Rings umschweben ihn Gefahren,
Ohne Hülfe, unbekannt,
Fern von seines Hauses Laren,
Irret er durch fremdes Land.
Dräuen uns auch Kerkersmauern,
Harte Strafen und Gewalt,
Mag die Bosheit uns umlauern,
Ihm doch unser Hoch erschallt!
Wird ihn Ehre einst umblinken,
Wie sie wohl gewährt die Zeit,
Laßt uns betend niedersinken,
Ihm sey unser Schwert geweiht.
Steht er in der Väter Hallen,
Von der Ritterschaar umringt,
Mag ein schmetternd Hoch erschallen,
Daß es durch die Lüfte dringt.
Nach dieser Aeußerung ihrer Unterthanstreue und einer Libation zum Schluß empfahl sich die Gesellschaft einander für die Nacht. Sir Heinrich bot seinem alten Bekannten ein Bett für die Nacht an, und dieser erwog die Sache ungefähr auf folgende Weise: – »Je nun, die Wahrheit zu sagen, mein Patron wird mich freilich im Flecken erwarten – aber er ist auch schon gewohnt, daß ich Nachts ausbleibe. Dann soll auch der Teufel sein Wesen in Woodstock treiben, aber mit dem Segen dieses verehrten Doktors biete ich ihm und allen seinen Werken Trotz – ich habe ihn früher beidemal nicht gesehen, als ich hier schlief, und bin überzeugt, wenn er damals abwesend war, wird er nicht mit Sir Heinrich Lee und seiner Familie zurückgekehrt seyn. Ich nehme also Ihr höfliches Anerbieten an, Sir Heinrich, und danke Ihnen, wie ein Lunsforder Cavalier nur immer einem von den fechtenden Oxforder Schreibern danken kann. Gott segne den König! Ich frage nicht darnach, wer es hört, und Fluch Olivern und seiner rothen Nase!« Fort ging er stolzirend mit schwankendem Schritt, von Josselin geführt, dem Albert unterdeß zugeflüstert hatte, ihn ja recht weit von der übrigen Familie einzuquartieren.
Der junge Lee küßte nun seine Schwester, und erbat und erhielt alsdann mit der Förmlichkeit jener Zeiten seines Vaters Segen nebst einer liebenden Umarmung. Sein Page schien einen Theil seines Beispiels nachahmen zu wollen, wurde aber von Alexia abgewiesen, die ihm bloß eine Verbeugung machte. Hierauf neigte er sich auf eine täppische Weise vor ihrem Vater, der ihm eine gute Nacht wünschte.
»Es freut mich zu sehen, junger Mann,« sagte er, »daß Sie wenigstens gelernt haben, daß dem Alter Ehrfurcht gebührt. Die sollte immer gezollt werden, Herr, denn wenn Sie das thun, so erweisen Sie Andern die Ehre, die Sie von ihnen erwarten, wenn Sie selbst dem Ende Ihres Lebens nahen. Bei Gelegenheit will ich schon noch mehr mit Ihnen über Ihre Pflichten als Page sprechen; denn dies Amt pflegte früher die wahre Schule – der Ritterschaft zu seyn, dahingegen es neuerlich in diesen unordentlichen Zeiten wenig besser, als eine Schule der wilden und ungeregelten Zügellosigkeit geworden ist, weshalb der seltne Ben Johnson ausrief« –
»Aber Vater,« fiel Albert ein, »Sie müssen die Beschwerden dieses Tags bedenken und daß der arme Mensch fast stehend einschläft – morgen wird er Ihre gütigen Ermahnungen mit mehr Nutzen anhören, – Und Sie, Louis, gedenken Sie wenigstens eines Theils Ihrer Pflicht. – Nehmen Sie die Lichter und leuchten Sie – hier kommt Josselin, um uns den Weg zu zeigen. Noch einmal, gute Nacht, guter Doktor Rochecliffe – gute Nacht allesammt.«