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Laßt euch, ihr Schönen, nicht berücken
Durch eitlen Reichthum, eitle Pracht;
Nie wohnt in eurer Brust Entzücken,
Wenn euch nicht treue Lieb' umlacht.
Familienstreitigkeiten.
Als sich Lady Eveline in ihr Gemach zurückbegeben hatte, folgte ihr Rosa Flammock ungeheißen dahin, und erbot sich, Evelinen ihren langen Schleier abnehmen zu helfen; allein die Lady schlug ihr Anerbieten mit den Worten aus: »Du bist mit deinen Dienstleistungen gleich bei der Hand, wenn man sie nicht von dir verlangt.«
»Ihr seid unzufrieden mit mir, Lady!« sagte Rosa.
»Und wenn ich es bin, so habe ich Ursache dazu,« entgegnete Eveline. »Du weißt, in was für einer schwierigen Lage ich mich befinde, und was meine Pflicht von mir fordert; allein statt mir das Opfer, das ich bringen muß, zu erleichtern, erschwerst du es mir.«
»Ich wollte, ich hätte Einfluß genug,« sagte Rosa, »um Euch den Weg zu weisen; Ihr würdet ihn angenehm finden; ja, und zudem würde er noch der rechtliche und der gerade sein.«
»Wie meinst du das, Mädchen?« sagte Eveline.
»Ich würde Euch,« antwortete Rosa, »rathen, die Aufmunterung, – ich möchte fast sagen, die Einwilligung, die Ihr jenem stolzen Baron gewährt habt, zu widerrufen. Er ist zu groß und mächtig, um geliebt zu werden, – zu stolz und hochmüthig, um Euch zu lieben, wie Ihr es verdient. Wenn Ihr ihn heirathet, so heirathet ihr vergoldetes Elend, und vielleicht sowohl Unehre als Mißvergnügen.«
»Erinnere dich an die Dienste, die er uns geleistet hat.«
»An seine Dienste?« rief Rosa aus. »Es ist wahr, er wagte sein Leben für uns: allein das that jeder seiner Krieger. Und bin ich verpflichtet, jeden rauhen Bengel zu heirathen, weil er focht, als die Trompete blies? Ich möchte doch auch gerne wissen, was ihr Devoir, wie sie es nennen, für einen Sinn hat, wenn sie sich nicht schämen, bloß dafür, daß sie gegen ein bedrängtes und hülfloses Geschöpf die Pflicht eines Edelmanns erfüllt haben, den höchsten Preis zu fordern, den ein weibliches Wesen verleihen kann. Eines Edelmanns sagte ich? – Ja, der rohste Bauer in Flandern, der bei einer solchen Gelegenheit Menschenpflicht geübt hätte, würde keine Belohnung erwarten.«
»Allein meines Vaters Wünsche?«
»Sie richteten sich ohne Zweifel nach der Neigung einer Tochter. Ich will meinem verewigten edlen Herrn – (Gott sei seiner Seele gnädig!) nicht das Unrecht anthun, zu glauben, er würde in dieser Sache etwas gefordert haben, das Eurer freien Wahl zuwider gewesen wäre.«
»Allein mein Gelübde – mein unseliges Gelübde, wie ich es fast nennen möchte,« sagte Eveline. »Möge der Himmel mir meine Undankbarkeit gegen meine Beschützerin verzeihen!«
»Auch das ficht mich nicht an,« sagte Rosa. »Nie und nimmer werde ich glauben, daß Unsere mildthätige und mitleidige Frau mir für ihren Schutz die Strafe auferlegen würde, einen Mann zu heirathen, den ich nicht lieben könnte. Sie lächelte, sagt Ihr, als Ihr zu ihr flehtet. Geht – legt zu ihren Füßen den Kummer nieder, der Euer Herz bedrückt, und seht, ob sie nicht wieder lächelt. Oder sucht um eine Lossprechung von Eurem Gelübde nach – sucht sie auf Kosten Eures halben Vermögens zu erhalten, – ja, was sage ich? auf Kosten Eurer ganzen Habe. Wallfahrtet barfuß nach Rom. – Thut Alles, nur gebt Eure Hand nicht, wo Ihr nicht auch zugleich Euer Herz geben könnt.«
»Du sprichst sehr warm, Rosa,« sagte Eveline mit einem tiefen Seufzer.
»Ach! meine gütige Lady, ich habe Ursache dazu. Habe ich nicht eine Haushaltung gesehen, in der keine Liebe war – wo es zwar nicht an Verdiensten und gutem Willen, oder an Reichthum fehlte, wo aber doch Alles durch einen nicht bloß fruchtlosen, sondern auch strafbaren Gram verbittert ward?«
»Und doch glaube ich, Rosa, daß uns auch in einer solchen Lage das Gefühl dessen, was wir uns und Andern schuldig sind, leiten und trösten kann.«
»Es wird uns vor Sünde, aber nicht vor Kummer bewahren,« antwortete Rosa; »und warum sollten wir uns mit offenen Augen in eine Lage stürzen, wo die Pflicht unaufhörlich mit der Neigung Krieg führen muß? Warum wollt Ihr gegen Wind und Fluth rudern, wenn Ihr Euch eben so leicht des günstigen Windes bedienen könnt?«
»Weil meine Lebensreise dahin geht, wo Wind und Fluth mir entgegenkämpfen,« antwortete Eveline. »Das Schicksal hat es mir so beschieden, Rosa.«
»Bloß wenn Ihr Euch selbst dieß Loos wählt,« antwortete Rosa. »O hättet Ihr die blassen, abgehärmten Wangen, die eingesunkenen Augen und das niedergeschlagene Wesen meiner armen Mutter sehen können! Ach! ich habe zu viel gesagt.«
»So war es also deine Mutter, von deren unglücklicher Ehe du gesprochen hast,« sagte ihre junge Gebieterin.
»Ja sie war es – sie« – sagte Rosa, Thränen vergießend. »Ich habe meine eigene Schande aufgedeckt, um Euch vor Kummer zu bewahren. Unglücklich war sie, obgleich schuldlos – so unglücklich, daß das Zerplatzen des Dammes und die Ueberschwemmung, in welcher sie umkam, ihr so willkommen waren, als die Nacht dem müden Arbeiter. Gleich Euch hatte sie ein Herz, das zum Lieben und Geliebtwerden geschaffen war; und es hieße jenem stolzen Baron große Ehre erweisen, wenn man sagen wollte, sein Herz könne sich mit dem meines Vaters messen. – Dennoch war sie höchst unglücklich. O laßt Euch warnen, meine theure Lady, und brecht diese unheilkündende Verbindung ab!«
Eveline erwiederte den Händedruck, womit das zärtliche Mädchen ihren wohlgemeinten Rath bekräftigte, und murmelte dann mit einem tiefen Seufzer: »Rosa, es ist zu spät.«
»Niemals – niemals!« rief Rosa aus, im ganzen Zimmer scharf umherblickend. »Wo sind die Schreibmaterialien? – Erlaubt, daß ich den Vater Aldrovand herbeirufe und ihm Euren Willen kund thue – oder halt! – der gute Vater hat selbst ein Auge auf den Glanz der Welt, der er entsagt zu haben glaubt. Er wird kein zuverlässiger Sekretär sein. – Ich will selbst zu dem Lord Constabel gehen. Mich kann sein Rang nicht blenden, – sein Reichthum nicht bestechen, seine Macht nicht einschüchtern. Ich will ihm sagen, wie unritterlich er handelt, daß er Euch in dieser Stunde des Kummers und der Trauer so ungestüm an die mit Eurem Vater getroffene Uebereinkunft mahnt, – wie ungottesfürchtig, daß er sich einem Mädchen aufdringt, dessen Herz nicht zu seinen Gunsten entschieden hat – wie unweise, daß er eine Frau nehmen will, die er alsbald wieder verlassen, und der Einsamkeit oder den Gefahren eines zügellosen Hofes preisgeben muß.«
»Du hast nicht Muth genug zu einer solchen Gesandtschaft, Rosa,« sagte ihre Gebieterin, ihr thränenbenetztes Angesicht zu einem trüben Lächeln über den Eifer ihrer jugendlichen Begleiterin gestaltend.
»Nicht genug Muth dazu! und warum nicht?« entgegnete das flamändische Mädchen. »Ich bin weder ein Saracene, noch ein Walliser – seine Lanze und sein Schwert schrecken mich nicht. Ich habe nicht zu seinem Banner geschworen; seine gebietende Stimme geht mich nichts an. Ich könnte ihm, mit Eurer Erlaubniß, frei heraussagen, daß er ein selbstsüchtiger Mann ist, weil er seine Bewerbung um Gegenstände, nach denen er aus Stolz oder aus Genußsucht trachtet, durch schöne und ehrenvolle Vorwände zu beschönigen sucht, und hohe Ansprüche auf Dienste gründet, zu denen ihn die bloße Menschlichkeit verpflichtete. Und wozu alles das! – der große de Lacy – hört doch! – muß einen Erben seines edlen Hauses haben, und sein schöner Neffe ist untauglich zu seinem Stellvertreter, weil seine Mutter anglosächsischer Abkunft war, und der wahre Erbe reinen und unvermischten normännischen Geblüts sein muß; und deßwegen muß Lady Eveline Berenger in der Blüthe ihrer Jugend an einen Mann verheirathet werden, der ihr Vater sein könnte – der seine schutzlose Gattin auf Jahre lang verlassen, und dann mit einem so eingeschrumpften und veralterten Aeußern zurückkehren wird, daß man ihn für ihren Großvater würde halten können.«
»Da er so gewissenhaft auf die Reinheit der Abkunft hält,« sagte Eveline, »so erinnert er sich vielleicht – was einem so guten Heraldiker, wie ihm, unmöglich unbekannt sein kann – daß meines Vaters Mutter eine Sächsin war.«
»Oh!« entgegnete Rosa, »bei der Erbin von Garde doloureuse wird er diesen Makel nicht beachten.«
»Pfui, Rosa,« antwortete ihre Gebieterin, »du thust ihm Unrecht, daß du ihn der Habsucht beschuldigst.«
»Das mag vielleicht sein,« entgegnete Rosa; »allein daß er ehrgeizig ist, das ist unläugbar; und die Habsucht ist, so habe ich oft sagen gehört, der Bastardbruder des Ehrgeizes, obwohl der Ehrgeiz sich dieser Verwandtschaft schämt.«
»Deine Rede ist zu kühn, Mädchen,« sagte Eveline, »und wenn ich auch von deiner guten Absicht und deiner Anhänglichkeit überzeugt bin, so geziemt es mir doch, dich über die Art deines Ausdrucks zu Rede zu stellen.«
»Ja, nehmt diesen Ton an, und ich habe ausgeredet,« sagte Rosa. – »Mit Evelinen, die ich liebe, und die mich wieder liebt, kann ich frei reden, – aber gegen die Herrin von Garde doloureuse, gegen das stolze normännische Fräulein (das Ihr gar wohl sein könnt, wenn Ihr es sein wollt,) kann ich mich so demüthig und unterthänig benehmen, als es mein Stand erfordert, und ihr so wenig Wahrheit sagen, als sie zu hören wünscht.«
»Du bist ein wildes, aber dennoch gutmüthiges Mädchen,« sagte Eveline; »und wer dich nicht kennt, würde sicherlich nicht glauben, daß dieses sanfte und kindliche Aeußere eine solche Feuerseele verbirgt. Deine Mutter muß in der That das gefühlvolle leidenschaftliche Wesen gewesen sein, als das du sie schilderst; dein Vater – nein! nein waffne dich nicht eher zu seiner Vertheidigung, als bis er angegriffen worden ist – ich wollte bloß sagen, sein fester Sinn und sein gesundes Urtheil seien seine hervorstechendsten Eigenschaften.«
»Und ich wünschte, Lady,« sagte Rosa, »Ihr bedientet Euch derselben.«
»In geeigneten Dingen werde ich es thun,« entgegnete Eveline; »allein in dieser Sache würde er wohl ein sehr untauglicher Rathgeber sein.«
»Ihr irrt Euch in ihm,« antwortete Rosa Flammock, »und verkennet seinen Werth. Ein gesundes Urtheil ist mit einem Meßstabe zu vergleichen, der, wenn er auch gewöhnlich nur zu grobem Zeuge gebraucht wird, doch eben so richtig auch das Maaß eines indianischen Seidenzeugs und goldgewirkter Stoffe angeben kann.«
»Gut – gut – die Sache ist, wenigstens für den Augenblick, nicht so dringend. Verlaß mich jetzt, Rosa, und schicke Gillian, die Putzfrau, hierher – ich habe ihr Befehle in Betreff des Einpackens und der Wegschaffung meiner Garderobe zu ertheilen.«
»Diese Gillian ist seit Kurzem sehr in Gunst gekommen,« sagte Rosa; »es gab eine Zeit, wo es anders war.«
»Ihr Benehmen gefällt mir eben so wenig, als dir,« sagte Eveline; »allein sie ist des alten Raouls Weib – sie stand bei meinem Vater in einer gewissen Gunst – denn, gleich andern Männern, fand er vielleicht an jenem freien Benehmen Gefallen, das wir bei einer Person unseres Geschlechts für ungeziemend halten. – Und dann gibt es keine andere Frau auf der Burg, die eine solche Geschicklichkeit im Einpacken der Kleider besitzt, und sie dabei so wenig beschädigt.«
»Dieser letzte Umstand schon,« sagte Rosa lächelnd, »begründet ein unwiderstehliches Anrecht auf Eure Gunst, und Dame Gillian soll sogleich vor Euch erscheinen. – Allein folgt meinem Rathe, Lady – beschränket ihre Aufmerksamkeit auf ihre Ballen und Koffer, und gestattet ihr nicht, daß sie mit Euch über Dinge plaudert, die sie nichts angehen.«
Mit diesen Worten verließ Rosa das Gemach, und schweigend blickte ihr Eveline nach, – dann murmelte sie vor sich hin: – »Rosa liebt mich wahrhaft; allein sie möchte gar zu gerne Gebieterin statt Dienerin sein; und dann ist sie auch eifersüchtig über Alle, die sich mir nahen. – Es ist sonderbar, daß ich, seit meiner Zusammenkunft mit dem Constabel, Damian von Lacy nicht mehr gesehen habe. Er nimmt vielleicht schon zum Voraus an, er habe eine strenge Muhme an mir erhalten.«
Allein die Bedienten, welche sich nun um sie drängten, um Befehle in Betreff der Abreise, die den nächsten Morgen in aller Frühe statt haben sollte, einzuholen, lenkten jetzt den Strom ihrer Gedanken von der Betrachtung ihrer eigenen Lage ab; und da diese Betrachtung keine erfreuliche Aussicht eröffnete, so verschob sie sie auch gerne mit dem leicht beweglichen Sinne der Jugend bis auf weitere Muße.