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Siebentes Kapitel.

Der Mönch machte indessen Lady Evelinen nach einigen pedantischen Umschweifen mit der Verabredung bekannt, die Jorworth und Wilkin miteinander getroffen hatten. Hierauf schlug er ihr vor, die wenigen Engländer, die sich noch auf der Burg befanden, zusammenzuziehen, und den im Mittelpunkte der Festung gelegenen viereckigen Thurm besetzen zu lassen; dieser Thurm war, wie in den meisten gothischen Festungen in der normännischen Periode, so gelegen, daß man sich in demselben noch lange wehren konnte, nachdem die äußern Befestigungswerke, die er beherrschte, bereits in die Gewalt der Feinde gefallen waren.

»Vater,« sagte Eveline, die noch immer auf das Gesicht vertraute, das sie so eben gehabt hatte, »dieß wäre ein guter Rath in der äußersten Gefahr; allein in unsrer gegenwärtigen Lage würde er gerade das Uebel, das wir fürchten, erzeugen; denn er würde die Besatzung mit sich selbst uneinig machen. Ich habe, guter Vater, ein großes und nicht ungegründetes Vertrauen auf unsere Frau von Garde doloureuse; ich glaube, daß uns nicht nur Errettung aus unsrer gegenwärtigen großen Noth, sondern auch die Freude, uns an unsern grausamen Feinden zu rächen, zu Theil werden wird; und ich nehme Euch zum Zeugen des Gelübdes, das ich gethan habe, daß ich nämlich demjenigen, durch dessen Arm uns unsere liebe Frau von Garde doloureuse erretten wird, nichts verweigern werde, wäre es selbst das Erbe meines Vaters, oder die Hand seiner Tochter.«

» Ave Maria! Ave regina coeli!« rief der Priester aus; »auf einen festern Felsen hättet Ihr nicht bauen können. – Aber Tochter,« fuhr er, nach einem tiefen Seufzer, fort, »habt Ihr niemals gehört, oder auch nur einen leisen Wink davon erhalten, daß wegen Eurer Hand ein Vertrag zwischen unserem vielgeehrten Herrn, dessen wir so grausamerweise beraubt worden sind (Gott sei seiner Seele gnädig!) und dem großen Hause von Lacy bestand?«

»Etwas mag ich wohl davon gehört haben,« sagte Eveline, ihre Augen niederschlagend, während eine leichte Purpurröthe ihre Wangen übergoß; »allein ich stelle alles Unserer Frau anheim, und erwarte von ihr in Demuth Trost und Hülfe.«

Während sie so sprach, trat Rosa mit demselben Ungestüm, mit welchem sie sich entfernt hatte, in die Kapelle. Sie führte ihren Vater an der Hand, dessen obwohl träger doch fester Gang, plattes Gesicht und plumpe Haltung einen höchst auffallenden Contrast mit der Raschheit ihrer Bewegungen und der ängstlichen, in ihrem ganzen Wesen sich aussprechenden Belebtheit bildeten. Die geschäftige Eile, mit der sie ihren Vater fortzuziehen suchte, hätte den Zuschauer an einige jener alten Monumente erinnern können, auf denen nicht selten ein kleiner Cherub abgebildet ist, der, seiner Aufgabe in einem höchst seltsamen Grade nicht gewachsen, die große Fleischmasse eines plumpen Grabbewohners nach dem Feuerhimmel hinaufzuziehen sucht, dessen wohlwollende und emsige Bestrebungen aber einen nicht geringen Widerstand in der unverhältnißmäßigen Schwere seines Schützlings finden.

»Röschen – mein liebes Kind – warum grämst du dich?« sagte der Niederländer, der Heftigkeit seiner Tochter mit einem Lächeln weichend, das auf dem Gesichte eines Vaters weilend, mehr Ausdruck und Gefühl in sich schloß, als dasjenige, das seinen beständigen Wohnsitz auf seinen Lippen aufgeschlagen zu haben schien.

»Da steht mein Vater,« sagte das ungeduldige Mädchen; »nenne ihn einen Verräther, wer es kann, oder es wagt! Hier steht Wilkin Flammock, der Sohn Dieterichs, des Krämers von Antwerpen – mögen die, welche ihn in seinem Rücken verleumdeten, ihn vor seinen Augen anklagen.«

»Sprich, Vater Aldrovand,« sagte Lady Eveline; »unsere Gewalt ist noch neu, und ach! in einer bösen Stunde über uns gekommen; gleichwohl aber wollen wir mit Gottes und unserer lieben Frauen Hülfe Eure Anklage hören, und sie nach unsern besten Kräften richten.«

»Dieser Wilkin Flammock,« sagte der Mönch, »kann, so kühn und frech er auch sein mag, nicht läugnen, daß ich ihn mit meinen eigenen Ohren wegen der Uebergabe des Schlosses mit dem Walliser unterhandeln hörte.«

»Schlage ihn nieder, Vater!« sagte die unwillige Rosa, – »schlage ihn nieder, den vermummten Lügner! obschon nicht auf den Mönchsrock, so darf man doch auf den Stahlpanzer schlagen – schlage ihn nieder, oder sage ihm, daß er der unverschämteste Lügner ist!«

»Still, Röschen, du bist toll,« sagte ihr Vater in einem etwas mürrischen Tone; »der Mönch spricht mehr wahr, als vernünftig, und ich wünschte, seine Ohren wären, ich weiß nicht wo gewesen, als er sie in Dinge steckte, die ihn nichts angingen.«

Mit Rosa ging eine wunderbare Veränderung vor, als sie ihren Vater offen gestehen hörte, daß er wirklich mit dem Walliser verrätherische Unterhandlungen gepflogen habe – sie ließ die Hand sinken, mit der sie ihn in die Kapelle gezogen hatte und starrte Lady Evelinen mit Augen an, die sich aus ihren Höhlen hervorzudrängen schienen; auch hatte sich alles Blut, das ihre Wangen kurz zuvor noch so hoch geröthet hatte, aus ihrem Gesichte zurückgezogen und den Weg nach dem Herzen eingeschlagen.

Eveline blickte den Schuldigen mit einer Miene an, in der sich eine milde Würde mit Kummer einigte. »Wilkin,« sagte sie, »das hätte ich nicht von dir geglaubt. Wie? an dem Todestage deines zutrauensvollen Wohlthäters konntest du mit seinen Mördern wegen der Uebergabe der Burg unterhandeln, und zum schändlichen Verräther werden! – Doch ich will dich deßwegen nicht schelten – ich entziehe dir das Zutrauen, das in einen so unwürdigen Menschen gesetzt worden ist, und befehle dir, daß du dich willig in den westlichen Thurm in Verwahrschaft bringen läßst, bis uns Gott Entsatz sendet; dann werden vielleicht die Verdienste deiner Tochter dein Vergehen sühnen, und dich vor einer weiteren Bestrafung schützen – sorge dafür, daß unserem Befehle augenblicklich Folge geleistet wird.«

»Ja – ja – ja!« rief Rosa aus, ihre Worte schnell aufeinander häufend. – »Laß uns gehen – laß uns in den finstersten Kerker gehen – Finsterniß ist besser für uns als Licht.«

Als andererseits der Mönch bemerkte, daß der Flamänder sich nicht anschickte, dem Verhaftbefehle nachzukommen, so trat er auf eine Art vor, die mehr mit seinem früheren Stande und seiner gegenwärtigen Verkleidung, als mit seinem geistlichen Charakter übereinstimmte, und die Worte an ihn richtend: »Ich verhafte dich, Wilkin Flammock, wegen eingestandenen Verraths an deiner Lehnsherrin,« würde er Hand an ihn gelegt haben, wäre der Flamänder nicht zurückgetreten, mit drohender und entschlossener Miene die Worte sprechend:

»Ihr seid toll – alle zusammen seid ihr toll, ihr Engländer, wenn es Vollmond ist, und mein albernes Mädchen hat die Krankheit auch geerbt. – Lady, Euer Vater hat mir ein Amt anvertraut, dem ich zum Besten aller Parteien vorzustehen gesonnen bin, und da Ihr noch minderjährig seid, so könnt Ihr mir dasselbe nicht nach Eurem Wohlgefallen nehmen. – Vater Aldrovand, ein Mönch ist nicht berechtigt, Verhaftungen vorzunehmen. – Röschen sei still und trockne deine Augen ab – du bist eine Närrin.«

»Ja das bin ich, das bin ich,« sagte Rosa, ihre Augen abtrocknend, und ihre vorige Lebhaftigkeit wieder annehmend – »ich bin in der That eine Närrin, und mehr noch als eine Närrin, weil ich auch nur einen Augenblick an der Rechtlichkeit meines Vaters gezweifelt habe. – Vertraut auf ihn, theuerste Lady; er ist klug, ob er schon ernsthaft ist, und gütig, obschon seine Rede einfach und rauh ist. Wenn er sich treulos beweist, so wird er das Schlimmste erleiden; denn ich stürze mich dann von der obersten Spitze des Wachtthurmes in den Schloßgraben herab, und er soll seine eigene Tochter verlieren für seinen Verrath an der Tochter seines Herrn.«

»Wahnsinn, nichts als Wahnsinn,« sagte der Mönch. – »Wer wollte anerkannten Verräthern trauen? – Hierher, Normannen und Engländer! hierher! zur Rettung Eurer Lehnsherrin – Bogen und Beile – Beile und Bogen!«

»Ihr könnt Eure Kehle für Eure nächste Predigt schonen, guter Vater,« sagte der Niederländer, »oder wenn Ihr das nicht wollt, so müßt Ihr auf gut Flamändisch, das Ihr ja versteht, rufen; denn nur, wenn Ihr in dieser Sprache sprecht, werden Euch diejenigen, welche Euch hören können, Antwort geben.«

Hierauf näherte er sich Lady Evelinen mit einer natürlichen oder erkünstelten plumpen Freundlichkeit und so viel Höflichkeit und Artigkeit, als sich mit seinen Sitten und seiner Gesichtsbildung vertrug. Er wünschte ihr eine gute Nacht und versicherte sie, er werde nach seinem besten Wissen und Willen handeln; hierauf verließ er die Kapelle. Der Mönch machte Miene, ihm Scheltworte nachzurufen, allein Eveline zügelte, klüger als er, seine Hitze.

»Ich kann nicht umhin,« sagte sie, »anzunehmen, daß dieser Mann redliche Absichten hat –«

»Gott segne Euch, Lady, für dieses Wort,« sagte Rosa, Evelinen hastig unterbrechend und ihr die Hand küssend.

»Allein, sollten sie unglücklicher Weise dieß nicht sein,« fuhr Eveline fort, »so bringen wir ihn sicherlich durch Vorwürfe nicht auf bessere Gesinnungen. Guter Vater, habt ein Auge auf die zu treffenden Vorkehrungen, und sorgt dafür, daß alle Mittel, die uns zur Vertheidigung des Schlosses zu Gebot stehen, in Anwendung gebracht werden.«

»Sei unbesorgt, meine theuerste Tochter,« entgegnete Aldrovand, »es sind noch einige englische Herzen unter uns, und lieber wollen wir die Flamänder tödten und fressen, als das Schloß übergeben.«

»Das wäre ein Futter, das eben so schwer zu bekommen sein würde, als das Fleisch des Bären,« fiel in bitterem Tone Rosa ein, der noch immer die Idee, daß der Mönch Argwohn gegen ihre Nation hege und verächtlich von ihr spreche, das Blut in den Kopf trieb.

Nach diesem trennten sie sich, der weibliche Theil, um seinen Besorgnissen und seinem Kummer im Stillen nachzuhängen, oder ihn durch einsame Andachtsübungen zu lindern – der Mönch, um die wahren Absichten Wilkin Flammock's zu entdecken, und ihnen wo möglich entgegenzuarbeiten, falls sie verrätherischer Art sein sollten. So geschärft indessen sein Auge durch starken Verdacht war, so sah er doch nichts, das seine Besorgnisse hätte rechtfertigen können, ausgenommen, daß der Flamänder die Hauptposten in der Burg seinen Landsleuten anvertraut hatte, was jeden Versuch, ihn seiner gegenwärtigen Gewalt zu berauben, höchst schwierig und gefährlich machen mußte. Endlich entfernte sich der Mönch, von seiner Pflicht zum Abendgottesdienste gerufen, und mit dem festen Entschlusse, den nächsten Morgen mit Tagesanbrüche wieder auf den Beinen zu sein.



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