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Siebzehntes Kapitel.

Sein Herr ist todt, und Niemand wohnt
Jetzt mehr in Ivors Hallen.
Es starben Mensch und Pferd, und Hund,
Er lebt allein von Allen.

Wordsworth.

 

Es gibt wenig melancholischere Gefühle, als der Anblick von dem Schauplatze entflohener Freuden erweckt. Auf meinem Wege nach dem Schlosse erblickte ich dieselben Gegenstände, die ich an Diana's Seite auf unserm denkwürdigen Ritte von Inglewoods Wohnung gesehen hatte. Ihr Geist schien mich zu begleiten, und als ich an die Stelle kam, wo ich sie zum ersten Male erblickte, glaubte ich das Gebell der Hunde und die Töne des Jagdhorns zu hören, und starrte in den leeren Raum, als ob ich die schöne Jägerin, gleich einer überirdischen Erscheinung, wieder vom Hügel herabkommen sehen müßte. Aber Alles war still und einsam. Bei Erreichung des Schlosses boten die geschlossenen Thore und Fenster, die mit Gras überwachsenen Steine, die öden Höfe, einen scharfen Contrast mit dem fröhlichen Getümmel dar, von dem ich hier so oft Zeuge gewesen war, wenn die muntern Jäger des Morgens auszogen, oder des Abends heimkehrten. Das frohe Gebell der Fuchshunde, das Geschrei der Jäger, der Hufschlag der Pferde, das laute Lachen des alten Ritters an der Spitze seiner zahlreichen Nachkommenschaft, Alles war für jetzt und für immer verstummt.

Während ich in dieser Einsamkeit und Leere umherblickte, fühlte ich mich unaussprechlich bewegt, selbst wenn ich mich Derer erinnerte, die an sich keinen Anspruch auf meine Neigung hatten. Aber der Gedanke, daß so viele rüstige Jünglinge, von Leben, Gesundheit und Muth durchglüht, binnen einer kurzen Zeit, und durch gewaltsamen und unerwarteten Tod, in's Grab gesunken waren, erweckte Gedanken der Sterblichkeit, vor denen die Seele erbebt. Es gewährte mir wenig Trost, daß ich als Eigenthümer des Schlosses zurückkehrte, das ich beinahe als Flüchtling verlassen hatte. Ich war noch nicht gewohnt, es als mein Eigenthum zu betrachten; ich erschien mir wie ein unrechtmäßiger Besitzer, wenigstens wie ein eingedrungener Fremder, und konnte kaum den Gedanken verbannen, daß einige von den derben Gestalten meiner verstorbenen Vettern, gleich den geisterhaften Riesen in einem Mährchen, am Thor erscheinen und mir den Eingang streitig machen würden.

Während ich diesen Gedanken nachhing, donnerte mein Begleiter, Andrew, der ganz andere Gefühle hegte, an alle Pforten des Gebäudes, und begehrte Einlaß mit einem Tone, der laut genug war, um anzudeuten, daß wenigstens er seine neu erlangte Wichtigkeit als Leibknappe des neuen Burgherrn hinlänglich fühlte. Endlich zeigte sich Anton Syddall, meines Oheims alter Keller- und Haushofmeister, furchtsam und widerstrebend, an einem niedern, wohl vergitterten Fenster und fragte was wir begehrten.

»Wir kommen, Euch Euer Amt abzunehmen, alter Freund,« sagte Andrew. »Ihr könnt sogleich die Schlüssel herausgeben. Ich will das Silber- und Tischzeug von Euch übernehmen. Ihr habt Eure Zeit gehabt, Mr. Syddall; aber jedes Ding währt seine Weile, und Ihr könnt künftig so gut am Ende des Tisches sitzen, als vordem Andrew.«

Nachdem ich nicht ohne Mühe den Vorwitz meines Begleiters gehemmt hatte, erklärte ich Syddall, auf welches Recht sich mein Anspruch gründete, in das Schloß, als mein Eigenthum, eingelassen zu werden. Der alte Mann schien sehr bewegt und bekümmert zu sein, und zeigte offenbare Abneigung, mir den Eintritt zu gestatten, obwohl er mit einem demüthigen, unterwürfigen Tone sprach. Ich hatte Nachsicht mit der Regung natürlicher Gefühle, die ihm zur Ehre gereichten, bestand aber auf meinem Willen, eingelassen zu werden, und erklärte ihm, daß seine Weigerung mich nöthigen würde, gerichtliche Hülfe zu suchen.

»Wir kommen vom Richter Inglewood,« sagte Andrew, um die Drohung zu verstärken. »Es ist jetzt mehr Gesetz im Lande, als vorher, Mr. Syddall, wo die Rebellen und Papisten machen konnten, was ihnen beliebte.«

Die Drohung mit den Gerichten tönte furchtbar in des alten Mannes Ohr, der wohl wußte, daß er selbst wegen seines Glaubens und seiner Anhänglichkeit an Sir Hildebrand und dessen Söhne verdächtig war. Furchtsam und zitternd öffnete er eine Nebenpforte, die mit vielen Riegeln und Stangen versehen war, und sprach dann die demüthige Hoffnung aus, daß ich seine Treue in Ausübung seiner Pflicht entschuldigen würde. Ich beruhigte ihn mit der Versicherung, daß ich wegen seiner Vorsicht eine desto bessere Meinung von ihm hätte.

»Ich nicht,« sagte Andrew; »Syddall ist ein alter Duckmäuser; er würde nicht aussehen, wie eine weiße Wand und mit den Knieen zittern, wenn es nicht mehr beträfe, als er uns sagen will.«

»Gott verzeih' Euch, Andrew,« erwiderte der Kellermeister, »daß Ihr so Etwas von einem alten Freunde und Mitdiener sagt! – Wo wollt Ihr das Feuer angemacht haben, gnädiger Herr?« fragte er, indem er mir demüthig durch den Gang folgte. »Ich fürchte, Ihr werdet's sehr traurig und öde im Schlosse finden. Aber Ihr reitet vielleicht zum Mittagessen wieder zu dem Richter zurück?«

»Mach' in der Bibliothek Feuer,« erwiderte ich.

»In der Bibliothek?« antwortete der alte Mann. »Seit der ganzen Zeit hat Niemand dort gegessen, und es raucht darin, denn die Dohlen haben das Frühjahr im Kamin ihre Nester gebaut, und wir hatten keine jungen Bursche im Schlosse, die sie hätten herabstoßen können.«

»Unser Rauch ist besser, als anderer Leute Feuer,« sagte Andrew. »Der gnädige Herr liebt die Bibliothek. Er ist keiner Eurer Papisten, der sich an blinder Unwissenheit erfreut.«

Sehr ungern, wie es schien, führte uns der Kellermeister nach der Bibliothek, und gegen die Vermuthung, die seine Aeußerungen erwecken mußten, sah es hier aus, als wären unlängst Verbesserungen getroffen und das Ganze wohnlicher als sonst eingerichtet worden. Auf dem Roste brannte helles Feuer, trotz dem, was Syddall von dem Rauche gesagt hatte. Er nahm die Zange, als wollte er das Holz zurecht legen, aber vielleicht mehr, um seine Verlegenheit zu verbergen, und bemerkte dabei, es brenne jetzt allerdings gut, hätte aber am Morgen gewaltig geraucht.

Ich wünschte allein zu sein, um mich von den ersten schmerzlichen Gefühlen zu erholen, die Alles, was mich umgab, in mir hervorrief, und bat daher den alten Syddall, den Renteinnehmer zu holen, der in einiger Entfernung vom Schlosse wohnte. Er entfernte sich offenbar nur mit Widerstreben. Ich befahl darauf Andrew, mir ein paar starke Gesellen zu verschaffen, denen er trauen könnte, denn die Bewohner der Umgegend waren Katholiken, und Rashleigh, der zu jeder verwegenen Handlung fähig war, hielt sich in der Nähe auf. Andrew übernahm diesen Auftrag mit großer Freude, und versicherte, ein paar ächte Presbyterianer zu bringen, die es mit dem Papste, dem Teufel und dem Prätendenten selbst aufnehmen würden. – »Und gern will ich ihnen Gesellschaft leisten,« versicherte er; »denn gerade in der letzten Nacht, wo ich im Schlosse war, sah ich das Bild dort (auf das lebensgroße Bild von Diana's Großvater zeigend) im Mondschein durch den Garten wandeln! Ich sagt' Euer Gnaden, daß ein Gespenst mich erschreckt hätte, aber Ihr wolltet nicht darauf hören. Ich hab' immer geglaubt, daß es Hexerei und Teufelei unter den Papisten gäbe, aber ich hab' es mit leiblichen Augen nicht eher gesehen, als in jener furchtbaren Nacht.«

»Geht Eures Weges!« sagte ich, »und bringt mir die Leute; seht aber zu, daß sie mehr Verstand haben, als Ihr, und nicht vor ihrem eigenen Schatten erschrecken.«

»Ich bin sonst so gut für einen Mann gerechnet worden, als meine Nachbarn,« entgegnete Andrew trotzig, »aber ich will nichts mit bösen Geistern zu schaffen haben.« – Er ging, indem Wardlaw, der Rentmeister, hereintrat.

Er war ein verständiger, redlicher Mann, ohne dessen sorgfältige Verwaltung es mein Oheim schwierig gefunden haben würde, sein Hauswesen so lange zu erhalten. Er untersuchte meine Ansprüche genau, und erkannte sie aufrichtig an. Für jeden Andern würde die Erbschaft armselig gewesen sein, so schwer war das Gut mit Schulden und Verpfändungen belastet. Die meisten derselben hatte jedoch mein Vater bereits auf sich genommen, und er fuhr fort, die andern zu tilgen.

Ich machte mit dem Rentmeister viele nothwendige Geschäfte ab, und er blieb zum Mittagsessen bei mir. Wir wollten lieber in der Bibliothek essen, obwohl Syddall nachdrücklich empfahl, uns in die Steinhalle zu begeben, die er dazu hätte einrichten lassen. Während dessen kam Andrew mit seinen Angeworbenen zurück, die er als nüchterne, anständige, rechtgläubige, und vor Allem, als löwenkühne Männer anpries. Ich befahl, ihnen zu trinken zu geben, und sie verließen das Zimmer. Syddall sah ihnen mit einem Kopfschütteln nach, dessen Ursache zu wissen ich verlangte.

»Ich kann nicht erwarten,« sagte er, »daß Ihr meinen Worten trauet, aber es ist dennoch die reine Wahrheit. – Ambrosius Wingfield ist ein so ehrlicher Mann, als einer lebt, aber wenn's einen falschen Buben gibt, so ist's sein Bruder. – Das ganze Land weiß, daß er für Schreiber Jobson den Kundschafter gemacht hat, um die armen Edelleute in Ungelegenheit zu bringen. Aber er ist ein Presbyterianer, und das ist, glaub' ich, heutzutage genug.«

Nachdem der alte Kellner so seinen Empfindungen, auf die ich jedoch in meiner Stimmung nicht achtete, Luft gemacht und Wein auf die Tafel gesetzt hatte, entfernte er sich.

Mr. Wardlaw packte erst gegen Abend seine Papiere zusammen, um nach Hause zu gehen, und ich blieb in jenem verworrenen Gemüthszustande zurück, bei welchem wir kaum sagen können, ob wir Gesellschaft oder Einsamkeit wünschen. Ich hatte indeß nicht die Wahl, denn ich befand mich allein in dem Zimmer, das vor allen andern geeignet war, traurige Gedanken in mir zu erwecken.

Bei Anbruch der Dämmerung steckte Andrew den Kopf zur Thür herein, doch nicht, um zu fragen, ob ich Licht verlangte, sondern um dieß als Vorsichtsmaßregel gegen Gespenster zu empfehlen. Ich wies seinen Antrag etwas mürrisch zurück, schürte das Feuer an, setzte mich in einen der großen, ledernen Armstühle, die an dem gothischen Kamine standen, und blickte träumend in die lodernde Flamme, die ich genährt hatte. »Und so,« sagte ich zu mir selbst, »entstehen, wachsen und enden die Wünsche der Sterblichen! Durch Kleinigkeiten genährt, werden sie erst durch die Phantasie entzündet, dann durch den Hauch der Hoffnung unterhalten, bis sie verzehren, was sie entflammen, und der Mensch und seine Hoffnungen, Leidenschaften und Wünsche in einen werthlosen Aschenhaufen versinken.«

Ein tiefer Seufzer am andern Ende meines Zimmers schien auf meine Betrachtungen zu antworten. Erschrocken fuhr ich empor. – Diana Vernon stand vor mir, auf den Arm eines Mannes gestützt, der dem oft erwähnten Bilde so ähnlich war, daß ich schnell nach dem Rahmen sah, weil ich erwartete, ihn leer zu erblicken. Mein erster Gedanke war, ich sei entweder plötzlich wahnsinnig geworden, oder die Geister der Todten wären aus ihren Gräbern gestiegen. Ein zweiter Blick überzeugte mich, daß ich bei Sinnen war, und daß lebendige Wesen vor mir standen. Es war Diana selbst, aber blässer und magerer als sonst, und kein Bewohner des Grabes stand neben ihr, sondern Vaughan, oder vielmehr Sir Frederick Vernon, in einem Anzuge, der dem seines Ahnherrn glich, mit dessen Abbild sein Gesicht eine große Familien-Aehnlichkeit hatte. Er sprach zuerst, denn Diana heftete ihre Augen fest auf den Boden, und mir fesselte Ueberraschung die Zunge.

»Wir erscheinen als Bittende, Mr. Osbaldistone,« sagte er, »und suchen Zuflucht und Schutz unter Eurem Dache, bis wir eine Reise fortsetzen können, bei der uns auf jedem Schritte Kerker und Tod drohen.«

»Gewiß,« antwortete ich nicht ohne Anstrengung – »Miß Vernon kann nicht vermuthen – Ihr, mein Herr, könnt nicht glauben, daß ich vergessen habe, welchen Antheil Ihr mir in meinen Bedrängnissen zeigtet, oder daß ich fähig wäre, irgend Jemand zu verrathen, und am wenigsten Euch.«

»Ich weiß es,« sagte Vernon, »dennoch setze ich mit unaussprechlichem Widerstreben ein Vertrauen in Euch, das vielleicht mißfällig, gewiß gefährlich ist, und das ich lieber jedem Andern gezeigt haben möchte. Aber mein Schicksal, das mich durch ein gefahrvolles Leben verfolgte, bedrängt mich jetzt hart, und es bleibt mir keine Wahl.«

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür, und die Stimme des geschäftigen Andrew ließ sich hören. »Ich bringe die Lichter. Ihr könnt sie nun anstecken, wenn's Euch gefällt.«

Ich eilte zu der Thür, und glaubte, ihn verhindert zu haben, zu bemerken, wer im Zimmer war. Ich schob ihn hastig hinaus, schloß die Thür hinter ihm zu, und verriegelte sie – dann dachte ich plötzlich seiner zwei Gefährten unten, und da ich seine Geschwätzigkeit kannte und mich an Syddalls Bemerkungen erinnerte, daß man den Einen für einen Spion hielt, folgte ich ihm schnell in die Dienstbotenstube, in welcher Alle beisammen waren. Andrew sprach laut, als ich die Thür öffnete, mein unerwarteter Anblick machte ihn aber verstummen.

»Was habt Ihr vor?« rief ich. »Ihr seht stier und wild aus, als ob Ihr einen Geist gesehen hättet.«

»Ni – nichts,« antwortete Andrew; »aber es gefiel Euch, so hastig zu sein.«

»Weil Ihr mich aus einem gesunden Schlafe aufstörtet. Syddall sagt mir, er könnte keine Betten für diese guten Leute finden, und Mr. Wardlaw hält's für unnöthig, sie hier zu behalten. Hier ist eine Krone für sie, um meine Gesundheit zu trinken, und ich danke ihnen für ihren guten Willen. Ihr könnt sogleich gehen, meine guten Freunde.«

Die Männer dankten für meine Güte, nahmen das Geld, und gingen fort, zufrieden, und, wie es schien, ohne Argwohn. Ich wartete, bis sie sich entfernt hatten und ich sicher war, daß sie für diesen Abend nicht mehr mit Andrew sprechen würden, dem ich so schnell auf den Fersen nachgefolgt war, daß er nicht zwei Worte mit ihnen geredet haben konnte, als ich ihn unterbrach. Aber es ist zum Erstaunen, wie viel Unheil nur zwei Worte anzurichten vermögen. Bei dieser Gelegenheit kosteten sie zwei Menschenleben.

Nachdem ich diese Anordnungen getroffen hatte, das Beste, was mir im Drange des Augenblickes einfiel, das Geheimniß meiner Gäste zu sichern, kehrte ich zurück, um ihnen meine Maßregeln mitzutheilen, und setzte hinzu, daß ich dem Kellermeister den Auftrag gegeben hätte, bei jeder Veranlassung selbst zu kommen, da ich glauben müsse, daß sie durch seine Vermittlung in dem Schlosse verborgen wären. Diana richtete die Augen empor, und dankte mir für meine Vorsicht.

»Ihr begreift nun mein Geheimniß,« sagte sie. »Ihr wißt nun ohne Zweifel, wie nahe und theuer der Verwandte mir ist, der hier so oft Zuflucht gefunden hat, und werdet Euch nicht länger wundern, daß Rashleigh, im Besitze eines solchen Geheimnisses, mich mit einer eisernen Ruthe beherrschte.«

Ihr Vater fügte hinzu, es wäre ihre Absicht, mich so kurze Zeit als möglich durch ihre Gegenwart zu beunruhigen.

Ich bat die Flüchtlinge, nur auf ihre Sicherheit Rücksicht zu nehmen, und darauf zu rechnen, daß ich Alles zur Beförderung derselben aufbieten würde. Dieß führte zu einer Mittheilung über die Lage, in der sie sich befanden.

»Rashleigh war mir immer verdächtig,« sagte Sir Frederick; »aber sein Betragen gegen meine schutzlose Tochter, das sie mir nur mit Widerstreben gestand, und seine Treulosigkeit gegen Euren Vater flößten mir Haß und Verachtung für ihn ein. Bei unserer letzten Zusammenkunft verhehlte ich ihm meine Gesinnungen nicht, wie ich aus Klugheit allerdings hätte versuchen sollen, und aus Empfindlichkeit über die Verachtung, mit der ich ihn behandelte, fügte er zu seinen übrigen Lastern Verrath und Abfall vom Glauben. Ich hoffte damals, daß seine Abtrünnigkeit von geringer Bedeutung sein würde. Der Graf von Mar hatte ein tapferes Heer in Schottland, und Lord Derwentwater, Forster, Kenmore, Winton und Andere, sammelten Truppen an der Grenze. Bei meinen ausgebreiteten Verbindungen mit den englischen Edelleuten dieser Gegend hielt man es für angemessen, daß ich eine Abtheilung von Hochländern begleitete, die über den Frith von? Forth nach Niederschottland ging, und sich an der Grenze mit den englischen Insurgenten vereinigte. Meine Tochter begleitete mich durch die Gefahren und Beschwerlichkeiten eines so langen und mühevollen Zuges.«

»Und sie wird ihren theuren Vater nie verlassen!« rief Diana, indem sie sich zärtlich an seinen Arm schmiegte.

»Kaum hatten wir uns mit unsern englischen Freunden vereinigt, so sah ich, daß unsere Sache verloren war. Die Zahl der Streiter verminderte sich, statt zuzunehmen, und es verband sich Niemand mit uns, als Anhänger unseres Glaubens. Die Tories der herrschenden Kirche blieben meistens unentschieden, und endlich wurden wir von einer überlegenen Macht bei der kleinen Stadt Preston eingeschlossen. Wir vertheidigten uns einen Tag lang tapfer. Am folgenden Tage aber sank unsern Anführern der Muth, und sie beschlossen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Unter diesen Bedingungen sich zu ergeben, hieß das Haupt auf den Block legen. Ungefähr dreißig Edelleute dachten so wie ich. Wir stiegen zu Pferde, und nahmen meine Tochter, die mein Schicksal durchaus theilen wollte, in die Mitte unseres kleinen Haufens. Ergriffen durch ihren Muth und ihre kindliche Liebe, erklärten meine Gefährten, lieber zu sterben, als sie im Stiche zu lassen. Wir ritten über einen sumpfigen Wiesengrund, der sich bis zum Fluß Ribble ausdehnte, durch welchen uns einer von der Partei eine gute Furt zu zeigen versprach. Dieser Sumpf war von dem Feinde nicht stark besetzt, so daß wir nur einige Reiter fanden, die wir auseinander sprengten oder niederhieben. Wir setzten über den Fluß, erreichten die Straße nach Liverpool und trennten uns dann, um an verschiedenen Orten Verborgenheit und Zuflucht zu suchen. Mein Schicksal führte mich nach Wales, wo in Glauben und Meinungen Viele mit mir übereinstimmten. Dennoch konnte ich keine sichere Gelegenheit finden, zur See zu entkommen, und war genöthigt, wieder nördlich zu gehen. Ein erprobter Freund will mich in dieser Gegend treffen, und mich zu dem Hafen von Solway geleiten, wo ein Schiff bereit liegt, das mich für immer aus meinem Vaterlande entfernen soll. Da dieß Schloß unbewohnt war und unter Syddalls Aufsicht stand, der schon früher unser Vertrauen besessen hatte, so wählten wir es zum sichern Zufluchtsorte. Ich nahm eine Tracht an, die mit gutem Erfolge gebraucht worden war, um die abergläubischen Landleute oder Dienstboten zu schrecken, die mich zufällig sehen konnten, und wir erwarteten von Tage zu Tage, durch Syddall die Ankunft unseres freundlichen Führers zu erfahren, als Eure unerwartete Erscheinung und Besitznahme dieses Zimmers uns zwang, Eure Teilnahme anzuflehen.«

So endigte Vernons Erzählung, die mir wie ein Traum erschien, und ich konnte mich kaum überreden, daß ich seine Tochter wirklich, obwohl weniger schön und gesunkenen Muthes, vor mir sah. Die feurige Lebhaftigkeit, mit der sie allen Unfällen widerstand, hatte sich in eine ruhige und ergebungsvolle, aber unverzagte Entschlossenheit und Standhaftigkeit verwandelt. Ungeachtet ihr Vater die Wirkung bemerkte, welche ihr Lob auf mich machte, und argwöhnisch darüber war, konnte er doch nicht unterlassen, hinzuzufügen:

»Sie hat Prüfungen erduldet, welche die Geschichte einer Märtyrerin ehren würden; sie hat Gefahren und Tod in verschiedenen Gestalten gesehen, sie hat Beschwerden und Entbehrungen ertragen, vor denen die stärksten Männer zurückbeben würden; sie hat den Tag in Finsterniß, die Nacht mit Wachen zugebracht, und nie einen Laut der Schwäche oder Klage hören lassen. Mit einem Worte, Mr. Osbaldistone, es ist ein würdiges Opfer, das ich Gott als das Köstlichste, was mir übrig geblieben ist, darbringen will.«

Es entstand nach diesen Worten eine Pause, deren traurige Bedeutung ich nur zu gut verstand. Diana's Vater war noch immer besorgt, meine Hoffnungen, mit ihr verbunden zu werden, zu zerstören, wie er bei unserer letzten Zusammenkunft in Schottland gewesen war.

»Wir wollen Mr. Osbaldistone nun nicht länger stören,« sagte er zu seiner Tochter, »nachdem wir ihn mit den Verhältnissen der unglücklichen Gäste bekannt gemacht haben, die seinen Schutz erbitten.«

Ich bat sie, zu bleiben, und erbot mich, selbst das Zimmer zu verlassen. Sir Frederick bemerkte, ich würde dadurch nur den Verdacht meines Dieners erregen, und ihr Zufluchtsort sei durch Syddalls Sorgfalt mit Allem versehen, was sie brauchten. »Wir hätten sogar dort vor Euch verborgen bleiben können,« sagte er, »allein es würde ungerecht gewesen sein, in Eure Ehre nicht unbedingtes Vertrauen zu setzen.«

»Ihr waret gegen mich nur gerecht,« erwiderte ich. »Euch bin ich nur wenig bekannt; aber Miß Vernon wird mir gewiß bezeugen, daß« –

»Ich bedarf das Zeugniß meiner Tochter nicht,« unterbrach er mich höflich, aber dennoch mit einer Art, als wollte er verhüten, daß ich mich an seine Tochter wendete. »Ich bin vorbereitet, alles Gute von Mr. Frank Osbaldistone zu glauben. – Erlaubt, daß wir uns entfernen. Wir müssen der Ruhe genießen, wenn wir können, da wir nicht wissen, wann wir zur Fortsetzung unserer gefährlichen Reise aufgefordert werden.«

Er legte den Arm seiner Tochter in den seinigen, und verschwand mit ihr, nach einer tiefen Verbeugung, hinter der Tapete.


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