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Vierzehntes Kapitel.

In hoffnungslose Nacht versinket mein Geschick;
Ich sah den letzten Blick der himmlisch-schönen Augen,
Den letzten Ton der Engelsstimme hörte ich;
Ihr schönes Antlitz sah vor meinem Aug' ich schwinden; –
Mein Urtheil ist gefällt.

Graf Basil.

 

»Ich weiß nicht, was ich aus Euch machen soll, Mr. Osbaldistone,« sagte Mac-Gregor, indem er mir die Flasche zuschob. »Ihr eßt nicht, Ihr zeigt keine Lust zum Schlafe, und trinkt auch nicht, obwohl dieser Bordeaux aus Sir Hildebrands eigenem Keller kommen möchte. Wäret Ihr immer so enthaltsam gewesen, so würdet Ihr dem tödtlichen Hasse Eures Vetters Rashleigh entgangen sein.«

»Wäre ich immer vorsichtig gewesen,« erwiderte ich, über den Auftritt erröthend, an den er mich erinnerte, »so würde ich ein größer Uebel vermieden haben – die Vorwürfe meines Gewissens.«

Mac-Gregor warf einen scharfen und etwas grimmigen Blick auf mich, als hätte er erforschen wollen, ob der Vorwurf, den er offenbar fühlte, absichtlich gemacht worden sei. Er sah, daß ich an mich selbst, nicht an ihn dachte, und wendete tief seufzend das Gesicht nach dem Feuer. Ich folgte seinem Beispiele, und Jeder blieb einige Minuten in seine eigenen peinigenden Träumereien versunken. Alles in der Hütte schlief jetzt, oder war doch still, uns ausgenommen.

Mac-Gregor unterbrach das Schweigen zuerst, und in einem Tone, als sei er entschlossen, von einem peinlichen Gegenstande zu sprechen. »Mein Vetter Nicol meint's gut,« sagte er, »aber er setzt einem Manne von meiner Gemüthsart und meiner Lage, in Betracht dessen, was ich war – was ich habe werden müssen, und vor Allem, was mich gezwungen hat, so zu werden, wie ich bin, viel zu hart zu.«

Er schwieg, und obgleich ich das Kitzliche des Streites fühlte, in den mich das Gespräch leicht verwickeln konnte, mußte ich ihm doch antworten, daß ich nicht zweifelte, seine gegenwärtige Lage hätte gewiß Manches, was für sein Gefühl höchst peinlich sei. »Ich würde mich sehr freuen,« setzte ich hinzu, »wenn ich hörte, daß Ihr Euch daraus auf eine ehrenvolle Weise befreien könnt.«

»Ihr redet wie ein Knabe,« entgegnete Mac-Gregor in einem Tone, der wie ferner Donner klang, »wie ein Knabe, welcher meint, eine alte, knorrige Eiche lasse sich so leicht biegen, wie ein junger Schößling. Kann ich vergessen, daß ich als ein Geächteter gebrandmarkt bin – entehrt als ein Verräther – daß man einen Preis auf meinen Kopf setzte, als wäre ich ein Wolf, und daß man meine Familie behandelte, wie die Füchsin und ihre Jungen, die Jedermann quälen, verachten und beschimpfen kann? Selbst mein Name, den ich von einer langen und edlen Reihe tapferer Ahnherren erhielt, ist verrufen, als ob's ein Zauber wäre, den Teufel damit herauf zu beschwören.«

Ich sah deutlich, daß er, indem er so sprach, sich durch die Aufzählung seiner Kränkungen selbst zur Wuth aufregte, um in seinen eigenen Augen die Verirrungen zu rechtfertigen, zu denen er sich dadurch hatte verleiten lassen. Das gelang ihm auch vollkommen; seine hellen, grauen Augen schienen endlich Flammen zu sprühen, während er den Fuß vorwärts stieß, und zurückbog, den Griff seines Dolches erfaßte, den Arm ausstreckte, die Faust ballte, und endlich von seinem Sitze aufsprang.

»Und sie sollen erfahren,« sagte er in demselben tiefen Tone erstickter Leidenschaft, »daß der Name, den sie zu ächten wagten, daß der Name Mac-Gregor ein Zauber ist, den wilden Teufel überall heraufzubannen. Die sollen von meiner Rache hören, welche es verschmähten, die Erzählung meiner Kränkungen anzuhören. Der elende hochländische Viehhändler, dem sie Alles genommen, den sie entehrt und gehetzt haben, weil die Habsucht Anderer mehr verlangte, als er bezahlen konnte, er soll in furchtbarer Umgestaltung über sie herstürzen. Die, welche den kriechenden Wurm verspotteten und auf ihn traten, mögen schreien und heulen, wenn sie den fliegenden, feuerspeienden Drachen herabschießen sehen. – Aber warum sprech' ich von allen diesen Dingen?« fuhr er in ruhigerem Tone fort, indem er sich wieder setzte. »Ihr könnt mir glauben, Mr. Osbaldistone, es reizt mich zur Ungeduld, wenn ich gejagt werde, wie eine Otter, oder wie ein Lachs in Untiefen, und das von meinen Freunden und Nachbarn. Ein Heiliger würde die Geduld verlieren, wenn man ihn mit so vielen Schwertstreichen und Pistolenschüssen bedroht hätte, als mich heute im Strome, wie viel mehr ein Hochländer, der wegen dieser Tugend nicht sehr berühmt ist, wie Ihr wissen werdet. – Aber Eins liegt mir von dem, was Nicol sagte, im Sinne. – Ich bin bekümmert um die Jungens – ich bin bekümmert, wenn ich denke, daß Rob und Hamish wie ihr Vater leben sollen.« – Und um das Schicksal seiner Söhne trauernd, während er für sich selbst nichts empfand, stützte er sein Haupt in die Hand.

Ich war sehr bewegt. Immer hat mich der Kummer, dem ein kräftiges, stolzes und gewaltiges Gemüth erlag, mehr gerührt, als der leichter erregte Schmerz weicherer Seelen. Der Wunsch, ihm zu helfen, erfüllte mein Gemüth lebhaft, so schwierig, ja fast unmöglich mir das auch zu sein schien.

»Wir haben im Auslande ausgebreitete Verbindungen,« sagte ich; »könnten Eure Söhne nicht mit einiger Unterstützung, die sie von meines Vaters Hause zu erwarten berechtigt sind, leicht eine ehrenvolle Anstellung in fremden Diensten finden?«

Mein Gesicht verrieth, glaube ich, eine aufrichtige Rührung; allein ohne mich weiter reden zu lassen nahm mein Gefährte meine Hand und erwiderte: »Ich dank' Euch – dank' Euch'. Aber laßt uns nichts mehr davon sprechen. Ich hätte nicht geglaubt, daß Jemand noch eine Thräne in Mac-Gregors Augenwimpern sehen würde.« – Er trocknete das feuchte Auge unter den dichten, rothen Brauen mit der verkehrten Hand. »Morgen früh,« sagte er dann, »wollen wir davon und auch von Euren Angelegenheiten reden – denn wir brechen früh auf, selbst wo wir so glücklich sind, ein gutes Nachtlager zu haben. Wollt Ihr mir nicht in einem Becher Bescheid thun?« Ich lehnte es ab.

»Dann, bei der Seele St. Maronochs, muß ich mir selbst Bescheid thun!« rief er, goß wenigstens ein halbes Maaß Wein ein, und stürzte es hinunter.

Ich legte mich nieder, entschlossen, meine Nachforschungen aufzuschieben, bis er in einer ruhigeren Stimmung sein würde. Wirklich beschäftigte dieser sonderbare Mann meine Einbildungskraft so sehr, daß ich nicht unterlassen konnte, ihn noch einige Augenblicke zu beobachten, nachdem ich mich dem Scheine nach schon zum Schlummer auf mein Haidelager geworfen hatte. Er ging auf und nieder, bekreuzte sich von Zeit zu Zeit, und murmelte ein lateinisches Gebet; dann hüllte er sich in seinen Plaid, sein nacktes Schwert an der einen Seite, die Pistolen an der andern, und indem er die Falten seines Mantels so ordnete, daß er bei einer augenblicklichen Warnung sogleich aufspringen konnte, mit der Waffe in jeder Hand zum Kampfe bereit. Nach wenigen Minuten verrieth sein tiefes Athmen, daß er fest eingeschlafen war. Durch Müdigkeit erschöpft, und betrübt von den ungewöhnlichen Ereignissen des Tages, erlag auch ich bald der Gewalt eines tiefen Schlafes, und erwachte, trotz aller Gründe zur Wachsamkeit, nicht eher, als bis am nächsten Morgen.

Als ich meine Augen öffnete und mir meiner Lage bewußt wurde, fand ich, daß Mac-Gregor die Hütte bereits verlassen hatte. Ich weckte den Stadtvoigt, der nach vielem Schnauben und Stöhnen, und schweren Klagen über den Schmerz in seinen Gliedern in Folge der ungewohnten Anstrengung des vorigen Tages, endlich im Stande war, die frohe Nachricht zu fassen, daß die von Rashleigh mitgenommenen Anweisungen glücklich wieder erlangt wären. Sobald er verstand, was ich meinte, vergaß er alle seine Beschwerden, stand mit geschäftiger Eile auf, und verglich den Inhalt meines Packets mit Owens Verzeichniß, wobei er murmelte: »Recht, recht – die wahre Sache – Baillie und Whittington, – wo ist Baillie und Whittington – siebenhundert, sechs und acht. – Genau bis auf den Bruch. – Pollock und Peelmann – acht und zwanzig – sieben – richtig. – Dem Himmel sei Dank! Grub und Grinder – bessere Männer kann's nicht geben – dreihundert und siebenzig. – Gliblad – zwanzig; ich zweifle, daß Gliblad eingeht. – Slipprytongun – Slipprytongun – hat aufgehört – doch das sind kleine Summen – kleine Summen – das Uebrige ist alles richtig. – Lob und Dank! Wir haben unsere Sachen und können nun dieß traurige Land verlassen! Ich werde nie an den Loch-Aard denken, ohne daß es mir Grauen erregt.«

»Es thut mir leid, Vetter,« sagte Mac-Gregor, der bei der letzten Bemerkung hereintrat, »daß die Umstände mir nicht erlaubt haben, Euch zu empfangen, wie ich's gewünscht hätte. – Dennoch, wenn Ihr meine geringe Wohnung besuchen wollt« –

»Sehr verbunden, sehr verbunden,« erwiderte Mr. Jarvie schnell. »Allein wir müssen aufbrechen – wir müssen fort, Mr. Osbaldistone und ich – Geschäfte können nicht warten.«

»Gut, Vetter,« entgegnete der Hochländer; »und Ihr kennt unsere Sitte: Speise den Gast, der kommt, fördere ihn, wenn er gehen muß. Aber Ihr könnt nicht über Drymen heimkehren; ich muß Euch auf der Fähre von Balloch über den Loch-Lomond setzen, und Eure Pferde dahin vorausschicken. Es ist ein kluger Grundsatz: Man kehrt nie auf derselben Straße zurück, wenn man eine andere frei hat.«

»Ja, ja, Rob, das ist eine von den Regeln, die Ihr gelernt habt, als Ihr den Viehhandel triebet. Ihr hattet keine Lust, die Pächter wieder zu sehen, welchen Euer Vieh das Gras abgeweidet hatte – und ich glaub', Euer Weg ist jetzt noch schlimmer bezeichnet, als damals.«

»Desto nöthiger ist's, Vetter, ihn nicht oft zu reisen,« antwortete Robin. »Aber Dougal soll die Pferde hinführen, welcher dazu in des Stadtvoigts Bedienten umgewandelt ist, der nicht von Aberfoil oder aus Robins Land kommt, sondern von Stirling. – Seht, da ist er.«

»Ich hätte die Creatur nicht gekannt,« sagte Jarvie, und es war in der That nicht leicht, den wilden Hochländer wieder zu erkennen, als er vor der Thür der Hütte erschien, in Hut, Perücke und Reitrock, die einst Andrew gehört hatten, auf des Stadtvoigts Pferd, meines am Zügel. Er erhielt von seinem Gebieter die Befehle, gewisse Orte, an denen er Verdacht erwecken konnte, zu vermeiden, und unterwegs alle mögliche Nachricht einzuziehen, und uns an einem bestimmten Ort unweit der Fähre von Balloch zu erwarten.

Mac-Gregor erbot sich, uns auf unserem eigenen Wege zu begleiten, und da wir nach seiner Versicherung vor dem Frühstück noch ein paar Meilen zu wandern hatten, empfahl er uns einen Schluck Branntwein als eine passende Einleitung zur Reise zu nehmen. Der Stadtvoigt that ihm Bescheid, und nannte es zugleich eine unrechte und gefährliche Gewohnheit, den Tag mit geistigen Getränken anzufangen, ausgenommen, um den Magen – einen zarten Theil des Körpers – gegen den Morgennebel zu schützen; in welchem Falle auch sein Vater, der Vorsteher, durch Lehre und Beispiel einen Schluck empfohlen hätte.

»Sehr richtig, Vetter,« sagte Robin, »denn aus diesem Grunde haben wir, die Kinder des Nebels, ein Recht, vom Morgen bis Abend Branntwein zu trinken.«

So gestärkt, bestieg Jarvie einen kleinen hochländischen Klepper, und mir wurde ein anderer angeboten, den ich aber ausschlug; und unter ganz verschiedener Begleitung und Aussicht zogen wir wieder den Weg, den wir Tags vorher eingeschlagen hatten.

Unser Geleite bestand aus Mac-Gregor, und fünf bis sechs der hübschesten, am besten bewaffneten und rüstigsten Hochländer seiner Schaar, die ihn gewöhnlich begleiteten.

Als wir uns dem Engpasse näherten, in welchem das Gefecht und die nachfolgende noch schlimmere That am vorhergehenden Tage stattgefunden hatten, beeilte sich Mac-Gregor, zu sprechen, mehr um auf das zu antworten, was, wie er glaubte, in mir vorging, als auf eine meiner Aeußerungen.

»Ihr müßt Arges von uns denken, Mr. Osbaldistone, und es kann natürlich nicht anders sein. Aber erwägt wenigstens, daß man uns herausgefordert hat. Wir sind ein rohes und unwissendes, auch wohl ein heftiges und leidenschaftliches, aber kein grausames Volk. Frieden und Gesetze würden im Lande durch uns nicht gestört werden, wenn man uns den Segen eines friedlichen Rechts genießen lassen wollte. – Aber wir sind ein verfolgtes Volk gewesen.«

»Und Verfolgung macht kluge Leute toll,« bemerkte der Stadtvoigt.

»Und wohin mußte sie daher uns bringen, die wir leben, wie unsere Väter vor tausend Jahren lebten, und kaum mehr Einsicht haben, als sie? Können wir ihre Blutbefehle gegen uns sehen, ihr Hängen, Köpfen und Unterdrücken eines alten und ehrenvollen Namens, und ihnen eine bessere Behandlung gewähren, als Feinde von Feinden zu erwarten haben? Ich bin in zwanzig Gefechten gewesen, und habe nie einen Menschen verletzt, als wenn mein Blut erhitzt war, und dennoch wollte man mich verrathen, und mich aufhängen wie einen herrenlosen Hund, an das Thor irgend eines Vornehmen nageln, der einen Groll gegen mich hat.«

Ich erwiderte, daß die Aechtung seines Namens und Geschlechts einem Engländer als ein sehr grausames und willkürliches Gesetz erscheinen müßte, und als ich ihn so weit besänftigt hatte, erneuerte ich meinen Vorschlag, ihm selbst, wenn er es wollte, und seinen Söhnen, irgend eine Anstellung in fremden Kriegsdiensten zu verschaffen. Mac-Gregor drückte mir herzlich die Hand, und hielt mich zurück, als wollte er Jarvie auf dem schmalen Pfade vorausreiten lassen. »Ihr seid ein ehrlicher und wackerer junger Mann,« sagte er, »und versteht gewiß, was man den Gefühlen eines Mannes von Ehre schuldig ist. – Aber die Haide, die mein Fuß betreten hat, als ich lebte, muß über mir blühen, wenn ich todt bin. Mein Muth würde sinken und mein Arm würde zusammenschrumpfen, und verwelken wie Farnkraut im Froste, wenn ich die Berge meiner Heimath nicht mehr sähe; die Welt hat keine Gegend, welche mich für den Verlust dieser Felsen und Klippen, die Ihr hier seht, so wild sie sind, zu trösten vermöchte. – Und Helene – was würd' aus ihr werden, wenn ich sie neuen Beleidigungen und Grausamkeiten aussetzte? Oder wie könnte sie diese Gegenden verlassen, wo das Andenken an ihre Kränkungen immer durch die Erinnerung an ihre Rache versüßt wird? Ich wurde einst von meinem großen Feinde, wie ich wohl sagen kann, so hart bedrängt, daß ich dem Sturme nachgeben mußte, mit den Meinigen unsere Heimath verließ und einige Zeit in Mac-Callum-More's Lande wohnte. Da machte Helene ein Klaglied auf unsere Abreise, so gut, als Mac-Rimmon Erbliche Pfeifer des Häuptlings von Mac-Leod, und wegen ihres Talentes berühmt. selbst es hätte dichten können, und so rührend und wehmüthig, daß unsere Herzen fast brachen, als sie's sang. Es war wie der Jammer eines Kindes, das um seine Mutter trauert, und die Thränen flossen über die rauhen Gesichter unserer Männer, als sie zuhörten. Nie möcht' ich das Herzeleid noch einmal erfahren, nein, nicht für alle Ländereien, die Mac-Gregor je sein eigen nannte.«

»Aber Eure Söhne,« sagte ich, »sind jetzt in einem Alter, wo Eure Landsleute gewöhnlich gern die Welt sehen.«

»Und ich wär's zufrieden,« erwiderte er, »daß sie ihr Glück in französischen und spanischen Diensten versuchten, wie's schottische Edelleute zu thun pflegen, und gestern Abend kam mir Euer Plan ganz ausführbar vor. – Aber ich habe Seine Excellenz heute Morgen gesehen, eh' Ihr aufstandet.«

»Hat er denn die Nacht so nahe bei uns zugebracht?« fragte ich mit ängstlich klopfendem Herzen.

»Näher, als Ihr glaubt,« lautete die Antwort. »Aber er schien etwas zu eifersüchtig wegen Eurer Unterhaltung mit der jungen Dame, und da seht Ihr« –

»Es fand keine Ursache zur Eifersucht statt,« erwiderte ich stolz. »Ich würde seine Einsamkeit nicht gestört haben.«

»Nun, Ihr müßt nicht böse darüber werden, und unter Euren Locken hervorblicken, wie eine wilde Katze aus einem Epheubusche; denn Ihr müßt wissen, daß er Euch aufrichtig wohl will, und es bewiesen hat. Eben dieß ist's, was die Haide jetzt in Feuer setzt.«

»Die Haide in Feuer?« fragte ich. »Ich versteh' Euch nicht.«

»Nun,« versetzte Robin, »Ihr wißt ja, daß Weiber und Geld an allem Unheil in der Welt schuld sind. Ich habe Eurem Vetter Rashleigh nicht mehr getraut, seit er sah, daß Diana Vernon nicht seine Geliebte werden wollte, und ich glaub', er hat besonders deßhalb einen Widerwillen gegen die Excellenz gefaßt. Nun kam die Herausgabe Eurer Papiere dazu – und jetzt ist es bewiesen, daß er sogleich, als er gezwungen worden war, sie herauszugeben, nach Stirling ritt, und der Regierung Alles, und mehr als Alles sagte, was in der Stille in unsern Gebirgen vorging. Darum hat man ohne Zweifel das Land besetzt, um die Excellenz und die Lady zu fangen, und unerwartet einen Angriff auf mich zu machen. Der arme Teufel Morris, der sich Alles weiß machen ließ, hat sich gewiß von ihm und einigen niederländischen Edelleuten verführen lassen, mich in die Falle zu locken. – Aber wär' auch Rashleigh Osbaldistone der Letzte und Beste seines Geschlechts, und wir sollten je wieder zusammentreffen, so will ich des Todes sein, wenn nicht, ehe wir scheiden, mein Dolch und sein Herzblut mit einander bekannt werden.«

Er sprach diese Drohung mit einem furchtbar finstern Blicke aus, und legte dabei die Hand auf den Dolch.

»Ich könnte mich beinahe über das Geschehene freuen,« sagte ich, »wenn ich hoffen dürfte, daß durch Rashleighs Verrätherei die Ausführung jener tollkühnen Anschläge verhindert würde, von denen er, wie ich längst argwohnte, ein Hauptwerkzeug war.«

»Glaubt das nicht,« entgegnete Robin der Rothe. »Eines Verräthers Wort hat noch nie eine gute Sache zerstört. Er war freilich tief in unsere Geheimnisse eingeweiht, außerdem wären die Schlösser von Stirling und Edinburgh jetzt, oder bald, in unserer Gewalt, was nun kaum noch zu hoffen ist. Aber es sind Viele dabei, und die Sache ist zu gut, als daß sie um eines Verräthers willen aufgegeben werden sollte, wie man in Kurzem sehen und hören wird. Und was ich sagen wollte, so nehmt denn meinen besten Dank für Euer Anerbieten wegen meiner Söhne, das ich gestern in der That für sie anzunehmen dachte. Aber ich vermuthe, daß der Verrath dieses Elenden unsere Großen überzeugen wird, sie müssen sich sogleich vereinigen und kämpfen, wenn sie nicht in ihren Häusern festgenommen, wie Hunde gekoppelt und nach London getrieben werden wollen, gleich den wackern Herren und Edelleuten im Jahr 1707. Bürgerkrieg ist ein Basilisk; wir haben das Ei, das ihn enthielt, zehn Jahre bebrütet, und hätten noch zehn Jahre darauf sitzen können, aber da kommt Rashleigh, schlägt die Schale entzwei, und heraus kommt das Wunderthier und ruft zu Feuer und Schwert. Bei so bestellten Sachen brauch' ich alle Hände, die ich erlangen kann, und ohne Geringschätzung der Könige von Frankreich und Spanien, welchen ich alles Gute wünsche, ist König Jacob so gut wie sie, und hat das nächste Recht auf meine Söhne, seine gebornen Unterthanen.«

Ich begriff leicht, daß diese Worte einen allgemeinen Volksaufstand andeuteten, und da es eben so nutzlos als gefährlich sein mußte, die politischen Meinungen meines Führers an einem solchen Orte und in einem solchen Augenblicke zumal zu bestreiten, begnügte ich mich, die Verwirrung und das Unglück zu beklagen, welche aus einem allgemeinen Aufstande zu Gunsten des vertriebenen Königshauses hervorgehen mußten.

»Laßt nur kommen, Sir, laßt nur kommen,« entgegnete Mac-Gregor. »Ich habe nie gesehen, daß sich schlechtes Wetter ohne Regenschauer aufklärt, und wenn in der Welt das Unterste zu Oberst gekehrt ist, haben ehrliche Leute die beste Gelegenheit, sich ein Stück Brod herauszuschneiden.«

Ich suchte das Gespräch wieder auf Diana zu bringen, aber so frei er sich über die meisten Dinge äußerte, die für mich nichts Erfreuliches hatten, beobachtete er über diesen Gegenstand allein, der für mich am anziehendsten war, eine gewisse Zurückhaltung, und begnügte sich, anzudeuten, er hoffe, die Lady werde bald in einem ruhigern Lande leben, als Schottland für einige Zeit sein dürfte. Mit dieser Antwort mußte ich zufrieden sein, und mich der Hoffnung überlassen, daß der Zufall mich wieder, wie früher, begünstigen, und mir wenigstens das traurige Vergnügen gestatten würde, einem Wesen Lebewohl zu sagen, das meine Neigung in einem höhern Grade besaß, als ich glaubte, ehe ich mich auf immer von ihm trennen sollte.

Wir verfolgten am Rande des See's ungefähr sechs englische Meilen weit einen wilden und reizend abwechselnden Pfad, bis wir eine Art von hochländischem Meierhof erreichten, welcher an dem klaren Wasserspiegel liegt, der, wie ich glaube, Lediart genannt wird. Hier fanden wir zu unserem Empfange einen ansehnlichen Haufen von Mac-Gregors Leuten. Der Geschmack, so wie die Beredsamkeit wilder, oder genauer zu reden, roher Völkerstämme, ist gewöhnlich richtig, weil ihm weder System noch Unnatur Fesseln anlegen, und einen Beweis davon gewährte mir die Wahl des Platzes, wo die Bergbewohner ihre Gäste empfingen. Man hat gesagt, daß ein brittischer Monarch wohl thun würde, wenn er die Gesandten einer wetteifernden Macht in der Cajüte eines Kriegsschiffes annähme, und ein hochländischer Häuptling wählte nicht unangemessen eine Gegend, wo die seiner Heimath eigenthümlichen erhabenen Gegenstände auf das Gemüth der Gäste den vollsten Eindruck machen konnten.

Wir stiegen am Ufer des See's am Rande eines rauschenden Baches aufwärts, und rechts blieben einige hochländische Hütten liegen, umgeben von Stücken urbaren Landes, das aus den anliegenden Gebüschen gleichsam ausgehauen war, und Gerste und Haber trug. Ueber diesen beschränkten Raum hinauf wurde der Hügel steiler, und auf dem schroffen Rande desselben entdeckten wir die schimmernden Waffen und wehenden Gewänder von ungefähr fünfzig Männern aus Mac-Gregors Gefolge. Sie standen an einer Stelle, an die ich mich immer noch mit Bewunderung erinnere. Der Bach traf hier in seinem Laufe eine Felswand, über die er sich in zwei Fällen hinabstürzte. Der erste Fall, über den sich eine prächtige alte Eiche, aus dem jenseitigen Ufer hervorgewachsen, wölbte, als ob sie die dunkeln Gewässer der Cascade beschirmen wollte, mochte zwölf Fuß hoch sein. Der gebrochene Strom fiel in ein schönes Felsenbecken, fast so regelmäßig, wie mit dem Meißel gehauen, und nachdem er sich auf dessen steinigem Rande herumgedreht hatte, stürzte er steil, wenigstens fünfzig Fuß tief, durch eine dunkle, enge Schlucht, und eilte dann in etwas sanfterem Laufe dem See zu.

Mit dem natürlichen Geschmacke, der besonders den schottischen Hochländern eigen ist, deren Gefühle, wie ich bemerkt habe, oft etwas Romantisches und Poetisches zeigen, hatten Robins Frau und Anhänger unser Frühstück an einem Orte bereitet, der wohl berechnet war, dem Fremdlinge ein Gefühl von Ehrfurcht einzuflößen. Auch sind die Hochländer von Natur ein ernstes und stolzes Volk, und wie roh sie uns auch erscheinen mögen, gehen sie doch in ihren Begriffen von Anstand und Höflichkeit so weit, daß man es für übertrieben halten würde, wenn nicht der Ausdruck überlegener Kraft damit verbunden wäre, und diese pünktliche Ehrerbietung und strenge Förmlichkeit, welche bei einem gewöhnlichen Landmanne lächerlich sein würden, erscheinen bei dem kriegerisch gerüsteten Hochländer ganz angemessen. Daher war auch unser Empfang nicht ohne Feierlichkeit.

Die Hochländer, welche auf der Höhe zerstreut gewesen waren, zogen sich bei unserer Annäherung zusammen, und standen regungslos in geschlossenen Gliedern hinter drei Gestalten, in denen ich bald Helene Mac-Gregor und ihre beiden Söhne erkannte. Robin ordnete seine Begleiter im Nachzuge, und wo die Anhöhe steil wurde, bat er Jarvie, abzusteigen, und führte uns an der Spitze des Trupps langsam hinauf. Als wir uns näherten, hörten wir die wilden Töne der Sackpfeifen, die, mit dem Rauschen des Wasserfalls vermischt, ihren natürlichen Mißklang verloren. Mac-Gregors Frau kam uns einige Schritte entgegen. Ihr Anzug war sorgfältiger nach weiblichem Geschmack als am vorigen Tage, allein ihre Züge trugen denselben stolzen, unbiegsamen und entschlossenen Charakter, und als sie meinen Freund Jarvie in einer unerwarteten und offenbar unwillkommenen Umarmung umfaßte, verrieth mir die Bewegung seiner Perücke, seines Rückens und seiner Beine, daß ihm ungefähr so zu Muthe war, wie Einem, der sich plötzlich von einer Bärin ergriffen fühlt, ohne unterscheiden zu können, ob das Thier freundlich oder grimmig ist. »Vetter!« sagte sie, »Ihr seid willkommen – und auch Ihr, Fremdling!« fügte sie zu mir gewendet hinzu, indem sie meinen erschrockenen Gefährten losließ, der unwillkürlich zurücktrat und seine Perücke zurecht setzte. – »Ihr seid auch willkommen. – Ihr kamt in unser unglückliches Land, als unser Blut erhitzt und unsere Hand geröthet war. Entschuldigt die Rauhheit, die Euch rauhen Empfang gab, und schreibt's der bösen Zeit zu, nicht uns.«

Alles das sprach sie mit dem Benehmen einer Fürstin, in dem Tone und Ausdrucke eines Hofes. Auch verrieth sich nicht der geringste Anstrich jener Gemeinheit, die wir gewöhnlich mit der Sprache von Nieder-Schottland verbinden. Zwar hörte man eine scharfe Provinzial-Betonung, allein sonst sprach sie Alles, was sie aus dem poetischen Gaelischen in das Englische übertrug, das sie sich eigen gemacht hatte, wie wir todte Sprachen lernen, aber wahrscheinlich im gemeinen Lebensverkehr nie hörte, mit Anmuth, Geläufigkeit und Nachdruck. Ihr Mann, der in seinem Leben so viele Rollen gespielt hatte, bediente sich einer weit weniger erhabenen und nachdrücklichen Sprache – allein selbst seine Sprache wurde reiner, wenn die Gegenstände, über die er sich äußerte, rührend und ergreifend waren, und bei ihm, wie bei Andern, die ich kannte, habe ich beobachtet, daß die Hochländer, wenn sie vertraulich und scherzhaft reden, den niederschottischen Ausdruck annehmen, sobald sie aber ernsthaft und leidenschaftlich sind, ihre Gedanken in ihrer heimathlichen Sprache ordnen, und wenn sie dieselben dann in der englischen ausdrücken, tönen sie wild, erhaben und dichterisch.

Helene lud uns zu einer Erfrischung ein, die auf dem Rasen ausgebreitet war, und das Beste darbot, was ihre Berge liefern konnten; allein ihr Genuß wurde durch den finstern, unwandelbaren Ernst getrübt, der auf der Stirn unserer Wirthin ruhte, und durch unsere bangen Erinnerungen an die Ereignisse des vorigen Tages. Vergebens suchte der Häuptling Fröhlichkeit zu erwecken. Ein Schauder erfüllte unsere Seelen, als ob wir bei einem Leichenmahle wären, und jede Brust fühlte sich leichter, als es zu Ende war.

»Lebt wohl, Vetter,« sagte Helene zu Jarvie, indem wir aufstanden. »Der beste Wunsch, den Helene Mac-Gregor gegen einen Freund aussprechen kann, ist, daß er sie nie wiedersehen möge.«

Der Stadtvoigt strebte, eine Antwort hervorzubringen, vermuthlich mit irgend einem moralischen Gemeinspruche verbunden; allein der ruhige und traurige Ernst ihres Gesichtes brachte den Beamten mit seiner förmlichen Wichtigkeit ganz aus der Fassung. Er hustete, räusperte sich, bückte sich und – schwieg. »Für Euch, Fremdling,« sprach sie zu mir, »hab' ich ein Andenken von« –

»Helene!« fiel Mac-Gregor mit lauter und ernster Stimme ein, »was soll das heißen? Hast du den Befehl vergessen?«

»Mac-Gregor,« erwiderte sie, »ich habe nichts vergessen, dessen ich mich erinnern soll. Hände, wie diese,« fuhr sie fort, und streckte ihre langen nervigen, nackten Arme aus, »passen nicht dazu, Liebeszeichen zu überliefern, wenn die Gabe nicht mit Jammer verbunden ist. Junger Mann,« sagte sie dann, indem sie mir einen Ring gab, den ich als einen der wenigen Gegenstände des Schmuckes erkannte, welche Diana zuweilen trug, »dieß kommt von Einer, die Ihr nie wieder sehen werdet. Ist es ein freudenloses Andenken, so paßt es gut dazu, durch die Hände Derjenigen zu gehen, die nie mehr Freude kennen wird. Ihre letzten Worte waren: ›Er mag mich für immer vergessen.‹«

»Und kann sie das für möglich halten?« rief ich aus, mir meiner Worte kaum bewußt.

»Alles kann vergessen werden,« entgegnete das seltene Weib – »Alles – nur nicht das Gefühl der Schande und das Verlangen der Rache.«

»Aufgespielt!« rief Mac-Gregor, vor Ungeduld mit dem Fuße stampfend. Die Sackpfeifen ertönten, und ihre trillernden, schnarrenden Klänge machten der Unterhaltung ein Ende. Wir nahmen mit stummen Geberden von unserer Wirthin Abschied, und ich entfernte mich mit einem neuen Beweise, daß mich Diana liebte, und auf immer von mir getrennt war.


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