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Dangle.
Wahrhaftig, ich denke, der Ausleger ist von Beiden am schwersten zu verstehen.
Critic.
Ich hatte meinen Gefühlen in diesem Anfalle kaum freien Lauf gelassen, als ich mich meiner Schwäche auch schon schämte. Ich erinnerte mich, daß ich seit einiger Zeit bemüht gewesen war, Diana Vernon, wenn der Gedanke an sie in mir aufstieg, als eine Freundin zu betrachten, an deren Wohl ich zwar immer lebhaften Antheil nehmen würde, mit der ich aber wenig nähere Verbindung haben könnte. Aber die beinahe unterdrückte Zärtlichkeit ihres Benehmens, das Romanhafte unseres plötzlichen Zusammentreffens, wo es sich so wenig erwarten ließ, waren Umstände, die mich ganz aus der Fassung brachten. Ich erholte mich indeß eher, als sich erwarten ließ, und ohne mir Zeit zu gönnen, meine Beweggründe genau zu untersuchen, verfolgte ich den Weg weiter, auf dem ich mich befand, als mich jene sonderbare Erscheinung überraschte.
»Ich übertrete das Verbot nicht, das sie mir so ernsthaft gab,« dachte ich bei mir selbst, »denn ich setze nur meine Reise auf der einzigen offenen Straße fort. Wenn ich auch meines Vaters Eigenthum wieder erlangt habe, so bleibt es doch noch immer meine Pflicht, meinen Freund Jarvie aus einer Lage zu befreien, in die er sich um meinetwillen verwickelt hat, und wo könnte ich überdieß ein Nachtlager finden, als in dem kleinen Wirthshause von Aberfoil? Sie müssen auch da verweilen, weil sie zu Pferde unmöglich weiter kommen können. – Wir werden uns also wiedersehen, vielleicht zum letzten Male – allein ich werde sie sehen, sie hören – ich werde erfahren, wer der Glückliche ist, der das Ansehen eines Gemahls über sie übt, – ich werde erfahren, ob es in der bedenklichen Lage, in die sie verwickelt zu sein scheint, irgend etwas gibt, das ich zu entfernen vermag, ob ich etwas thun kann, meine Dankbarkeit für ihre Großmuth – für ihre uneigennützige Freundschaft, zu beweisen.«
Während ich so mit mir selbst sprach, und das leidenschaftliche Verlangen, meine Cousine wieder zu sehen und zu sprechen, mit jedem Vorwande beschönigte, den ich aufzufinden vermochte, wurde ich plötzlich durch einen Schlag auf die Schulter begrüßt, und die tiefe Stimme eines Hochländers, der noch schneller ging, als ich, so tüchtig ich auch auszuschreiten glaubte, rief mir zu: »Eine feine Nacht, Mr. Osbaldistone! – Haben uns schon eine Stunde vorher getroffen.«
Mac-Gregors Stimme war nicht zu verkennen. Er war seinen Verfolgern entkommen, und in vollem Rückzuge zu seiner Wildniß und seinen Anhängern. Auch hatte er sich, wahrscheinlich in dem Hause eines heimlichen Freundes, wieder bewaffnet; denn er trug ein Gewehr auf der Schulter, und die gewöhnliche Waffe der Hochländer an der Seite. In einer andern Stimmung würde es mir nicht angenehm gewesen sein, mit einem solchen Manne in einer solchen Lage und in einer so späten Stunde der Nacht, allein zu sein; denn obgleich ich gewohnt war, Robin mehr als Freund zu betrachten, will ich doch offen gestehen, daß ich ihn nie sprechen hörte, ohne von einem unwillkürlichen Schauder durchdrungen zu werden. Die Aussprache der Hochländer gibt ihren Worten gewöhnlich einen tiefen, hohlen Klang, sowohl wegen der häufigen Kehllaute ihrer Sprache, als weil sie meistens mit besonderer Betonung sprechen. Mit diesen Volks-Eigenheiten verband Robin der Rothe eine rauhe Gleichgültigkeit gegen Ausdruck und Sitte, und verrieth ein Gemüth, das durch Nichts entmuthigt, überrascht und bewegt wurde, so furchtbar, plötzlich und betrübend es auch sein mochte. Gewohnheit der Gefahr und unbegränztes Vertrauen auf seine eigene Kraft und Klugheit, hatten ihn gegen die Furcht gleichgültig gemacht, und das gesetzlose, unsichere Leben, das er führte, hatte seine Gefühle für Andere abgestumpft, wenn auch nicht ganz zerstört. Ueberdieß war ich vor Kurzem Zeuge der Grausamkeit gewesen, mit der ein wehrlos Bittender von seinen Anhängern umgebracht wurde.
In der Stimmung aber, in der ich mich jetzt befand, war mir die Gesellschaft des Geächteten als eine Linderung meiner eigenen quälenden Gedanken willkommen, und ich nährte die Hoffnung, daß ich mit seiner Hülfe einen Leitfaden durch das Labyrinth erhalten könnte, worin mein Schicksal mich verwickelt hatte. Herzlich erwiderte ich daher seine Begrüßung, und wünschte ihm Glück zu seiner Rettung unter Verhältnissen, wo die Flucht unmöglich geschienen hatte.
»Ei,« erwiderte er, »es ist wohl so weit zwischen dem Halse und der Weidenruthe In Schottland und Irland werden, zur Ersparung des Hanfes, Stricke häufig aus Weidenruthen gewunden., als zwischen dem Becher und dem Maule. Meine Gefahr war aber geringer, als Ihr denken möget, da Ihr hier im Lande fremd seid. Unter den Männern, die mich fangen und festhalten und wiederfangen sollten, war ein Theil, der gar nicht wollte, daß man mich fangen und festhalten oder wiederfangen sollte, und von dem andern Theile fürchtete sich wieder die eine Hälfte, mich zu reizen, und so hatt' ich's nur mit dem vierten Theile von fünfzig oder sechzig Mann zu thun.«
»Und ich dächte, das wären auch noch genug?« entgegnete ich.
»Ich weiß das nicht,« sagte er; »aber das weiß ich, daß alle die Uebelwollenden, die darunter waren, wenn sie auf dem grünen Platze vor der Clachan von Aberfoil mit Schwert und Tartsche spielen wollten, Einer nach dem Andern ankommen könnten.«
Er erkundigte sich darauf nach meinen Abenteuern seit unserer Ankunft im Hochlande, und lachte herzlich über meine Erzählung von dem Gefecht im Wirthshause und Jarvie's Heldenthaten mit dem glühenden Eisen.
»Glasgow soll leben!« rief er aus. »Meiner Treu'! Keinen bessern Spaß hätt' ich sehen können, als wie Vetter Nicol Iverachs Plaid versengte, gleich einem Schafskopf in einer Zange. Aber mein Vetter Jarvie,« setzte er ernster hinzu, »hat etwas edles Blut in den Adern, obwohl er unglücklicherweise zu einem friedsamen, gemeinen Gewerbe aufgezogen ist, das eines wackern Mannes Geist nur abstumpfen kann. – Ihr werdet einsehen, warum ich Euch in Aberfoil nicht empfangen konnte. Sie hatten mir eine feine Schlinge bereitet, als ich in des Königs Angelegenheiten einige Tage in Glasgow war – aber ich denk', ich habe das Bündniß an seinem Henkel abgebrochen – sie werden wohl nicht wieder einen Clan gegen den andern hetzen können, wie sie's gethan haben. Ich hoffe bald den Tag zu erleben, wo alle Hochländer Schulter an Schulter stehen. – Aber was gab's weiter?«
Ich erzählte, wie der Stadtvoigt und ich nach des Capitains Thornton Ankunft als verdächtig verhaftet wurden; auf Robins genauere Erkundigung wiederholte ich Thorntons Aeußerung, daß er, außer meinem Argwohn erregenden Namen, den Auftrag hätte, einen ältern und einen jungen Mann, deren Beschreibung auf uns paßte, festzuhalten. Dieß erregte von Neuem die Lachlust des Geächteten.
»So wahr ich lebe,« sagte er, »sie haben meinen Freund Jarvie für die Excellenz und Euch für Diana Vernon gehalten. – O, die vortrefflichen Nachteulen!«
»Miß Vernon?« fragte ich zögernd, und erwartete zitternd die Antwort. – »Führt sie noch diesen Namen? Sie ritt eben hier mit einem Manne vorüber, der eine Art von Gewalt über sie zu haben schien.«
»Ja, ja,« antwortete Robin, »sie steht jetzt unter rechtmäßiger Gewalt, und es war hohe Zeit für einen solchen Wildfang. Aber ein herzhaftes Mädchen ist's! Schade, daß die Excellenz ein bischen ältlich ist. So Einer als Ihr, oder mein Robert, oder Hamish, würde den Jahren nach besser gepaßt haben.«
Hier fielen die Kartenhäuser ganz zusammen, die meine Phantasie, meiner Vernunft zum Trotze, oft so gern erbaute. Obgleich ich in der That kaum etwas Anderes erwarten konnte, da ich voraussetzen mußte, daß Diana in einem solchen Lande und zu einer solchen Stunde nur mit einem Manne reisen konnte, der einen rechtmäßigen Anspruch hatte, sie zu beschützen, so fühlte ich doch den Streich, als er mich traf, nicht weniger schmerzlich, und Robins Worte, die mich aufforderten, weiter zu erzählen, tönten in mein Ohr, ohne meinem Geiste deutlich zu werden.
»Ihr seid krank,« sagte er endlich, nachdem er mich zweimal angeredet hatte, ohne eine Antwort zu erhalten. »Das Tageswerk war zu schwer für Einen, der an dergleichen nicht gewöhnt ist.«
Der freundliche Ton dieser Worte brachte mich zu mir selbst, und erinnerte mich daran, was meine Lage fordere. Ich fuhr in meiner Erzählung fort, so gut ich konnte. – Robin der Rothe äußerte große Freude über das glückliche Gefecht in dem Engpasse.
»Man sagt,« bemerkte er, »des Königs Spreu sei besser, als anderer Leute Korn; aber von des Königs Soldaten kann man das nicht sagen, wenn sie sich von einigen Greisen schlagen lassen, die nicht mehr fechten können, von Buben, die's erst lernen müssen, und von Weibern mit Rocken und Spindel. – Und auch der Dougal Gregors, wer hätte so viel Verstand in seinem Kopfe gesucht, der nie bessere Bedeckung hatte, als sein eigenes zottiges Haar. – Doch erzählt weiter, obwohl ich fürchte, was nun kommen wird. – Meine Helene ist ein eingefleischter Teufel, wenn ihr Blut heiß wird. Das arme Ding! hat wohl mehr als genug Grund dazu.«
So schonend als möglich theilte ich ihm mit, wie man uns empfangen hatte, allein ich sah deutlich, daß ihm die Erzählung großen Schmerz verursachte.
»Tausend Mark wollt' ich darum geben, wenn ich daheim gewesen wäre,« sagte er. »Fremde zu mißhandeln, und dazu meinen eigenen Vetter, der mir so viel Freundschaft erzeigt hat. – Ich wollte lieber, sie hätten in ihrer Thorheit das halbe Lennox verbrannt! Aber das kommt davon, wenn man Weibern und ihren Jungen traut; die kennen weder Maaß noch Ziel in ihrem Thun. An Allem jedoch ist der Schurke von Zöllner schuld, der mich betrog, indem er vorgab, er bringe Botschaft von Eurem Vetter Rashleigh, den ich in des Königs Angelegenheiten treffen sollte, und der mir, wie ich gar leicht glauben durfte, die Nachricht bringen konnte, Garschattachin und ein Theil von Lennox hätten sich für König Jacob erklärt. – Meiner Treu', aber ich wußte, daß ich angeführt sei, als ich hörte, der Herzog wäre da, und als sie mir den Sattelgurt um die Arme legten, konnt' ich errathen, was mich erwartete; denn ich kannte Euren Vetter, der, verzeiht, selbst ein glatter Patron ist, und gern Leute seiner Art gebraucht. – Ich wünsche, er möge nur nicht selbst dabei im Spiele sein. Der Morris machte ein verteufelt wunderliches Gesicht, als ich beschloß, er sollte bis zu meiner sichern Rückkehr als Geißel bleiben. Aber ich bin zurückgekommen, ohne es ihm, oder Denen, die ihn brauchten, Dank zu wissen, und die Frage ist nun, wie dieser Einnehmer selbst zurückkommen wird. Ohne Lösegeld nicht, das versprech' ich ihm.«
»Morris,« sagte ich, »hat bereits das letzte Lösegeld bezahlt, das ein Mensch entrichten kann.«
»Was?« rief mein Gefährte hastig; »was sagt Ihr? Aber doch im Gefecht getödtet?«
»Er ward mit kaltem Blute ermordet, als der Kampf vorüber war, Mr. Campbell.«
»Mit kaltem Blute? – Verdammt!« murmelte er zwischen den Zähnen. – »Wie kam das, Sir? Sprecht's aus, Sir, und bleibt mir mit dem Master und Campbell vom Halse. Ich stehe wieder auf meinem Heimathlande, und mein Name ist Mac-Gregor.«
Seine Leidenschaften waren sichtlich aufgeregt, allein ohne auf seinen rohen Ton zu achten, gab ich eine kurze und deutliche Schilderung von Morris' Tode. Er stieß den Kolben seines Gewehrs mit großer Heftigkeit auf den Boden und rief: »Bei Gott, nach einer solchen That möchte man Verwandte, Clan, Vaterland, Weib und Kind abschwören! – Und dennoch hat's der Schurke lange verdient. Und was ist für ein Unterschied, ob man mit einem Steine am Halse unter dem Wasser kämpft, oder mit einem Strick um denselben in der Luft zappelt? Am Ende ist's doch nur ein Ersticken, und er hat den Tod erlitten, den er mir zudachte. Dennoch wünscht' ich, sie hätten ihn lieber mit einer Kugel oder einem Dolche umgebracht, denn die Art seines Todes wird viel unnützes Gerede machen. – Doch jeden Menschen trifft sein Loos, und wir müssen Alle sterben, wenn unser Tag kommt. – Niemand wird läugnen, daß Helene Mac-Gregor schweres Unrecht zu rächen hat.«
Mit diesen Worten schien er sich die Sache ganz aus dem Sinne zu schlagen, und fragte weiter, wie ich von den Soldaten losgekommen wäre, in deren Gewalt er mich gesehen hatte.
Meine Erzählung war bald beendet, und ich fügte hinzu, daß ich die Papiere meines Vaters wieder erhalten hätte, wagte aber nicht, Diana's Namen auszusprechen.
»Ich wußte, daß Ihr sie wieder bekommen würdet,« sagte Mac-Gregor. »Der Brief, den Ihr mitbrachtet, enthielt Sr. Excellenz Wünsche deßhalb, und kein Zweifel, daß mein Wille war, dabei zu helfen. Aus diesem Grunde hatte ich Euch in diese Gebirge eingeladen. Aber vermuthlich hat die Excellenz früher mit Rashleigh verhandelt, als ich erwartete.«
Der erste Theil dieser Antwort fiel mir am meisten auf.
»War denn der Brief, den ich Euch brachte, von dem Manne, den Ihr Excellenz nennt? Wer ist er? Was ist sein Rang und sein eigentlicher Name?«
»Ich denke,« versetzte Mac-Gregor, »da Ihr noch nichts davon wißt, kann Euch das ziemlich unwichtig sein, und ich werde darum nichts davon sagen. Aber wohl wußt' ich, daß der Brief von seiner eigenen Hand war, und da ich, wie Ihr seht, grade für mich selbst genug zu thun habe, würd' ich mir sonst wohl nicht so viel Müh' um die Sache gegeben haben.«
Ich erinnerte mich nun des Lichtes, das ich in der Bibliothek gesehen hatte, der verschiedenen Umstände, wodurch meine Eifersucht erregt worden war, des Handschuhes, der Bewegung der Tapete, welche den geheimen Gang in Rashleighs Zimmer verdeckte, und vor Allem daran, daß Diana sich entfernte, wie ich damals dachte, um den Brief zu schreiben, der im äußersten Nothfalle meine Zuflucht sein sollte. Ihre Stunden wurden also nicht in Einsamkeit zugebracht, sondern sie hörte auf die Anträge irgend eines verwegenen Agenten der jacobitischen Verrätherei, welcher heimlich in ihres Oheims Wohnung lebte. Andere junge Mädchen ließen sich durch Gold gewinnen, oder durch Eitelkeit von ihrer ersten Liebe ableiten; aber Diana hatte meine und ihre Neigung aufgeopfert, um das Schicksal eines vermessenen Abenteurers zu theilen, und durch mitternächtliche Wildnisse die Schlupfwinkel der Freibeuter aufzusuchen, ohne andere Hoffnung auf Rang und Reichthum, als die Nachäffung, die des Prätendenten Scheinhof in Saint-Germain gewähren konnte.
Ich will sie, wo möglich, noch einmal sehen, dachte ich. Ich will als Freund, als Verwandter, mit ihr über die Gefahr reden, welcher sie sich aussetzt; ich will ihr die Flucht nach Frankreich erleichtern, wo sie bequemer, anständiger und sicherer den Erfolg der Unruhen abwarten kann, die der politische Betrüger, mit welchem sie ihr Schicksal vereint hat, ohne Zweifel zu erregen bemüht ist.
»Ich muß also glauben,« sagte ich, nachdem wir Beide einige Minuten geschwiegen hatten, »daß Se. Excellenz, wie ich diesen Mann in Ermangelung eines andern Namens nennen muß, zu gleicher Zeit mit mir im Schlosse Osbaldistone wohnte?«
»Gewiß, gewiß – und in dem Zimmer der Miß, wie's am passendsten war.« – Diese freiwillige Mittheilung fügte Galle zu der Bitterkeit. »Aber Wenige,« fuhr Mac-Gregor fort, »wußten, daß er da war, außer Rashleigh und Sir Hildebrand; denn von Euch konnte die Rede nicht sein, und die jungen Bursche haben nicht Verstand genug, eine Katze von der Milch zu jagen. – Aber 's ist ein feines, altes Gebäude, und besonders bewundere ich die vielen Höhlen und Löcher und Zufluchtsörter. Ihr könnt da zwanzig oder dreißig Mann in einen Winkel stecken, und es kann eine Woche vergehen, ehe die Bewohner sie entdecken – was bei Gelegenheit von besonderem Nutzen sein dürfte. Ich wollte, wir hätten ein solches Schloß bei uns hier. – Aber wir armen Hochländer müssen uns statt dessen der Wälder und Höhlen bedienen.«
»Vermuthlich wußten Se. Excellenz,« sagte ich, »um den ersten Unfall des« –
»Des Morris, wollt Ihr sagen?« fragte Robin kalt, als ich inne hielt; denn er war zu sehr an gewaltsame Thaten gewöhnt, als daß die Bewegung, welche er Anfangs verrieth, von langer Dauer hätte sein können. »Ich pflegte herzlich über den Tropf zu lachen, würde aber schwerlich das Herz haben, es seit der unglücklichen Begebenheit am See noch einmal zu thun. – Nein, nein, die Excellenz wußte nichts von diesem Streiche – es wurde Alles zwischen mir und Rashleigh abgemacht. Aber was nachher kam, wie Rashleigh den Verdacht von sich auf Euch zu lenken wußte, da er Euch von Anfang an nicht besonders leiden konnte – wie Miß Diana haben wollte, daß wir unsere Spinnegewebe wieder wegfegen, und Euch der Gerechtigkeit aus den Klauen reißen sollten – wie der feige Mensch, der Morris, der aus Furcht von seinen fünf Sinnen kam, und von sich selbst nichts wußte, als er eben den rechten Mann sah, wo er einen unschuldigen anklagte. – O! darüber hab' ich noch oft lachen müssen. – Und nun kann ich für den armen Teufel nichts weiter thun, als daß ich ein paar Messen für seine Seele lesen lasse.«
»Darf ich fragen,« sagte ich, »wodurch Miß Vernon so viel Einfluß auf Rashleigh und seine Theilnehmer erlangt hat, daß sie Eure Pläne zerstören konnte?«
»Meine? Es war davon nichts mein. Niemand kann sagen, daß ich je meine Last auf anderer Leute Schultern legte – es war allein Rashleighs Sache. Aber freilich hat sie wegen der Zuneigung Sr. Excellenz viel Einfluß auf uns Beide, und weil sie auch manche Geheimnisse weiß, die uns angehen. – Der Henker hol' Den,« rief er als Schluß, »der Weibern ein Geheimniß zu bewahren, oder die Macht, es zu mißbrauchen, gibt! – Narren soll man keine Stöcke in die Hände geben.«
Wir waren dem Dorfe jetzt bis auf eine Viertelstunde nahe gekommen, als drei Hochländer auf uns zusprangen, und uns mit vorgehaltenem Gewehr befahlen, zu stehen und unser Geschäft zu nennen. Das einzige Wort Gregarach, das mein Begleiter mit seiner tiefen, gebieterischen Stimme aussprach, wurde mit einem Rufe oder vielmehr Geschrei freudiger Wiedererkennung beantwortet. Der Eine warf sein Gewehr von sich, und umfaßte die Kniee seines Häuptlings so fest, daß sich dieser nicht losmachen konnte; dabei ergoß sich der Mensch in einen Strom gaelischer Glückwünsche, die dann und wann zu einem Freudengeschrei wuchsen. Die beiden Andern eilten, nachdem das erste Geheul vorüber war, buchstäblich mit der Geschwindigkeit der Rehe voran, wetteifernd, wer dem Dorfe, das eine starke Abtheilung von Mac-Gregors Leuten besetzt hielt, zuerst die frohe Nachricht von Robins Flucht und Rückkehr bringen würde. Die Kunde erregte so lauten Jubel, daß die Gebirge wiederhallten, und Jung und Alt, Männer, Weiber und Kinder, ohne Unterschied des Geschlechts und Alters, eilten das Thal hinab, uns lärmend entgegen, schnell und wie ein Bergstrom. Als ich das ungestüme Geräusch und Geschrei der freudigen Menge vernahm, hielt ich es der Klugheit für angemessen, den Häuptling zu erinnern, daß ich ein Fremder und unter seinem Schutze sei. Er hielt mich daher fest bei der Hand, während die Menge uns unter wahrhaft rührenden Aeußerungen inniger Ergebenheit und Freude über seine Rückkehr umgab, und nicht eher reichte er seinen Anhängern die Hand, welche Alle begierig suchten, bis er ihnen zu verstehen gegeben hatte, daß ich freundlich und aufmerksam behandelt werden sollte.
Das Gebot des Sultans von Delhi hätte nicht pünktlicher befolgt werden können. Wirklich wurde mir jetzt ihre wohlgemeinte Aufmerksamkeit fast eben so lästig, als früher ihre rauhe Behandlung. Sie wollten dem Freunde ihres Anführers kaum erlauben, auf seinen eigenen Füßen zu gehen, so eifrig waren sie, mir Hülfe und Beistand zu leisten, und als ich über einen Stein stolperte, den ich im Gedränge übersah, ergriffen sie mich endlich mit guter Art, und trugen mich auf ihren Armen triumphirend in das Dorf.
Bei der Ankunft vor dem Wirthshause fand ich, daß Ansehen und Volksgunst in den Hochlanden ihre Beschwerlichkeiten haben, wie überall. Ehe Mac-Gregor in das Haus gelangen konnte, wo er Ruhe und Erfrischung genießen wollte, mußte er die Geschichte seiner Flucht wenigstens ein Dutzend Mal erzählen, wie ich von einem dienstfertigen Greise erfuhr, der sie zu meiner Erbauung mir wenigstens eben so oft verdolmetschte, was ich aus Höflichkeit mit scheinbarer Aufmerksamkeit anhören mußte. Die Versammlung war endlich befriedigt, eine Gruppe nach der andern entfernte sich, um auf der Haide oder in den benachbarten Hütten ihr Nachtlager zu suchen. Manche verwünschten den Herzog und Garschattachin, Andere beklagten das Mißgeschick Evans von Brigglands, das er sich durch seine Freundschaft für Mac-Gregor zugezogen, aber Alle stimmten darin überein, daß Robins Flucht selbst sich mit jeder That ihrer Häuptlinge, seit den Tagen des Dougal-Ciar, des Gründers seines Stammes, messen dürfte.
Der freundlich gesinnte Geächtete faßte mich nun bei dem Arme, und führte mich in das Innere der Hütte. Ich blickte in den räucherigen Winkeln umher, Diana und ihren Begleiter zu suchen, aber sie waren nirgends zu sehen, und ich fühlte, daß ich durch eine Nachfrage geheime Beweggründe verrathen würde, die besser verborgen blieben. Ich fand kein bekanntes Gesicht, als den Stadtvoigt Jarvie, der auf einem Stuhle am Feuer saß, und eine gewisse stolze Zurückhaltung zeigte, als Robin ihn bewillkommte, Entschuldigungen wegen der geringen Bequemlichkeiten machte, und nach seinem Befinden fragte.
»Ich bin ziemlich wohl, Vetter,« sagte der Stadtvoigt, »ganz leidlich, ich dank' Euch. Und was die Bequemlichkeit betrifft, so kann man ja den Salzmarkt nicht mit sich schleppen, wie die Schneck' ihr Haus – und es freut mich, daß Ihr den Händen Eurer Nichtfreunde entkommen seid.«
»Gut; gut also,« erwiderte Robin. »Was fehlt Euch, Mann? – Ende gut, Alles gut. – Die Welt hält noch 'nen Tag. – Kommt, nehmt einen Becher Branntwein. Euer Vater, der Vorsteher, nahm zu jeder Zeit einen an.«
»Es sei denn, daß er müde war, Robin, und das bin ich heute auf mehr als eine Art geworden. Aber,« fuhr er fort, und füllte langsam einen kleinen, hölzernen Becher, der drei Gläser halten mochte, »er war ein mäßiger Mann, wie ich auch bin. – Auf Eure Gesundheit, Robin, und Euer Wohlsein hier und dort! Auch meine Base Helene soll leben, und Eure beiden hoffnungsvollen Söhne, von denen ich später mehr sagen will.«
Mit diesen Worten leerte er den Becher ernsthaft und bedächtig, während mir Mac-Gregor von der Seite zuwinkte, als verhöhne er den Ausdruck von Weisheit und Ansehen, den der Stadtvoigt gegen ihn annahm, und hier, wo Robin an der Spitze eines bewaffneten Clans stand, stärker zeigte, als im Gefängnisse von Glasgow, wo er in Jarvie's Gewalt war. Es schien, als wollte Mac-Gregor mir zu verstehen geben, er dulde den Ton, welchen sein Vetter annahm, theils aus Achtung gegen die Rechte der Gastfreundschaft, aber noch mehr des Spaßes wegen.
Als der Stadtvoigt den Becher niedersenkte, erkannte er auch mich, und begrüßte mich herzlich, lehnte aber für den Augenblick weitere Mittheilungen ab.
»Ich will Eure Sachen nachher besprechen,« sagte er, »jetzt muß ich, wie billig, mit den Angelegenheiten meines Vetters anfangen. – Ich hoffe, Robin, es ist Niemand hier, der das, was ich sagen will, zu meinem und Eurem Nachtheile weiter tragen könnte, zu dem Stadtrath, oder sonst wohin?«
»Seid deßhalb unbesorgt, Vetter Nicol,« antwortete Mac-Gregor. »Die Hälfte von ihnen versteht nicht, was Ihr sagt, und die Andern bekümmern sich nicht darum. Ueberdieß würd' ich Allen die Zunge aus dem Halse reißen, die sich's herausnähmen, von dem zu sprechen, was man in ihrer Gegenwart mit mir redet.«
»Gut, Vetter, in diesem Falle, und da Mr. Osbaldistone hier ein verständiger Jüngling und ein treuer Freund ist, will ich grade heraussagen, daß Ihr Eure Familie für böse Wege erzieht.« – Nachdem er sich dann geräuspert hatte, verwandelte er sein vertrauliches Lächeln in einen ernsten, tadelnden Blick, und fuhr fort: »Ihr wißt selbst, wie es mit Euch und der Gerechtigkeit steht – und meine Base Helene – ich will nichts von ihrem heutigen Empfange sagen, der gewiß nicht freundlich war, denn ich halt' es ihrer Gemüthsbewegung zu Gute; aber diesen persönlichen Grund zur Klage bei Seite gesetzt, hab' ich über Eure Frau zu sagen« –
»Sagt nichts über sie,« fiel Robin mit einem strengen und ernsten Tone ein, »als was sich für einen Freund zu sagen, und für ihren Mann zu hören ziemt. Von mir mögt Ihr sagen, was Euch beliebt.«
»Gut, gut,« sagte der Stadtvoigt etwas verlegen, »wir wollen das übergehen. Ich halt's nicht für recht, in Familien Unfrieden zu stiften. – Aber da sind Eure beiden Söhne, Robert und Hamish, das heißt Jacob, wie man mir sagt, und hoffentlich werdet Ihr ihn künftig so nennen. – Nun gut, diese beiden Jungen besitzen, wie ich sagen wollte, nicht die gewöhnlichen Anfangsgründe einer guten Erziehung. Sie können nicht einmal das Einmaleins, welches doch die Wurzel aller nützlichen Kenntnisse ist, und sie lachten und spotteten mich nur aus, als ich ihnen über ihre Unwissenheit meine Meinung sagte. Ich glaube, sie können weder lesen, noch schreiben, noch rechnen – wenn man so Etwas von seinen eigenen Verwandten in einem christlichen Lande glauben kann.«
»Wenn sie's könnten, Vetter,« sagte Mac-Gregor sehr gleichgültig, »so müßten sie's von selbst gelernt haben, denn wo zum Henker hätt' ich einen Lehrer für sie herbekommen sollen? Wollt Ihr etwa, ich hätte an's Thor Eurer Schule in Glasgow anschlagen sollen: Robin der Rothe braucht einen Lehrmeister für seine Knaben?«
»Nein, Vetter,« entgegnete Mr. Jarvie, »aber Ihr hättet die Jungen dahin schicken sollen, wo sie Gottesfurcht und die Gebräuche gesitteter Leute hätten lernen können. Sie sind so unwissend, wie das Vieh, das Ihr sonst zu Markte triebet, oder wie die englischen Bauern, die es kauften, und können nichts Nützliches thun.«
»Hm!« antwortete Robin, »Hamish kann einen Birkhahn im Fluge mit einer einzigen Kugel herabschießen, und Robert stößt einen Dolch durch ein zweizölliges Brett.«
»Desto schlimmer für sie, Vetter! Desto schlimmer für sie Beide!« rief der Kaufmann von Glasgow mit sehr bestimmtem Tone. – »Wenn sie nichts können, als das, so wär' es besser, sie könnten gar nichts. Sagt selbst, Robin, was Ihr mit all' diesem Hauen und Stoßen und Schießen gewonnen habt? Und waret Ihr nicht glücklicher, da Ihr im ehrlichen Gewerbe hinter Eurem Vieh herzoget, als Ihr's je seitdem an der Spitze Eurer hochländischen Landstreicher und Anhänger waret?«
Ich bemerkte, daß sich Mac-Gregor, während sein wohlmeinender Vetter auf diese Weise mit ihm sprach, drehte und krümmte, wie ein Mensch, der Schmerz erduldet, sich aber vorgenommen hat, keinen Seufzer auszustoßen, und ich wartete auf eine Gelegenheit, den wohlgemeinten, aber offenbar verfehlten Ton, in welchem Jarvie mit diesem ungewöhnlichen Manne sprach, zu unterbrechen. Das Gespräch kam indeß ohne meine Einmischung zu Ende.
»Und seht,« sagte der Stadtvoigt, »nun hab' ich gedacht, Robin, da Ihr zu sehr im schwarzen Buche steht, als daß Ihr Vergebung hoffen könntet, und zu alt seid, Euch zu ändern, wär' es doch ein Jammer, wenn so ein paar hoffnungsvolle Jungen zu dergleichen gottlosem Gewerbe auferzogen würden, wie das Eurige, und ich wollte sie gern als Lehrlinge an den Webstuhl setzen, wie ich selbst angefangen habe, und mein Vater, der Vorsteher, vor mir, obwohl ich jetzt, dem Geber sei Dank! im Großen handle – und – und« –
Er sah einen Sturm auf Robins Stirne aufsteigen, was ihn wahrscheinlich bewog, zur Milderung seines mißfälligen Vorschlags, das zu berühren, womit er seine Großmuth, wenn man sie annahm, hatte krönen wollen. – »Und Robin, Mensch, Ihr braucht nicht so finster auszusehen; denn ich zahle Lehrgeld, und will Euch wegen der tausend Mark auch nie mehr plagen.«
» Ceade millia diaoul! Hunderttausend Teufel!« rief Robin, indem er aufsprang, und durch die Hütte schritt. »Meine Söhne Weber! Millia molligheart! Lieber wollt' ich alle Webstühle in Glasgow, Weberbäume und Weberschiffe im Höllenfeuer brennen sehen!«
Nicht ohne Mühe machte ich dem Stadtvoigt, der auf eine Antwort sann, begreiflich, wie ungeziemend und bedenklich es sei, unserem Wirthe über diesen Punkt zuzusetzen; und nach einigen Augenblicken hatte Robin seine heitere Stimmung wieder erlangt.
»Aber Ihr meint es gut – Ihr meint es gut,« sagte er, »gebt mir die Hand, Nicol, und wenn ich je meine Söhne in die Lehre gebe, so sollt Ihr die Wahl haben. – Und wegen der tausend Mark, die noch unter uns in Ordnung zu bringen sind – Heda! Eachin Mac-Analeister, gib mir meine Tasche!«
Der Angeredete, ein langer, rüstiger Hochländer, der Robins Lieutenant zu sein schien, brachte aus irgend einem verborgenen Orte eine große, lederne Tasche, von Seeotterfell, und reich mit silbernen Verzierungen und Buckeln besetzt, wie sie vornehme Hochländer in vollem Staate vorn an ihrem Schurze zu tragen pflegen.
»Ich will Niemand rathen, diese Tasche zu öffnen, der nicht das Geheimniß kennt,« sagte Robin der Rothe, während er einen Knopf in dieser, den andern in jener Richtung drehte, eine Buckel aufhob, die andere niederdrückte, bis die Oeffnung des Säckels, die mit einer Silberplatte verschlossen war, aufsprang. Er machte mir eine kleine, verborgene Pistole bemerkbar, deren Drücker mit der Oeffnung zusammenhing, und einen Theil des Kunstwerks ausmachte, so daß sie gewiß losgehen, und wahrscheinlich den Unkundigen treffen mußte, der sich bemühte, das Schloß zu öffnen. »Dieß,« sagte er, die Pistole berührend, »ist mein Schatzmeister.«
Der Stadtvoigt setzte seine Brille auf, um die Einrichtung zu untersuchen, und nachdem er's gethan hatte, gab er die Tasche lächelnd und mit einem Seufzer zurück, indem er sagte: »Ach, Robin, hätten alle Leute ihre Beutel so wohl verwahrt gehabt, so würd' Eure Tasche wohl nicht so gefüllt sein, als sie's dem Gewichte nach ist.«
»Sorgt nicht, Vetter!« antwortete Robin lachend, »sie ist für eines Freundes Noth, oder um eine gerechte Schuld zu bezahlen, immer offen. – Hier sind Eure tausend Mark,« fuhr er fort, indem er eine Geldrolle herausnahm. »Zählt sie, und seht zu, ob Ihr richtig bezahlt seid.«
Jarvie nahm schweigend das Geld, und nachdem er es einen Augenblick in der Hand gewogen hatte, legte er's auf den Tisch und erwiderte: »Ich kann's nicht nehmen, Robin, mag nichts damit zu thun haben; es kann kein Segen dabei sein. – Ich habe heute zur Genüge gesehen, auf welchem Wege Ihr zu Eurem Gelde kommt. Unrecht Gut gedeiht nicht. Gerade herausgesagt, ich will nichts damit zu thun haben – es sieht aus, als ob Blut daran klebte.«
»Meiner Treu'!« sagte der Geächtete mit einer Gleichgültigkeit, die vielleicht nicht ganz aufrichtig war, »'s ist gutes französisches Gold, und war vorher nie in eines Schotten Beutel. – Seht es an – es sind lauter Louisd'ors, schön und glänzend, wie sie aus der Münze kommen.«
»Desto schlimmer, desto schlimmer – eben darum viel schlimmer, Robin,« versetzte Jarvie, seine Augen von dem Golde abwendend, obgleich ihm die Finger darnach zu jucken schienen, wie Cäsar nach der Krone. – »Empörung ist schlimmer als Hexerei oder Räuberei; das steht in der Bibel.«
»Kümmert Euch nicht darum, Vetter,« sagte der Freibeuter; »Ihr kommt ehrlich zu dem Gelde. Kömmt's von dem einen Könige, so könnt Ihr's dem andern geben, wenn Ihr Lust habt. Es wird gerade dazu dienen, einen Feind zu schwächen, und in einem Punkte, in welchem der arme König Jacob ohnehin schon der Schwächere ist; denn Gott weiß es, Hände und Herzen hat er genug, aber am Gelde mag's ihm wohl fehlen.«
»Dann wird er wohl nicht viele Hochländer bekommen, Robin,« sagte Mr. Jarvie, indem er die Brille wieder auf die Nase setzte, und den Inhalt der geöffneten Rolle zu zählen anfing.
»Eben so wenig Niederländer,« erwiderte Mac-Gregor, und zog die Augbrauen zusammen. Er sah mich an, und winkte auf den Stadtvoigt, der, ohne den Spott zu bemerken, mit gewohnter Vorsicht jedes Goldstück wog. Nachdem er die Summe zweimal überzählt hatte, Capital und Interessen, gab er drei Goldstücke wieder zurück zu einem Kleide für seine Base, wie er sagte, und noch ein paar für die Buben, wofür sie sich nach Gefallen kaufen könnten, nur kein Schießpulver. Der Hochländer erstaunte über seines Vetters unerwartete Großmuth, nahm aber freundlich die Gabe an, die er in seine wohlverwahrte Tasche legte.
Der Stadtvoigt zog dann den Schuldschein hervor, auf dessen Rückseite er eine Quittung geschrieben hatte, die er nach seiner eigenen Unterschrift, von mir als Zeuge unterschreiben ließ. Er sah sich hierauf ängstlich nach einem Andern um, da die schottischen Gesetze in dergleichen Fällen zwei Zeugen verlangen.
»Ihr werdet hier drei Meilen in der Runde schwerlich Jemand finden, der schreiben kann, uns Drei ausgenommen,« sagte Robin, »aber ich will die Sache noch auf andere Weise abmachen.« Er nahm die Schrift, und warf sie in das Feuer. Der Stadtvoigt Jarvie erschrak darüber, aber sein Verwandter fuhr fort: »Dieß ist die hochländische Art, Rechnungen abzumachen. – Es könnte die Zeit kommen, Vetter, wo diese Verschreibungen und Quittungen, wenn ich sie aufbewahrte, meine Freunde deßhalb in Ungelegenheit brächten, daß sie mit mir zu thun gehabt hätten.«
Jarvie machte gegen diesen Grund keinen Einwurf, und unser Abendessen wurde nun aufgetragen, reichlicher und selbst ausgesuchter, als man an diesem Orte erwarten konnte. Die meisten Speisen waren kalt, was vermuthen ließ, daß sie etwas entfernt zubereitet worden waren, und einige Flaschen guten Franzweines erhöhten den Wohlgeschmack der Wildpretpastete und anderer Gerichte. Mac-Gregor machte sehr gastfreundlich den Wirth, und bat um Entschuldigung, daß eine Pastete, die man uns vorsetzte, schon angebrochen sei. »Ihr müßt wissen,« sagte er zu Jarvie, ohne mich anzusehen, »daß ihr diese Nacht nicht die einzigen Gäste in Mac-Gregors Lande seid, sonst würde meine Frau mit den beiden Jungen zu eurem Empfange auch hier gewesen sein, wie sich's gebührt.«
Der Stadtvoigt schien über diese Abhaltung recht froh zu sein, und ich würde seiner Ansicht vollkommen beigestimmt haben, wenn Robins Entschuldigungen nicht die Vermuthung in mir erweckt hätten, daß Diana und ihr Gefährte, den ich als ihren Gatten zu denken nicht einmal ertragen konnte, zugleich von Robins Familie bewirthet wurden.
Während die unangenehmen Gedanken, die jene Vermuthung erregte, mich gleichgültiger gegen die gute Bewirthung machten, bemerkte ich, daß Robins Aufmerksamkeit uns auch ein besseres Nachtlager verschaffen wollte, als wir in der vorigen Nacht gehabt hatten. Zwei am wenigsten gebrechliche Bettstellen, die sich an den Wänden befanden, waren mit Haidekraut, das eben in der Blüthe stand, so künstlich gefüllt, daß es, die Blüthen nach oben gekehrt, eine elastische und duftige Matratze bildete. Mäntel, und was man an Betten auftreiben konnte, wurden über dieses grüne Lager gebreitet, und machten es weich und warm. Jarvie schien erschöpft zu sein. Ich beschloß daher, meine Mittheilungen für ihn bis zum nächsten Morgen zu versparen, und ließ ihn zu Bett gehen, sobald er eine reichliche Abendmahlzeit vollendet hatte. Obgleich müde und erschöpft, fühlte ich doch selbst nicht die gleiche Neigung zum Schlafe, sondern vielmehr eine ruhelose, fieberhafte Aengstlichkeit, die zu einem weitern Gespräche zwischen mir und Mac-Gregor führte.