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– – – – – General,
Hör' mich, und hör' mich wohl, und sieh' mich an,
Grad' in's Gesicht, mein Weiberangesicht,
Sieh', ob die Furcht, ein Schatten nur von Schrecken,
Ob Blässe nur sich zeigt, als die des Zornes,
Zu hemmen deiner Willkür Macht.
Bonduca.
Man gestattete uns, den übrigen Theil der Nacht zu schlafen, so gut es die elenden Bequemlichkeiten des Wirthshauses zuließen. Ermüdet durch die Beschwerlichkeiten der Reise und die nachfolgenden Auftritte, auch weniger bekümmert durch unsere Verhaftung, die nur eine vorübergehende Unannehmlichkeit sein konnte, und vielleicht weniger, als ich, an eine saubere Liegestatt gewöhnt, warf sich Jarvie in eine der bereits erwähnten Krippen, und bald schnarchte er tüchtig. Ein unruhiger, oft unterbrochener Schlummer, den ich genoß, indem ich meinen Kopf auf den Tisch legte, war meine einzige Erquickung. Während der Nacht hatte ich Gelegenheit zu bemerken, daß die Soldaten zweifelhaft und unentschlossen zu sein schienen. Man sandte Einzelne aus, wie auf Kundschaft, und sie kamen zurück, offenbar ohne ihrem Anführer irgend eine befriedigende Nachricht zu bringen. Sichtlich war dieser unruhig und ängstlich, und schickte dann wieder kleine Abtheilungen von zwei oder drei Mann ab, von welchen einige, wie ich aus dem Geflüster der Uebrigen vernahm, nicht zurückkehrten.
Der Morgen war angebrochen, als ein Corporal und zwei Gemeine in die Hütte stürmten, und mit einer Art Triumph einen Hochländer herbeischleppten, in welchem ich sogleich meinen Bekannten, den gewesenen Gefängnißschließer, erkannte. Der Stadtvoigt, der bei dem Geräusch, mit welchem sie eintraten, auffuhr, machte alsbald dieselbe Bemerkung, und rief aus: »Gott erbarm's! sie haben die arme Creatur, Dougal, gefangen – Hauptmann, ich will Bürgschaft für ihn leisten, hinlängliche Bürgschaft für diesen Dougal!«
Auf dieses Anerbieten, welches ohne Zweifel eine dankbare Erinnerung an die letzten Dienste des Hochländers eingab, antwortete der Hauptmann nur, daß Jarvie an seine eigenen Angelegenheiten denken, und sich erinnern möchte, daß er selbst ein Gefangener sei.
»Ich nehm' Euch zum Zeugen, Mr. Osbaldistone,« sagte Jarvie, der vermuthlich besser mit dem bürgerlichen, als mit dem militärischen Rechtsgange bekannt war, »daß er eine hinlängliche Bürgschaft zurückgewiesen hat. Nach meiner Meinung kann Dougal sich, nach der Acte 701, wegen unrechtmäßiger Verhaftung und zugefügten Schadens beklagen, und ich will ihm zu seinem Rechte verhelfen.«
Der Offizier, welcher Thornton hieß, begann, ohne auf Jarvie's Drohungen und Beschwerden zu achten, eine sehr genaue Untersuchung über Dougals Leben und Wandel, und nöthigte ihn, nach und nach, obwohl mit sichtbarer Abneigung, zu gestehen, er kenne Robert Mac-Gregor, er hab' ihn in den letzten zwölf Monaten gesehen – in den letzten sechs Monaten – in diesem Monat – in dieser Woche; endlich, er habe ihn vor einer Stunde verlassen. Alles dieß kam wie Blutstropfen von dem Gefangenen, und wurde allem Anscheine nach nur durch des Hauptmanns Drohung erpreßt, ihn an den nächsten Baum zu hängen, wenn er nicht bestimmte und genaue Nachricht gäbe.
»Und nun, mein Freund,« fragte der Offizier weiter, »werdet Ihr mir zu sagen belieben, wie viele Leute Euer Herr gegenwärtig bei sich hat.«
Dougal blickte nach allen Richtungen, nur nicht auf den Frager, und antwortete, er wüßte das nicht genau zu sagen.
»Seht mich an, Ihr hochländischer Hund,« rief der Offizier, »und bedenkt, daß Euer Leben von der Antwort abhängt. Wie viele Schelme hatte dieser vogelfreie Schurke bei sich, als Ihr ihn verließet?«
»O, nicht mehr wie sechs Schelme, als ich fort war.«
»Und wo waren seine übrigen Banditen?«
»Mit dem Lieutenant gegen die Kerle im Westen gezogen.«
»Gegen die westlichen Clans?« sagte der Capitain. »Hm – das ist wahrscheinlich genug; und auf welche Schurkenthat waret Ihr ausgesandt?«
»Zu sehen, was Euer Gnaden und die Herren Rothröcke hier in der Clachan wollten.«
»Die Creatur wird am Ende doch treulos,« sagte Jarvie; »es ist gut, daß ich mir seinetwegen keine Unkosten machte.«
»Und nun, mein Freund,« fuhr der Hauptmann fort, »wollen wir uns miteinander verständigen. Du hast bekannt, daß du ein Spion bist, und solltest am nächsten Baume aufgehangen werden – aber höre, wenn du mir einen Dienst erzeigen willst, erzeig' ich dir einen andern. Du sollst mich in aller Güte mit einigen meiner Leute nach dem Orte führen, wo du deinen Herrn verlassen hast, da ich wegen wichtiger Geschäfte ein paar Worte mit ihm zu sprechen habe; und ich lasse dich deiner Wege gehen, und gebe dir noch fünf Guineen in den Kauf.«
»Oh! oh!« rief Dougal sehr bekümmert und bestürzt; »sie kann's nicht thun – kann's nicht thun! läßt sich lieber hängen.«
»Gehängt sollt Ihr also werden, mein Freund, und Euer Blut komme über Euer eigen Haupt. – Corporal Cramp, macht den General-Profos – fort mit ihm!«
Der Corporal hatte dem armen Dougal einige Zeit gegenüber gestanden, und mit vielem Aufsehen ein Ende Strick, das er im Hause fand, zusammengedreht. Jetzt warf er dem Angeklagten die Schleife über, und zog ihn mit der Hülfe von zwei Soldaten bis zur Thür, wo Dougal, von der Angst vor dem augenblicklichen Tode übermannt, ausrief: »Halt! halt! Ihr Herren! – will thun, was Sr. Gnaden verlangen – halt!«
»Fort mit dem Buben,« rief Jarvie, »er verdient jetzt mehr als je, gehangen zu werden. – Fort mit ihm, Corporal! Warum bringt Ihr ihn nicht weg?«
»Ich glaube, und ich bin überzeugt, wackerer Sir,« versetzte der Corporal, »wenn Ihr gehangen werden solltet, würdet Ihr nicht solche verwünschte Eile haben.«
Dieses Zwischengespräch verhinderte mich, zu hören, was der Gefangene dem Hauptmanne sagte; doch ächzte Ersterer mit sehr niedergeschlagenem Tone: »Und wollt Ihr nicht verlangen, daß ich weiter mitgehe, als eben zu zeigen, wo Mac-Gregor ist! Oh! oh!«
»Still mit deinem Geheul, du Schelm! Ich gebe dir mein Wort, dich nicht weiter mitzunehmen. Laßt die Leute vor dem Hause sich aufstellen, Corporal. Führt die Pferde dieser Herren heraus, wir müssen sie mit uns nehmen. Ich kann keine Leute entbehren, sie hier bewachen zu lassen. Kommt, Kinder, unter's Gewehr!«
Die Soldaten beeilten sich, und waren bald zum Abmarsche bereit. Wir wurden mit Dougal als Gefangene hinausgeführt. Indem wir die Hütte verließen, hörte ich, wie der Hochländer den Capitain an die fünf Guineen erinnerte.
»Da hast du sie,« sagte der Offizier, und gab ihm das Geld in die Hand; »aber laß dir's gesagt sein, daß ich dir eine Kugel durch den Kopf jage, wenn du's versuchst, uns irre zu leiten.«
»Die Creatur ist schlechter, als ich geglaubt habe,« sagte Jarvie – »ein weltlich gesinntes, treuloses Geschöpf! – O, wie die Menschen sich dem schmutzigen Gewinn hingeben! Mein Vater, der Vorsteher, pflegte zu sagen: Das geprägte Silber hat mehr Seelen erschlagen, als das nackte Schwert je Leiber erschlug.«
Die Wirthin näherte sich jetzt, und verlangte die Bezahlung der Zeche, mit Einschluß alles Dessen, was Galbraith und die Hochländer verzehrt hatten. Der englische Offizier machte Einwendungen, allein Mrs. Mac-Alpine erklärte, wenn sie nicht dem Namen des edlen Herrn vertraut hätte, auf den sich die Gesellschaft berufen, so würde sie nie einen Tropfen Branntwein hergegeben haben; denn sie möchte den Mr. Galbraith wiedersehen oder nicht, so würde sie doch ihr Geld schwerlich wiedersehen – und sie sei eine arme Wittwe, die nichts habe, als ihre Kundschaft.
Hauptmann Thornton machte ihren Vorstellungen dadurch ein Ende, daß er die Zeche bezahlte, die sich nur auf einige Schillinge belief, obwohl sie nach schottischer Rechnung furchtbar genug klang. Der freigebige Offizier würde auch den Stadtvoigt und mich in diese allgemeine Schuldentilgung mit eingeschlossen haben, wenn nicht Jarvie, trotz des Winkes der Wirthin, so viel von den Engländern zu ziehen, als wir könnten, da sie uns genug plagten, die Rechnung für uns verlangt und bezahlt hätte. Der Hauptmann entschuldigte bei dieser Gelegenheit unsere Gefangenschaft mit einigen Worten. »Wenn wir treue und friedliche Unterthanen wären,« sagte er, »so würden wir einen kurzen Aufenthalt nicht bedauern, sobald er zum Dienste des Königs nöthig wäre; sollten wir aber anders gesinnt sein, so habe er seine Pflicht gethan.«
Wir mußten mit einer Entschuldigung zufrieden sein, die wir erfolglos zurückgewiesen hätten, und schickten uns an, ihn auf seinem Marsche zu begleiten.
Nie werde ich die angenehme Empfindung vergessen, mit der ich die dunkle, räucherige, erstickende Atmosphäre der hochländischen Hütte gegen die duftige Frische der Morgenluft vertauschte, als die Strahlen der aufgehenden Sonne, aus einem Zelte goldener und purpurner Wolken hervorbrechend, eine Gegend beleuchteten, schöner und romantischer, als ich je eine erblickt hatte. Links lag das Thal, welches der Forth in der Richtung nach Osten durchströmte, die reizende, einzeln liegende Anhöhe mit allen ihren Laubgewinden umziehend. Zur Rechten breitete sich mitten unter Wäldern, Hügeln und Felsen das Bett eines großen Bergsee's aus, auf dessen Fläche der Morgenwind leichte Wellen kräuselte, in ihrer leisen Strömung im Sonnenschein glänzend. Hohe Hügel, Felsen und Dämme, von Birken- und Eichenwäldern umwogt, begränzten diese bezaubernde Wasserfläche, und das Laub, welches im Winde rauschte und in der Sonne schimmerte, verlieh der tiefen Einsamkeit eine Art von Leben und Bewegung. Nur der Mensch erschien geringer in einer Gegend, in der die ganze Natur sich großartig und erhaben zeigte. Die armseligen Hütten, deren das Dorf, welches Clachan von Aberfoil genannt wurde, ungefähr ein Dutzend zählte, bestanden aus losen Steinen, mit Lehm verbunden, waren mit Rasen gedeckt, der auf unbehauenen Birken- und Eichenstämmen aus den Wäldern ringsumher lag. Die Dächer reichten so tief herab, daß Andrew die Bemerkung machte, wir hätten in der vergangenen Nacht über das Dorf reiten können, ohne dessen Nähe gewahr zu werden, bis die Beine unsrer Pferde durch die Dächer getreten wären.
Nach Allem, was wir sehen konnten, war das Haus der Mrs. Mac-Alpine, einen so elenden Aufenthalt es auch darbot, noch immer bei weitem das beste im ganzen Dorfe, und ich wage zu behaupten (wenn meine Beschreibung dich neugierig machen sollte, es zu sehen), daß du es schwerlich heutigen Tages sehr verbessert finden wirst, denn die Schotten sind kein Volk, das Neuerungen bald annimmt, selbst wenn sie sich unter der Gestalt der Verbesserung zeigen.
Die Bewohner dieser elenden Hütten wurden durch das Geräusch unsrer Abreise aufgestört, und während die Soldaten, zwanzig an der Zahl, sich in Reih' und Glied stellten, betrachteten uns mehrere alte Weiber durch die halbgeöffneten Thüren. Als diese Sybillen ihre grauen Köpfe hervorstreckten, die zum Theil mit enganliegenden Flanellhauben bedeckt waren, und ihre runzeligen Stirnen und langen, magern Arme unter allerhand Geberden, unter Achselzucken und Gemurmel in gaelischer Sprache, zeigten, da stellten sich meiner Einbildungskraft Macbeths Hexen dar, und ich glaubte in den Zügen dieser Alten den Groll der Schicksalsschwestern zu lesen. Auch die kleinen Kinder, welche hervorzukommen anfingen, theils ganz nackt, theils mit Lumpen von gestricktem Zeuge bedeckt, klatschten in die kleinen Hände, und wiesen den englischen Soldaten die Zähne, und zwar mit einem Ausdrucke von Nationalhaß und Bosheit, der über ihr Alter zu gehen schien. Ich bemerkte vorzüglich, daß keine Männer, nicht einmal Knaben von zehn oder zwölf Jahren unter den Bewohnern des Dorfes zu sehen waren, welches doch für seine Größe volkreich zu sein schien, und mich ergriff der Gedanke, daß wir auf unserm Zuge wohl noch kräftigere Beweise ihres bösen Willens erhalten dürften, als die, welche die Gesichter der Weiber und Kinder verfinsterten, und sich in ihrem Murren verriethen.
Erst als wir unsern Marsch antraten, brach die Bosheit der ältern Bewohner in Worte aus. Das letzte Glied der Mannschaft hatte das Dorf verlassen, und verfolgte einen schmalen, unebenen Pfad, welchen die Schlitten gebildet hatten, auf denen die Landleute ihren Rasen und ihre Feuerung fortschaffen, und der durch die Wälder am untern Ende des See's führte, als ein gellender Ausruf der Weiber sich mit dem Geschrei der Kinder und dem Händeklatschen vermischte, durch welches die Hochländerinnen ihre Töne verstärken, sie mögen wüthen oder klagen. Ich fragte Andrew, der bleich wie der Tod aussah, was das zu bedeuten hätte?
»Ich glaube, das werden wir bald genug erfahren,« antwortete er. »Bedeuten? – Es bedeutet, daß die hochländischen Weiber die Rothröcke verfluchen und vermaledeien, und ihnen und Jedem, der Sächsisch spricht, Böses wünschen. Ich habe Weiber in England und Schottland schimpfen hören – es ist kein Wunder, wenn man sie überall schimpfen hört – aber solche böse, scharfe Zungen, wie diese Hochländerinnen haben – und solche gräßliche Verwünschungen, daß die Leute wie Schafe sollen geschlachtet werden, und daß man die Arme bis an die Ellenbogen in ihr Herzblut tauchen solle – und daß sie den Tod von Walter Cuming von Guiyock Ein gewaltiger Tyrann seiner Lehnsleute, der bei der Verfolgung einer grausamen Absicht in dem Walde von Guiyock von seinem Pferde abgeworfen, mit dem Fuße im Steigbügel hängen blieb, und von dem wildgewordenen Thiere geschleift wurde, bis er in Stücke gerissen war. Der Ausdruck: Walter von Guiyocks Fluch – ist sprüchwörtlich. sterben sollen, von dem nicht so viel übrig blieb, um einen Hund satt zu machen, eine so greuliche Sprache hab' ich noch nie aus einer Menschenkehle gehört. Und wenn nicht der Teufel unter ihnen aufsteht, und sie unterrichtet, glaub' ich nicht, daß ihr Talent zum Fluchen vermehrt werden kann. Das Schlimmste ist, daß sie sagen, wir sollten nur am See hinaufgehen, und wir würden schon sehen, wo wir wären.«
Indem ich Andrew's Nachrichten mit meinen eigenen Beobachtungen zusammenstellte, konnte ich kaum zweifeln, daß man einen Angriff auf unsere Bedeckung beabsichtigte. Der Weg, den wir zogen, schien einen solchen Plan sehr zu begünstigen. Anfangs zog er sich abwärts vom See durch sumpfiges Wiesenland, mit Unterholz bewachsen, dann führte er durch dunkle, dichte Gebüsche, in denen wenige Schritte von uns ein Hinterhalt liegen konnte, und oft ging er über rauhe Bergströme, von denen einige den Soldaten bis an die Kniee reichten, und die so reißend waren, daß zwei oder drei Mann sich fest an den Armen fassen mußten, wenn sie der Gewalt des Wassers widerstehen wollten. So wenig ich von dem Kriegswesen verstand, schien es mir doch gewiß, daß eine Art halbwilder Krieger, wie man die Hochländer schilderte, in solchen Engpässen einen Haufen regulärer Truppen mit großem Vortheil angreifen könnten. Jarvie war durch seinen gesunden Verstand und scharfen Beobachtungsgeist zu demselben Schluß geführt worden, wie mir sein Verlangen verrieth, mit dem Hauptmanne zu sprechen, den er ungefähr so anredete: »Capitain! Es ist nicht meine Absicht, eine Gunst von Euch zu erflehen, denn ich verschmähe sie – und ich sag' es ausdrücklich, ich behalte mir die Klage wegen Bedrückung und widerrechtlicher Haft vor; – aber als ein Freund des Königs Georg und seiner Armee nehm' ich mir die Freiheit, zu fragen: Glaubt Ihr nicht eine bessere Zeit wählen zu können, um in dieser Schlucht hinaufzuziehen? Wenn Ihr Robin den Rothen aufsucht, so weiß man, daß er über fünfzig Mann stark ist, wenn er die wenigsten bei sich hat, und wenn seine Freunde ihm beistehen, kann es Euch schlecht gehen. Als ein Freund des Königs ist es mein aufrichtiger Rath, lieber wieder in das Dorf zurückzukehren; denn die Weiber von Aberfoil sind wie die Seemöven, es gibt immer schlechtes Wetter, wenn sie schreien.«
»Beruhigt Euch, Sir,« erwiderte der Capitain Thornton, »ich vollziehe meine Befehle. Und da Ihr ein Freund des Königs Georg sein wollt, so werdet Ihr mit Vergnügen hören, daß diese Räuberbande, deren Zügellosigkeit das Land so lange beunruhigte, den Maßregeln unmöglich entgehen kann, die man jetzt zu ihrer Unterdrückung genommen hat. Die Reiter der Landmiliz, vom Major Galbraith befehligt, haben sich bereits mit zwei andern Reiterhaufen vereinigt, und besetzen alle niedern Pässe dieser wilden Gegend. Dreihundert Hochländer, unter den beiden Herren, die Ihr in dem Wirthshause sahet, sind im Besitze der höheren Gegenden, und mehrere starke Abtheilungen unsrer Garnison versichern sich der Hügel und Thäler nach verschiedenen Richtungen. Die letzten Nachrichten über Robin den Rothen stimmen mit den Aussagen dieses Burschen überein, daß er, von allen Seiten umringt, den größten Theil seiner Begleiter entlassen hat, entweder in der Absicht, sich verborgen zu halten, oder um mit Hülfe seiner genauen Kenntniß der Bergpässe zu entkommen.«
»Ich zweifle,« sprach Jarvie, »ob Galbraith heute Morgen nicht mehr Branntwein als Gehirn im Kopfe hat. – Und ich würde an Eurer Stelle, Capitain, meine Hauptzuversicht nicht auf die Hochländer setzen – eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus. Sie mögen unter sich streiten, sich üble Namen beilegen, und mit dem Schwerte dreinschlagen, aber sicher verbinden sie sich am Ende gegen gesittete Leute, die ihre Beinkleider tragen, und Geld in der Tasche haben.«
Sichtlich waren diese Ermahnungen bei dem Hauptmanne nicht ganz verloren. Er ordnete seine Marschlinie anders, befahl den Soldaten, ihre Gewehre in den Arm zu nehmen, die Bajonette aufzustecken, und bildete eine Vor- und Nachhut, jede aus einem Unteroffizier und zwei Mann bestehend, die strengen Befehl erhielten, gut aufzupassen. Dougal wurde abermals und sehr genau ausgefragt, aber er behauptete die Wahrheit seiner früheren Aussagen standhaft, und als man ihm über das verdächtige und gefährliche Ansehen des Weges, den er führte, einen Verweis gab, antwortete er mit sehr natürlicher mürrischer Laune, er hätte den Weg nicht selbst gemacht, und wenn die Herren große Landstraßen liebten, so hätten sie lieber in Glasgow bleiben sollen.
Nach diesen Anordnungen setzten wir uns von Neuem in Bewegung. Unser Weg senkte sich zwar gegen den See, war aber bisher so dicht mit Wald beschattet, daß wir nur von Zeit zu Zeit einen Blick auf die schöne Wasserfläche hatten. Allein jetzt verließ der Weg plötzlich den Waldgrund, und indem er sich dicht am Ufer des See's hinschlängelte, gewährte er uns die volle Aussicht auf den ausgebreiteten Spiegel, der nun, da sich der Wind ganz gelegt, in stiller Pracht die hohen, dunkeln Haideberge, die grauen gewaltigen Felsen und rauhen Ufer, die ihn umringten, zurückwarf. Die Hügel senkten sich jetzt so nahe an seine Ufer hinab, und waren so zerrissen und steil, daß kein Weg übrig blieb, als der schmale Pfad, auf dem wir uns befanden, und der von Felsen überhangen war, so daß wir nur durch herabgerollte Steine beinahe ohne alle Möglichkeit, Widerstand zu leisten, hätten vernichtet werden können. Ueberdieß konnten wir auf einem Pfade, der sich um jedes Vorgebirge und jede Bucht wand, die in das Ufer einschnitten, selten weiter als hundert Schritte sehen. Unser Anführer schien über die Art des Weges, auf den er gerathen war, unruhig zu werden, und verrieth dieß durch die wiederholten Befehle an seine Soldaten, wachsam zu sein, so wie durch manche Drohung eines augenblicklichen Todes gegen Dougal, wenn er ihn in einen Hinterhalt gelockt haben sollte. Dougal nahm diese Drohungen mit einem Ausdrucke fühlloser Gleichgültigkeit hin, der eben so wohl aus dem Bewußtsein der Unschuld, als aus roher Entschlossenheit entspringen konnte. – »Wenn die Herren den rothen Gregarach suchen wollten,« sagte er, »so konnten sie freilich nicht erwarten, ihn ohne ein wenig Gefahr zu finden.«
Eben als der Hochländer diese Worte sprach, machte der Unteroffizier, der die Vorhut anführte, Halt, und sandte einen von seinen Leuten zurück, dem Hauptmann zu melden, daß der Pfad auf einem besonders schwierigen Punkte von Hochländern besetzt wäre. Fast in demselben Augenblicke berichtete ein Soldat von der Nachhut, daß man in den Wäldern, durch die wir eben gekommen, den Ton einer Sackpfeife hörte. Hauptmann Thornton, eben so kriegskundig, als muthig, beschloß sogleich, den vordern Paß zu stürmen, ehe er auch im Rücken angegriffen werden könnte. Mit der Versicherung, daß die Töne der Sackpfeifen, welche man gehört hätte, die zu ihrem Beistande herannahenden verbündeten Hochländer wären, zeigte er seinen Leuten, wie wichtig es sei, vorzudringen und sich womöglich Robins zu bemächtigen, ehe diese Hülfstruppen ankämen, um mit ihnen die Ehre, so wie den Preis zu theilen, der auf dem Kopf dieses Freibeuters stand. Er vereinigte daher die Letzten mit dem Haupttrupp und ließ Beide der Vorhut nachrücken, wobei er die Reihen verstärkte, so daß sie die ganze Breite des Weges einnahmen. »Hast du mich betrogen, Hund, sollst du dafür sterben,« flüsterte er Dougal zu, der zwischen zwei Grenadiere mit dem bestimmten Befehl in die Mitte genommen wurde, ihn niederzuschießen, sobald er entfliehen wollte. Jarvie und ich wurden zu größerer Sicherheit gleichfalls so eingeschlossen, und Thornton stellte sich an die Spitze seines kleinen Haufens und rief: »Vorwärts!«
Die Soldaten rückten mit der Festigkeit englischer Krieger vor, nicht so Andrew Fairservice, der vor Angst außer sich war, und, die Wahrheit zu gestehen, eben so wenig Jarvie und ich; wir empfanden zwar nicht so große Furcht, als er, aber wir konnten doch auch unser Leben nicht mit stoischer Gleichgültigkeit der Gefahr, in einem Streite, der uns nichts anging, ausgesetzt sehen. Allein es war weder Zeit zu Vorstellungen, noch zur Abhülfe.
Wir näherten uns der Stelle, wo man den Feind gesehen hatte, bis auf zwanzig Schritte. Es war eines jener Vorgebirge, die sich in den See erstreckten, und um deren Fuß sich der Weg bisher wand. Jetzt stieg indeß der Pfad, indem er das Ufer verließ, in steilem Zickzack an dem Abhange eines grauen Schieferfelsens empor, der sonst ganz unersteigbar gewesen sein würde. Auf dem Gipfel dieses Felsens, zu dem nur ein schmaler, zerrissener und unsicherer Weg führte, wollte der Corporal die Mützen und langen Flinten mehrerer Hochländer gesehen haben, die sich dem Anscheine nach unter dem Haidekraut und Buschholz verbargen, mit dem die Höhe bedeckt war. Der Capitain Thornton befahl ihm, mit drei Gliedern vorzurücken, um die Feinde aus dem vermeintlichen Hinterhalte zu vertreiben, während er selbst, langsamer, aber festen Schrittes, mit den Uebrigen zur Unterstützung folgte.
Der beabsichtigte Angriff wurde durch die unerwartete Erscheinung einer Frau auf dem Gipfel des Felsens verhindert. »Halt!« rief sie mit gebieterischem Tone, »und sagt mir, was ihr in Gregors Lande suchet?«
Selten habe ich eine schönere und erhabenere Gestalt gesehen, als diese Frau. Sie mochte zwischen vierzig und fünfzig Jahren sein, und hatte ein Gesicht, das sich früher durch männliche Schönheit ausgezeichnet haben mußte, obwohl ihre Züge durch die Wirkung rauher Witterung, und vielleicht auch durch den zerstörenden Einfluß des Kummers und der Leidenschaften tief gefurcht, jetzt nur noch stark, scharf und ausdrucksvoll waren. Sie trug ihren Plaid nicht um den Kopf und die Schultern gelegt, wie es Sitte der schottischen Frauen ist, sondern hatte ihn, nach Art der hochländischen Krieger, um den Leib geschlungen. Eine Mannsmütze mit einer Feder bedeckte ihr Haupt, in der Hand hatte sie ein entblößtes Schwert, und ein Paar Pistolen im Gürtel.
»Es ist Helene Campbell, Robins Weib,« flüsterte Jarvie mir bestürzt zu, »und bald wird es blutige Köpfe genug unter uns geben.«
»Was sucht Ihr hier?« wiederholte sie, als der Hauptmann Thornton selbst sich genähert hatte, um zu rekognosciren.
»Wir suchen den geächteten Robin Mac-Gregor Campbell,« antwortete der Offizier, »und führen gegen Weiber keinen Krieg; daher leistet den Soldaten des Königs keinen vergeblichen Widerstand und sichert Euch eine glimpfliche Behandlung.«
»Ja, ich kenne Eure zarte Gnade,« rief die Amazone. »Ihr habt mir weder Namen noch Ruf gelassen – meiner Mutter Gebeine werden in ihrem Grabe schaudern, wenn man die meinigen an ihre Seite legt. Ihr habt mir und meinen Angehörigen weder Haus noch Heimath gelassen, weder Bett noch Lager, kein Vieh, uns zu nähren, keine Heerde, uns zu kleiden. Ihr habt uns Alles genommen, Alles, selbst den Namen unserer Väter, und nun wollt Ihr auch noch unser Leben holen?«
»Ich suche keines Menschen Leben,« erwiderte der Capitain; »ich führe nur das aus, was mir befohlen ist. Wenn Ihr allein seid, gute Frau, so habt Ihr nichts zu fürchten – sind aber Tollkühne bei Euch, die vergeblichen Widerstand leisten wollen, so komme ihr Blut über ihr eigenes Haupt. – Vorwärts, Corporal!«
»Vorwärts, marsch!« rief der Unteroffizier. »Hurrah Kinder! Für Robins Kopf und einen Beutel voll Gold!«
Er beschleunigte seinen Schritt zum Laufe, gefolgt von seinen sechs Mann; doch als sie die erste Wendung des steilen Pfades erreichten, krachte ein Dutzend Feuergewehre von verschiedenen Seiten des Passes schnell nach einander und gut gezielt. Durch den Leib geschossen, suchte der Corporal noch immer die Höhe zu erklimmen, und hob sich mit den Händen an den Felsen empor, bis er nach einer verzweiflungsvollen Anstrengung losließ und vom Rande der Klippe in den tiefen See hinabstürzte, in welchem er ertrank. Von den Soldaten fielen drei, theils todt, theils kampfunfähig; die Uebrigen zogen sich, mehr oder weniger verwundet, auf die Hauptmacht zurück.
»Grenadiere an die Spitze!« rief der Capitain Thornton. – Bekanntlich führten diese Art Soldaten damals jene zerstörende Feuerwaffe, von der sie den Namen hatten. Die vier Grenadiere rückten vor. Der Offizier befahl den übrigen Soldaten, sich bereit zu halten, sie zu unterstützen, und rief uns zu: »Sorgt für eure Sicherheit, meine Herren!«
Hauptmann Thornton an der Spitze, griffen die Soldaten nun mit einem Hurrah an. Die Grenadiere bereiteten sich, ihre Granaten in die Gebüsche zu werfen, in denen der Hinterhalt lag, und die Andern hielten sich fertig, sie zu unterstützen. Dougal, der im Handgemenge vergessen worden war, sprang weislich in das Dickicht, welches über dem Theile des Weges hing, wo wir zuerst Halt machten, und kletterte dann mit der Behendigkeit einer wilden Katze in die Höbe. Ich folgte unwillkürlich seinem Beispiele, weil ich fürchtete, daß das Feuer der Hochländer den offenen Pfad bestreichen möchte. Ich kletterte, bis ich keinen Athem mehr hatte; denn das ununterbrochene Feuer, das bei jedem Schusse ein tausendfacher Wiederhall vervielfältigte, das Zischen der brennenden Granatenzünder und der Knall dieser Wurfgeschoße, das Hurrah der Soldaten und das Geschrei ihrer hochländischen Gegner, beflügelten – ich schäme mich nicht, es zu gestehen – mein Verlangen, einen sichern Ort zu erreichen. Die Beschwerlichkeiten des Kletterns vermehrten sich bald so sehr, daß ich verzweifelte, Dougal einzuholen, der sich von Felsen zu Felsen, von Stamm zu Stamm, mit der Leichtigkeit eines Eichhörnchens aufschwang, und ich blickte zurück, um zu sehen, was aus meinen andern Gefährten geworden war. Beide waren in einen traurigen Stand der Ruhe versetzt.
Der Stadtvoigt, dem, wie ich vermuthete, die Furcht eine augenblickliche Gewandtheit verliehen hatte, war ungefähr zwanzig Fuß hoch von dem Pfade aufgestiegen, als er bei einem weiten Schritte von einem Felsenstück zum andern ausglitt; und er würde zu seinem Vater, dem Vorsteher, heimgegangen sein, hätte nicht der starke Zweig eines Dornstrauches die Schöße seines Reitrockes erfaßt und ihn in der Luft schwebend erhalten.
Andrew war mit mehr Glück in die Höhe geklettert, bis er den Gipfel eines kahlen Felsens erreichte, der über den Wald hervorragte und ihn, wenigstens seiner Meinung nach, allen Gefahren des nahen Scharmützels aussetzte, und der zugleich so steil und unzugänglich war, daß er sich weder vorwärts, noch rückwärts wagte. Auf der schmalen Felsenfläche hin- und hertrippelnd, flehte er abwechselnd in gaelischer und englischer Sprache um Erbarmen, je nachdem sich der Sieg auf diese oder jene Seite zu neigen schien; aber seine Ausrufungen wurden nur durch das Stöhnen des Stadtvoigts beantwortet, welchen die Furcht eben so sehr quälte, als seine schwebende Lage.
Als ich Jarvie's bedrängte Lage sah, war mein erster Gedanke, ihm Beistand zu leisten; doch war dieß ohne Andrew's Mithülfe unmöglich, und dem konnten weder Zeichen noch Bitten, weder Befehle noch Verweise den Muth einflößen, von seiner unbequemen Höhe herabzusteigen, auf der er, gleich einem ungeschickten und verrufenen Staatsminister, der sich nicht von dem hohen Standpunkte zu entfernen wagt, den er anmaßend erstiegen hat, fortwährend um Erbarmen flehte und sich, hin- und herspringend, in allen möglichen seltsamen Stellungen krümmte, um den Kugeln auszuweichen, die um ihn her pfiffen.
Nach wenigen Augenblicken war indeß die Ursache seines Schreckens verschwunden, da das Feuer, Anfangs so gut unterhalten, jetzt plötzlich aufhörte, ein sicheres Zeichen, daß der Kampf geendet war. Ich suchte nun eine Stelle, von wo aus ich den Ausgang des Streites sehen konnte, um das Mitleid der Sieger anzurufen, welche, wie ich hoffte, den ehrlichen Jarvie nicht, gleich Mahomeds Sarg, zwischen Himmel und Erde schweben lassen würden, ohne eine Hand zu leihen, ihm zu helfen. Endlich fand ich nach angestrengtem Klettern einen Ort, von dem aus ich das Schlachtfeld übersehen konnte. Der Kampf war wirklich vorüber, und wie ich bereits aus der Lage und den Verhältnissen geschlossen hatte, endete er mit des Hauptmanns völliger Niederlage. Ich sah einen Haufen Hochländer, die geschäftig waren, ihn und den geringen Ueberrest seiner Leute zu entwaffnen. Es waren zwölf Mann, die meisten verwundet, welche, von einem dreimal so starken Feinde umzingelt, ohne vorwärts oder rückwärts zu können, einem mörderischen und wohlgerichteten Feuer ausgesetzt gewesen waren, das sie nicht wirksam zu erwidern vermochten, und endlich die Waffen gestreckt hatten, als ihr Anführer sah, daß auch der Weg im Rücken besetzt war, und ein längerer Widerstand das Leben seiner tapfern Gefährten nur unnütz aufreiben würde. Die Hochländer, welche im Versteck fochten, hatten den Sieg wohlfeil erkauft; ihr Verlust war, wie ich nachher erfuhr, ein Todter und zwei Verwundete durch die Granaten. Für den Augenblick erkannte ich das allgemeine Resultat des Tages nur daraus, daß der englische Offizier, über dessen Gesicht das Blut strömte, seines Hutes und seiner Waffen beraubt war, und daß seine Leute mit finstern und mürrischen Gesichtern, ihren tiefen Unwillen ausdrückend, von den wilden, kriegerischen Gestalten, von denen sie umringt waren, die strenge Behandlung zu erdulden hatten, der die Gesetze des Krieges den Besiegten zur Sicherheit des Siegers preisgeben.