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Es war eine schöne Nacht, und der Mond leuchtete hell und klar. Unter seiner Beleuchtung kam mir die Gegend um vieles lieblicher vor, als im Tageslicht. Der noch immer bergab führende Pfad drehte und wendete sich, verließ die offne Heide und gelangte in steilere Schluchten, die uns das nahe Bett eines Baches oder Flusses andeuteten. Endlich kamen wir an das Ufer eines Stromes, der größere Aehnlichkeit mit den Strömen meiner Heimat als die bisher gesehenen hatte; er war schmal, tief und still, obgleich das matte Licht, das auf seinem ruhigen Gewässer glänzte, auch zeigte, daß wir jetzt unter den hohen Gebirgen waren, die seine Wege bildeten. »Das ist der Forth,« sprach Jarvie mit einem Ausdrucke von Ehrerbietung, die die Schottländer gewöhnlich ihren Flüssen zollen. Ich war recht froh, nach einer so langen und ermüdenden Tagereise mich einer Gegend zu nähern, die versprechender aussah als alles bisher durchzogene Land; und der Forth schien wirklich, so viel mir das unvollkommene Licht zu urteilen gestattete, die Bewunderung zu verdienen, die man ihm darbrachte. Eine schöne Anhöhe von regelmäßig runder Form, mit Unterholz und Haselstauden, Eschen und Zwergeichen bekleidet, worunter einige mächtige alte Bäume, über die andern hervorragend, ihre Zacken und nackten Zweige im Silberschimmer des Mondes zeigten, schienen die Quelle des Stromes zu beschützen. Wie mein Gefährte erzählte, der zwar kein Wort davon zu glauben vorgab, aber doch mit gedämpfter Stimme und einem Ausdruck von Furchtsamkeit sprach, enthielt nach der Sage der umwohnenden Landleute dieser Hügel, so regelmäßig geformt, so reizend und in anmutiger Abwechslung mit alten Bäumen und Buschholz bewachsen, in seinen unsichtbaren Höhlen die Paläste der »Fairies«, einer Art geistiger Wesen, die eine Mittelklasse zwischen den Menschen und Dämonen bildeten und wegen ihrer launischen, rachsüchtigen und reizbaren Stimmung gegen die Menschheit vermieden und gefürchtet würden.
Doch sogleich setzte er hinzu, als er vor uns einige Lichter blinken sah: »Es ist am Ende auch alles nur Teufelstrug, und ich freue mich nicht, es zu sagen – denn wir sind nun dem Hause nah, und dort schimmern die Lichter im Wirtshaus zu Aberfoil.«
Eine hohe und schmale steinerne Brücke führte uns über den Forth. Mein Begleiter sagte indes, der gewöhnliche Weg aus dem Hochlande nach der südlicheren Gegend gehe durch die Furt von Frew, wo der Strom stets tief und schwer passierbar, zuweilen ganz ungangbar sei. Von dieser Furt bis östlich zur Brücke von Stirling gibt es keinen weitern Uebergang, und so bildet der Forth von seiner Quelle bis beinah zu dem Frith, oder dem Eingang ins Meer, das ihn aufnimmt, eine ziemlich sichere Grenze zwischen dem Hochland und Niederland Schottlands; der Forth durfte also, wie Jarvie sagte, als »Zaum« des wilden Hochländers gelten.
Ein kurzer Ritt jenseits der Brücke brachte uns vor die Tür des Wirtshauses, wo wir übernachten wollten. Es war eine elende Hütte, beinahe schlimmer als die, wo wir zu Mittag gegessen hatten. Aber die kleinen Fenster waren erhellt, Stimmen erklangen von innen, und alles verhieß Aussicht auf Obdach und Erfrischung. Andreas bemerkte zuerst, daß ein abgeschälter Weidenstab quer über die halb offene Tür gelegt war. Er hielt an und riet uns, nicht einzutreten. »Denn,« sagte er, »es zechen ein paar Häuptlinge und große Männer drin und wollen nicht gestört sein. Das wenigste, was wir davon kriegen, und wenn wir mir nichts dir nichts hineingehen, wird ein zerschlagener Kopf sein, um uns bessere Sitte zu lehren, wenn uns nicht ein kalter Dolch in die Gedärme fährt, was ebenso leicht möglich ist.«
Ich sah den Stadtvogt an, der flüsternd zugestand, »daß der Kuckuck Grund habe, einmal im Jahr zu singen.«
Mittlerweile kamen ein paar halb bekleidete Dirnen aus dem Wirtshause und den umliegenden Hütten, die den Hufschlag unserer Pferde gehört hatten. Niemand begrüßte uns oder hielt die Pferde, nachdem wir abgestiegen waren, und auf alle unsre Fragen erhielten wir die trostlose Antwort: »Kann nicht Sächsisch.« Jarvie fand indes Mittel, sie Englisch zu lehren. »Wenn ich Dir einen Kreuzer gebe,« sprach er zu einem zehnjährigen Buben mit einem zerrissenen Plaid, »willst Du dann Sächsisch verstehen?«
»O ja, dann versteh ichs,« antwortete der Knabe in geziemendem Englisch.
»Dann geh und sag Deiner Mutter, Bube, daß zwei sächsische Herren mit ihr sprechen wollen.«
Die Wirtin erschien sogleich mit einem brennenden Kienspan in der Hand, den die Hochländer oft statt eines Lichtes brauchen. Ein solche Fackel beleuchtete jetzt die wilden, ängstlichen Züge einer bleichen, magern Frau von ungewöhnlicher Größe, deren unreinlicher, zerlumpter Anzug kaum eine anständige Bedeckung gewährte. Ihr schwarzes Haar, das in ungekämmten Locken unter ihrer Haube hervorhing, und der fremde, verlegene Blick, womit sie uns betrachtete, gaben ihr das Bild einer Zauberin, die bei ihren verbotenen Gebräuchen aufgestört wird. Sie weigerte sich entschieden, uns Unterstand zu geben. Wir machten Vorstellungen, wir erwähnten unsre starke Tagereise, die Müdigkeit unsrer Pferde, und daß wir dann bis Callander reisen müßten, das nach Jarvies Angaben noch sieben schottische Meilen entfernt sei.
»Liebe Frau,« wandte ich mich an die Wirtin, »seit sechs Stunden haben wir keinen Bissen gegessen. Ich bin halb verhungert und habe wirklich nicht Lust, ohne Abendbrot meine Wohnung in Euern Gebirgen aufzuschlagen. Ich muß unter allen Umständen in Eure Stube hinein, und so gut sichs eben machen läßt, müßt Ihr Euren Gästen auseinandersetzen, daß noch ein paar Fremde kommen. – Andreas, Ihr sorgt für die Pferde.«
Die Frau sah mich verwundert an und rief dann: »Wer auf seinen Kopf besteht, den muß man gehen lassen! – Man sehe diese englischen Fresser! Er hat sich heut schon einmal gestopft wie 'n Gänserich und wagt eher Leben und Freiheit, als daß er ein Abendessen entbehrt. – Aber ich wasche meine Hände in Unschuld. – Folgt mir,« sagte sie zu Andreas, »ich will Euch zeigen, wo Ihr die Pferde unterbringt.«
Ich war einigermaßen bestürzt über die Aeußerungen der Wirtin, die eine nahe Gefahr anzudeuten schienen. Trotzdem wollte ich nun nicht zurücktreten, da ich meinen Entschluß erklärt hatte, und trat kühn ins Haus. Nachdem ich in dem schmalen Eingange kaum der Gefahr entronnen war, mir an ein paar Torfhaufen oder einem Pökelfaß, das in der Nähe stand, die Beine einzurennen, stieß ich eine halb verfallne Tür auf, die nicht aus Brettern, sondern aus Weidenstäben gemacht war, und trat mit Jarvie in das Hauptgemach dieses schottischen Karawanserais.
Das Innere bot einen Anblick dar, der mir seltsam genug vorkam. Das Feuer, mit Torf und dürren Reisern genährt, flammte lustig in der Mitte, aber der Rauch, der keinen andern Ausgang hatte, als ein Loch im Dache, umkreiste in dunkeln Wolken, etwa fünf Fuß hoch vom Boden, die Decke des Gemaches. Der untere Raum war ziemlich hell, weil unzählige Luftströme durch die Spalten der Tür, zwei viereckige Löcher, die man Fenster nannte, wovon das eine mit einem Plaid, das andere mit einem zerrissenen Mantel verstopft war, und durch eine Menge weniger sichtbarer Oeffnungen in den aus Steinen und Torf erbauten Wänden, nach dem Feuer zu drangen. Nahe an demselben saßen an einem alten eichnen Tische drei Männer, Gäste, wie es schien, die man unmöglich mit Gleichgültigkeit betrachten konnte. Zwei von ihnen waren in hochländischer, Kleidung, der eine, ein kleiner, schwärzlicher Mann von lebhaften, muntern, beweglichen Gesichtszügen, trug enge, lange Beinkleider von gewürfeltem Zeuge. Jarvie flüsterte mir zu, daß es ein Mann von Bedeutung sein müsse, denn nur die Vornehmen trügen solche Beinkleider, die genau nach dem Geschmacke der Hochländer sehr schwer zu weben wären.
Der zweite Bergländer war ein großer, starker Mann, mit reichlichem roten Haar, einem sommerfleckigen Gesicht, hohen Backenknochen und langem Kinn – eine Art von Zerrbild der eigentümlichen schottischen Züge. Sein Tartan hatte viel Scharlach, während Schatten von Schwarz und Dunkelgrün in den Würfeln des andern vorherrschend waren. Der dritte Gast, in niederschottischer Tracht, war ein kühner Mann von trotzigem Aussehen, dessen Blick und Benehmen etwas kriegerisches andeutete; sein Reitrock war reich besetzt, und sein aufgestülpter Hut von ungeheurem Umfange. Sein Seitengewehr und ein Paar Pistolen lagen vor ihm auf dem Tische. Jeder der beiden Hochländer hatte seinen blanken Dolch neben sich in den Tisch gesteckt, ein Zeichen, wie ich nachher erfuhr, daß ihr Gelage nicht durch Streit gestört werden sollte. Vor diesen Herren stand eine große zinnerne Kanne mit dem Nationalgetränk, das wir schon unter dem Namen »Usquebaugh« kennen gelernt haben, einem beinahe so starken Getränk wie Schnaps, das die Hochländer von Malz bereiten und verdünnt in großer Menge genießen. Ein zerbrochenes Glas mit einem hölzernen Fuße diente als gemeinschaftliches Trinkgeschirr und machte sehr schnell unter ihnen die Runde. Sie sprachen laut, und eifrig, bald Gälisch, bald Englisch. Ein andrer Hochländer, in seinen Plaid gehüllt, lag auf dem Boden, mit dem Kopf auf einem Strohbündel, das auf einem Stein lag, und schlief, oder schien zu schlafen, ohne zu beachten, was um ihn her vorging. Er schien gleichfalls ein Fremder zu sein, denn er war völlig angezogen und mit Schwert und Tartsche gerüstet, den gewöhnlichen Waffen der Hochländer, wenn sie auf der Reise sind.
Wir traten so still herein, und die Zecher waren so eifrig in ihr Gespräch vertieft, daß wir einige Minuten ihrer Aufmerksamkeit entgingen. Ich bemerkte jedoch, daß der Hochländer, welcher unweit des Feuers lag, sich bei unserm Eintritte auf den Ellbogen stützte, mit seinem Plaid den untern Teil seines Gesichts verhüllte und uns einige Augenblicke ansah, worauf er wieder seine liegende Stellung annahm und zu schlafen schien.
Wir näherten uns dem Feuer, das uns, nach dem späten Ritte in einer kalten Herbstnacht, wohlig anmutete, und erregten zuerst die Aufmerksamkeit der anwesenden Gäste, indem wir die Wirtin riefen. Sie näherte sich, blickte zweifelnd und furchtsam bald auf uns, bald auf die andern, und gab unbestimmte Antwort auf unser Verlangen nach einer Mahlzeit. Sie wisse nicht, sprach sie, ob etwas im Hause sei – wenigstens etwas für unsern Geschmack.
Ich versicherte, daß wir mit allem zufrieden seien, was da sei, und nachdem ich mich, aber vergeblich, umgesehen hatte, ob sich nicht irgendwo was zum Hinsetzen fände, machte ich eine alte Hühnerstiege für Jarvie zurecht und kehrte einen zerbrochenen Zuber für mich selbst um. Andreas trat gleich nachher herein, und stellte sich schweigend hinter uns. Die Eingeborenen, wie ich sie nennen kann, starrten uns fortwährend an, als wenn unsre Zuversicht sie verlegen machte, und wir, wenigstens ich, suchten, so gut wir konnten, unter dem Anschein von Gleichgültigkeit unsre heimliche Besorgnis zu verbergen.
Endlich wandte sich der kleinere Hochländer zu mir und sprach in stolzem Tone und in gutem Englisch: »Ihr tut ja ganz, als wenn Ihr hier zu Hause wäret, Herr.«
»Das ist so meine Art, wenn ich in ein öffentliches Wirtshaus komme,« lautete meine Antwort.
»Habt Ihr nicht an dem weißen Stabe vor der Tür gesehen, daß andre Leute das Haus schon für sich in Beschlag genommen hatten?« fragte der lange Hochländer.
»Ich maße mir nicht an, die Sitten dieses Landes zu kennen,« erwiderte ich; »aber ich möchte wissen, wie drei Menschen berechtigt sein könnten, alle andern Reisenden von dem einzigen Orte zu Obdach und Erfrischung auszuschließen, den es meilenweit in der Runde gibt.«
»Es ist kein Grund dafür da, Ihr Herren,« sprach Jarvie. »Wir wollen niemand beleidigen – aber es ist weder ein Gesetz noch ein Grund dafür. Aber wenn eine Kanne guter Branntwein den Streit ausmachen könnte, wir sind friedliche Leute und wollten gern –«
»Verdammt wär Euer Branntwein, Herr!« sprach der Niederländer und setzte seinen großen Hut grimmig aufs Haupt. »Wir sehnen uns weder nach Eurer Gesellschaft, noch nach Eurem Branntwein.« – Er stand von seinem Sitze auf; seine Gefährten erhoben sich gleichfalls, murmelten gegen einander, zogen ihre Plaids herauf und schnaubten, wie es ihrer Landsleute Sitte ist, wenn sie sich in Leidenschaft hineinarbeiten.
»Ich hab Euch gesagt, was kommen wird,« sprach die Wirtin, »und Ihr wolltet nicht hören. Fort mit Euch aus meinem Hause, und macht keine Störung hier! – Müßige Engländer wollen hier bei Nacht und Nebel herumziehen, und ehrbare, friedsame Leute stören, die ihr Gläschen beim Feuer trinken!«
Ein Kampf schien unvermeidlich. Empört über die Ungastlichkeit, wie man mich behandelte, sprang ich auf, da ich die andern aufstehen sah, und schlug meinen Mantel zurück, um zur Verteidigung bereit zu sein.
»Wir sind drei gegen drei,« sprach der kleinere Hochländer, seine Blicke auf uns werfend »Wenn Ihr wackre Männer seid, so zieht.« – Er entblößte sein Schwert und trat auf mich zu. Ich stellte mich zur Verteidigung, und auf die Ueberlegenheit meiner Waffe vertrauend, fürchtete ich wenig den Ausgang des Kampfes. Jarvie betrug sich mit unerwarteter Herzhaftigkeit. Als er den riesenhaften Hochländer vor sich sah, zog er einige Male an seiner Klinge; da er aber fand, daß sie, verrostet und lange ungebraucht, nicht aus der Scheide ging, ergriff er das glühende Pflugmesser, das man statt eines Schüreisens beim Feuer gebraucht hatte, und schwang es mit solchem Erfolge, daß er sogleich des Hochländers Plaid in Flammen setzte und ihn nötigte, sich zurückzuziehen, bis sie gelöscht waren. Dagegen war Andreas, der es mit dem Niederländer hätte ausnehmen sollen, gleich beim Anfange des Streits verschwunden. »Ehrlich Spiel! Ehrlich Spiel!« rief sein Gegner und schien willens, keinen Teil an dem entbrannten Streite zu nehmen. Wir waren also, was die Zahl betraf, gleich. Meine Absicht war, meinen Gegner womöglich zu entwaffnen, aber ich konnte ihm nicht nahe kommen, aus Furcht vor seinem Dolche, den er in der Linken hielt, um die Stöße meines Degens abzuwehren. Indessen war Jarvie, ungeachtet seines Erfolges im ersten Gange, hart bedrängt. Das Gewicht seiner Wehr, die Wohlbeleibtheit seiner Person und die Aufwallung seiner Leidenschaft raubten ihm bald Kraft und Atem, und er war nahe daran, seinem Gegner zu erliegen, als der Schläfer von der Erde aufsprang und, das entblößte Schwert und die Tartsche in der Hand, sich zwischen die Kämpfenden warf: »Hab mein Brot in Glasgow gegessen,« rief er, »und meiner Treu', ich fechte für Stadtvogt Jarvie, – das will ich!« Seine Worte mit der Tat unterstützend, ließ dieser unerwartete Helfer sein Schwert um die Ohren seines großen Landsmanns pfeifen, der unverzagt seine Streiche mit Zinsen zurückgab. Da aber beide runde hölzerne Schilde hatten, mit Leder überzogen und Erz beschlagen, womit sie behend die gegenseitigen Streiche auffingen, war ihr Gefecht mit weit mehr Lärm als wirklicher Gefahr verbunden. Es schien in der Tat mehr auf Prahlerei abgesehen, als auf einen Versuch, jemand zu verletzen, denn der Niederländer, der aus Mangel eines Gegners untätig gestanden hatte, übernahm es jetzt, den Friedensstifter zu machen.
»Halt ein! Halt ein!« rief er. »Genug getan! Genug! 's ist kein Kampf auf Leben und Tod. Die fremden Herren haben sich als Ehrenmänner gezeigt und geziemende Genugtuung gegeben. Ich halte auf Ehre so viel, wie jeder andre, aber ich hasse unnützes Blutvergießen.«
Ich wünschte natürlich nicht, den Streit fortzusetzen; mein Gegner schien gleichfalls geneigt, das Schwert einzustecken; Jarvie, nach Atem schnappend, war als überwunden zu betrachten, und unsre beiden Schwert- und Schildmänner gaben ihr Gefecht so gleichgültig auf, als sie es angefangen hatten.
»Und nun,« sprach der würdige Mann, der den Friedensstifter gemacht hatte, »laßt uns trinken und uns vertragen als ehrliche Kerle. Das Haus ist groß genug für alle. Ich schlage vor, daß dieser gute kleine Herr, der sehr mitgenommen scheint, einen Becher voll Branntwein holen läßt, und ich bezahle einen andern, und dann vertrinken wir unsre Kreuzer als Brüder.«
»Und wer bezahlt mir meinen neuen, schönen Plaid?« sprach der lange Hochländer. »Es ist ein Loch 'nein gebrannt, so groß, daß man eine Hand durchstecken kann. Hat man noch je einen anständigen Mann mit einem Feuerbrande fechten sehen?«
»Laßt Euch das nicht bekümmern,« sprach Jarvie, der jetzt wieder zu Atem gekommen war. »Hab ich die Wunde gemacht, werd' ich auch das Pflaster dafür finden. Ihr sollt einen neuen Plaid haben, und zwar den besten von den Farben Eures Clans. Sagt mir, wohin ichs Euch schicken soll von Glasgow.«
»Ich brauche meinen Clan nicht zu nennen – ich bin vom Königs-Clan, der wohl bekannt ist,« antwortete der Hochländer. »Aber Ihr könnt ein Stück vom Plaid nehmen und das Muster davon sehen. Ein Vetter von mir soll zum Martinsfest danach fragen, wenn Ihr sagt, wo Ihr wohnt. Aber, wackrer Herr, wenn Ihr zunächst wieder fechtet und Euren Gegner nur etwas achtet, so nehmt Euer Schwert, weil Ihr eins traget, und nicht Pflugeisen und Feuerbrände wie ein wilder Indianer.«
»Wahrhaftig!« erwiderte Jarvie, »ein jeder muß tun, was er kann. Mein Schwert ist nicht wieder ans Tageslicht gekommen seit dem Gefecht an der Bothwell-Brücke, wo mein Vater es führte, und ich weiß nicht einmal gewiß, obs auch da herauskam, denn die Schlacht war eine der kürzesten. Auf jeden Fall ists jetzt so in die Scheide gerostet, daß ichs nicht davon trennen kann, und als ich das merkte, ergriff ich das erste beste, was mir zur Verteidigung helfen konnte. Aus dem Alter, in welchem man fechtet und fechten kann, bin ich heraus, immerhin laß ich mich nicht gern schimpfen. – Doch wo ist der wackre Bursche, der so tapfer meinen Streit übernahm?«
Der Held, nachdem er sich umsah, war indes nicht mehr zu sehen. Er hatte sich gleich nach dem Ende des Gefechtes entfernt, und doch hatte ich an seinen wilden Zügen und den struppigen roten Haaren unsern Bekannten Dougal, den Gefängnisschließer, wiedererkannt. Ich teilte diese Bemerkung leise dem Stadtvogt mit, der in demselben Tone antwortete: »Gut, gut, ich sehe, der bewußte Mann hat recht. Dieser Dougal hat einen Schimmer von gesundem Menschenverstand. Ich muß darauf denken, wie ich ihm etwas Gutes erzeigen kann.«
Mit diesen Worten setzte er sich nieder, holte einigemal tief Atem und sprach zu der herbeigerufenen Wirtin: »Da ich finde, daß mein Leib kein Loch gekriegt hat, was in Eurem Hause wohl zu fürchten war, halt ichs fürs beste, etwas hinein zu füllen.«
Die Wirtin, die sich, sobald der Sturm vorüber war, dienstfertig zeigte, unternahm es sogleich, uns ein schmackhaftes Abendbrot von Wildbretschnitten herzurichten; sie ließ Branntwein auf den Tisch setzen, den auch die Hochländer, trotz ihrer Vorliebe für ihre starken, einheimischen Getränke, nicht verschmähten, und nachdem der erste Becher herumgegangen war, fragte der niederländische Herr nach unserm Stand und dem Zweck unsrer Reise.
»Wir sind Leute aus Glasgow, Euch aufzuwarten,« sprach Jarvie mit dem Anschein großer Demut, »und reisen nach Stirling, um etwas Geld einzufordern, das man uns schuldig ist.«
Der Sprecher von der andern Partei versetzte höhnisch:
»Ihr Handelsleute aus Glasgow habt nichts anders zu tun, als daß Ihr West-Schottland von einem Ende zum andern durchzieht und ehrliche Leute plagt, die zufällig nichts in den Händen haben, wie ich.«
»Wenn unsre Schuldner so ehrliche Männer wären, als zu denen ich Euch rechne, Herr Garschattachin,« entgegnete Jarvie, »wahrhaftig! so könnten wir uns die Müh' ersparen, denn sie würden kommen und uns aufsuchen.«
»Ei! Was! Wie!« rief die Person, an die diese Worte gerichtet. »So wahr ich lebe, es ist mein alter Freund Niklas Jarvie, der beste Mann, der je einem bedrängten Menschen Geld geliehen. Kommt Ihr vielleicht zur mir?«
»Meiner Treu', nein, Herr Galbraith,« versetzte Jarvie. »Ich hatt' etwas andres auf dem Rohre – ich dachte wohl, Ihr würdet sagen, ich käme wegen des verfallenen Jahreszinses der kleinen erblichen Verschreibung zwischen uns?«
»Verdammt die jährlichen Zinsen!« rief der Laird, so recht vom Herzen. – »Nicht ein Wort von Geschäften zwischen uns, da Ihr so nah an seiner Heimat seid. – Wie ein Reitkleid einen Mann doch entstellen kann – daß ich meinen alten teuren Freund, den Vorsteher, nicht wiedererkannte!«
»Stadtvogt, wenn's Euch beliebt,« entgegnete mein Gefährte. »Aber ich sehe, woher der Irrtum kommt; die Verschreibung ward bei meines seligen Vaters Lebzeiten gegeben, und der war Vorsteher; aber er hieß Niklas wie ich. So viel ich mich besinne, ward zu meiner Zeit keine Zahlung gemacht, und daher entstand ohne Zweifel das Mißverständnis.«
»Hol der Teufel das Mißverständnis, und was es veranlaßte!« versetzte Galbraith. »Aber ich bin erfreut, daß Ihr Stadtvogt seid. Füllt das Glas, Ihr Herren! – Aufs Wohl meines vortrefflichen Freundes, des Stadtvogts Niklas Jarvie! – Ich kannte ihn und seinen Vater seit zwanzig Jahren. – Füllt noch eins! – Dem baldigen Lord Provost Niklas Jarvie! – Und wer sagt, daß jemand in Glasgow besser dazu tauge, der hats mit mir zu tun!« Mit diesen Worten rückte Duncan Galbraith trotzig den Hut auf die eine Seite.
Der Branntwein war vermutlich bei den Hochländern die beste Empfehlung, denn sie fingen mit Galbraith Gälisch zu reden an, das er sehr geläufig sprach, da er, wie ich nachher erfuhr, in der Nähe vom Hochlande seinen Wohnsitz hatte.
»Ich hab den Burschen von Anfang an recht gut gekannt,« flüsterte Jarvie mir zu; »aber wer weiß, wie's ihm eingefallen wäre, seine Schulden zu bezahlen, als wir die Schwerter zogen. Ehe er, was er bei heißem Blut schnell getan hätte, im gewöhnlichen Wege tun wird, mag geraume Zeit vergehen; er kommt nicht oft nach Glasgow, aber manches Reh und Birkhuhn schickt er uns aus dem Gebirge. Mein Vater hegte für die Familie Garschattachin große Achtung.«
Da das Abendessen nun ziemlich fertig war, sah ich mich nach Andreas um; aber dieser getreue Diener war, seit der Zwist begonnen hatte, von niemand gesehen worden. Die Wirtin meinte indes, unser Diener sei in den Stall gegangen, und erbot sich, mir dorthin zu leuchten; aber zu dieser Stunde selbst in den Stall zu gehen, dazu könne sie niemand bringen, denn es hause ein Kobold darin, und darum könne sie auch keinen Stallknecht halten.
Als sie mir jedoch zu dem armseligen Schuppen leuchtete, wo unsre Pferde grobes Heu schmausten, kam es zu Tage, daß sie mich aus andrer Absicht von der Gesellschaft entfernt hatte. »Da, lest!« sprach sie, als wir vor dem Stall standen, und schob mir ein Blatt Papier in die Hand. »Gott sei Dank, daß ichs los bin! Zwischen Soldaten, Sachsen und Viehdieben ist jede ehrliche Frau besser daran, wenn sie in der Hölle lebt, als an der hochländischen Grenze.«
Mit diesen Worten gab sie mir die Kienfackel in die Hand und ging ins Haus zurück.