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Achtes Kapitel.

Narr. Ihr habt da Hausirer bei Euch, Schwester,
in denen mehr steckt, als Ihr denkt.

Wintermärchen.

Voll ängstlicher Sorge, den Befehlen des Grafen in Betreff der Geheimhaltung seines Verhältnisses nachzukommen, sowie auch seiner eigenen Ungeselligkeit wegen, war Anton Foster mehr darauf eingerichtet, der Beobachtung zu entgehen, als die Zudringlichkeit der Neugierde abzuwehren. Anstatt eine zahlreiche Dienerschaft zu halten, um den ihm anvertrauten Schatz zu bewahren und sein Haus zu vertheidigen, war er allein darauf bedacht, durch eine möglichst geringe Zahl von Dienstboten der Aufmerksamkeit zu entgehen, so daß, wenn nicht etwa der Graf oder Varney mit Dienerschaft anwesend war, ein alter Diener und zwei alte Weiber, die der Gräfin Zimmer in Ordnung halten mußten, die einzigen Domestiken waren. Eins dieser alten Weiber öffnete Wayland die Thüre, als er klopfte und beantwortete seine Bitte, daß es ihm erlaubt sein möge, den Damen des Hauses seine Waaren vorlegen zu dürfen, mit einem Strome von Scheltworten. Dem Hausirer gelang es aber, ihre Beredtsamkeit dadurch zum Schweigen zu bringen, daß er ihr ein Silberstück in die Hand steckte und ihr Zeug zu einer Haube versprach, wenn die Dame von seinen Waaren kaufen würde.

»Gott vergelt's Dir,« sagte sie, »von der meinigen hängen die Fetzen herab. Fort in den Garten mit Deinem Pack, mein Freund – sie ist im Garten.« – Mit diesen Worten führte sie den Hausirer in den Garten, zeigte auf ein altes verfallenes Gartenhaus und sagte: »dort ist sie – dort ist sie! sie wird kaufen, denn sie liebt dergleichen Kram.«

»Sie überläßt es mir, so gut davon zu kommen, wie ich kann,« sagte Wayland, als er hörte, wie die alte Hexe die Gartenthür hinter ihm zumachte. »Doch sie werden mich nicht schlagen und morden wegen dieses kleinen Vergehens, und überdies ist es beinahe Dämmerlicht. – Muth gefaßt – ein tapferer General denkt nicht eher an den Rückzug, als bis er geschlagen ist. Ich sehe zwei Frauenzimmer in dem alten Gartenhause dort – aber wie rede ich sie an? – Halt – William Shakspeare sei mein Freund in der Noth. Ich will ihnen eine Probe vom Autolycus geben.« Dann sang er mit guter Stimme und gehöriger Dreistigkeit das bekannte Volkslied:

»Schleierleinwand, weiß wie Schnee,
Trauerflor, schwarz wie die Kräh',
Handschuh', weich wie Seidenhasen,
Masken für Gesicht und Nasen.«

»Welch' ungewöhnliche Erscheinung sendet uns das Glück heute, Jeannette?« sagte die Dame.

»Einen von den Kaufleuten für die Eitelkeit, Hausirer genannt,« antwortete Jeannette ernsthaft, »welcher seine kurzen Waaren mit noch kürzeren Ellen verkauft. – Es wundert mich, daß die alte Dorcas ihn einließ.«

»Es trifft sich glücklich, liebes Mädchen,« sagte die Gräfin, »wir führen hier ein trauriges Leben, und dies kann uns eine langweilige Stunde verkürzen.«

»Ja, gnädige Frau,« sagte Jeannette; »aber mein Vater?«

»Er ist nicht mein Vater, Jeannette, und, wie ich hoffe, auch nicht mein Herr,« antwortete die Dame, – »ich sage, rufe den Mann hieher – ich bedarf einiger Sachen.«

»Ihre Herrlichkeit dürfen ja nur befehlen,« versetzte Jeannette, »und wenn England es zu liefern vermag, so habt Ihr es mit der nächsten Sendung. Es wird Unheil daraus entstehen. Ich bitte Euch, theuerste Lady, laßt mich den Mann fortschicken!«

»Ich gebiete Dir, ihn hieher kommen zu lassen,« sagte die Gräfin – »oder bleib, Du furchtsame Närrin, ich will ihn selber rufen und Dir einen Verweis ersparen.«

»Ach, theuerste Lady, wenn das Alles wäre,« sagte Jeannette traurig, indem die Dame dem Hausirer zurief: »Komm her, guter Mann – öffne Deinen Pack, und wenn Du gute Waaren hast, so hat der Zufall Dich zu meiner Bequemlichkeit und zu Deinem Vortheil hiehergeführt.«

»Was steht zu Ihrer Herrlichkeit Befehl?« fragte Wayland, indem er seinen Pack abnahm und den Inhalt desselben mit solcher Geschicklichkeit auskramte, als wäre er in dem Geschäfte erzogen. Wirklich hatte er dasselbe im Verlaufe seines abenteuerlichen Lebens zuweilen getrieben und empfahl seine Waare jetzt mit aller Gewandtheit eines Krämers und zeigte im Ansatze der Preise seine hauptsächlichste Kunst.

»Was mir zu Befehl steht?« sagte die Dame. »Wenn ich bedenke, daß ich in sechs langen Monaten keine einzige Elle Leinwand, oder Cambrik, oder sonst die geringste Kleinigkeit zu meinem eigenen Gebrauche nach eigener Wahl gekauft habe, so dürfte die Frage passender sein: was hast Du zu verkaufen? Lege diesen Kragen von Kammertuch und dieses Paar Aermel – diese goldenen Franzen – diesen Creppflor und dieses Mäntelchen von kirschrothem Zeuge mit goldenen Knöpfen und Schnüren für mich bei Seite. Ist dies nicht sehr geschmackvoll, Jeannette?«

»Nun, Mylady,« versetzte Jeannette, »wenn Ihr mein geringes Urtheil befragt, so dünkt mich, daß er für einen geschmackvollen Anzug zu überladen ist.«

»Fort mit Deinem Urtheil, wenn es nicht richtiger ist,« erwiderte die Gräfin; »Du sollst es selber zur Strafe tragen, und ich stehe Dir dafür, die massiv goldenen Knöpfe werden Deinen Vater beruhigen und ihn mit dem kirschrothen Zeuge versöhnen. Gib nur Acht, daß er sie Dir nicht wegschnappt, um sie zu den Engelsthalern zu gesellen, die in seinem eisernen Kasten gefangen liegen.«

»Darf ich Euch bitten, Mylady, meinem armen Vater diesen Verdruß zu ersparen?« sagte Jeannette.

»Warum sollte man ihm Etwas ersparen, da sein ganzes Leben und Treiben nichts als Sparen ist?« sagte die Dame. – »Aber nun wieder zu unserm Geschäft – diese Garnitur und die silberne mit Perlen eingefaßte Haarnadel für mich. Nimm Du zwei Kleider von diesem braunen Zeuge für Dorcas und Elsbeth, Jeannette, damit die alten Frauen nicht erfrieren, wenn der Winter herankommt. – Aber, halt, hast Du keine wohlriechenden Wasser und Pomaden?«

»Wäre ich im Ernst ein Hausirer, so wäre ich ein gemachter Mensch,« dachte Wayland, indem er bemüht war, die Fragen zu beantworten, welche die junge Dame, die lange einer so angenehmen Beschäftigung beraubt gewesen war, ihm mit Heftigkeit schnell nach einander vorlegte. »Wie soll ich sie aber auf einen Augenblick zu etwas Ernsthaftem bringen?« – Als er dann seinen ausgesuchten Vorrath von Essenzen und Wohlgerüchen auskramte, suchte er ihre Aufmerksamkeit durch die Bemerkung zu fesseln, daß viele Gegenstände um das Doppelte im Preise gestiegen seien, seit den prachtvollen Vorbereitungen, die der Graf von Leicester mache, um die Königin und ihren Hof auf seinem fürstlichen Schlosse Kenilworth zu bewirthen.

»Ha!« sagte die Gräfin hastig; »so ist also jenes Gerücht wahr, Jeannette!«

»Allerdings, Madame,« antwortete Wayland; »und es wundert mich, daß es Ihrer Herrlichkeit Ohren noch nicht erreicht hat. Die Königin von England wird auf ihrer Sommerreise eine Woche lang auf dem Schlosse des edlen Grafen verweilen, und es gibt Leute, welche behaupten wollen, daß England einen König und Englands Elisabeth, Gott schütze sie! einen Gemahl erhalten werde, ehe noch die Festlichkeiten zu Ende sind.«

»Das lügen sie wie Schurken!« rief die Gräfin mit Ungeduld auffahrend.

»Um Gotteswillen! gnädige Frau, bedenkt,« fiel Jeannette vor Furcht erbebend ein, »wer wird sich auch an das Geschwätz eines Hausirers kehren!«

»Ja, Jeannette, Du hast mich mit Recht getadelt!« rief die Gräfin. »Dergleichen Gerüchte, die den Ruf von Englands trefflichstem und edelstem Pair benachtheiligen, können nur unter den niedrigsten und verworfensten Leuten Glauben finden.«

»So wahr ich lebe, Mylady,« sagte Schmied Wayland, als er bemerkte, daß ihre Heftigkeit gegen ihn gerichtet sei, »ich habe Euren Zorn nicht verschuldet – ich wiederholte nur, was ich von vielen Leuten hörte.«

Inzwischen hatte sich die Gräfin wieder gefaßt, und bemühte sich, durch Jeannettens ängstliche Winke beunruhigt, jeden Anschein von Mißvergnügen zu unterdrücken. »Es verdroß mich nur,« sagte sie, »daß unsere Königin ihren jungfräulichen Stand verändern sollte, der ihrem Volke so theuer ist – denke nicht weiter daran.« Dann setzte sie hinzu, als wünsche sie das Gespräch auf einen andern Gegenstand zu lenken: »Und was ist denn dies für eine Spezerei, die so sorgfältig in dieser silbernen Büchse verwahrt ist?«

Bei diesen Worten untersuchte sie den Inhalt eines Kästchens, welches Spezereien und Wohlgerüche in abgetheilten Fächern enthielt.

»Dies ist ein Mittel gegen eine Krankheit, über die sich Ihre Gnaden wohl nie zu beklagen haben werden. Täglich so viel, wie eine Bohne groß, eine Woche lang davon eingenommen, bewahrt das Herz vor jenen schwarzen Dünsten, welche Einsamkeit, Trübsinn, unerwiderte Liebe und vereitelte Hoffnungen herbeiführen –«

»Seid Ihr ein Narr, Freund?« sagte die Gräfin in scharfem Tone, »oder glaubt Ihr, weil ich Euch gutwillig Euren Kram da um übertriebene Preise abgekauft habe, daß Ihr mir dergleichen aufschwatzen könnt? Wer hörte je, daß Krankheiten des Herzens durch Arzneien geheilt wurden, die man dem Körper eingab?«

»Mit Eurer gnädigsten Erlaubnis,« sagte Wayland, »ich bin ein ehrlicher Mann und habe Euch meine Waaren zu rechtschaffenen Preisen verkauft. Als ich die Eigenschaft dieser kostbaren Arznei rühmte, bat ich Euch nicht, sie zu kaufen; warum sollte ich Euch daher Etwas vorlügen? Ich sage nicht, daß sie ein eingewurzeltes Seelenleiden zu heilen vermag, was allein Gott und die Zeit vollbringen können, doch vertreibt sie die bösen Dünste, welche durch Trübsinn des Herzens dem Körper zugeführt werden. Ich habe schon Manchem bei Hofe und auf dem Lande damit geholfen, und noch kürzlich erst einem würdigen Edelmanne aus Cornwall, Herrn Edmund Tressilian, der, wie man mir sagte, durch getäuschte Liebe in eine solche Schwermuth verfiel, daß seine Freunde für sein Leben besorgt waren.«

Hier hielt er inne, und auch die Gräfin schwieg einen Augenblick; dann fragte sie mit einer Stimme, der sie vergebens einen festen und gleichgültigen Ton zu geben bemüht war: »Ist der Herr, dessen Ihr erwähnt, vollkommen wieder hergestellt?«

»So ziemlich, Madame,« antwortete Wayland; »er fühlt wenigstens keine körperlichen Leiden mehr.«

»Ich will Etwas von der Arznei nehmen, Jeannette,« sagte die Gräfin. »Auch ich leide zuweilen an jener düstern Schwermuth, die das Gehirn umwölkt.«

»Thut das nicht, gnädige Frau,« sagte Jeannette, »wer steht Euch dafür, daß dieser Mensch Euch etwas Heilsames verkauft?«

»Ich selber stehe Euch dafür,« sagte Wayland, nahm einen Theil der Arznei und verschluckte sie in ihrer Gegenwart. Dann kaufte die Gräfin das Uebrige und Jeannettens fernere Einwürfe dienten nur dazu, sie noch mehr in ihrem Vorsatze zu bestärken. Sie nahm dann augenblicklich die erste Dosis ein und behauptete, ihr Herz erleichtert und ihre Lebensgeister mehr aufgeregt zu fühlen, was wahrscheinlich nur in ihrer Einbildung lag. Dann warf die Dame alles Eingekaufte auf einen Haufen, reichte Jeannetten ihre Börse hin, befahl ihr, den Betrag zusammen zu rechnen und den Hausirer zu bezahlen, während sie selber eine Unterhaltung vermied, die ihr Anfangs Vergnügen verursacht hatte, dem Handelsmanne einen guten Abend wünschte, sorglos in's Haus zurückkehrte und so Wayland alle Gelegenheit nahm, insgeheim mit ihr zu reden. Er beeilte sich daher, wenigstens mit Jeannetten eine Erklärung herbeizuführen.

»Mädchen,« sagte er, »nach Deinem Gesichte zu schließen, bist Du Deiner Gebieterin treu ergeben. Sie bedarf gar sehr des treuen Dienstes.«

»Und verdient denselben auch von mir,« erwiderte Jeannette; »aber wozu das?«

»Mädchen, ich bin nicht ganz, was ich zu sein scheine,« sagte der Hausirer mit leiserer Stimme.

»Um so weniger seid Ihr ein ehrlicher Mann,« sagte Jeannette.

»Um so mehr, da ich kein Hausirer bin,« antwortete Wayland.

»Geht im Augenblick, oder ich rufe um Hülfe,« sagte Jeannette; »mein Vater muß jetzt zurück sein.«

»Sei nicht so rasch,« sagte Wayland, »Du würdest es bereuen. Ich bin einer von den Freunden Deiner Gebieterin; sie bedarf deren mehr, darum richte die nicht zu Grunde, welche sie hat.«

»Wie soll ich das wissen?« fragte Jeannette.

»Sieh' mir in's Gesicht,« entgegnete Schmied Wayland, »ob nicht Ehrlichkeit in meinen Zügen zu lesen ist.«

Und wirklich trug auch sein, obgleich keineswegs schönes, Gesicht den Ausdruck eines scharfsinnigen und erfinderischen Geistes und schneller Fassungskraft, der, verbunden mit lebhaften funkelnden Augen, einem wohlgeformten Munde und einem bedeutungsvollen Lächeln, Zügen oft Anmuth und Interesse verleiht, die an sich gewöhnlich und unregelmäßig sind. Jeannette blickte ihn mit der schlauen Einfalt ihrer Secte an, und sagte: »Ungeachtet Deiner gerühmten Ehrlichkeit, Freund, und obgleich ich mich nicht darauf verstehe, solche Schriftzüge zu enträthseln, wie Du mir da vorlegst, so glaube ich doch in Deinem Gesichte Etwas von einem Hausirer und einem Schelm zu lesen.«

»Genau genommen, magst Du wohl Recht haben,« sagte Schmied Wayland lachend. »Aber höre – diesen Abend noch, oder morgen früh wird ein alter Mann mit Deinem Vater hieherkommen, der den schleichenden Gang der Katze, den verschlagenen heimtückischen Blick der Ratte, das einschmeichelnde Wesen des Wachtelhundes und den entschlossenen Angriff des Bullenbeißers hat – vor diesem nimm Dich in Acht, um Deiner und Deiner Gebieterin willen. Sieh, schöne Jeannette, er verbirgt das Gift der Natter unter der scheinbaren Unschuld der Taube. Welches Unheil er gegen Euch vorhat, kann ich freilich nicht errathen; doch Tod und Verderben sind ihm noch immer auf dem Fuße gefolgt. Sage nichts davon zu Deiner Gebieterin – meine Kunst lehrt mich, daß in diesem Falle die Furcht vor dem Uebel eben so gefährlich werden kann, als wenn es wirklich eintritt. – Aber sieh darauf, daß sie mein Mittel anwendet« – hier dämpfte er seine Stimme und sagte ihr leise aber nachdrücklich in's Ohr – »es ist ein Gegengift. – Aber horch, man kommt in den Garten.«

Wirklich hörte man auch in der Nähe des Gartenthores lautes Reden und lärmende Fröhlichkeit. Dadurch erschreckt, sprang Wayland plötzlich in ein dichtes Gebüsch, während Jeannette in das Gartenhaus eilte, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und wenigstens für den Augenblick die von dem vorgeblichen Hausirer gekauften Sachen zu verbergen, die noch zum Theil zerstreut in dem Sommerhause umherlagen.

Jeannette hatte indeß keine Ursache, besorgt zu sein. Ihr Vater, sein alter Knecht und Lord Leicesters Bedienter nebst dem Astrologen traten in den Garten, und waren bemüht, Lambourne zu beruhigen, dessen Gehirn jetzt von dem Getränk gänzlich entflammt war, und der zu den unglücklichen Personen gehörte, die, wenn sie einmal vom Weingeiste ergriffen sind, nicht sogleich, wie andere Trunkenbolde, in Schlaf verfallen, sondern noch mehrere Stunden den Wirkungen desselben preisgegeben sind und durch fortgesetztes Trinken endlich in einen dem Wahnsinn ähnlichen Zustand gerathen. Gleich vielen Betrunkenen dieser Art hatte Lambourne weder die Macht, sich zu bewegen, noch zu sprechen verloren; im Gegentheile sprach er mit ungewöhnlichem Nachdruck und Redefluß und erzählte Alles, was er zu jeder andern Zeit mit der größten Sorgfalt würde verschwiegen haben.

»Wie!« rief Michel mit der vollen Kraft seiner Stimme, »ich sollte keinen Willkomm – kein Saufgelag haben, da ich doch Eurem verfallenen Hundeloche Glück gebracht habe, in der Person eines Verbündeten des Satans, der Schieferstücke in spanische Thaler verwandeln kann? – Hier, Tony Feuerbrand, Papist, Puritaner, Heuchler, Geizhals, Lasterbube, Teufel, Du Ausbund aller Sünder, beuge Dich nieder vor dem, der Deinem Hause den Mammon gebracht hat, den Du anbetest.«

»Um Gotteswillen, sprich leise,« sagte Foster, »komm in's Haus – »Du sollst Wein haben und Alles, was Du begehrst.«

»Nein, alter Hundsfott, ich will ihn hier haben,« donnerte der betrunkene Raufbold – »hier, al fresco, wie der Italiener sagt. – Nein, nein, ich will nicht mit dem giftmischenden Teufel hinter verschlossenen Thüren trinken, will nicht vom Dunste des Arsenik und Quecksilber ersticken; ich lernte von dem Schurken Varney, mich davor in Acht zu nehmen.«

»So bringt ihm doch Wein im Namen aller Teufel!« sagte der Alchymist.

»Aha! und Du willst ihn für mich würzen, Du alte ehrliche Haut, nicht wahr? Ja, Grünspahn, Nießwurz, Vitriol, Scheidewasser und zwanzig andere Höllendinge sollten in meinem Gehirn kochen, wie das Zaubermittel im Hexenkessel, um den Teufel heraufzubeschwören. Nein, nein, reiche mir die Flasche selber, alter Tony Feuerbrand – aber kalten Wein – ich will keinen, der bei dem Scheiterhaufen der alten verbrannten Bischöfe geglüht ist. Aber halt – laßt Leicester König sein – gut – und Varney, den schändlichen Varney Großvezier – ei vortrefflich – und was soll ich dann sein? – Nun Kaiser – Kaiser Lambourne! – Ich will diesen Ausbund von Schönheit sehen, den sie hier zu ihrem Privatvergnügen im Käfig halten. – Sie soll mir noch diesen Abend den Weinbecher reichen, und mir die Nachtmütze aufsetzen. Was thut ein Mann mit zwei Weibern, und wäre er zwanzig Mal ein Graf? – Beantworte mir das, Tony, mein Junge, Du verdammter heuchlerischer Hund, den Gott aus dem Buche des Lebens strich, und mit dem beständigen Wunsche peinigt, wieder eingeschrieben zu werden, – Du alte Bischofsfackel, gotteslästerlicher Fanatiker, gib mir Antwort!«

»Ich will ihm mein Messer bis an's Heft in den Leib stoßen,« sprach Foster in leisem, vor Zorn bebendem Tone.

»Um des Himmels Willen, keine Gewaltthätigkeit!« rief der Astrolog. »Es muß dergleichen auf's Geheimste behandelt werden. – Hier, ehrlicher Lambourne, willst Du mir auf die Gesundheit des edlen Grafen von Leicester und des Herrn Richard Varney Bescheid thun?«

»Ja, das will ich, alter Hexenmeister – das will ich, Du alter Rattengiftverkäufer – ich möchte Dich küssen, wenn Du nicht so verdammt nach Schwefel und dem verteufelten Apothekerzeuge stänkest. – Nun gut, es gilt – auf's Wohl von Varney und Leicester, – zwei hochfliegender, tiefblickender, heimtückischer, ehrgeiziger Bösewichter – ich sage nichts weiter, aber ich will meinen Dolch auf dem Brustbein dessen wetzen, der mir nicht Bescheid thut! Und so, meine Herren –«

Mit diesen Worten stürzte Lambourne den ihm von dem Astrologen gereichten Becher hinunter, der aber keinen Wein, sondern starken Spiritus enthielt. Er stieß einen hellen Fluch aus, ließ den leeren Becher fallen, versuchte mit kraftloser Hand sein Schwert zu ziehen, taumelte, und fiel den beiden Dienern bewußtlos in die Arme, die ihn auf sein Zimmer trugen und zu Bette legten.

Bei der allgemeinen Verwirrung erreichte Jeannette unbemerkt das Zimmer ihrer Gebieterin. Sie zitterte wie Espenlaub, war aber entschlossen, der Gräfin den schrecklichen Argwohn zu verbergen, den die unbesonnenen Reden des betrunkenen Lambourne in ihr erweckt hatten. Obgleich sie nicht wußte, wohin sie ihre Furcht wenden sollte, so hielt dieselbe doch den Warnungen des Hausirers gleichen Schritt, und sie bestärkte ihre Gebieterin in dem Vorsatze, die ihr empfohlene Arznei zu gebrauchen, wovon sie ihr sonst wahrscheinlich würde abgerathen haben. Ebenso wenig waren Lambourne's Reden Waylands Ohren entgangen, der sie noch viel besser zu deuten wußte. Er empfand großes Mitleiden, ein so liebenswürdiges Wesen, wie die Gräfin, die er früher im Schooße des häuslichen Glückes angetroffen, nun als die Beute einer solchen Bande von Schurken zu sehen. Auch waren seine Leidenschaften sehr erregt, als er die Stimme seines alten Herrn vernahm, den er in gleichem Grade haßte und fürchtete. Er hegte auch einen gewissen Stolz auf seine eigene Kunst und seine Klugheit; und so gefährlich auch das Unternehmen war, faßte er doch noch in derselben Nacht den Entschluß, dem Geheimnisse auf den Grund zu kommen und wo möglich die unglückliche Dame zu retten. Aus einigen Worten, die Lambourne in der Trunkenheit entschlüpft waren, sah sich Wayland jetzt zum ersten Mal zu dem Zweifel veranlaßt, ob Varney auch wirklich bei seinen Bewerbungen um die Neigung dieses liebenswürdigen Wesens ganz auf eigene Hand gehandelt habe? Das Gerücht sagte überdieß, daß dieser treue Diener seinem Herrn schon bei früheren Liebschaften behülflich gewesen; und so kam Wayland zu dem Gedanken, ob nicht Leicester selber die Hauptperson bei der Sache sei. An ihre Verheirathung mit dem Grafen konnte er zwar nicht denken; doch selbst die Entdeckung einer vorübergehenden Liebschaft mit einer Dame von Emma Robsart's Rang, war schon an sich ein Geheimniß von der größten Wichtigkeit für die Dauer der Macht eines Günstlings bei Elisabeth. »Sollte Leicester Anstand nehmen, ein solches Gerücht durch außerordentliche Mittel zu unterdrücken,« sagte er zu sich selber, »so hat er Leute um sich, die ihm diesen Dienst leisten würden, ohne erst auf seine Zustimmung zu warten. Wenn ich mich in diese Sache mische, so muß es geschehen, wie mein alter Meister sein Satansmanna zu bereiten pflegt, mit einer dichten Maske vor dem Gesicht. Daher will ich morgen Giles Gosling verlassen und meinen Aufenthaltsort und meinen Weg so oft verändern, wie ein gejagter Fuchs. Ich möchte auch diese kleine Puritanerin noch einmal wiedersehen. Sie sieht fast zu hübsch und verständig aus, um von einem solchen Schurken, wie Anton Feuerbrand, abzustammen.«

Giles Gosling war mehr erfreut, als bekümmert über Waylands Abreise. Der ehrliche Gastwirth sah so viel Gefahr darin, die Wege von Graf Leicester's Günstling zu durchkreuzen, daß seine Tugend kaum im Stande war, ihn bei diesem Geschäft aufrecht zu erhalten, und es war ihm sehr lieb, als es schien, daß er desselben würde enthoben werden. Doch erklärte er sich willig und bereit, im Falle der Noth Herrn Tressilian, oder dessen Boten jeden Dienst zu leisten, der sich mit seinem Berufe als Gastwirth vertrage.



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