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Genommen ist die Richtung, spannt die Segel. –
Nun prüfe mit dem Senkblei noch den Grund –
Acht' auf das Steuerruder – manche Klippe
Und Sandbank ist an diesem steilen Strand,
Wo die Syrene sitzt, die gleich dem Ehrgeiz
Den Unerfahrnen in's Verderben lockt.
Der Schiffbruch.
Während des kurzen Zwischenraums der Entlassung der Audienz und der Sitzung des Staatsraths hatte Leicester Zeit zu überlegen, daß er an diesem Morgen sein Schicksal besiegelt habe. »Es ist jetzt unmöglich für mich,« dachte er, »nachdem ich in Gegenwart Alles dessen, was edel in England ist, die Wahrheit von Varney's Aussage, wenn gleich in zweideutigen Ausdrücken, verbürgt habe, dieselbe jetzt abzuleugnen, ohne mich nicht allein dem Verlust der Hofgunst, sondern auch dem höchsten Mißfallen der Königin, meiner betrogenen Gebieterin, sowie dem Spott und der Verachtung meines Nebenbuhlers und aller seiner Anhänger auszusetzen.« – Diese Gewißheit drängte sich plötzlich seinem Gemüthe mit all' den Schwierigkeiten auf, womit er nothwendig würde zu kämpfen haben, um ein Geheimniß zu bewahren, welches jetzt eben so nothwendig für seine Rettung, als für die Erhaltung seiner Macht und Ehre war. Er befand sich etwa in der Lage eines Mannes, der auf einer Eisfläche dahin geht, die im Begriffe ist, rings um ihn zu brechen, und der sich einzig dadurch retten kann, daß er mit festen Schritten unaufhaltsam vorwärts eilt. Die Gunst der Königin, welcher er so große Opfer gebracht hatte, mußte jetzt auf alle mögliche Weise gesichert werden – sie war das einzige Bret, woran er sich im Sturm halten konnte. Sein einziges Bestreben mußte nun darin bestehen, seinen Vorrang in der Gunst der Königin nicht nur zu behaupten, sondern noch zu erhöhen – er mußte Elisabeths Günstling bleiben, oder Schiffbruch leiden an Ehre und Glück. Alle andere Rücksichten mußten für jetzt beseitigt werden und selbst die sich ihm aufdringenden Gedanken, die ihm Emma's Bild vor die Seele stellten, unterdrückte er dadurch, daß er sich beredete, es werde später noch Zeit sein, daran zu denken, wie er sich endlich aus diesem Labyrinthe befreien wolle.
In dieser Stimmung nahm der Graf von Leicester seinen Platz im Staatsrath Elisabeths ein, und in derselben Stimmung setzte er sich neben sie auf den Ehrenplatz, während der Spazierfahrt auf der Themse, nachdem die Geschäftsstunden vorüber waren. Nie entwickelte er seine Talente als Politiker ersten Ranges vortheilhafter, als gerade an diesem Tage, und spielte nie seine Rolle als vollendeter Hofmann besser. Zufällig war in der an jenem Tage gehaltenen Sitzung des Staatsraths die Angelegenheit der unglücklichen Maria besprochen worden, welche fast schon seit sieben Jahren in englischer Gefangenschaft schmachtete. Es wurden in Elisabeths Staatsrathe von Sussex und Andern zu Gunsten dieser unglücklichen Fürstin Ansichten aufgestellt und mit kräftigen Gründen unterstützt, die sich mehr auf das Völkerrecht und die Verletzung der Gastfreundschaft bezogen, als für Elisabeths Ohr angenehm zu hören waren, obgleich sie Alles milderten und sich mit den Verhältnissen entschuldigten. Leicester vertheidigte die entgegengesetzte Meinung mit großer Lebhaftigkeit und Beredtsamkeit, und stellte die Nothwendigkeit eines fernern strengen Gewahrsams der schottischen Königin, als eine für die Wohlfahrt des Reiches und insbesondere für die Sicherheit von Elisabeths geheiligter Person durchaus erforderliche Maßregel dar; denn er behauptete, das kleinste Haar von ihrem Haupte verdiene von Seiten der Lords mehr Berücksichtigung, als das Wohl oder Wehe einer Nebenbuhlerin, die, nachdem sie eitle und unbegründete Ansprüche auf den englischen Thron gemacht, selbst jetzt noch, wo sie mitten in Elisabeths Landen in Gewahrsam gehalten werde, die stete Hoffnung aller Feinde Ihrer Majestät sowohl innerhalb als außerhalb des Landes sei. Er schloß damit, daß er die Lords um Verzeihung bat, wenn er im Eifer der Rede irgend Jemand zu nahe getreten sei; doch die Sicherheit der Königin sei ein Gegenstand, der ihn über seine gewöhnlichen Grenzen der Mäßigung in den Debatten hinausführe.
Elisabeth verwies ihm, obgleich nicht ernstlich, daß er zu großes Gewicht auf ihre persönlichen Interessen lege; erklärte aber dessenungeachtet, daß, da es dem Himmel gefallen habe, das Wohl ihrer Unterthanen mit diesen Interessen zu vereinigen, sie nur ihre Pflicht zu thun glaube, wenn sie zu ihrer Selbsterhaltung solche Maßregeln ergreife, die ihr die Umstände selbst aufdrängten, und wenn es der Staatsrath in seiner Weisheit für nöthig halte, der Person ihrer unglücklichen Schwester von Schottland fortwährend einige Beschränkungen aufzuerlegen, so hoffe sie, man werde sie nicht tadeln, wenn sie die Gräfin von Shrewsbury ersuche, sie so milde zu behandeln, als sich nur immer mit der Sicherheit ihrer Person vereinigen lasse.
Nie hatte man Leicester bereitwilliger Platz gemacht, als da er durch die vollsten Vorsäle des königlichen Palastes eilte, um die Monarchin zu ihrer Barke an den Fluß zu begleiten. Nie erscholl der Ruf der Thürsteher lauter: »Platz, Platz für den edlen Grafen!« – nie wurde dieser Zuruf rascher und ehrerbietiger befolgt – nie waren die Augen ängstlicher auf ihn gerichtet, um einen Blick der Gunst, oder auch nur der Wiedererkennung zu erhaschen, während manchem demüthigen Anhänger theils aus Verlangen ihm Glück zu wünschen, theils aus Furcht zudringlich zu erscheinen, das Herz klopfte. Der ganze Hof betrachtete den Erfolg dieser Audienz, den man mit so vielen Zweifeln und Besorgnissen erwartet hatte, als einen entscheidenden Triumph Leicesters, und hielt sich versichert, daß die Planetenbahn der ihn begleitenden Trabanten, wenn auch nicht gänzlich durch seinen Glanz verdunkelt, doch nun in einen entfernteren Kreis zurückweichen müsse. So dachten die Höflinge vom höchsten bis zum niedrigsten und richteten darnach ihr Benehmen ein.
Nie erwiderte dagegen Leicester die allgemeinen Ehrfurchtsbezeugungen mit mehr zuvorkommender und herablassender Höflichkeit, nie war er je eifriger bemüht (um mit den Worten eines Mannes zu reden, der ihm damals nahe stand) »von allen Volksklassen goldene Meinungen einzusammeln.«
Für Jeden hatte der begünstigte Graf eine Verbeugung, ein Lächeln wenigstens, ja oft ein freundliches Wort bereit, meistens an Höflinge gerichtet, deren Namen längst im Strome der Vergessenheit untergegangen sind; doch befanden sich Einige darunter, deren Namen in unsern Ohren seltsam klingen, wenn sie in Gemeinschaft mit den Gegenständen des gemeinen Lebens genannt werden, über welche sie die Dankbarkeit der Nachwelt längst erhoben hat. Hier einige von Leicesters flüchtig hingeworfenen Reden:
»Guten Morgen, Poynings, wie befinden sich Eure Frau und Eure hübsche Töchter? Warum kommen sie nicht an den Hof? – Adams, mit Eurem Gesuch ist es nichts – die Königin will keine Monopole mehr bewilligen – doch vielleicht kann ich Euch auf eine andere Weise dienen. – Mein guter Alderman Aylford, die Bittschrift der City wegen Queenhite werde ich unterstützen, soviel in meinen geringen Kräften steht. – Herr Edmund Spencer, was Euer irländisches Gesuch betrifft, so möchte ich gern helfen, aus Liebe zu den Musen; doch Ihr habt den Großschatzmeister gegen Euch aufgebracht.«
»Mylord,« sagte der Dichter, »wäre es mir nur gestattet, Euch auseinanderzusetzen –«
»Kommt in meine Wohnung, Edmund,« fiel der Graf ein – »nicht morgen oder übermorgen, aber bald. – Ha, William Shakspeare – Du wilder William! – hast meinem Neffen, Philipp Sidney, Liebespulver gegeben, er kann nicht schlafen, ohne Dein Gedicht Venus und Adonis unter dem Kopfkissen zu haben. Wir wollen Dich hängen lassen, als den größten Zauberer in Europa. Höre, Du Erzschelm, ich habe Deine Sache wegen des Patents und der Bären nicht vergessen.«
Der Schauspieler verbeugte sich, der Graf nickte und ging vorüber – so würde jenes Zeitalter etwa erzählt haben – in dem unsrigen könnten wir vielleicht sagen: Der Unsterbliche brachte dem Sterblichen seine Huldigung dar. Der Nächste, den der Günstling anredete, war einer seiner eigenen eifrigsten Anhänger.
»Nun, Sir Francis Denning,« flüsterte er ihm als Antwort auf seinen frohlockenden Gruß zu, »dieses Lächeln hat Dein Gesicht um ein Drittel kürzer gemacht, seit ich es diesen Morgen gesehen. – Ei, Herr Bowyer, tretet Ihr zurück, indem Ihr glaubt, daß ich aufgebracht gegen Euch bin? Ihr thatet diesen Morgen nur Eure Pflicht; und wenn ich mich noch an irgend Etwas von dem erinnere, was zwischen uns vorging, so soll es nur zu Eurer Gunst geschehen.«
Dann näherte sich dem Grafen mit vielfachen phantastischen Begrüßungen ein Mann, seltsam gekleidet in ein Wams von schwarzem, mit carmoisinrothem Atlas besetzten Sammet; und eine lange Hahnenfeder auf der Sammetmütze, die er in der Hand hielt, und ein ungeheurer, nach der abgeschmackten Sitte jener Zeit stark gesteifter Kragen, verbunden mit einer scharfen, lebhaften und dünkelvollen Miene, schien einen eitlen, närrischen Geck und Witzling anzukündigen, während ein Stab in seiner Hand und ein gewisses förmliches Wesen auf das Bewußtsein amtlicher Würde deutete, welches seine natürliche Aufgeräumtheit noch erhöhte. Ein immerwährendes Roth, welches sich mehr mit der spitzigen Nase, als dem schmalen Kinn dieses Ehrenmannes zu thun machte, ließ mehr auf die Freuden der Tafel, als auf Mäßigkeit schließen; und die Art und Weise, wie er sich dem Grafen näherte, bestätigte diesen Verdacht.
»Guten Tag, Herr Robert Laneham,« sagte Leicester und schien geneigt, ohne weitere Unterredung vorwärts zu gehen.
»Ich habe Eurer Herrlichkeit ein Gesuch vorzutragen,« sagte die Gestalt, indem sie ihm kühn folgte.
»Und was ist's, mein guter Herr Geheimerathsthürsteher?«
»Inspector der Thür des Geheimerathszimmers,« verbesserte Robert Laneham mit Nachdruck die Rede des Grafen.
»Nenne Dich, wie Du willst, Freund,« versetzte der Graf; »was willst Du denn von mir?«
»Nun weiter nichts,« antwortete Laneham, »als daß Ew. Herrlichkeit jetzt auch, wie früher, mein guter Lord bleiben und mir die Erlaubniß verschaffen wollen, die Sommerfahrt nach Ew. Herrlichkeit schönem und unvergleichlichem Schlosse Kenilworth mitmachen zu dürfen.«
»Zu welchem Zweck, guter Herr Laneham?« fragte der Graf; »bedenkt, daß ich ohnedies schon sehr viele Gäste bekommen werde.«
»Doch nicht so viele,« entgegnete der Bittsteller, »daß Ew. Herrlichkeit nicht für einen alten Diener ein Plätzchen und ein wenig Nahrung übrig haben sollten; denn bedenkt, Mylord, wie nöthig dieser mein Stab ist, um alle Horcher zu entfernen, die mit dem hochpreislichen Staatsrath Verstecken spielen, und durch Schlüssellöcher und Thürspalten gucken möchten, so daß mein Stab so nothwendig wird, wie eine Fliegenkappe auf der Fleischbank.«
»Mich dünkt, Ihr habt da einen unpassenden Vergleich für den edlen Staatsrath aufgestellt, Herr Laneham,« sagte der Graf, »aber versucht nicht denselben zu rechtfertigen. Kommt nach Kenilworth, wenn Ihr wollt; es werden außerdem schon Narren genug da sein, und so seid Ihr am rechten Orte.«
»Ja, wenn Narren da sind, Mylord,« versetzte Laneham sehr erfreut, »so werde ich gewiß meinen Scherz mit ihnen treiben; denn kein Windhund ist so auf Hasen erpicht, wie ich auf einen Narren. Doch ich habe Ew. Herrlichkeit noch ein anderes Anliegen vorzutragen.«
»Nun so sprich und halte mich nicht auf; denn die Königin muß sogleich kommen,« sagte der Graf.
»Mylord, ich möchte gern meine Gespannschaft mitbringen.«
»Wie, Du unverschämter Schlingel?« rief Leicester.
»Nun, Mylord,« versetzte der nimmer oder vielmehr immer erröthende Bittsteller, »mein Gesuch widerstreitet nicht den kanonischen Gesetzen. Ich habe ein Weib, so neugierig, wie ihre Stamm-Mutter, die den Apfel aß. Nun darf ich sie nicht ohne Erlaubniß mitbringen, weil Ihre Majestät den Hofbeamten strenge verboten hat, bei einer solchen Reise ihre Frauen mitzubringen und das Hoflager mit Weibervolk zu überfüllen. Daher wollte ich Ew. Herrlichkeit bitten, ihr bei irgend einer Mummerei oder einem Prachtaufzug, in welcher Verkleidung es auch sein möge, eine Rolle anzuweisen, so daß es nicht bekannt würde, daß es mein Weib ist und ich dadurch in Strafe käme!«
»Der Teufel hole Euch alle Beide!« rief Leicester, der durch die Erinnerungen, welche diese Worte in ihm erweckten, plötzlich zu heftigster Leidenschaft angespornt wurde, »was haltet Ihr mich mit solchen Thorheiten auf?«
Der erschrockene Geheimerathsthüraufseher erstaunte über den plötzlichen Ausbruch von Unwillen, den er unabsichtlich erregt hatte, ließ seinen Amtsstab aus der Hand fallen und gaffte den ergrimmten Grafen mit der albernen Miene der Verwunderung und des Schreckens an, welche Leicester sogleich wieder zu sich brachte.
»Ich wollte Dich nur auf die Probe stellen, ob Du auch die Kühnheit besitzest, welche zu Deinem Dienste erforderlich ist,« sagte er hastig. »Komm nach Kenilworth und bringe den Teufel mit, wenn Du willst.«
»Mein Weib, Mylord, hat schon früher zur Zeit der Königin Maria in einem geistlichen Schauspiel den Teufel vorgestellt – doch werden wir noch etwas Zubehör brauchen.«
»Gut, da ist eine Krone für Dich,« sagte der Graf. – »Nun mache Dich fort – die große Glocke läutet.«
Herr Robert Laneham war einen Augenblick erstaunt über die Gemüthsbewegung, die er erregt hatte, und sagte dann bei sich selber, indem er langsam seinen Amtsstab erhob: »Der edle Graf ist heute nicht in rosenfarbener Laune; doch Die, welche mit Kronen um sich werfen, verlangen, daß wir ihr auffahrendes Wesen nicht achten; und meiner Treu! wenn die Herren nicht unsere Geduld erkauften, so wollten wir ihnen schon zeigen, was sie sind.«
Leicester schritt hastig weiter, vernachlässigte alle Höflichkeiten, die er bis dahin so freigebig gespendet hatte, eilte durch das Gedränge der Hofleute hindurch und trat in ein kleines Nebenzimmer, um dort allein und ungestört Athem zu schöpfen.
»Wer bin ich denn,« sagte er zu sich selber, »daß mich das elende Geschwätz eines erbärmlichen, kopflosen Wichtes so außer Fassung bringt! Gewissen, du bist ein Bluthund, dessen Gebell sich eben so leicht bei der leisen Bewegung einer Maus oder Ratte, als bei dem Tritte des Löwen erhebt. – Kann ich mich nicht durch einen einzigen kühnen Streich aus einem so qualvollen, unruhigen Zustande befreien? Wie wäre es, wenn ich vor Elisabeth niederkniete, ihr Alles bekennete und sie um Gnade anflehte?«
Als er sich diesem Gedanken hingab, öffnete sich die Thüre des Gemachs und Varney trat ein.
»Gott sei Dank, Mylord, daß ich Euch gefunden habe,« rief er aus.
»Danke es dem Teufel, dessen Agent Du bist,« war des Grafen Antwort.
»Dankt's, wem Ihr wollt, Mylord,« entgegnete Varney, »macht nur, daß Ihr an's Ufer kommt; die Königin ist schon an Bord und fragt nach Euch.«
»Geh' und sag' ihr, ich sei plötzlich unwohl geworden,« antwortete Leicester; »Himmel und Hölle! Mein Gehirn hält es nicht länger aus.«
»Ich werde es ausrichten,« versetzte Varney mit bitterem Lächeln, »denn Euer Platz und der für mich in der königlichen Barke bestimmte ist bereits besetzt. Ihr neues Schooskind Walter Raleigh und unser alter Bekannter Tressilian wurden gerade, als ich forteilte, um Euch aufzusuchen, herbeigerufen unsere Plätze einzunehmen.«
»Du bist ein Teufel, Varney,« sagte Leicester hastig; »doch für jetzt erkenne ich Dir die Meisterschaft zu und folge Dir.«
Varney antwortete nicht, sondern nahm den Weg aus dem Palaste dem Ufer zu, wohin ihm sein Gebieter gleichsam mechanisch folgte, bis er endlich sich umsehend in einem Tone sagte, der an Vertraulichkeit, wenn nicht gar an Autorität grenzte: »Was ist das, Mylord? – Euer Mantel hängt auf der einen Schulter – Eure Knieschnallen sind offen – erlaubt mir –«
»Du bist ein Thor so gut wie ein Schurke, Varney!« sprach Leicester, indem er ihn zurückstieß und seinen Dienst ablehnte, »es ist gut so – wartet bis Wir Eure Dienste bei Unserer Person verlangen, jetzt bedürfen Wir derselben nicht.« Mit diesen Worten nahm der Graf auf einmal seinen gebieterischen Ton wieder an und mit diesem kehrte auch seine Fassung zurück, er warf seine Kleider in noch größere Unordnung als vorher, trat dann mit der Haltung eines Herrn und Gebieters voran und nahm seinen Weg nach dem Ufer zu.
Die Barke der Königin war eben im Begriffe vom Lande zu stoßen. Die Plätze Leicesters und seines Stallmeisters waren in der That schon besetzt; bei Leicesters Annäherung aber entstand eine Pause, als erwarte man eine Aenderung unter der Schiffsgesellschaft. Die Miene der Königin verrieth Verdruß, als sie in dem kalten Tone, unter welchem Höhere ihre innere Gemüthsbewegung zu verbergen suchen, wenn sie mit Leuten reden, in deren Augen sie den Ausdruck derselben für herabwürdigend halten, zu Leicester sagte: »Wir haben gewartet, Mylord von Leicester.«
»Gnädigste Frau und Gebieterin,« versetzte Leicester, »Ihr, die Ihr so manche Schwächen verzeiht, die Euer eignes Herz nicht kennt, werdet jenen Gemüthsbewegungen, die für den Augenblick Geist und Körper ergreifen mögen, Euer Mitleid nicht versagen. – Ich trat heute als angeklagter Unterthan voll bangen Zweifels vor Euer Angesicht; Eure Gnade durchdrang die Wolken der Verleumdung und gab mir meine Ehre, und was mir noch theurer ist, Eure Huld wieder. – Ist es ein Wunder, daß mein Stallmeister mich unglücklicherweise in einem Zustande fand, der mir kaum gestattete, die nöthigen Anstrengungen zu machen, ihm hieher zu folgen, wo ein einziger, obgleich ungnädiger Blick die Macht hatte, mich plötzlich zu heilen?«
»Wie?« rief Elisabeth hastig, indem sie Varney anblickte, »war Euer Lord unwohl?«
»Er hatte einen Anfall von Ohnmacht,« antwortete Varney mit seiner gewohnten Geistesgegenwart, »wie Ihre Majestät aus seinem gegenwärtigen Aussehen schließen können. Mylords Eile gestattete mir nicht einmal, seine Kleider in Ordnung zu bringen.«
»Es hat nichts zu bedeuten,« sagte Elisabeth, indem sie das edle Gesicht und die schöne Gestalt Leicesters anblickte, die selbst die Mischung von Leidenschaften, welche ihn so eben noch bestürmt hatten, nur noch anziehender darstellte: »Macht Platz für den edlen Lord. – Euer Platz, Herr Varney, ist bereits besetzt, Ihr müßt Euch auf der andern Barke einen Platz suchen.«
Varney verbeugte sich und zog sich zurück.
»Und Ihr ebenfalls, junger Mantelritter,« fuhr sie zu Raleigh gewendet fort, »müßt heute in der Barke Unserer Hofdamen Platz nehmen. Was Tressilian betrifft, der hat bereits zu sehr durch Weiberlaune gelitten, als daß ich ihm durch Aenderung meines Planes noch weiteren Kummer verursachen dürfte.«
Leicester nahm hierauf seinen Platz bei der Monarchin ein; Raleigh erhob sich, um sich zurückzuziehen und Tressilian war, in der Hofsitte unerfahren, eben im Begriffe seinem Freunde seinen Platz anzubieten, hätte ihm nicht ein bedeutungsvoller Blick Raleigh's, der nun ganz in seinem eigentlichen Elemente zu sein schien, bemerklich gemacht, daß ihm eine so bereitwillige Verzichtleistung auf die königliche Gunst übel gedeutet werden könnte, er blieb daher schweigend auf seinem Platze, während Raleigh mit einer tiefen Verbeugung und demüthigen Miene im Begriffe war, seinen Platz zu verlassen.
Ein anderer Hofmann, der wackere Lord Willoughby, las, wie er glaubte, im Gesichte der Königin Etwas, was ihm wie Mitleid über Raleigh's wirklichen oder scheinbaren Kummer aussah.
»Es schickt sich nicht für uns ältere Hofleute, den jüngeren den Sonnenschein vorzuenthalten; mit Ihrer Majestät Erlaubniß will ich daher auf eine Stunde dem, was Euren Unterthanen das Theuerste ist, dem Glücke Eurer königlichen Nähe entsagen und mir die Büßung auferlegen, im Sternenlicht zu wandeln, indem ich die Glorie von Dianens eigenen Strahlen auf eine Zeitlang verlasse. Ich will mich auf das Boot zu den Hofdamen begeben und diesem jungen Cavalier seine Stunde ersehnten Glückes nicht verkümmern.«
Die Königin antwortete halb scherzend, halb ernst: »Wenn Ihr so bereitwillig seid, Uns zu verlassen, Mylord, so müssen Wir die Kränkung so gut ertragen, wie Wir können. Doch mit Gunst – so alt und erfahren Ihr Euch auch haltet – Unsern jungen Hofdamen vertrauen Wir Euch deshalb doch nicht an. Euer ehrwürdiges Alter, Mylord,« fuhr sie lächelnd fort, »wird besser zu dem Unseres Großschatzmeisters passen, aus dessen Erfahrung selbst die Eurige noch einigen Vortheil ziehen könnte.«
Lord Willoughby verbarg seinen Verdruß unter einem Lächeln, verbeugte sich, lachte, wurde verlegen und verließ die Barke der Königin, um sich auf das Boot des Lord Burleigh zu begeben. Leicester, welcher sich bemühte seine Gedanken von allem tieferen Nachdenken abzuziehen, indem er sie auf das richtete, was um ihn her vorging, beobachtete unter Anderem auch diesen Vorfall. Doch als das Boot vom Ufer stieß – als die Musik von der nachfolgenden Barke ertönte – als der Freudenruf des Volkes von der Küste gehört wurde, erinnerte ihn Alles an die Lage, worin er sich befand, er wendete seine Gedanken vermöge einer heftigen Anstrengung von allem Andern ab, außer von der Nothwendigkeit, sich in der Gunst seiner Beschützerin zu erhalten, und wendete seine Kunst zu gefallen mit solchem Erfolge an, daß die Königin, entzückt über seine Unterhaltungsgabe und zugleich um seine Gesundheit besorgt, ihm mehrmals Schweigen auferlegte, damit, wie sie sich halb scherzend, halb besorgt ausdrückte, der Strom seiner guten Laune ihn nicht erschöpfen möge.
»Mylords,« sagte sie, »da Wir Unserm guten Leicester ein kurzes Schweigen aufzuerlegen geruht haben, so wollen Wir Euch einen scherzhaften Gegenstand vortragen, der sich mehr zu einer Verhandlung bei fröhlicher Laune und Musik, als zu dem Ernste Unserer gewöhnlichen Berathungen eignet. – Wer von Euch, Mylords,« fragte sie lächelnd, »weiß Etwas von der Bittschrift Orson Pinnit's, des Aufsehers Unserer königlichen Bären, wie er sich nennt? Wer steht Gevatter bei dieser Bittschrift?«
»Das thue ich, mit ihrer Majestät Erlaubniß,« sagte der Graf von Sussex. – Orson Pinnit war ein tüchtiger Soldat, ehe er durch das Messer des irländischen Clan Mac Donough verstümmelt wurde, und ich bin der Ueberzeugung, daß Ihr eine gnädige Königin gegen Eure Diener sein werdet.«
»Gewiß, das ist Unser Vorsatz,« erwiderte die Königin, »und ganz besonders gegen Unsere alten Soldaten und Matrosen, die um geringen Sold ihr Leben wagen. Lieber wollten Wir,« rief sie mit funkelnden Augen, »Unsern königlichen Palast dort ihnen zum Hospital einräumen, als daß sie Uns eine undankbare Gebieterin sollten nennen können. – Doch davon ist nicht die Rede,« fuhr sie fort, indem die Sprache ihrer patriotischen Gefühle plötzlich in den Ton munterer Unterhaltung überging; »das Gesuch Orson Pinnits geht etwas weiter. Er beklagt sich nämlich, daß durch das große Vergnügen, welches die Leute in den Schauspielhäusern finden, und durch das große Hinzudrängen zu den Vorstellungen eines gewissen William Shakspeare, von dem Ihr, Mylords, gewiß schon oft werdet gehört haben, – die männliche Belustigung der Bärenhetze ganz in Verfall gerathe, indem sich die Leute lieber zu diesen thörichten Schauspielern drängen, die sich nur im Scherze stellen, als ob sie einander tödten, anstatt Unsere königlichen Doggen und Bären sich im blutigen Ernste zerreißen zu sehen. Was sagt Ihr dazu, Mylord Sussex?«
»Nun in der That, gnädigste Frau,« erwiderte Sussex, »von einem alten Soldaten, wie ich bin, dürft Ihr nicht erwarten, daß er den Scheingefechten das Wort rede, wenn sie mit ernsthaften Kämpfen verglichen werden. Dennoch wünsche ich William Shakspeare nicht gern etwas Böses. Ungeachtet der arme Kerl hinkt, so stellt er doch, wie man sagt, auf Knittel und Schwert seinen Mann und hat sich gegen die Wildhüter des alten Sir Thomas Lucy von Charlecot wacker gehalten, als er in seinen Park eingebrochen war und die Tochter des Aufsehers küßte.«
»Halt, Mylord von Sussex,« fiel die Königin ein; »die Sache ist vor Unserm Staatsrath zur Sprache gekommen und Wir wollen nicht, daß sein Vergehen übertrieben werde. Es ist von keinem Küssen die Rede, und der Angeklagte hat jetzt vor Gericht geleugnet. – Doch was sagt Ihr zu seinen jetzigen Vorstellungen auf der Bühne? denn darauf kommt es an und nicht auf seine früheren Verirrungen, Einbrüche in Thiergärten, und die übrigen Thorheiten, wovon Ihr redet.«
»Nun, wie gesagt, Madame,« erwiderte Sussex, »ich wünsche dem närrischen tollen Burschen nichts Böses. Einige von seinen Teufelspoesien klangen mir im Ohr, als ob sie in's Feld zum Ausmarsch bliesen; aber dann ist Alles wieder eitel Schaum und Thorheit – kein Ernst, kein Gewicht darin, – wie Ihre Majestät schon sehr richtig angedeutet haben. Was bedeutet denn ein halbes Dutzend lumpiger Burschen mit rostigen Schwertern und zerbrochenen Schilden, die nur zum Scherz fechten, gegen das königliche Spiel einer Bärenhetze, die Ihr gleich Euren königlichen Vorfahren in Euren besondern Schutz genommen habt? – Spiele, die durch ihre unvergleichlichen Bullenbeißer und ihre kühnen Bärenwärter in der ganzen Christenheit berühmt geworden sind. Es ist sehr zu befürchten, daß die Racen ausarten werden, wenn sich die Leute lieber herzudrängen zu einem müßigen Schauspieler, seinen übertriebenen Unsinn hervorbrüllen zu hören, anstatt ihren Pfennig dafür auszugeben, um das treffliche Bild des Krieges mit anzusehen, das sich nur immer in Friedenszeiten darstellen läßt – und das sind die Belustigungen im Bärengarten. Da sieht man den Bären mit seinen rothen blitzenden Augen auf der Lauer liegen, wie er den Angriff des Hundes erwartet, gleich einem listigen Feldherrn, der sich im Vertheidigungsstande hält, damit der Angreifende in Versuchung gerathe, sich eine Blöße zu geben. Und dann kommt der Bullenbeißer, wie ein muthiger Kämpe und springt in vollem Laufe seinem Gegner an die Gurgel – dann aber lehrt ihn Herr Braunpelz, was Dem zu Theil wird, der im Uebermaß des Muthes die Kriegslist bei Seite setzt; er umarmt ihn und drückt ihn an die Brust wie ein kräftiger Ringer und eine Rippe nach der andern kracht wie ein Pistolenschuß. Nun kommt ein anderer Bullenbeißer, ebenso kühn aber vorsichtiger und packt Herrn Braunpelz unter der Schnauze an, während dieser schäumend und blutend umsonst bemüht ist, ihn von sich abzuschütteln. Und dann –«
»Bei meiner Ehre, Mylord,« sagte die Königin lachend, »Ihr habt das Ganze so unübertrefflich geschildert, daß, wenn Wir auch nie eine Bärenhetze gesehen hätten, was doch schon oft der Fall war, und, so Gott will, noch oft geschehen wird, Eure Beschreibung hinreichen würde, Uns den ganzen Bärengarten vor Augen zu stellen. Nun aber, wer hat nach Euch zunächst seine Meinung abzugeben? Was sagt Ihr dazu, Mylord von Leicester?«
»Bin ich denn nun von meinem Maulkorbe befreit, gnädige Frau?« entgegnete Leicester.
»Ja, Mylord – wenn Ihr nämlich Muth genug fühlt, an Unserer Jagd Theil zu nehmen,« antwortete die Königin; »und doch, wenn ich an Euer Wappen denke, mit dem Bären und dem Knotenstabe, so glaube ich, Wir hätten besser gethan, einen weniger parteiischen Redner in die Schranken zu rufen.«
»Nein, auf mein Wort, gnädigste Königin,« sagte der Graf, »wenn auch mein Bruder Ambrosius von Warwick und ich das alte Wappen führen, welches Ihre Majestät zu erwähnen geruhen, so wünsche ich doch von allen Seiten ehrliches Spiel. Was die Schauspieler betrifft, so muß ich sagen, daß es witzige Schelme sind, deren Späße und närrische Einfälle das Volk abhalten, sich um Staatsangelegenheiten zu bekümmern, hochverrätherischen Einflüsterungen das Ohr zu leihen und eitlen Gerüchten und bösem Rathe Gehör zu geben. Wenn sie die Darstellungen Marlow's, Shakspeare's und anderer Schauspieler mit offenem Maule angaffen und sie ihre wunderlichen Complotte ausspinnen sehen, so wird dadurch der Geist der Zuschauer von der Handlungsweise ihres Monarchen abgezogen.«
»Wir wollen aber nicht, daß die Augen Unserer Unterthanen von der Betrachtung Unserer Handlungsweise abgezogen werden,« antwortete Elisabeth; »denn je genauer sie untersucht wird, um so klarer müssen die wahren Beweggründe Unserer Handlungen hervortreten.«
»Bei alledem habe ich gehört, gnädigste Frau,« sagte der Dechant von St. Asaph, ein eifriger Puritaner, »daß diese Schauspieler bei ihren Vorstellungen nicht nur gemeine, unsittliche Reden führen, die zur Sünde und Ausschweifung verlocken, sondern, daß sie auch über die Regierung, den Ursprung und Zweck derselben Bemerkungen machen, die bei den Unterthanen Unzufriedenheit erregen und die feste Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft erschüttern. Daher scheint es, mit Ihrer Majestät Wohlnehmen, durchaus nicht heilsam, diesen leichtfertigen, unverschämten Gesellen zu erlauben, die Gottesfürchtigen wegen ihres inständigen Ernstes lächerlich zu machen, ihre irdischen Herrscher zu verunglimpfen und den göttlichen und menschlichen Rechten Hohn zu sprechen.«
»Könnten Wir glauben, daß dies wahr sei, Mylord,« sagte Elisabeth, »so würden Wir dergleichen Vergehungen gewiß streng bestrafen. Doch es ist Unrecht gegen den Gebrauch einer Sache zu eifern, nur weil Mißbrauch damit kann getrieben werden. Und was diesen Shakspeare betrifft, so glauben Wir, daß in seinen Stücken Dinge enthalten sind, die so viel werth sind, als zwanzig solcher Bärengärten, und daß dieses neue Unternehmen seiner geschichtlichen Darstellungen, wie er sie nennt, nicht nur Unsern Unterthanen, sondern auch künftigen Generationen eine anständige, fröhliche und nützliche Unterhaltung gewähren kann.«
»Die Regierung Ihrer Majestät wird keiner so schwachen Hülfsmittel bedürfen, um selbst im Andenken der spätesten Nachwelt fortzuleben,« sagte Leicester. »Und doch hat Shakspeare einige Ereignisse aus der glücklichen Regierung Ihrer Majestät auf eine solche Weise erwähnt, daß es dasjenige aufwiegt, was der hochwürdige Dechant von St. Asaph angeführt hat. So sind z. B. einige Strophen – ich wollte, mein Neffe Philipp Sidney wäre hier, der sie beständig im Munde führt – in einer wunderbaren Feengeschichte enthalten, voll Liebeszaubereien und Gott weiß, wovon noch weiter; doch soviel ist gewiß, daß sie schön sind, obgleich sie in Rücksicht auf den Gegenstand, auf den sie sich kühn beziehen, nur mangelhaft erscheinen müssen, Philipp sagt sie, glaube ich, selbst im Traume her.«
»Ei, Ihr peinigt Uns auch zu sehr, Mylord,« sagte die Königin. »Herr Philipp Sidney ist, wie Wir wissen, ein Liebling der Musen, was Uns sehr lieb ist. Tapferkeit erscheint nie in glänzenderem Lichte, als wenn sie mit Geschmack und Liebe zu den Wissenschaften vereint ist. Doch gewiß gibt es unter Unsern jungen Hofleuten Einen, der sich der Verse erinnert, welche Mylord bei wichtigeren Angelegenheiten vergessen hat. – Herr Tressilian, Ihr seid mir als ein Verehrer Minervens geschildert – erinnert Ihr Euch nicht dieser Verse?«
Tressilian's Herz war zu schwer, seine Hoffnungen zu grausam vernichtet, um die gebotene Gelegenheit zu benutzen, die Aufmerksamkeit der Königin auf sich zu ziehen. Er beschloß aber, diesen Vortheil seinem ehrgeizigeren jungen Freunde zuzuwenden, und sagte, indem er Mangel an Gedächtniß vorschützte, die schönen Verse, welche der Graf von Leicester erwähnt habe, werde Herr Walter Raleigh wahrscheinlich auswendig wissen.
Auf Befehl der Königin recitirte dieser Cavalier die berühmte Vision des Oberon mit solchem Ausdrucke, daß die Zartheit und Schönheit des Gedichtes dadurch noch mehr hervorgehoben wurde:
Zugleich sah ich (du konntest's nicht)
Zwischen dem kalten Monde und der Erd'
Cupid' einher in vollen Waffen fliegen,
Er zielt' mit sicherm Blick auf eine schöne
Vestalin, die im Westen thront, und sendet'
Mit solcher Allgewalt den Pfeil vom Bogen,
Als sollt' er hunderttausend Herzen spalten;
Doch sah ich Amors feuriges Geschoß
Im keuschen Silberschein des Monds erlöschen,
Und die geweihte königliche Jungfrau
Ging weiter, reinen Sinnes, liebefrei.
In Raleighs Stimme war beim Schlusse dieser Zeilen ein leises Zittern bemerkbar, als sei er ungewiß, wie die Monarchin, der diese Huldigung galt, sie aufnehmen würde. Wenn diese Ungewißheit Verstellung war, so war sie ganz am rechten Orte, wo nicht, so war wenig Grund dazu vorhanden. Ohne Zweifel waren diese Verse der Königin nicht neu, denn wann blieben je so elegante Schmeicheleien dem Ohre einer Fürstin, für die sie bestimmt waren, lange vorenthalten? Doch waren sie darum nicht minder willkommen, da Raleigh sie so schön vorgetragen hatte. Gleich entzückt von dem Gegenstande, wie von dem Vortrage der anmuthigen Gestalt und dem belebten Gesichte des jungen Redners, begleitete Elisabeth jeden Tonfall mit Blicken und Bewegungen der Finger. Als Raleigh geendet hatte, murmelte sie die letzten Zeilen vor sich hin, indem sie kaum zu wissen schien, daß sie gehört werde, und als sie die letzten Worte:
»Und die geweihte königliche Jungfrau
Ging weiter, reinen Sinnes, liebefrei.«
aussprach, warf sie die Bittschrift des königlichen Bärenwärters Orson Pinnit's in die Themse, um zu Sheerneß, oder wo die Fluth sie sonst hintreiben würde, eine günstigere Aufnahme zu suchen.
Durch den glücklichen Erfolg des jungen Höflings wurde Leicester zum Wetteifer angespornt, wie sich ein alter Renner erhebt, wenn ein feuriges junges Roß ihn im Laufe überholt. Er lenkte die Unterhaltung auf Festspiele, Bankete, Prunkaufzüge und die Charaktere, welche damals in diesen fröhlichen Scenen auftraten. Er vermischte scharfsinnige Bemerkungen mit leichter Satyre in jenem richtigen Verhältniß, welches zwischen boshafter Verleumdung und abgeschmacktem Lobe in der Mitte stand, ahmte treffend die gesuchten und plumpen Manieren mehrerer Personen nach, wodurch sich die Anmuth seines eigenen Benehmens, wenn er sie wieder annahm, doppelt vortheilhaft zeigte. Fremde Länder – ihre Sitten und Gebräuche – ihre Hofregeln – die Moden, ja selbst die Kleidung der Damen – Alles dies mußte Stoff dazu liefern – und selten schloß er eine Rede über einen Gegenstand, ohne der jungfräulichen Königin mit Gewandtheit etwas Verbindliches zu sagen. Auf diese Weise unterhielt man sich auf dieser Lustfahrt, wo Jedermann bemüht war, in wechselnden Gesprächen, mit Bemerkungen über alte Classiker und neuere Schriftsteller untermischt, der Monarchin auf angenehme Weise die Zeit zu vertreiben, während die anwesenden Staatsmänner und Gelehrten die leichtere Unterhaltungsweise eines weiblichen Hofes mit ihren politischen und moralischen Maximen bereicherten.
Als sie in den Palast zurückkehrten, nahm oder wählte Elisabeth Leicester's Arm, um sie von der Treppe, wo sie landeten, zu dem großen Thore zu führen. Ja, es schien ihm, (oder war es nur eine Täuschung seiner Phantasie) als ob sie sich während dieses kurzen Weges mehr auf ihn stütze, als die Schlüpfrigkeit des Pfades erforderte. Soviel aber war gewiß, daß ihre Handlungen und Worte vereint einen so hohen Grad von Wohlwollen für ihn aussprachen, wie ihm bis dahin noch nie zu Theil geworden war. Zwar wurde sein Nebenbuhler auch mehrmals mit der königlichen Aufmerksamkeit beehrt, doch schien dieselbe nicht sowohl aus freier Neigung, als aus der Anerkennung seiner Verdienste hervorzugehen. Und nach der Meinung vieler erfahrenen Hofleute wurde alle Gunst, die sie ihm zu Theil werden ließ, dadurch aufgehoben, daß sie der Lady Derby zuflüsterte, jetzt sehe sie, daß die Krankheit ein besserer Alchymist sei, als sie bisher geglaubt habe, da sie des Grafen von Sussex Kupfernase in eine goldene verwandelt habe.
Der Scherz blieb nicht verschwiegen, und der Graf von Leicester genoß seines Triumphes wie Einer, dessen vorzüglichstes Lebensprincip Hofgunst gewesen war, während er im Rausche des Augenblicks die Verwickelungen und Gefahren seiner eigenen Lage vergaß. So seltsam es auch erscheinen mag, dachte er doch in jenen Augenblicken weniger an die Gefahren seiner geheimen Vermählung, als an die Gnadenbeweise, welche Elisabeth dem jungen Raleigh von Zeit zu Zeit zu Theil werden ließ. Zwar waren dieselben nur vorübergehend, wurden aber einem jungen Manne gewährt, der an Geist und Körper gleich ausgezeichnet, mit Anmuth, feiner Lebensart, wissenschaftlicher Bildung und Tapferkeit ausgerüstet war. Am Abend dieses Tages fand ein Vorfall Statt, der Leicesters Aufmerksamkeit wiederholt auf diesen Gegenstand lenkte.
Die Hofleute, welche die Königin auf ihrer Lustfahrt begleitet hatten, wurden mit königlicher Gastfreiheit zu einem glänzenden Bankete im Palaste eingeladen. Zwar wurde die Tafel nicht mit der Gegenwart der Königin beehrt, weil nach ihren Begriffen von Würde und Schicklichkeit die jungfräuliche Königin bei solchen Gelegenheiten ihr mäßiges Mahl allein, oder mit einer oder zwei begünstigten Damen in ihren Privatzimmern einzunehmen pflegte. Nach kurzer Zwischenzeit versammelte sich der Hof auf's Neue in dem prächtigen Garten des Palastes. Hier wendete sich die Königin plötzlich an eine Dame, die neben ihr stand, und vor Allen von ihr begünstigt wurde, mit der Frage, was aus dem jungen Ritter Ohnemantel geworden sei?
Lady Paget antwortete, sie habe vor wenigen Augenblicken Herrn Raleigh gesehen, wie er am Fenster eines kleinen auf die Themse hinausgehenden Pavillons gestanden und mit einem Diamantring Etwas in die Scheibe eingegraben habe.
»Jener Ring,« versetzte die Königin, »war ein kleines Andenken, welches ich ihm zum Ersatz für seinen verdorbenen Mantel gab. Kommt, Paget, wir wollen sehen, welchen Gebrauch er davon machte; schon durchschaue ich ihn – es ist ein sehr sinnreicher Kopf.«
Sie gingen an den Ort, in dessen Nähe der junge Cavalier noch umherwandelte, gleich dem Vogelsteller, der das von ihm ausgestellte Netz im Auge behält. Die Königin trat an das Fenster, in welches Raleigh mit ihrem Geschenke folgenden Vers eingegraben hatte:
»Gern möcht' ich klimmen, doch ich fürcht' den Fall.«
Die Königin lächelte und las den Vers zum zweiten Mal für sich allein. »Ein hübscher Anfang,« sagte sie, nachdem sie einige Augenblicke nachgedacht hatte; »doch mich dünkt, die Muse hat den jungen Mann gerade beim Beginn seiner Arbeit verlassen. Nicht wahr, Lady Paget, es wäre ein gutes Werk, den Vers für ihn zu vollenden? Versucht einmal Euer poetisches Talent.«
Lady Paget, die von der Wiege an so prosaisch gewesen war, wie nur je eine königliche Kammerfrau vor oder nach ihr gewesen ist, versicherte, es sei ihr durchaus unmöglich, dem jungen Dichter nachzuhelfen.
»Wohlan denn, so müssen Wir wohl selber den Musen opfern,« sagte Elisabeth.
»Der Weihrauch könnte auch von Niemand willkommener sein,« sagte Lady Paget; »Ihre Majestät wird sich die Göttinnen des Parnasses so sehr verpflichten –«
»Still, Paget,« versetzte die Königin, »das heißt, die unsterblichen Neun lästern; – doch, selbst Jungfrauen, sollten sie nicht eine königliche Jungfrau erhören? – Laßt sehen, wie lautete doch der Vers:
Gern möcht' ich klimmen, doch ich fürcht' den Fall,
Könnte man nicht, in Ermangelung eines bessern, als Antwort hinzusetzen:
Fehlt Dir der Muth, so klimm' nicht überall.«
Die Hofdame stieß einen Ausruf der Freude und des Entzückens aus über einen so glücklichen Schluß, und gewiß hat schon mancher schlechtere Vers Beifall gefunden, selbst wenn er von einem weniger ausgezeichneten Verfasser kam.
Auf diese Weise ermuthigt zog die Königin einen Diamantring vom Finger und sagte: »Wir wollen dem galanten Herrn eine Ursache zur Verwunderung geben, wenn er sein Couplet ohne sein Zuthun vollendet sieht.« Darauf schrieb sie ihren eigenen Vers unter den des Raleigh.
Die Königin verließ den Pavillon mit langsamen Schritten, und als sie sich umblickte, sah sie den jungen Cavalier pfeilschnell an den Ort hineilen, wo er die Damen hatte verweilen sehen. Sie blieb stehen, um zu beobachten, ob er in die Falle ging, und zog sich dann mit Lady Paget, über den Vorfall lachend, langsam in den Palast zurück. Elisabeth gebot der Lady Paget gegen Niemand zu erwähnen, daß sie dem jungen Dichter einen solchen Dienst geleistet, und Lady Paget versprach die strengste Verschwiegenheit. Doch ist zu vermuthen, daß sie sich vorbehielt zu Gunsten Leicesters eine Ausnahme zu machen, denn sie theilte ihm augenblicklich den Vorfall mit, der durchaus nicht geeignet war ihm Freude zu machen.
Indessen schlich Raleigh an das Fenster zurück und las mit hohem Entzücken die ihm von der Königin selber gegebene Aufmunterung, seine ehrgeizige Laufbahn zu verfolgen und kehrte dann zu Sussex und seinem Gefolge zurück, die im Begriff waren sich einzuschiffen und den Strom hinaufzufahren, indem sein Herz von den kühnsten Hoffnungen erfüllt war.
Die dem Grafen schuldige Achtung verhinderte ihn, die ihm bei Hofe zu Theil gewordene Aufnahme zu erwähnen, bis man an's Land stieg, und das ganze Gefolge sich in der großen Halle zu Says-Court versammelte. Der Graf hatte sich, von seiner letzten Krankheit und den Anstrengungen des heutigen Tages erschöpft, auf sein Zimmer zurückgezogen und ließ Wayland zu sich rufen. Dieser war indeß nirgends zu finden, und während Einige von dem Gefolge ihn mit militärischer Ungeduld aufsuchten und wacker auf ihn fluchten, umringten die Uebrigen Raleigh, um ihm zu seinen Aussichten auf Hofgunst Glück zu wünschen.
Er besaß Zartgefühl und Klugheit genug, den wichtigen Umstand mit dem Couplet, wozu Elisabeth einen Reim gefunden hatte, zu verschweigen; doch auch aus andern Umständen ging deutlich hervor, welche Fortschritte er in der Gunst der Königin gemacht habe. Alle beeilten sich, ihm zu den Hoffnungen, die sich ihm eröffnet hatten, Glück zu wünschen. – Einige aus wirklicher Theilnahme, Andere vielleicht in der Hoffnung, seine Beförderung könne die ihrige beschleunigen, die Meisten aus beiden Gründen und aus der Ueberzeugung, daß diese Gunst, die sie einem von Sussex' Anhängern bewiesen, in der That ein Triumph für sie Alle sei. Raleigh dankte Allen herzlich und bemerkte mit Bescheidenheit, daß man darum noch kein Günstling zu nennen sei, wenn man auch einen Tag eine günstige Aufnahme gefunden, sowie eine Schwalbe keinen Sommer mache. Doch da er bemerkte, daß Blount nicht in die allgemeinen Glückwünsche einstimme, fühlte er sich durch seine anscheinende Kälte etwas verletzt und fragte ihn geradezu nach der Ursache.
Blount erwiderte mit gleicher Aufrichtigkeit: »Mein guter Walter, ich wünsche Dir ebensoviel Gutes, wie diese plappernden Gesellen, die Dir Glückwünsche in die Ohren rufen, weil Du mit günstigem Winde zu segeln scheinst. Aber ich bin für Dich besorgt, Walter (und er trocknete eine Thräne aus seinem treuen Auge), ich bin von ganzem Herzen für Dich besorgt. Diese Hofränke, Luftsprünge und unzuverlässigen Irrlichter von Weibergunst sind die Teufelskünste, wodurch schon manches schöne Vermögen in Pfennige verwandelt und manches hübsche Gesicht, mancher vorwitzige Thor zur Bekanntschaft mit dem Block und dem Henkerbeil gekommen ist.«
Nach diesen Worten stand Blount auf und verließ die Halle, während Raleigh ihm mit einem Ausdruck nachsah, der auf einen Augenblick seine lebhaften und kühnen Gesichtszüge verfinsterte.
In diesem Augenblick trat Stanley in die Halle und sagte zu Tressilian: »Mylord verlangt nach Eurem Diener Wayland; dieser ist soeben in einem Nachen angekommen und wünscht mit Euch zu reden, ehe er zu Mylord geht. Er sieht sehr verwirrt aus und mich dünkt, Ihr würdet wohl thun, gleich nach ihm zu sehen.«
Tressilian verließ sogleich die Halle und befahl Wayland in ein Nebenzimmer zu ihm zu führen, und als Licht hereingebracht war, bemerkte er mit Befremden eine auffallende Gemüthsbewegung in den Zügen desselben.
»Was ist Dir, Wayland?« fragte Tressilian: »hast Du den Teufel gesehen?«
»Noch etwas viel Schlimmeres, mein Herr,« versetzte Wayland, »ich habe einen Basilisken gesehen. – Gott sei Dank, ich sah ihn zuerst und er mich nicht, und so wird er am wenigsten Unheil anrichten können.«
»Um Gotteswillen! sprich vernünftig,« sagte Tressilian, »und erkläre, was Du meinst.«
»Ich habe meinen alten Meister gesehen,« sagte der Künstler. »Gestern Abend zeigte mir ein neuer Freund die Uhr im Palaste, da er glaubte, daß mich dergleichen interessire. An dem Fenster des Thürmchens, nahe bei dem Uhrwerk, sah ich meinen alten Meister.«
»Du mußt Dich notwendig geirrt haben,« sagte Tressilian.
»Ich habe mich nicht geirrt,« sagte Wayland. »Wer einmal seine Gesichtszüge kennt, wird ihn unter Millionen herausfinden. Er war phantastisch gekleidet, doch kann er sich nicht vor mir verbergen, wie ich es, Gott sei Dank, vor ihm kann. Ich will indeß die Vorsehung nicht versuchen und in seiner Nähe bleiben. Der Schauspieler Tarleton selber könnte sich nicht so verkleiden, daß Doboobie ihn nicht früher oder später sollte ausfindig machen. Ich muß morgen fort; denn so wie wir mit einander stehen, würde es mir den Tod bringen, wollte ich in seinem Bereiche bleiben.«
»Aber der Graf von Sussex?« fragte Tressilian.
»Der ist jetzt außer Gefahr mit Hülfe der Arznei, die er genommen; wenn er nur jeden Morgen nüchtern soviel wie eine Bohne groß von meinem Gegengift einnimmt, – doch muß er sich vor einem Rückfall in Acht nehmen.«
»Und wie kann er das?« fragte Tressilian.
»Blos durch solche Vorsichtsmaßregeln, wie man sie gegen den Teufel selber anwenden würde,« antwortete Wayland. »Mylords Küchenmeister darf nur selbstgeschlachtetes Fleisch auf den Tisch bringen und kein anderes Gewürz dazu nehmen, als was er aus den zuverlässigsten Händen hat. Der Vorschneider muß die Gerichte selber auftragen und Mylords Haushofmeister Acht haben, daß Beide, sowohl der Küchenmeister als der Vorschneider, die Schüssel kosten, die der Eine bereitet hat und der Andere aufträgt. Der Graf darf sich keiner wohlriechenden Sachen, keiner Salbe, noch Pomade bedienen, wenn sie nicht von den zuverlässigsten Personen kommen. Er darf nicht mit Fremden trinken, oder Früchte mit ihnen essen, weder Mittags, noch zu irgend einer andern Zeit. Besonders aber muß er diese Vorsicht gebrauchen, wenn er nach Kenilworth geht – mit seiner Krankheit und der ihm vorgeschriebenen Diät wird er sich genugsam entschuldigen können.«
»Und Du,« fragte Tressilian, »was denkst Du selber anzufangen?«
»Lieber nach Frankreich, nach Spanien, Ost- oder Westindien fliehen,« sagte Wayland, »als mein Leben im Bereich dieses Doboobie, Demetrius, oder wie er sich sonst nennen mag, auf's Spiel setzen.«
»Gut,« sagte Tressilian, »das trifft sich nicht ungelegen – ich habe Geschäfte für Dich in Berkshire, doch auf der entgegengesetzten Seite von der Gegend, wo Du bekannt bist, und schon ehe Du diesen neuen Grund zu Deiner Entfernung gefunden hattest, dachte ich Dich mit einem geheimen Auftrage dorthin abzusenden.«
Der Künstler erklärte sich bereit, seine Befehle auszurichten, worauf Tressilian, welcher wußte, daß er mit seinem Geschäft bei Hofe wenigstens zum Theil bekannt sei, ihm offenherzig das Ganze auseinandersetzte, der Verabredung zwischen ihm und Giles Gosling erwähnte und ihm erzählte, was Varney heute im Audienzzimmer versichert und Leicester bestätigt habe.
»Du siehst,« fuhr er fort, »wie ich in meiner Lage auf die Schritte dieser gewissenlosen Menschen, Varneys und seiner schändlichen Helfershelfer Foster und Lambourne, und nicht minder auf die des Grafen von Leicester selber ein scharfes Auge haben muß, der, wie ich vermuthe, in dieser Angelegenheit nicht bloß der Betrogene, sondern auch zum Theil der Betrüger ist. Hier ist mein Ring, als sicheres Kennzeichen für Giles Gosling – hier ist auch Gold, welches verdreifacht werden soll, wenn Du mir treulich dienst. Und nun fort nach Cumnor und sieh' zu, was dort vorgeht.«
»Ich gehe mit doppelt gutem Willen,« sagte der Künstler, »fürs Erste, weil ich Euer Gnaden dadurch einen Dienst leiste, da Ihr so gütig gegen mich seid, und dann um meinem alten Meister zu entfliehen, der, wenn er auch nicht der leibhaftige Teufel selber ist, doch soviel in Willen, Wort und Handlung von dem Teufel an sich hat, als nur je die Menschheit befleckte. – Und doch mag er sich vor mir hüten. Ich fliehe ihn jetzt wie früher; doch wenn er mich durch wiederholte Verfolgung reizen sollte, so will ich mich gleich dem schottischen wilden Stiere umwenden und alle meine Wuth und meinen Haß an ihm auslassen. – Wollt Ihr befehlen, edler Herr, daß mein Pferd gesattelt werde? Ich will indeß dem Grafen seine Arzneimittel in die gehörigen Portionen vertheilt nebst einigen Anweisungen zustellen. Sein Wohl wird dann von der Vorsorge seiner Freunde und Diener abhängen – vor den Folgen der Vergangenheit ist er sicher; doch mag er sich vor der Zukunft hüten.«
Schmied Wayland machte darauf seinen Abschiedsbesuch bei dem Grafen von Sussex, ertheilte ihm Vorschriften über seine Diät und die künftig in Hinsicht derselben zu treffenden Vorsichtsmaßregeln, und verließ Says-Court ohne den Morgen abzuwarten.