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Einundzwanzigstes Kapitel.

Mordaunt hatte die Schildwachen, die seit Mitternacht auf dem Posten standen, noch vor der Morgendämmerung ablösen lassen, und sich in ein kleines Vorzimmer zurückgezogen, wo er sich, mit den Waffen neben sich, einem kurzen Schlummer überlassen wollte. Da fühlte er sich plötzlich am Mantel gezogen, in den er sich gehüllt hatte,

»Wie? schon Sonnenaufgang?« rief er, sich rasch erhebend, und sah die ersten Strahlen flach am Horizonte.

»Mordaunt,« sprach eine Stimme, deren Ton sein Herz durchdrang.

Er schlug die Augen auf ... und siehe, Brenda Troil stand vor ihm; aber er erschrak heftig über den Ausdruck von Kummer und Angst, den ihre blassen Wangen, ihre bebenden Lippen und tränenschweren Augen zeigten, und die Worte erstarben ihm auf der Zunge...

»Mordaunt,« sprach sie, »Du mußt mir und Minna einen Dienst erweisen, – mußt uns erlauben, das Haus zu verlassen, ohne daß es jemand gewahr werde; denn wir müssen uns zu den aufrechten Steinen von Stennis begeben.«

»Welche Grille, Brenda?« rief Mordaunt, über ihr Verlangen höchlich erstaunt, – »Zeit und Stunde sind zu gefährlich und Eures Vaters Gebot zu strenge, als daß ich Euch ohne seine Einwilligung hinauslassen könnte. Bedenke, liebe Brenda! ich bin Soldat, bin auf dem Posten, und meiner Ordre muß ich gehorchen.«

»Mordaunt,« entgegnete Brenda, »es ist jetzt nicht Zeit zu scherzen, Minnas Verstand, ja ihr Leben hängt davon ab, daß Du uns diese Erlaubnis erteilst.«

»Und in welcher Absicht will sie dorthin?« fragte Mordaunt.

»Sie will sich dort mit Cleveland treffen,« antwortete Brenda kurz und bündig.

»Mit Cleveland?« rief Mordaunt, nach seiner Büchse greifend, »wagt sich der Elende ans Land, so soll er mit einem Kugelregen begrüßt werden.«

»Sein Tod brächte Minna zum Wahnsinn,« entgegnete Brenda, »und auf den, der Minna kränkt, wird Brenda nie mehr mit freundlichen Blicken schauen.«

»Aber es ist ja Tollheit!« rief Mordaunt, – »bedenkt doch Eure Ehre, Eure Pflicht!«

»Nichts kann ich bedenken, als die Gefahr, in der Minna schwebt,« antwortete Brenda, in eine Flut von Tränen ausbrechend; »ihr früherer Zustand ist nichts im Vergleich zu dem, was sie diese Nacht gelitten. In ihrer Hand hält sie seinen Brief, mit flammenden Worten geschrieben, worin er sie um eine letzte Zusammenkunft beschwört, wenn sie anders wünsche, einen sterblichen Körper und eine unsterbliche Seele zu retten, – er bürge für ihre Sicherheit, würde aber unter keiner Bedingung die Küste verlassen, bis er sie noch einmal gesehen. – Du mußt uns hinaus lassen.«

»Unmöglich,« erwiderte Mordaunt in maßloser Verlegenheit, »an Schwüren fehlt's dem Raufbold wohl nie, aber welche Bürgschaft hat er sonst zu bieten? – Ich kann Euch nicht hinauslassen.«

»Ich vermute fast,« entgegnete Brenda vorwurfsvoll, »daß was Norna über Dich und Minna äußerte, auf Wahrheit beruht, und daß Du auf den Elenden zu eifersüchtig bist, um ihm vor seiner Abreise noch eine Zusammenkunft mit Minna zu gestatten.«

»Du bist ungerecht,« sprach Mordaunt, den ihr Argwohn kränkte, ihm aber auch wieder schmeichelte, »Du weißt, daß Minna mir nur als Deine Schwester teuer ist. Sprich, aber aufrichtig, Brenda, wenn ich Euch hinauslasse – traust Du der Versicherung des Piraten?«

»Allerdings habe ich Mißtrauen gehegt,« antwortete Brenda, »ist er doch wild und unglücklich; aber in dieser Rücksicht, glaube ich, können wir ihm vertrauen.«

»Soll die Zusammenkunft bei den Steinen bei Tagesanbruch stattfinden?« fragte Mordaunt weiter.

»So ist es, und die Zeit ist da,« entgegnete Brenda; »um des Himmels willen, laßt uns hinaus!«

»Ich selbst,« fuhr Mordaunt fort, »will die Schildwache an der Vordertür auf einige Minuten ablösen und Euch den Ausgang gestatten. – Hoffentlich werdet Ihr diese schlimme Zusammenkunft tunlichst abkürzen?«

»Das wollen wir allerdings,« sagte Brenda, »und Du Deinerseits wirst gewiß den Umstand, daß sich der Unglückliche hierher wagte, nicht benutzen wollen, ihm zu schaden oder ihn zu ergreifen?«

»Niemand soll ihm etwas anhaben, auf Ehre!« entgegnete Mordaunt, »sofern er sich ruhig verhält.«

»Ich rufe also meine Schwester!« rief Brenda und eilte hinaus.

Mordaunt überdachte einen Augenblick lang die Lage; dann trat er zu der Schildwache an der Vordertür und schickte sie auf die Hauptwache mit der Weisung an den dortigen Führer, seine ganze Mannschaft unter Waffen treten zu lassen. Kaum hatte sich die Schildwache entfernt, als die Vordertür leise geöffnet wurde, und Minna und Brenda in ihre Mäntel gehüllt erschienen. Schweigend, Minna mit gesenkten Augen, schritten sie vorüber...

Die Schwestern waren ihm bald aus dem Gesicht gekommen; Minna, deren Schritte bisher schwach und schwankend gewesen, richtete sich jetzt auf und eilte so schnell vorwärts, daß Brenda kaum zu folgen vermochte, aber umsonst die Bitte an sie richtete, ihre Kräfte nicht zur Unzeit zu erschöpfen.

»Keine Bange, Schwester,« versetzte Minna: »nur niedergesenkten Hauptes und schwankenden Schrittes konnte ich einhergehen, so lange noch ein Mann mich sehen konnte, der nur mit Mitleid oder Verachtung auf mich blicken kann. Aber Du weißt es, Brenda, und auch Cleveland soll es wissen, daß meine Liebe zu dem Unglücklichen rein war wie die Strahlen der Sonne, die ich zu Zeugen rufe, daß ich ihm, winkte mir nicht die Hoffnung, ihn von seinem furchtbaren Gewerbe abzubringen, um keinen Preis der Welt diese Zusammenkunft bewilligt hätte.«

Sie waren jetzt auf der Höhe angelangt, die den Blick auf die hohe See eröffnet, und sahen nun, jenseits des staunenerregenden Denkmals der aufrechten Steine aus grauer Vorzeit, zu ihren Füßen, unfern der sogenannten Brücke von Breisgar, ein wohlbemanntes Boot, und am Strande eine in einen Seemantel gehüllte Mannsfigur...

»Es sind ihrer viele, und alle sind bewaffnet,« flüsterte Brenda,

»Fürchte keine Verräterei von ihm,« sagte Minna, »einer solchen ist er nicht fähig.«

Bald erreichten sie nun die Mitte des Kreises, der von hohen Säulen aus rund umher aufrecht stehenden Steinen gebildet wurde.

Brenda, von unaussprechlicher Furcht und Angst überwältigt, blieb ein Paar Schritte zurück, hielt ängstlich Clevelands Bewegungen im Auge, hatte aber für nichts rings umher Augen, als für ihn und ihre Schwester.

Cleveland trat bis auf zwei Schritte zu Minna heran, den Blick auf den Boden gesenkt haltend. Totenstille herrschte, bis Minna in einem festen, aber schwermütigen Tone begann: »Unglücklicher, weshalb diese neuen Schmerzen? Ziehe hin in Frieden! möge Dich der Himmel fortan einen bessern Pfad führen, als Du bisher wandeltest.«

»Der Himmel wird mich nicht leiten, außer durch Deine Stimme,« entgegnete Cleveland, – »wild und roh kam ich her, kaum ahnend, daß mein Gewerbe, so gefürchtet es ist, in den Augen von Gott und Menschen verbrecherischer sei, als das Eure durch Gesetz geschützten Kaper, Ich war in dem Gewerbe geboren, und wäre wohl auch ohne Dich darin gestorben, kühn und entschlossen, wie es meinem Temperament entspricht. Darum stoße mich nicht von Dir! Denn ich will gut machen, was ich verbrach – laß Dein gutes Werk mich ganz vollenden!«

»Cleveland,« rief Minna, »ich will Euch nicht vorenthalten, daß Ihr meine Unerfahrenheit mißbrauchtet, die Euer schändliches Gewerbe in Einklang setzte mit den Taten unserer alten Helden. Ach, als ich Eure Genossen sah, da zerstiebte dieser Wahn wie Spreu! – Geht, Cleveland, macht Euch los von Euren elenden Gefährten; seid überzeugt, daß, wenn der Himmel Euch die Gnade verleihen sollte, das gutzumachen, was Ihr gesündigt habt, auf diesen einsamen Inseln Augen, die jetzt nur Kummerzähren vergießen, Freudentränen weinen werden.«

»Und wäre das alles?« fragte Cleveland; »darf ich nicht hoffen, wenn ich mich von meinen Kameraden trenne – wenn ich um meine Begnadigung gekämpft, mich rühmen kann, meine Sünden gut gemacht zu haben, – darf ich dann nicht hoffen, daß Minna vergeben wird, was mir Gott und Vaterland verziehen?«

»Nie, Cleveland, nie,« entgegnete Minna fest und bestimmt; »auf dieser Stelle trennen wir uns – und zwar auf immer und ohne Zögern. Gedenkt meiner wie einer Toten, wenn Ihr bleibt, was Ihr seid; schlagt Ihr aber, wozu Euch Gott seine Gnade verleihen möge, einen andern Lebensweg ein, dann gedenkt meiner wie einer Freundin, deren Morgen- und Abendgebete für Euer Glück Zum Himmel emporsteigen, ob sie gleich das Ihrige für immer verlor, – Lebt Wohl, Cleveland, lebt wohl!«

Er kniete nieder, von seinen eigenen bittern Gefühlen überwältigt, um die Hand zu ergreifen, die sie ihm entgegenhielt; da sprang plötzlich sein Kamerad Bunce mit nassen Augen hinter einer der Steinsäulen hervor ... »Nie,« rief er, »sah ich auf der Bühne eine so rührende Abschiedsszene; aber mich soll der Teufel holen, wenn Ihr abtretet, wie Ihr es Euch vorgenommen!«

Und noch ehe Cleveland Widerstand leisten, ja ehe er sich aus seiner knieenden Stellung erheben konnte, warf ihn Bunce rücklings zu Boden, während ihn zwei andere bei Armen und Beinen packten und zum Strande hin schleppten. Minna und Brenda schrien laut auf und wollten entfliehen; Derrick aber packte Minna, wie ein Habicht die Taube, während Bunce mit einem Fluche, der seiner Meinung nach beruhigend wirken sollte, Brenda auf die Arme hob, und nun eilten sie, von den übrigen Piraten gefolgt, dem Boote zu––– sie sollten aber ihr schändliches Vorhaben nicht glücklich zu Ende führen; denn Mordaunt hatte die Wache nicht zwecklos unter Gewehr treten lassen, sondern in der Absicht, die Schwestern zu beschützen. Die Bewegungen der Piraten waren ihm nicht entgangen, und als er sie in so großer Zahl ihr Boot verlassen und zu dem Orte der Zusammenkunft hinschleichen sahen, witterte er Verrat und warf sich unbemerkt durch einen Hohlweg zwischen Piraten und Strand. Mit der Wut eines Tigers stürzte er jetzt auf Bunce, der seine Beute nicht lassen mochte, aber unfähig, sich mit seiner Last zu verteidigen, sich so wandte, daß Brenda den Hieben ausgesetzt war, mit denen Mordaunt ihn bedrohte. Nach kurzer Weile lag er aber, von Mordaunts Gewehrkolben getroffen, bewußtlos auf dem Boden. Die Piraten, die Cleveland hielten, ließen ihn los, um sich selbst zu verteidigen oder zurückzuziehen. Dadurch aber vermehrten sie die Zahl ihrer Feinde, denn Cleveland, Minna in Derricks Armen erblickend, entriß sie dem Raufbold mit der einen Hand, während er mit der andern sein Pistol auf ihn abdrückte. Noch andere Piraten fielen oder gerieten in Gefangenschaft, die übrigen eilten zu dem Boote und stießen ab. Mordaunt aber traf, sowie er die Mädchen dem Hause zueilen sah, mit gezogenem Säbel auf Cleveland zu.

Der Pirat hielt ihm sein Pistol entgegen ... »Mordaunt,« rief er, »nie noch fehlte ich mein Ziel!« dann schoß er es in die Luft ab und schleuderte es in die See, zog seinen Säbel, schwang ihn um sein Haupt und schleuderte ihn der Pistole nach. Mordaunt, auf ihn zutretend, stellte ihm die Frage, ob er sich gefangen geben wolle.

»Ich ergebe mich nicht,« antwortete der Piratenkapitän; »aber Ihr seht, ich habe meine Waffen von mir geworfen.«

Auf der Stelle ward er nun von einigen Orkadiern ergriffen, ohne daß er irgendwie Widerstand leistete. Mordaunts Dazwischenkunft aber verhinderte, daß er rauh behandelt oder gebunden wurde. Man brachte ihn in eine sichre Oberstube des Stenniser Hauses und stellte eine Schildwache vor die Tür; Bunce und Fletcher wurden ebenfalls dorthin gebracht, die beiden Gemeinen aber in den Keller gesteckt.

Magnus Troil war über die Rettung seiner Töchter und die Gefangennahme der Feinde so außer sich vor Freude, daß er ganz vergaß, nach den Umständen zu fragen, die seine Kinder in diese neuerliche Gefahr gesetzt hatten, sondern nur Mordaunt innig und wiederholt an sein Herz drückte und bei den Gebeinen des heiligen Magnus schwor, daß, wenn er auch tausend Töchter hätte, ein so mutiger Bursche und treuer Freund die Wahl unter ihnen allen haben solle, möchten die alte Glowrowrum und die ganze Insel schwätzen, was sie wollten.

Eine Szene ganz anderer Art fand unterdes in dem Gemach des unglücklichen Cleveland und seiner Kameraden statt. Cleveland saß am Fenster, den Blick auf die See gerichtet. Jack Bunce begann zu begreifen, daß die Rolle, die er gegen seinen Kapitän gespielt habe, so gut auch die Absicht war, weder gut ausgefallen sei, noch Beifall finden werde; Fletcher dagegen lag, dem Anschein nach in halbem Schlummer, auf einem Rollbett und verzichtete auf jegliche Teilnahme an der Unterredung, die jetzt stattfand.

Aber so sprecht doch mit mir, Cleveland,« begann der reuige Leutnant, »wäre es auch nur, um mich über meine Dummheit zu schelten.«

»Ich bitte Dich, schweig und laß mich in Ruh,« entgegnete Cleveland, »ist's nicht genug, daß Du mich durch Deine Verräterei zu Grunde richtest? willst Du mich auch noch mit Deinem Geschwätz stören? Nie hätte ich geglaubt, Jack, daß Du auch nur einen Finger gegen mich aufheben konntest; Dir traute ich allein von allen Männern und Teufeln in jener Hölle dort.«

»Ich einen Finger gegen Euch aufheben?« sagte Bunce. »Wenn ich es tat, geschah es aus Liebe zu Euch, und um Euch zu dem glücklichsten Kerl zu machen, der je das Verdeck beschritt. Euer Herzliebchen neben Euch und fünfzig rüstige Burschen unter Eurem Befehl! Da, Dick Fletcher könnte bezeugen, daß alles in guter Absicht geschah, wenn er nicht daläge wie ein holländisches Kuff, das auf den Strand gezogen worden, repariert zu werden. Auf, Dick, und führe das Wort für mich! Nun, willst Du nicht?«

»Je nun, Jack Bunce,« antwortete Fletcher mit matter Stimme und erhob sich mit großer Schwierigkeit; »ich möchte Wohl, wenn ich nur könnte – ich weiß, Du sprachst und handeltest immer für das Beste – jetzt aber ist es für mich recht schlimm ausgefallen – denn sieh her, ich verblute mich.«

»Du wirst doch kein solcher Esel sein,« rief Jack Bunce, ihm zu Hilfe eilend, und Cleveland folgte seinem Beispiel, aber menschliche Hilfe kam zu spät, – Fletcher sank auf sein Lager zurück, wandte sein Gesicht ab und verschied, ohne noch einen Seufzer hören zu lassen.

»Ich hielt ihn immer für einen verdammten Narren,« sagte Bunce, aus seinen Augen eine Träne wischend, »aber nicht für einen so ausgemachten Dummkopf, sich so leicht auf die Leimrute locken zu lassen... Nun, mein bester Kamerad ist hin!«

Cleveland sah nieder auf den Toten, dessen rauhe Gesichtszüge von der Todesangst keine Veränderung erlitten... »Ein Bullenbeißer,« sprach er, »von der besten Rasse; besser geraten, hätt's einen bessern Kerl gegeben.«

»Das könnt Ihr auch von andern Leuten sagen,« rief Bunce, »wenn Ihr ihnen sonst Gerechtigkeit widerfahren lassen wollt.«

»Das könnte ich allerdings, und zumal in Bezug auf Dich, entgegnete Cleveland. »Nun, so sprecht: Jack, ich verzeihe Dir,« fuhr Bunce fort, »ein kleines Wort nur ist's, und leicht gesprochen.«

»Ich vergebe Dir von ganzem Herzen,« sagte Cleveland, der wieder seine Stellung am Fenster eingenommen hatte; »um so mehr, da Deine Torheit nur wenig zu sagen hatte, – der Morgen ist gekommen, der uns allen Verderben bringen muß.«

»Wie? gedenkt Ihr etwa noch der Prophezeiung des alten Weibes, von der Ihr spracht?« fragte Bunce.

»Sie wird bald in Erfüllung gehen,« antwortete Cleveland. »Tritt hierher! Wofür hältst Du jenes große, breit aufgetakelte Schiff, das dort im Osten das Vorgebirge umschifft und in die Bai von Stromneß steuert?«

»Ich weiß nicht so recht, was ich davon zu halten habe,« sagte Bunce, »der alte Goffe drüben scheint zu glauben, es sei ein Westindienfahrer mit Rum und Zucker beladen; schaut hin, er kappt, Gott verdamm mich! das Ankertau und macht Jagd darauf.«

»Statt die Untiefen zu suchen, seine einzige Schutzwehr,« fiel Cleveland ein. – »Der Narr, der trunkene Dummkopf! ihm wird heiß genug eingeschenkt werden, denn da drüben ist die Halkyons-Fregatte. – Schau hin, sie zieht die Flagge auf und gibt ihm eine volle Ladung. Bald wird's mit dem Piratenschiff zu Ende sein! – Hoffentlich werden sie es bis auf die letzte Planke verteidigen; der Bootsmann ist ein tüchtiger Kerl, und das ist auch Goffe, wenn auch sonst ein eingefleischter Teufel. – Nun rennen sie auf und davon mit allen Segeln. Das ist vernünftig.«

»Sie ziehen die schwarze Flagge auf, mit dem Totenkopf und Stundenglas. Das zeugt von Mut.«

»Auch unser Stundenglas ist gestellt, Jack, auch unser Sand verrinnt! – Frisch zugefeuert jetzt, ihr rüstigen Burschen; lieber tiefe See und blaue Luft als Strick und Galgen!«

Eine kurze Totenstille trat ein; die Schaluppe, obgleich hart bedrängt, hielt noch immer stand, endlich kamen die beiden Schiffe dicht aneinander, und man sah deutlich, daß das königliche Schiff die Schaluppe entern, nicht aber in den Grund bohren wollte, vermutlich um das geraubte Gut, das sich im Piratenschiff befinden könne, vor Untergang zu retten.

»Jetzt dran, Goffe und Bootsmann!« rief Cleveland, so als ob seine Befehle auf seinem Schiffe hörbar seien ... »jeder Mann an seinen Posten – gebt volle Ladung, so wie ihr unter ihrem Bauche liegt; auf und davon dann, wie eine Wildgans! – Dummköpfe ihr, – die Segel flattern, sie sind aus dem Winde gekommen, und die Mannschaft der Fregatte entert!«

Und so war es; in überwältigender Ueberzahl sah Cleveland die Mannschaft der Fregatte an Bord der Schaluppe springen, sah ihre blanken Säbel in der Sonne blitzen ... da hüllte plötzlich eine dichte schwarze Rauchwolke, die vom Bord des genommenen Schiffes aufstieg, alles in Finsternis.

» Exeunt omnes,« sprach Bunce mit gefalteten Händen.

»Und dahin ist Schiff und Mannschaft!« setzte Cleveland hinzu.

Doch der Rauch verteilte sich, und es trat zu Tage, daß das Werk nur halb vollbracht war, daß Mangel an Pulver das verzweiflungsvolle Unternehmen der Piraten, Schaluppe und Fregatte in die Luft zu sprengen, vereitelt hatte.

Der Kampf war vorüber. Fregatt-Kapitan Weatherport sandte einen Offizier mit ein paar Mann nach Stennis hinüber, die Auslieferung der dort gefangenen Piraten, insonderheit Clevelands und Bunces, des Kapitäns und des Leutnants, fordernd.

Gegen solche Forderung gab es keinen Widerspruch, so sehr auch Magnus Troil vielleicht wünschen mochte, daß das Dach, unter dem er weilte, wenigstens Cleveland eine Freistatt gewährte. Aber der Offizier hatte gemessene Befehle, Kapitän Weatherports Absicht sei, auch die übrigen Gefangenen ans Land zu setzen und sämtlich nach Kirckwall zu transportieren, wo sie von der Zivilobrigkeit, bevor man sie nach London vor das Admiralitätsgericht brächte, verhört werden sollten. Magnus blieb nur übrig, um gute Behandlung für Cleveland zu bitten, was ihm der Offizier versprach. Gern hätte der redliche Udaller Cleveland ein paar trostreiche Worte gesagt, aber er konnte keine Worte finden ....

»Alter Freund,« sagte Cleveland, »Ihr mögt über manches Klage zu führen haben, – aber Ihr habt Mitleid mit mir, statt mir zu grollen; um der Euren und um Euretwillen werde ich keinem menschlichen Wesen mehr ein Leid antun, auch mir nicht! Nehmt meine letzte Hoffnung, meine letzte Versuchung!« – Bei diesen Worten zog er ein Taschenpistol aus seinem Busen und reichte es dem Udaller hin ... »Gedenkt meiner bis – aber nein – vergeßt mich alle! alle! – Ich bin Euer Gefangener, Herr!« sprach er dann, zu dem Offizier gewandt.

»Ich auch,« fügte Bunce hinzu; »und ein theatralisches Wesen annehmend, deklamierte er mit freilich unsichrer Stimme:

Benehmt Euch, Hauptmann, wie ein Mann von Ehre,
Entfernt den Pöbel, daß ich Raum gewinne
Zu sterben, wie es einem Helden ziemt.


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