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Das Triumphgeschrei Hektors klang in seiner kriegerischen Art fast wie ein Schlachtgeschrei. Aber als er mit einem Päckchen in der Hand die Treppe hinaufeilte und rief: »Lang lebe ein alter Soldat! hier kommt der alte Edie mit einem ganzen Haufen guter Nachrichten!« – da war es klar, daß seine gegenwärtige Ursache zum Jubelgeschrei nur angenehmer Art sein konnte. Er übergab Oldbuck den Brief, schüttelte Sir Arthur die Hand und wünschte mit all der offenherzigen Freude eines Hochländers Fräulein Wardour Glück.
Der Gerichtsvollzieher, der eine Art instinktiver Furcht vor Kapitän M'Intyre hatte, trat dicht an seinen Gefangenen und hatte ein wachsames Auge auf die Bewegungen des Soldaten.
»Bilden Sie sich nicht ein, daß ich mich an Ihnen vergreifen will, Sie Schmierfink,« sagte der Soldat, »da ist 'ne Guinea für die Angst, die ich Ihnen eingejagt habe.«
Der Gerichtsvollzieher (einer von den Hunden, die sich auch schließlich vor einem schmutzigen Bissen nicht ekeln) fing die Guinea auf, die Hektor ihm ins Gesicht schnippte, und wartete nun neugierig, was für eine Wendung die Dinge nehmen würden. Inzwischen wurden von allen Seiten Fragen laut, die zu beantworten jedoch niemand Eile hatte.
»Was ist denn los, Kapitän M'Intyre?« fragte Sir Arthur.
»Fragen Sie den alten Edie,« sagte Hektor, »ich weiß nur, daß alles in Ordnung und gut ist.«
»Was bedeutet das alles, Edie?« fragte Fräulein Wardour den Bettler.
»Eure Ladyschaft müssen Monkbarns fragen, denn er hat den Brief.«
»Heil dir im Siegerkranz!« rief der Altertümler, als er einen Blick in den Inhalt des Päckchens getan hatte, und vor Überraschung vergaß er Anstand und Würde, Philosophie und Phlegma und warf seinen Dreispitz in die Luft, von wo er nicht wieder herunterkam, da er an einem Arm des Kronleuchters hängen blieb.
Alle stürmten nun auf ihn ein und begehrten lärmend den Grund zu einer so plötzlichen Verzückung zu wissen – wie beschämt über seine Freude, drehte er sich um, stieg zwei Stufen auf einmal hinauf und stand nun auf der Treppruhe, wo er sich' umdrehte und die erstaunte Zuhörerschaft anredete wie folgt:
»Meine guten Freunde, favete inguis! Um Ihnen Mitteilung machen zu können, muß ich erst – wenn ich logisch verfahren will – selber Bescheid wissen. Mit Ihrer Erlaubnis will ich mich daher in die Bibliothek zurückziehen und diese Papiere prüfen – Sir Arthur und Fräulein Wardour werden die Güte haben, in den Salon zu gehen. Herr Kehraus wird uns einen Aufschub von fünf Minuten geben. Und seien Sie alle gutes Mutes, bis ich wiederkomme, das soll im Augenblick geschehen!«
Was das Päckchen enthielt, kam in der Tat so unerwartet, daß man dem Altertümler sein Entzücken nicht verargen konnte, noch auch sein Verlangen, erst selber sich darüber völlig klar zu werden und es geistig zu verdauen, ehe er es den andern mitteilte.
In der Hülle war ein Brief an Jonathan Oldbuck, Wohlgeboren, folgenden Wortlauts:
Werter Herr!
»An Sie als an den bewährten und geschätzten Freund meines Vaters wende ich mich, da ich durch dringende militärische Pflichten hier zurückgehalten werde. Sie müssen jetzt über die verwirrte Lage unserer Verhältnisse unterrichtet sein, und ich weiß. Sie werden es mit großer Freude vernehmen, daß ich glücklicherweise und unerwartet in die Lage gekommen bin, zur Regelung dieser Verhältnisse wirksamen Beistand zu leisten. Wie ich höre, haben Leute, die früher Sir Arthurs Geschäftsführer gewesen sind, ihm jetzt mit energischen Maßregeln gedroht. Auf den Rat eines achtbaren Geschäftsmannes hier habe ich mir das beigefügte Schreiben verschafft, das meines Erachtens das Verfahren dieser Leute so lange aufhebt, bis ihre Ansprüche gerichtlich festgesetzt und auf den rechtmäßigen Betrag herabgesetzt worden sind. Ich schließe Noten in Höhe von eintausend Pfund bei, damit andre dringende Forderungen bezahlt werden können, und ersuche Sie als Freund den Gebrauch davon zu machen, den Sie bei Ihrer Umsicht für den vorteilhaftesten halten. Sie werden erstaunt sein, daß ich Ihnen so viel Mühe mache, da es natürlicher erschiene, mich in Sachen meines Vaters an diesen selber zu wenden. Aber ich habe noch nicht die Gewißheit, daß ihm die Augen geöffnet sind und daß er einen Mann durchschaut, vor dem Sie, wie ich weiß, ihn oft gewarnt haben und dessen unheilvoller Einfluß in erster Linie zu diesem Unglück geführt hat. Mein Freund, der, wie er sagt, einen Stein bei Ihnen im Brett hat, wird in dem eingeschlossenen Briefe Ihnen einiges Persönliche schreiben. Ich muß diesen Brief nach Tannonburgh schicken, da die Zustände auf dem Postamt in Fairport berüchtigt sind, aber der alte Mann Ochiltree, den besondre Umstände als vertrauenswürdig empfohlen haben, ist unterrichtet, zu welcher Zeit wahrscheinlich die Sendung dort ankommen wird und wird sie abholen und Ihnen zustellen. Ich denke binnen kurzem Gelegenheit zu haben, mich wegen der Ihnen verursachten Umstände persönlich zu entschuldigen, und habe die Ehre zu sein
Ihr sehr ergebner Reginald Gamelyn Wardour. Edinburgh, 6. August 179–.«
Der Altertümler brach rasch das Siegel des eingelegten Umschlags auf, und der Inhalt bereitete ihm Erstaunen und Freude zugleich. Nachdem er sich nach so unerwarteten Nachrichten wieder einigermaßen gefaßt hatte, besichtigte er die andern Papiere sorgfältig, die sich alle auf Geschäfte bezogen – steckte die Noten in sein Notizbuch und schrieb eine kurze Bestätigung, die mit der nächsten Post abgehen sollte, denn er war in Geldsachen sehr gewissenhaft. Dann begab er sich, übervoll von Neuigkeiten, in den Salon hinunter.
»Kehraus,« sagte er, als er eintrat, »Sie müssen machen, daß Sie hier herauskommen mit Ihrer ganzen Sippschaft. Sehen Sie dieses Dokument, Mann?«
»Ein Suspensationsbefehl,« sagte der Gerichtsvollzieher enttäuscht. »Hab mir's ja gleich gedacht, daß es eine sonderbare Sache wäre, einen so hohen Herrn wie Sir Arthur auszupfänden – na ja, dann muß ich schon gehn mit meinen Leuten – und wer bezahlt mir meine Kosten?«
»Die Leute, in deren Auftrag Sie gekommen sind,« versetzte Oldbuck, »das wissen Sie ja auch sehr gut. – Aber da kommt ein andrer Eilbote – dies ist ein Tag der Neuigkeiten.«
Diesmal war es Herr Briefbeutel auf seiner Mähre, und er brachte einen Brief an Sir Arthur und einen an den Gerichtsvollzieher, die beide sofort bestellbare Eilsendungen waren. Der Gerichtsvollzieher öffnete den seinen und bemerkte, Grünhorn und Grinderson wären ja gut genug für die Kosten und der Brief hier enthalte die Weisung, die Pfändung einzustellen. Er verließ daher ohne weitern Aufenthalt das Zimmer.
Sir Arthurs Brief war von Grünhorn und in seiner Art eine Kuriosität. Wir geben ihn mit den Randglossen des würdigen Barons wieder:
»Mein Herr (o, ich bin also nicht mehr sein werter Herr, die Leute sind den Herren Grünhorn & Grinderson nur so lange wert, wie sie im Unglück sitzen) mein Herr, bei meiner Rückkehr vom Lande, wo ich dringende Geschäfte zu erledigen hatte (eine Wette beim Rennen, vermute ich) – vernehme ich zu meiner größten Bestürzung, daß mein Teilhaber in meiner Abwesenheit die Taktlosigkeit hatte, die Angelegenheiten der Herren Goldvogel den Ihren vorgehen zu lassen und Ihnen in ungeziemender Weise zu schreiben. Ich bitte untertänigst um Entschuldigung, auch im Namen Grindersons – (sieh da, er versteht es auch, in seinem und seines Teilhabers Namen zu schreiben!) – und erachte es für unmöglich, daß Sie meinen könnten, ich würde je die beständige Huld und Gönnerschaft, die meine Familie (seine Familie? hol' ihn der Kuckuck, den Hanswurst!) allzeit von der Familie von Knockwinnock erfahren hat, je vergessen können oder mich undankbar zeigen. Aus einer Unterredung, die ich heute mit Herrn Wardour gehabt habe, ersehe ich, daß er sehr erbittert ist, und wie ich zugeben muß, mit vollem Recht. Um nun, soweit in meinen Kräften steht, den Irrtum, über den er sich beschwert, (ein schöner Irrtum, seinen Gönner ins Gefängnis zu bringen), gut zu machen, habe ich diesen Eilbrief abgesandt, um jedes Verfahren gegen Sie oder Ihr Besitztum einzustellen und zu gleicher Zeit meine untertänigste Bitte um Entschuldigung zu übermitteln. Ich habe nur hinzuzusetzen, daß es mit Ihrem Konto bei uns durchaus keine Eile hat und somit zeichne ich, in meinem und Herrn Grindersons Namen, werter Herr (oho, er hat sich ordentlich in einen familiären Ton hineingeschrieben)
Ihr sehr ergebner und untertäniger Diener Gilbert Grünhorn.«
»Schön gesagt, Herr Grünhorn,« sagte Monkbarns. Ich sehe jetzt, es ist ganz vorteilhaft, wenn zwei Anwälte eine Firma haben. Ihr Verhalten gleicht dann dem des Männchens und des Weibchens in einem deutschen Wetterhäuschen. Wenn der Klient schönes Wetter hat, kommt der Herr heraus und wedelt mit dem Schweif wie ein Wachtelhündchen; wenn es schlechtes Wetter ist, kommt der andre Partner heraus und bellt wie ein Bullenbeißer. »Na, da dank' ich doch Gott, daß mein Geschäftsführer noch immer seinen Dreispitz trägt, ein Haus in der Altstadt hat, sich vor einem Pferde ebenso grault wie ich, Sonnabends mal Golf spielt, Sonntags mal in die Kirche geht und, weil er keinen Partner hat, nur für sich um Entschuldigung zu bitten hat, wenn er mal 'ne Dummheit macht.«
Rasch war ein Tisch gedeckt, und die Gesellschaft nahm zu fröhlichem Mahle Platz, selbst Ochiltree bekam einen Seitenplatz in einem großen ledernen Armstuhl.
»Was liest du so eifrig in der Zeitung, Hektor?« fragte im Laufe der Mahlzeit der Altertümler seinen Neffen. »Steht was Wichtiges drin?«
»Nichts Besonderes.« erwiderte dieser. »Aber mein Arm ist nun wieder so gut wie heil, und ich werde dich nun bald von meiner Gesellschaft befreien und in wenigen Tagen nach Edinburgh gehen. Ich lese, daß Major Neville dort angelangt ist. Ich möchte ihn gern sehen.«
»Was für ein Major?« fragte sein Oheim.
»Major Neville, Onkel,« antwortete der junge Soldat.
»Und wer ist dieser Major Neville?« fragte der Altertümler.
»O, Herr Oldbuck,« sagte Sir Arthur, »Sie müssen doch oft in der Zeitung von ihm gelesen haben – ein ausgezeichneter junger Offizier. Aber ich sehe zu meiner Freude, daß Kapitän M'Intyre nicht von Monkbarns weg muß, um ihn zu sehen, denn wie mir mein Sohn schreibt, kommt er mit dem Major nach Knockwinnock, und ich brauche nicht zu sagen, wie glücklich ich mich schätzen werde, die jungen Herren miteinander bekannt zu machen – sofern sie allerdings nicht schon miteinander bekannt sind.«
»Nein, nicht persönlich,« antwortete Hektor, »aber ich habe schon viel von ihm gehört.«
»Haben Sie denn,« warf Edie ein, »noch nicht gehört, daß die Franzosen kommen sollen?«
»Die Franzosen, du Schafskopf?« versetzte Oldbuck. »Bah!«
Dies gab dem Gespräch eine neue Wendung und brachte sie auf die Vaterlandsverteidigung und auf die Pflicht, für das Land, in dem man lebt, zu kämpfen. Dann aber war es Zeit, auseinanderzugehen. Der Altertümler und sein Neffe schieden von Knockwinnock mit den wärmsten Ausdrücken gegenseitiger Wertschätzung und traten den Heimweg an.