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Kreons Strafe

Der König blickte dem zürnenden Wahrsager bebend nach. Er berief die Ältesten der Stadt zu sich und befragte sie, was zu tun sei. »Entlaß die Jungfrau aus der Höhle, bestatte den preisgegebenen Leib des Jünglings!« lautete ihr einstimmiger Rat. Schwer kam es den unbeugsamen Herrscher an nachzugeben. Aber das Herz war ihm entsunken. So willigte er geängstigt darein, den einzigen Ausweg zu ergreifen, der das Verderben, das der Seher verkündigt hatte, von seinem Hause abwälzen könnte. Er selbst machte sich mit Dienern und Gefolge zuerst nach dem Felde auf, wo Polyneikes lag, dann nach dem Grabgewölbe, in welches Antigone verschlossen worden war; im Palaste blieb seine Gemahlin Eurydike allein zurück. Diese vernahm bald auf den Straßen ein Klaggeschrei, und als sie auf den immer lauter werdenden Ruf ihre Gemächer endlich verließ und in den Vorhof ihres Palastes heraustrat, kam ihr ein Bote entgegen, der ihrem Gemahl als Führer nach dem hohen Blachfelde gedient hatte, wo der Leib seines Neffen erbarmungslos zerrissen, bis hieher nicht begraben lag. »Wir beteten zu den Göttern der Unterwelt«, erzählte der Bote, »badeten den Toten im heiligen Bade und verbrannten dann den Überrest seines bejammernswürdigen Leichnams. Nachdem wir ihm aus vaterländischer Erde einen Grabhügel aufgetürmt, gingen wir nach dem steinernen Gewölbe, in das die Jungfrau hinabgestiegen war, ihr Leben dort im elenden Hungertode zu enden. Hier vernahm ein vorangeeilter Diener schon aus der Ferne helltönende Jammerlaute vom Tore des grauenvollen Gemaches her. Er eilte zu unserem Herrn zurück, ihm solches kundzutun. Aber auch zu seinem Ohre war jener betrübte Klagelaut schon gedrungen, und er hatte darin die Stimme des Sohnes erkannt. Wir Diener eilten auf sein Geheiß heran und blickten durch den Felsenspalt. Wehe uns, was mußten wir hier schauen? Tief im Hintergrunde der Höhle sahen wir die Jungfrau Antigone in den Schlingen ihres Schleiers aufgeknüpft und schon entseelt. Vor ihr lag, ihren Leib umschlingend, dein Sohn Haimon, in heulender Wehklage die entrissene Braut bejammernd und des Vaters Untat verfluchend. Inzwischen war dieser vor der Kluft angekommen und wandelte tief aufseufzend durch die offene Türe hinein. ›Unseliger Knabe‹, rief er, ›auf was sinnest du? Was droht uns dein verirrter Blick? Komm heraus zu deinem Vater! Flehend, auf den Knien liegend, beschwöre ich dich!‹ Doch der Sohn starrte ihn in Verzweiflung an und riß ohne Antwort sein zweischneidiges Schwert aus der Scheide; der Vater stürzte zu dem Gewölbe hinaus und entwich dem Stoße. Hierauf bückte der unglückselige Haimon sich über den Stahl und trieb ihn tief durch seine Seite. Er sank, aber noch sinkend schlang er seinen Arm fest um die Leiche der Braut und liegt jetzt tot, wie er die Tote gefaßt hatte, in der Grabeshöhle.« Eurydike hörte diese Botschaft schweigend an und enteilte dann, ohne ein gutes oder böses Wort zu sprechen. Dem verzweifelnden Könige, der von Dienern begleitet, welche die Leiche seines einzigen Sohnes trugen, jammernd in den Palast zurückkehrte, kam die Nachricht entgegen, daß im Innern des Hauses seine Gemahlin entseelt in ihrem Blute liege, mit einer tiefen Schwertwunde im Herzen.


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